Black Shot III
Black Shot III
Musik: Within Temptation - Never-ending Story
Langsam plätschert das warme Wasser auf ihren Körper, schmiegte sich sanft an ihre blasse Haut und brauchte sie zum Glänzen. Manchmal perlte es einfach ab, manchmal rann es wie eine Träne über die weiche Haut und manchmal sammelten sie sich in einer kleinen Mulde wie Gebirgsseen.
Sie stand ganz alleine unter der Dusche, ließ das heiße Wasser ihre Muskeln lockern und den Schmutz des Alltags abwaschen. Ihre blonden Locken kringelten sich selbst jetzt noch, wo sie doch schon ganz nass waren. Ihre Augen hielt sie geschlossen, während sie sich einschäumte und den leichten Duft von Zitrone genoss.
Abfällig verzogen sich die puppenroten Lippen, als sie an den heutigen Tag dachte, der so organisiert und perfekt abgelaufen war, wie jeder andere auch in ihrem Leben. Ihre Eltern würden auch nie zulassen, dass sie einen Fehler machte, dass sie Gefühle zeigte oder einfach menschliche Schwächen hatte.
Sie musste perfekt, unfehlbar und unnahbar sein, sonst war sie ihren Eltern nichts wert, das wusste sie. Doch um welchen Preis erkaufte sie sich die Aufmerksamkeit ihrer Eltern. Ja, die Aufmerksamkeit - nicht die Liebe.
Liebe war ein Wort, dass in ihrem gesamten Leben noch nie von ihren Eltern gesagt worden war. Höchstens, dass sie ein so braves und liebes Kind sein, doch nie, dass sie ihre Tochter lieb hatten oder sie geliebt würde.
Kein einziges Mal war so eine starke Gefühlsregung von ihren Eltern zu sehen gewesen. Kein Wunder, dass sie ein Einzelkind war... seit sechzehn Jahren. Seit so langer Zeit war sie allein, aufgezogen von Kindermädchen, Privatlehrern und Privattrainern. Nicht einmal schwimmen oder Rad fahren hatte sie von ihren Eltern gelernt. Experten hatten ihr alles beigebracht, was sie bis heute nie verlernen durfte.
Eine einsame Träne mischte sich unter die warmen Wassertropfen und verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Sie hatte weder Freunde, noch Feinde. Nicht einmal ein Haustier war ihr gegönnt worden. Stattdessen war sie zu Benimm-Kursen und ähnlichem gegangen.
Mit einer schnellen Handbewegung drehte sich das Wasser so kalt es ging. Der Schaum verschwand aus ihren Locken, vereinzelt blieben Tropfen an ihren Wimpern hängen... Die perfekt gezupften Augenbrauen, die sich ein kleines Vermögen gekostet hatten, genauso wie der Diätplan, an den sie sich halten musste, waren ihr so egal wie nie zuvor.
War es so falsch menschlich zu sein? Geliebt zu werden? Freude am Leben zu haben?
Nachdenklich griff sie zu ihrem Rasierer. Kein einziges Haar sollte ihren Körper verunschönen, ihr ein Makel sein und somit den Wert der kleinen Prinzessin im goldenen Käfig mindern. Sie setzte ihn an ihre linke Hand, ritzte kurz und zuckte zusammen. Würde sie es wagen, aus diesem Gefängnis, das sich Leben nennt zu fliehen?
Sie drehte das Wasser zu einem harten Strahl aus der Brause werden und richtete den Strahl auf das angeritzte Handgelenk. Langsam bekann es zu kribbeln, dann verschwand jeglicher Tastsinn und alles Fühlen aus der Hand. Erneut setzte sie die scharfe Klinge an und kniff die Augen zu.
Mit einem Ruck fügte sie sich einen tiefen Schnitt zu, der ihre Ader durchtrennte. Blut mischte sich mit dem Wasser, färbte es rot. Langsam rutschte sie an der Wand des weißen Bades zu Boden, zog die Knie an und ließ den Kopf darauf sinken.
Ein kleines Lächeln schlich sich zu den Tränen auf ihrem Gesicht. Endlich frei wie ein Vogel sein.