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Die Diener der Dunkelheit

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Die Diener der Dunkelheit

Filia löste ihre Augen mühsam von der Stelle, an der Sherra in ihrem Gefängnis entschwunden war. Noch immer konnte sie das Krachen der Lawine unter ihnen hören.

Rahbas und Ceelia waren so tödlich und so schnell, dass es ihr in alle Knochen fuhr. Sie war sich inzwischen sicher, dass sie und Xellos nur noch lebten, weil sie wohl von allen Gegnern die interessantesten für ihre Kontrahenten waren. Sie hatte es in Rahbas Augen gesehen und in Ceelias Worten gehört. Sie und Xellos waren ein Spiegelbild von Rahbas und Ceelias eigenem Dilemma; ein Wesen des Lichts und ein Wesen der Dunkelheit durch das Schicksal verdammt zusammen zu kämpfen. Oder zu sterben, eher.

Xellos starrte Rahbas feindselig an. Er fühlte noch immer den gleichen Hass in sich, der ihn bei ihrer ersten Begegnung befallen hatte. Doch Rahbas war ein Gegner, der ihn schon einmal besiegt hatte. Noch immer konnte er seine Krallen fühlen, die sich plötzlich in ihm verhakt hatten, als er von ihm in der Astral Side aufgespürt worden war. Xellos war ihm direkt in die Arme gelaufen und war ihm unterlegen gewesen. Die Krallen in seinem Körper, die sich wie Widerhaken festzogen; der Schmerz, als sein Innerstes nach außen gekehrt, sein Geist unter einen anderen gezwungen wurde. Und jetzt waren sie wieder Gegner und es sah nur noch schlimmer für ihn und Filia aus.

Xellos packte Filias Hand noch fester.

„Askura?“ fragte er sie knapp.

Filia schüttelte verbissen den Kopf.

Xellos Miene verfinsterte sich noch mehr, während Ceelia und Rahbas sie lauernd anstarrten. Jeden Moment würden sie angreifen. Er konnte Filias Furcht spüren.

„Es hilft nichts“, erinnerte Xellos sie sanft. „Unser Auftrag lautet zu kämpfen.“

„Ich weiß“, erwiderte Filia und dann hörte er ihre Astralstimme leise in seinem Geist: ‚Schon einmal haben wir gemeinsam einen der beiden besiegt. Lass uns Feuer mit Feuer bekämpfen.‘

‚Du selbst hast gesagt, wie gefährlich das ist’, konnte es Xellos sich nicht verkneifen, sie zu erinnern.

‚Das ist wahr.’ Still rief Filia ihre Magie zu sich. ‚Also dürfen wir dann halt einfach nicht die Kontrolle verlieren.’

Ohne ein weiteres Wort streckte Xellos seinen Geist nach ihr aus und zog die heilige Magie vorsichtig zu sich heran.

„Da ihr ja so erpicht darauf zu sein scheint, nicht ohne den anderen zu sterben“, durchbrach in diesem Moment Rahbas affektierte Stimme die Stille „werden wir euch diesen Wunsch jetzt erfüllen.“

Er lächelte mild.

Xellos grinste boshaft zurück und warf dann mit aller Kraft den Ball aus vermischter Magie nach den beiden, den er aus seiner und Filias Kraft geformt hatte.

Ceelia und Rahbas schrien überrascht auf, als das Geschoss mitten unter ihnen explodierte, und Xellos wollte schon mit einem zweiten Angriff nachlegen, als plötzlich die Hölle über sie herein brach.

Filia wusste gar nicht, wie ihr geschah, so schnell zog Xellos sie in die Astral Side und damit durch eine nicht enden wollende Serie von Teleportsprüngen, während Explosion um Explosion hinter ihnen losging. Xellos zog Filia fest an sich, um sie nicht zu verlieren, und fasste erneut nach ihrer Kraft.

Kaum hatte er einen Schutzschild aus vermischter Magie um sie beide hochgezogen, da hatten sie ihn auch bitter nötig, denn er konnte einfach nicht schnell genug ausweichen, um Ceelia und Rahbas gleichzeitig zu entgehen. Diese mussten sich zwar immer zusammen fortbewegen, um ihre Magie verbinden zu können, konnten aber sehr wohl getrennt voneinander und zur gleichen Zeit ihre Geschosse abfeuern.

