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Bottom of the death valley

+Epilog up+ COMPLETE
von

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Bottom of the death valley

Chapter 7

Bottom of the death Valley
 

*Kyo*
 

Ich stehe,

unfähig mich zu rühren,

vor dem Abgrund,

den mein Leben aufriss...
 

...wird der nächste Schritt mein letzter sein?
 

~*~
 

„Sie haben Die!“

Unheilvoll hing dieser Satz in der Luft, lähmte ihre Gedanken, ihren Geist.

„Sie? Wer sind ‚Sie’?“ Toshiya war der Erste, der die drückende Stille brach, schier zerriss.

„Nishimura!“ Kyos Stimme zitterte, zitterte so stark, dass Kaoru schon glaubte, sie würde brechen.

Er hatte dem Leader das kleine Mobiltelefon aus der Hand genommen und die Nachricht überflogen.

Krampfhaft umschlossen seine kleinen Finger das Handy, brachten die Plastik dazu gequält unter dem Druck zu knirschen.

Besorgt betrachtete der Ältere den kleinen Sänger.

Seine Hände bebten aufgrund der unterdrückten Gewalt, die seinen kleinen schwachen Körper schüttelte. Er hatte die Kiefer fest aufeinander gepresst. Das Blut war längst aus seinen Lippen gewichen.

„Kyo, wir-“, begann er, nach Worten suchend, hielt aber sogleich erschrocken inne, als die Knie des Blondschopfs unverhofft unter dem Gewicht seines Körpers nachgaben. In einem Sekundenbruchteil hatte Kaoru die Arme nach vorne ausgestreckt und bremste den Sturz des kleinen Körpers, ehe dieser am Boden zerschellen konnte.

Aufgelöst hing der Sänger in den starken Armen des Gitarristen, den Kopf gegen die muskulöse Brust gelehnt, den Blick zu Boden gesenkt.

Entsetzt betrachtete Kaoru das unregelmäßige Beben der schmalen Schultern.

Weinte er?

„Kyo, bitte beruhig dich.“ Sanft strich er durch die gelben Haare, doch der Angesprochene sträubte sich gegen die Berührung, gegen die Geste, egal, wie freundlich sie gemeint war. Nur Die durfte ihm so durch die Haare streicheln. Nur Die! Aber er war fort.

Und es war seine Schuld.

Ein kraftloses Schluchzen war zu hören.

Hilflos warf der Leader einen Blick zu den anderen, die wohl ebenso erschrocken über diesen emotionalen Ausbruch waren wie er. Es sah Kyo überhaupt nicht ähnlich, dass er seine Gefühle so offen zeigte, regelrecht zusammenbrach. Vor allem, da es „nur“ um Die ging, mit dem er sich seit ihrem ersten Zusammentreffen eigentlich immer in der Wolle gehabt hatte und ständig Streit anfing.

„Keine Angst. Wir holen ihn zurück.“

Beruhigend strich er über den schmächtigen Rücken.

„Und wie willst du das schaffen?“ Kyos Stimme drang leise an sein Ohr. Resignation lag in ihr, Angst und Verzweiflung.

„Du weißt nicht mal, wo er ist. Du kennst Nishimura nicht. Weißt nicht wozu er fähig ist…

Er ist ein Monster.“

Hass hatte sich in die Verzweiflung geschlichen, vergiftete seine Gedanken mit Wut, half die Hoffnungslosigkeit zu ertragen.

Wie viel hatte ihm dieser Mann schon angetan, wie viel genommen?

„Wir müssen die Polizei alarmieren!“ Auch Shinya hatte sich inzwischen aus seiner Starre gelöst.

„Allein können wir nichts ausrichten. Die Typen sind sicher bewaffnet bis an die Zähne.“

„NEIN! Keine Polizei!“ Ruckartig hatte Kyo seinen Kopf gehoben. Entgegen Kaorus Annahme waren seine Augen weder tränennass noch gerötet. Alles was in ihnen blitzte war Angst und… Entschlossenheit?