Ein Schlag Magie traf Xellos Schild und er zerbrach und unter der Wucht schrie Filia auf. Sie wurden geradewegs aus der Astral Side gerissen und krachten auf das Plateau zurück. Xellos hörte Filia wimmern.

„Es nützt nichts“, sagte er grimmig, während er sie mehr auf die Füße zog, als das sie selbst stand. „Ich kann so viel Macht wie ich will dazu geben, wenn dein Magielimit erreicht ist, können wir die Kraft zwischen uns nicht mehr verstärken. Und mit schwarzer Magie alleine kann ich weder Rahbas noch Ceelia verletzen. Sie sind ja praktisch immun dagegen.“

Er starrte auf Filia, deren Gesicht blutverschmiert war und die anscheinend noch nicht wieder ganz bei sich war. Wie sehr sie sich auch anstrengen mochte, gegen eine Shinzoku wie Ceelia, war die Magie eines Drachen ein nichts.

Filia stützend drehte Xellos sich um und sah Rahbas entgegen, der provozierend langsam auf sie zugeschritten kam. An seinem Grinsen konnte Xellos ablesen, dass er genauso gut wie er selbst wusste, dass ihre nächste Flucht Xellos und Filias letzte sein würde.

Schützend schob Xellos Filia hinter sich, während er voll Hass und Gewissheit ihrer beiden Tod auf sie zuschreiten sah.
 

***
 

Weit entfernt in der östlichen Wüste des Kontinents hatte sich die Mittagshitze schwer über das wenige Leben dort gelegt. Die Luft flimmerte über dem Sand und verwischte die Linie des Horizonts.

Ein weitläufiges Gebäude hatte sich dort auf einer Düne ausgestreckt. Es wirkte ein wenig verkommen, so als wären seine früheren Bewohner schon vor einiger Zeit von dort weggezogen.

Ein schmaler Mann lehnte in der gigantischen Eingangstür, die so windschief war, dass man glauben musste, sie würde jeden Moment einstürzen. Er hatte seinen staubigen Reisemantel über eine Schulter zurückgeworfen und von seiner gebräunten Hand baumelte ein alter Sonnenhut zu den Reisestiefeln hinab.

Sein braunblondes Haar schwankte unverhüllt in einer schwachen Brise und berührte gelegentlich die Schultern. Die Haarspitzen wanden sich in Flammen aus, die wie ein Feuerkranz um ihn wogten.

Er sah der zierlichen Frau entgegen, die allein durch die tote Wüste vor ihm wanderte.

„Sieh mal einer an“, sagte er leise zu sich selbst. „Die Jägerin hat sich umgeblickt und gemerkt, dass ihr die eigene Beute auf die Fersen gerückt ist. Und jetzt muss sie bis in die Wüste ziehen, die Arme, um jemand zu finden, der ihr Hilfe gewährt.“

Er hob leicht das Kinn.

Die Frau, welche die Hitze so ganz unberührt ließ, hielt nur wenige Meter von ihm entfernt an. Sie neigte leicht den Kopf zur Begrüßung.

„Seid gegrüßt, Drachenkönig.“

Ihre Stimme verriet die gleiche Wachsamkeit, die ihr Gegenüber innehatte. Das Sonnenlicht glänzte auf ihrer bronzenen Haut.

„Seid gegrüßt, Greater Beast“, antwortete ihr Valbazard, der Feuerdrachenkönig.

Zeras wünschte, sie müsste nicht hier sein und das tun, was sie zu tun gedachte. Es war eine reine Schande, aber letztlich hatte sie nicht vor Rahbas auch nur einen Tag länger auf dieser Welt gewähren zu lassen. Und das hieß ihrer Überzeugung nach, dass sie sich mit dem gefährlichen Wesen vor sich befassen musste.

„Ihr wisst ja bereits“, fing sie ganz unvermittelt an „dass im Moment eine Ryuzoku zu meinen Dienern zählt.“

Der Drache hob eine Braue.

„Ach wirklich? Ja, ich denke, da war ein Gerücht…“

Zeras schnaubte innerlich. Dieser alte Drache wollte sie wohl für dumm verkaufen. Sie wusste ganz genau, was er wusste, und das war so ziemlich alles.

„Sie war einmal eure Priesterin und ihr habt eine Verbindung zu ihr. Ich weiß es, ich habe es gesehen.“ Sie hob würdevoll den Kopf. „Ich vergebe euch eure Neugier und eure Einmischung. Ihr wart ja schon immer schlechte Spione.“

Die Augen des Feuerdrachenkönigs tanzten vergnügt über so viel Frechheit. „Ihr vergebt mir meine Einmischung?“

„Unsere gemeinsamen Feinde befinden sich auf der alten Bergfestung, genauso wie der Drache. Ihr müsst die Zerstörung spüren, die sie anrichten.“ Sie fixierte den Drachenkönig fest mit ihren Augen. „Ich will“, forderte sie fest „dass ihr meiner Dienerin etwas von eurer Kraft gebt über diese Verbindung, die ihr seid gestern mit ihr habt. Damit sie gegen diese Wesen kämpfen kann. Dann“, sagte sie zuckersüß „werde ich euch auch vergeben.“

Der Drachenkönig musterte sie nachdenklich. Diese Mazoku, die ihn auf so unverschämte Weise um Hilfe bat, sagte ihm damit mehr, als sie ihm jemals sagen wollte, das wusste er. Für wie verzweifelt sie die Lage doch halten musste, um ihm solch eine Schwäche zu zeigen.

„Weiß Filia von eurem Plan?“ fragte er sie.

„Natürlich nicht.“ Zeras schnaubte entrüstet. „Ich verrate dem kleinen Drachen doch nicht, was ich vorhabe.“

Valbazard schüttelte den Kopf. „Das ist schlecht. Ich kann ihr zwar meine Kraft schicken, aber wenn sie nicht darauf vorbereitet ist, wird das ein großer Schock für ihren Geist und Körper sein. Möglicherweise tötet es sie.“

Zeras zuckte die Schultern.

„Das Risiko gehe ich für sie ein“, erklärte sie ohne mit der Wimper zu zucken. „Eine tote Dienerin, wenn ich sie ausnahmsweise einmal lebend gebrauchen könnte, wäre zwar ein Desaster, aber wenn jetzt nichts geschieht, stirbt sie so oder so.“

‚Und Xellos wahrscheinlich mit ihr’, schoss es ihr durch den Kopf. Der Gedanke machte sie aggressiv, denn ihn konnte sie kaum so leicht ersetzen wie einen kleinen Drachen.

Valbazard löste sich aus dem Schatten des Eingangstores und kam langsam auf sie zugeschritten.

„Ihr habt Recht“, meinte er und lächelte ins Licht. „Sie wird sterben, ob nun heute oder an einem Tag weit in der Zukunft. Ihr dagegen, Greater Beast…“

‚Nebenbei’, dachte Zeras plötzlich sehr auf der Hut. ‚Mich selbst kann ich auch nicht so leicht ersetzen.’

„Shinzoku zerstören Mazoku“, sagte der Drachenkönig und kam weiter näher. „So sind die Regeln dieser Welt.“

„Wenn Ihr noch lange überlegt, werden es letztendlich die Mazoku sein die siegen“, sagte Zeras. „Wenn auch nicht meine eigene Fraktion. Keiner von uns kann jetzt noch rechtzeitig dort eingreifen. Wenn wir jetzt nichts unternehmen werden die beiden zu stark.“

„Dann müsst Ihr mich Euch schnell töten lassen, Greater Beast“, erwiderte er seelenruhig. „Damit ich danach noch genug Zeit haben werde, um ihr zu helfen.“

Zeras sprang einen Satz zurück und landete geduckt im Sand.

„Das könnte dir so passen, du arroganter Ofenheizer“, fauchte sie wütend und ließ ihre Fangzähne wachsen. „Wenn es um den Preis meiner Existenz gehen soll, dann kann die Welt gleich mit versinken.“

Valbazard blieb stehen und hob fragend die Brauen. Dann lachte er plötzlich.

Verwirrt ließ Zeras ihre Zähne wieder schrumpfen. Sie blinzelte.