„Dann bringt er ihn um.“

„Aber.. wir können dort nicht allein reinstürmen. Wir haben doch null Chance“, mischte sich Toshiya wieder in die Diskussion.

„Ihr werdet auch nicht gehen!“ Alle Aufmerksamkeit fixierte sich auf Kyo. „Ich geh allein. Schließlich will er mich. Dai ist für ihn nur.. nur ein Werkzeug, ein Mittel zum Zweck.“ Bitter kamen die Worte über seine Lippen, sickerten langsam auf den tiefen Grund der Erkenntnis.

„… Du…du willst dich ihm stellen?“ Kaoru starrte ihn fassungslos an. „Bist du verrückt?! Du kannst dort nicht wieder zurück. Der Typ hat dich unter Drogen gesetzt.“

„Aber er wird ihm etwas antun, wenn ich nichts unternehme.“

„Aber es bringt doch nichts, wenn du dich jetzt opferst. Das würde Die niemals zulassen. Bitte Kyo, er liebt dich. Tu ihm das nicht an. Wir finden einen anderen Weg.“

Kyo schüttelte den Kopf.

„Es gibt keinen anderen Weg. Ich kenne als einziger den Ort, an dem man ihn gefangen hält. Ich weiß, was mich dort erwartet. Ich kenne die Schleichwege, ich kenne die Räume, weiß, wo die Überwachungskameras hängen. Ihr wärt dort drinnen aufgeschmissen. Sie hätten euch schon entdeckt, ehe ihr überhaupt im Gebäude wärt.“

Kaorus Selbstsicherheit sank. Dennoch blieb er stur.

„Kyo, du bist noch viel zu schwach. Ich erlaube nicht, dass du mitkommst.“

„Du kannst es mir nicht verbieten!“ Langsam verlor Kyo die Geduld. Seine Stimme war schrill, verriet die vielen unkontrollierten Emotionen.

„Doch das kann ich!“ Ernst erwiderte der Leader den wütenden, aber ebenso verlorenen Blick des Kleineren. Seine Stimme wurde sofort wieder sanfter. „In deinem Zustand wärst du nur ein Hindernis, Kyo, bitte versteh das.“

Große Augen fixierten ihn, überschwemmten ihn mit der Gefühlsgewalt, die in ihnen lag. Niemals hatte Kyo seine Fassade so tief fallen lassen, dass man wie ein offenes Buch in ihm lesen konnte.

Doch jetzt hatte Kaoru das Gefühl tief in Kyos Herz sehen zu können und die Angst und Sorge erdrückten ihn schier.

Hilflos hielt er den zitternden Sänger in seinen Armen, strich ihm liebevoll über den Rücken. Er wusste, dass seine Worte grausam gewählt waren, doch dienten sie lediglich dem Zweck Kyo zur Vernunft zu bringen, ihn in Sicherheit zu wägen.

„Ein Hindernis?“ wiederholte der Blondschopf die Worte fast schon weinerlich.

Der Gitarrist nickte leicht. „Ja.“

Tröstend presste er den schwachen Körper des Sängers an sich, versuchte ihn ein wenig zu beruhigen. „Shinya und Toshiya werden auf dich aufpassen. Ich gehe allein.“

„Waas?!“ Jetzt mischte sich auch Toshiya in die Diskussion. „Auf keinen Fall. Ich komme mit dir!“

Kaoru schloss für einen Moment die Augen und seufzte, ehe er sich langsam zu dem Bassisten umdrehte. „Toshi, bitte, fang du nicht auch noch an.“

Entschlossen verschränkte der Jüngere die Arme vor der Brust. „Du kannst sagen, was du willst. Ich lass dich nicht alleine gehen! Entweder du nimmst mich mit, oder wir bleiben alle hier!“

Kaoru raufte sich frustriert die wertvollen Haare. „Ihr raubt mir den letzten Nerv“, murrte er leise.