„Meine Liebe“, sagte Valbazard schmunzelnd. „Das war doch nur ein Scherz gewesen.“

Zeras erstarrte.

„Ich wusste schon, dass Ryuzoku einen erbärmlichen Humor haben“, murmelte sie. „Aber dass Shinzoku ihn noch übertreffen würden…“

„Ich schätze, wir haben wirklich keine Zeit mehr zu verlieren“, sagte der Flare Lord milde. „Doch wenn ich meiner Dienerin geholfen habe, verspreche ich Euch, dass wir wirklich kämpfen werden.“

„Wer ist hier wessen Dienerin?“ fauchte Zeras, als der Feuerdrachenkönig seine Wahrnehmung von seinem jetzigen Standort zu lösen begann, um nach dem Drachen zu suchen.

In dem Moment da sie spürte, wie er seine Kraft auf den Drachen zu übertragen begann, wandte sich Zeras unvermittelt um und rannte so schnell los, wie sie nur konnte. Ihre zwei Beine wurden zu vier, ihre Haarmähne zu einem dicken Fell und der riesige Wolf, der sie auf der Astral Side war, hetzte im Zickzack über die Wüste davon, als nun ein Schatten die Sonne über ihr verbarg.

Der riesige Drache, welcher der Feuerdrachenkönig war, war vor seinem alten Tempel aufgestiegen und öffnete nun sein Maul.

Zeras wich dem Feuerregen um Haaresbreite aus, der um sie hernieder ging. Ein verbrannter Geruch stieg ihr in die Nase, als ihr das Fell versengt wurde. Sie rannte und rannte und rannte in die Astral Side und immer weiter darin hinweg, bis der Furcht erregende Drache endlich hinter ihr zurückgeblieben war.
 

***
 

Mit einem Mal bestand Filias ganzer Körper aus Feuer.

Sie stand in Flammen und verbrannte doch nicht, aber etwas loderte um sie und in ihr, das sie nie zuvor gekannt hatte. Eine Macht so unglaublich, dass sie ihren Verstand zu sprengen drohte.

‚Sterbe ich?’ fragte sie sich. Das letzte was sie noch wahrgenommen hatte, war der schreckliche Schlag, der ihren Schutzschild zerrissen und ihre Magie, die sie in ihn hineingelegt hatte, zerfetzt hatte. Dann hatte sie kaum noch etwas gespürt, alles war in einen undeutlichen Schleier aus Schmerz und Taubheit verwandelt worden.

Doch jetzt fühlte sie sich so lebendig, dass sie dachte, sie würde brennen. Macht füllte sie bis in die letzte Haarspitze. So konnte doch nicht das Sterben sein.

Filia schlug die Augen auf und das erste, was sie sah, war Xellos verwirrtes und fast verängstigtes Gesicht. Doch da musste sie sich irren und jetzt sah sie auch etwas anderes nicht weniger verwirrendes bei ihm; Erleichterung und dann ganz eindeutig Triumph.

Er sagte etwas, aber die lodernden Flammen, die Filia zu hören meinte, waren so laut in ihren Ohren, dass sie ihn nicht verstand. Doch sie sah die Hand, die er nach ihr ausstreckte, und da packte sie zu.

Kaum berührten sich ihre Finger, da verband sich ihre Magie auch schon, so als wäre es das einfachste auf der Welt. Xellos zuckte vor Schmerz zusammen unter der ungewohnten Stärke, doch er dachte nicht daran, sie loszulassen. Dies war Macht. Erfüllt von neuer Entschlossenheit blickte er auf ihrer beiden Gegner zurück.

Sie hatten sich nicht vom Fleck gerührt. Ungläubig und geschockt starrten Rahbas und Ceelia Filia an. Nie hätten sie damit rechnen können, dass das Rad sich so schnell wenden würde. Denn mit einem Drachen oder Shinzoku oder Mazoku alleine wären sie schon fertig geworden. Doch ein Drache und ein Mazoku gemeinsam, die so waren wie Rahbas und Ceelia, wie sie beide nicht erwartet hatten, etwas Vergleichbares zu finden, das war eine ganz andere Sache. Und plötzlich war es gar nicht mehr sicher, ob Ceelia oder Filias, ob Rahbas oder Xellos Kraft stärker als die des anderen war.

Ein Moment des Stillstands verstrich, dann brach umgehend das Chaos los. Xellos ließ einen Ring aus seiner und Filias Magie um ihre verschlungenen Hände rotieren, zur gleichen Zeit da auch Rahbas einen Ball vermischter Magie beschwor. Sofort rasten ihrer beiden Geschosse aufeinander zu und kollidierten auf halber Strecke, doch diesmal floh Xellos nicht. In Sekundenschnelle zog er einen Schutzschild hoch, der ohne Anstrengung hielt, als sie die Druckwelle der Detonation erreichte.

Noch bevor sie ganz verklungen war, zog Xellos Filia vorwärts und teleportierte direkt auf Rahbas und Ceelia zu, die sich ebenfalls nicht fortbewegt hatten. Vor Überraschung wären beide fast nicht mehr rechtzeitig ausgewichen. Xellos jagte Rahbas ein weiteres Geschoss hinterher und dieser konnte sich gerade noch darunter hinweg ducken; was ihm jedoch die Möglichkeit nahm, dem Keulenschlag auszuweichen, den Filia auf ihn gezielt hatte: Es traf ihn mit voller Wucht und er wurde ein paar Meter zurückgeschleudert und krachte in den Fels, während Ceelia ihm hinterher rannte.

Verdutzt stoppte Xellos und sah Filia an.

„Hah“, rief sie aus und verstaute ihr Mordwerkzeug wieder unter ihrem Rock. „Ich weiß, ich weiß, das war nicht sehr effektiv. Aber es hat so gut getan!“

Xellos wollte ihr antworten, doch da bemerkte er eine Bewegung hinter sich. Sofort zog er wieder einen Schutzschild um sich und Filia hoch und fuhr zu Ceelia und Rahbas herum, der sich wieder aufgerichtet hatte. Doch die beiden griffen nicht an, sie flohen.

„Nein!“, rief Xellos und jagte ihnen hinterher. Kreuz und quer durch die Astral Plane folgten er und Filia den beiden. Sie durften sie nicht verlieren. Wo auch immer die Macht herkam, die sich Filia jetzt lieh, sie würde ihr nicht ewig bleiben. Das hier war vielleicht ihre einzige Chance, Rahbas und Ceelia je besiegen zu können.

‚Erinnerst du dich’, hörte er da Filias Stimme ‚an das Siegel damals im Erdtempel, kurz bevor du mich gerettet hast?’

Xellos Gedanken rasten. „Das wäre gefährlich“, wandte er ein.

‚Aber es fängt sie‘, flüsterte sie. ‚Vertrau mir‘, und er ließ es zu, dass sie seine Hand losließ und in der Astral Side verschwand. Plötzlich allein kehrte Xellos in die physische Welt zurück.

Fast sofort tauchten Rabhas und Ceelia wieder vor ihm auf.

„Ist dem Drachen die Puste ausgegangen?“ höhnte Rahbas hoffnungsvoll.

„Das“, erwiderte Xellos seelenruhig „ist ein Geheimnis.“

Rahbas grinste höhnisch, aber Ceelia hatte keine Geduld mehr. In Windenseile ließ sie die Schlangenfesseln von sich auf Xellos zurasen, mit denen sie ihn schon mehr als einmal gefangen hatte. Xellos rief seine Magie zu sich, doch er griff weder an, noch verteidigte er sich. Stattdessen sandte er seine Magie zu beiden Seiten von sich aus und parallel zu Rahbas und Ceelia raste sie davon. Er konnte die nadelspitzen Fangzähne in den aufgerissenen Schlangenmäulern schon einzeln ausmachen, als er spürte, wie seine Magie endlich auf die Filias traf. Sie stand unbemerkt weit hinter Rahbas und Ceelia und ihre Magie hatte, wie auch seine eigene, einen weiten Bogen beschrieben. Nun verbanden sie sich zu einem gleißenden Kreis mit Rahbas und Ceelia in seiner Mitte.

Als die Schlangen den Kreis erreichten zerbarsten sie funkensprühend, während er sich ausdehnente, nach oben und unten, eine Kuppel bildete und noch bevor Rahbas oder Ceelia erfasst hatten, was gerade geschah, waren sie auch schon völlig eingeschlossen. Das Siegel aus Xellos und Filias Magie zog sich zusammen und all seine Kraft auf einmal brach über sie herein.

‚War es genug?‘, hörte Xellos Filia fragen, doch da brachen zwei flackernde Schemen aus dem Licht hervor und flohen in zwei verschiedene Richtungen.

„Sie dürfen uns nicht entkommen“, rief Filia und teleportierte aufgescheucht neben Xellos.

„Fein.“ Xellos rieb sich die Hände. „Du folgst Ceelia“, befahl er ihr „und ich töte Rahbas.“

„Aber“, wandte Filia ein. „Als ihr das letzte Mal gekämpft habt, da hat Rahbas dich besiegt.“

„Gerade deshalb“, erwiderte Xellos grimmig „wird es kein zweites Mal geschehen.“

Und er hetzte los in die Astral Side und Rahbas hinterher. Dieser war im Begriff, das Gebirge zu verlassen, als er bemerkte, dass Xellos ihn diesmal wirklich völlig allein verfolgte. Triumphierend hielt er an und trat mitten in der Luft über dem Talkessel aus der Astral Side. Xellos folgte ihm. Da schwebte seine Beute, nur wenige Meter von ihm entfernt, und sah ihn lauernd an.

„Diesmal“, sagte Rahbas boshaft „werde ich dich so sehr auseinander nehmen, dass du geradewegs wahnsinnig wirst.“

„Danke“, sagte Xellos beißend „aber ich verzichte. Ich sehe ja vor mir, wie erbärmlich das ist, was Wahnsinn aus einem macht.“

Fauchend stürzte sich Rahbas auf ihn, doch Xellos wich nicht aus. Auch nicht, als Rahbas Magie erneut nach ihm griff, sich in ihn hakte und verdrehte. Es tat so sehr weh, dass er aufschreien wollte, aber er zwang sich, Rahbas nur weiterhin so kaltblütig anzustarren, dass es diesen vollends in Rage versetzte.

„Warum wehrt ihr euch nur so sehr gegen mich?“, rief Rahbas wütend. „Ich könnte die Welt in eine Dunkelheit tauchen, die in alle Ewigkeit währt und wir Mazoku wären ihre Herrscher. Begreift ihr das denn nicht?“

Xellos antwortete nicht. Stattdessen ließ er sich mit einem Mal in die Astral Side fallen und packte den Strang von sich selbst, den Rahbas am weitesten in Xellos verhakt hatte. Xellos löste einen Teil von sich und schickte ihn an diesem Haken entlang Rahbas entgegen.

Dann ließ er sein Shouki, sein ganzes Wesen, über alles rollen, was Rahbas an ihn gehängt hatte, und riss es mit purer Willenskraft auseinander. Nur den einen Strang hielt er fest, der ihn noch mit Rahbas verband. Er erreichte Rahbas Astralgestalt und hakte sich in ihm fest,

formte sein Shouki in dieselben Krallen, die Rahbas nach ihm ausgestreckt hatte und Rahbas schrie auf.

Xellos öffnete seine Augen und starrte Rahbas hasserfüllt an.

„Wir, die wir nach Shabranigdo kamen“, sagte er schlicht „wir beherrschen die Dunkelheit nicht. Wir sind ihre Diener.“

Und er riss sich in Rahbas Innerstes hinein, trennte dort den Teil seines Shoukis, der in Rahbas Mitte war, von sich ab und brachte ihn zum explodieren. Die Detonation zerfetzte Rahbas Astralkörper von innen heraus. Von einem Moment auf den anderen verschwand sein Abbild in der physischen Welt, als sein Shouki in der Astral Side verging.
 

***
 

Auf dem verwüsteten Plateau, an dem zuvor Shabrangidos Festung gestanden hatte, erwartete Ceelia Filia. Ein paar Meter von ihr entfernt trat sie aus der Astral Side und blickte sie wachsam an.

Der einstige Berghang war halb abgebrochen und Krater durchzogen den Boden. Der Himmel über ihnen wölbte sich blau.

„Wenn es denn enden soll“, verkündete Ceelia ruhig, während ihr Körper zu glühen begann „dann doch besser dort, wo es auch angefangen hat.“

Das Glühen floss aus ihrer Mitte, flutete die Luft um sie und löste sich von ihrer Gestalt als sich langsam ausweitender Ring. Der Ring begann sich zu drehen, schneller und schneller und es war keine Überraschung, als Filia erkannte, dass er aus einer Myriade sich jagender Schlangen bestand.

Plötzlich öffnete sich der Kreis im selben Moment da alle Schlangen zu einer einzelnen riesigen Boa verschmolzen, die direkt auf Filias Gesicht zuschoss.

Filia duckte sich zur Seite weg, doch die Riesenschlange bog ihren langen Körper und folgte ihr nach und plötzlich musste Filia feststellen, dass sie von allen Seiten von ihrem sich windenden Körper umschlossen war, der sich in Windeseile zuzuziehen begann. Sie floh in die Astral Side, doch die Schlange existierte auch hier.

‚Nutzlos‘, drang Ceelias Stimme zu ihr. ‚Mag ein Shinzoku dir auch Kraft leihen, ich selbst bin eine Shinzoku. Du wirst mich nie besiegen.‘

„Das wollen wir doch mal sehen“, fauchte Filia und dann ließ sie ihre Magie sich in einem langen Faden aus ihren Händen hervor winden. Er wurde länger und länger, wand sich glänzend wie Draht und viel schneller als die Schlange selbst um deren ganzen Körper herum und bevor diese Filia auch nur berührt hatte, war sie ganz in einen Kokon gewebt. Da riss Filia an dem Draht und er zog sich ruckartig zusammen und die Schlange zerstob in alle Himmelsrichtungen.

Erschreckt schrie Ceelia auf und wollte fliehen, doch da war Filia schon heran und packte sie am Handgelenk. Noch nie zuvor hatte sie Ceelia berührt und es erschreckte sie so sehr, wie nichts zuvor an diesem Tag. Denn Ceelias Haut war warm und weich und sie konnte ganz deutlich den Puls spüren, der unter ihrer Haut schlug. Sie lebte, sie war wirklich.

Eine ungeheure Wut machte sich in Filia breit.

„So leicht kommst du mir nicht davon“, fauchte sie Ceelia an und dann ließ sie alle verbliebene Kraft in sich mit einem Ruck durch Ceelias Geist fahren und die Shinzoku schrie auf. Als ihr Schrei verklungen und Filias Kraft vergangen war, fiel die Shinzoku schlaff zu Boden. Sie rührte sich nicht mehr.

Aschfahl sah Filia auf sie hinab. ‚Ich habe sie getötet‘, dachte sie traurig.

Eine Brise wehte ihr um das Gesicht und zum ersten Mal nahm sie das Pochen war, das ihren Kopf erfüllte. Jeder Gedanke schmerzte sie. Sie wünschte, sie könnte glücklicher sein darüber, dass es nun endlich vorbei war.

Plötzlich hielt sie inne. Ceelia regte sich wieder und Filia hielt den Atem an. Ganz langsam setzte Ceelia sich auf, hob mühsam Kopf und blinzelte in Filias Gesicht.

„Mein Kopf ist so leer.“ Sie schüttelte sich, wie ein Hund nach einem Bad. „Mir scheint als sei es Ewigkeiten her, seit es sich so angefühlt hat.“ Verwirrung zeichnete ihr Gesicht. „Ich kenne dich nicht“, sagte sie zu Filia und starrte sie verwundert an „aber ich sehe, dass wir gekämpft haben.“

„Aber“ rief Filia verblüfft aus „weißt du denn nicht wer du bist?“

„Natürlich.“ Sie wirkte fast beleidigt. „Ich bin die Shinzoku Ceelia und mein Lord Ceiphied hat mich mit einem Auftrag erschaffen.“

Und noch während sie das sagte veränderte sie sich: Ihr Haar wurde kürzer und färbte sich schwarz und ihre Gestalt wurde größer, bis sie das gleiche Wesen war, das Filia und Xellos in Ceelias Traumerzählung gesehen hatten.

„Du hast meinen Geist von seiner Verwirrung befreit“, sagte Ceelia und so etwas wie Verstehen entstand in ihren Augen. „Doch auch meine Erinnerungen sind vergangen. Ich weiß nur noch, was Ceiphied mir bei meiner Erschaffung an Wissen mitgegeben hat.“

„Viel Zeit ist seitdem vergangen“, sagte Filia und eine unendliche Erleichterung breitete sich in ihr aus. Sie beugte sich zu Ceelia hinab, die sie bis aufs Blut bekämpft hatte, und streckte ihr die Hand entgegen.

„Es gibt keinen Grund, weswegen ich gegen eine wirkliche Shinzoku kämpfen sollte“, sagte sie, während sie Ceelia auf die Füße half. „Dieser Kampf ist endlich vorbei.“

„Na das ist ja wiedermal typisch“, hörte sie da plötzlich Xellos Stimme hinter sich. Sie drehte sich um und sah ihn auf dem Plateau erscheinen mit gehobenen Brauen und einem vorwurfsvoll erhobenen Zeigefinger. Er sah noch angeschlagener aus, als sie selbst, und Strenge und Neckerei vermischten sich in seiner Stimme. „Wofür bin ich eigentlich dein Vorgesetzter, wenn du nie das machst, was ich sage?“

Lachend wollte Filia ihm gerade eine passende Antwort servieren, da blieb ihr das Herz stehen.

Rahbas erschien direkt hinter Xellos, verschwommen und flackernd, aber der mörderische Ausdruck in seinem Gesicht war umso deutlicher zu erkennen.

Ein spitzer Dorn aus Magie knisterte in seiner Hand. Xellos war schon so geschwächt, er konnte sich nicht mehr wehren. Verzweifelt wollte Filia ihm eine Warnung zurufen, doch es war zu spät. Denn ein heller Pfeil schoss hervor und durchbohrte Rahbas Herz.

Erschrocken fuhr Xellos herum und konnte gerade noch Rahbas überraschtes Gesicht sehen, bevor er nun wirklich und endlich verging.

Hinter ihm stand Ceelia und hatte noch die Hand ausgestreckt.

„Es war meine Pflicht“, sagte sie, als ein Flackern sie zu durchziehen begann. „Jetzt habe ich sie doch noch erfüllt.“

Sie lächelte und dann, mit einem Mal, faserten sich ihre Körperumrisse auf, bis nur noch ein heller Staub zurückblieb, der in den Boden unter ihr sank.

Filia trat neben Xellos und starrte auf die Stelle, an der sich ihre beiden Gegner eben noch befunden hatten.

„Sind sie beide tot?“ fragte sie Xellos zaghaft.

„Rahbas ist tot“, sagte Xellos ruhig. „Diesmal bin ich mir ganz sicher. Aber Ceelia…“ Er schüttelte den Kopf. „Das kannst du vielleicht besser sehen, als ich.“

Konnte sie? Filia schloss die Augen und sandte ihre Sinne in den Stein unter sich, der über so viele Jahre hinweg die einsame Festung getragen hatte. Und ja da war etwas, ein sanftes Leuchten im Gestein, das sich langsam am Berghang verteilte. Es glühte matt in Filias Wahrnehmung. Sie öffnete die Augen und sah nur den Felsen vor sich.

„Ich glaube, sie wird sehr lange schlafen“ sagte sie schließlich. „Vielleicht hundert oder gar tausend Jahre lang. Aber das ist in Ordnung. Wenn sie erwacht, wird sie wieder eine richtige Dienerin der Shinzoku sein, so wie sie es gewollt hat.“

„Und ich nehme an, ich soll mich darüber auch noch freuen“ bemerkte Xellos trocken. Er trat ein paar Schritte vor, bis er neben ihr stand.

„Dann schlafe gut, Ceelia“, wünschte er ihr nachdrücklich. „Aber vor allem, schlafe lang.“
 


 


 

********************

Gute Nacht, Ceelia!

:)

Ach je, das hier zu posten, hat mal wieder viel länger gedauert, als ich es ursprünglich geplant hatte. Umso froher bin ich, dass es nun endlich da ist mit seiner ganzen überkomplizierten Handlung im Gepäck.

Als nächstes kommt schon/endlich das Finale und zwar noch vor Ende dieses Jahres. Versprochen ;)



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