„Also schön, Toshiya kommt mit. Und du Kyo erklärst mir jetzt ganz genau, wie wir da ungesehen reinkommen und wo wir Die finden.“
 

~*~
 

Dunkelheit umgab ihn, erdrückte ihn, erstickte seine Seele. Resigniert hatte er die Augen geschlossen, versuchte die fremde, auferzwungene Finsternis durch das Versiegeln der Lider auszusperren, ihr zu trotzen und den Geist mit selbst ersuchter Blindheit zu beruhigen.

Er war nicht vollständig machtlos, nur vorübergehend mittellos und ein wenig eingeschränkt in seiner Freiheit.

Ja, nur eingeschränkt.

Kein Grund in Panik auszubrechen.

Und dennoch kroch die Angst wie ein schleichendes Gift durch seine Adern, zehrte an seinem aufgescheuchten Herz.

Was würde mit ihm geschehen?

Und was noch viel wichtiger war: Was würde Kyo tun?

Denn dass er als Köder für den kleinen Gelbschopf fungierte war ihm recht schnell bewusst geworden.

Sein Verstand sagte ihm, dass Kyo nicht kommen würde, denn er würde nicht freiwillig in diese Hölle zurückkehren, der er nur knapp entkommen konnte. Eine Hölle, die ihn ängstigte.

Nein… er würde nicht kommen… Nicht für Die.

Dais Herz jedoch hoffte, dass Kyo ihn nicht an diesem Ort zurücklassen würde, dass er dem Sänger nicht egal war.

Aber erneut in Nishimuras Fänge geraten durfte er auch nicht.

Er fühlte sich so zerrissen zwischen seinen Wünschen.

Stöhnend vergrub er seinen Kopf zwischen den Armen.

Er konnte nichts tun, war ohnmächtig.

Was auch immer geschehen mochte, es stand nicht in seiner Macht.
 

~*~
 

Nervös lief Toshiya hinter dem Violetthaarigen her, der einen erstaunlich schnellen Schritt zu Tage legte.

„Kao!“

Hastig schloss er auf.

„Wie stellst du dir unsere kleine Rettungsaktion eigentlich vor? Wir können da doch nicht einfach reinspazieren, Die schnappen und wieder abhauen.“

Ruckartig blieb der Ältere stehen, fixierte Toshiya, der durch den plötzlichen Halt beinahe in ihn hineingelaufen wäre.

„Doch, so war es eigentlich geplant“, meinte der Gitarrist trocken.

Wäre die Situation nicht so ernst gewesen und Kao nicht so in Eile, wahrscheinlich hätte er sich in diesem Moment über Toshiyas selten dämlichen Gesichtsausdruck totgelacht.

„A..aber…selbst wenn wir da unbemerkt reinkommen, Dies Flucht wird nicht unbemerkt bleiben. Man wird alles auf Videokamera aufzeichnen. Kyo hat gesagt, dass das Gebäude regelrecht mit Kameras bepflastert ist. Sie wissen dann, wer Die befreit hat. Was ist, wenn sie dann auch hinter uns her sind?“

Die Augen des Leaders verengten sich leicht.

„Das ist ein Risiko, dass wir eingehen müssen.“ Toshiyas schokoladenbraune Augen weiteten sich ängstlich. Seufzend legte Kaoru eine Hand auf die Schulter des Jüngeren. „Hör mal Toshiya. Du musst das nicht machen. Ich zieh das auch alleine durch. Noch kannst du umkehren.“

„Nein!“ Resolut schüttelte der Blauhaarige seinen Kopf. „Ich lass dich nicht allein.“

Nachdenklich maßen ihn die durchdringenden Augen seines Gegenübers, versuchten zu analysieren, zusammenzufügen, zu verstehen.

Wieso war Toshiya so wild entschlossen ihn zu begleiten?

Verärgert schüttelte er den Kopf.

Jetzt war nicht die Zeit, um über solche Belanglosigkeiten nachzudenken.

Die saß irgendwo ganz allein in einer Zelle und hatte bestimmt furchtbare Angst.

„Also schön. Dann lass uns nicht noch mehr Zeit verlieren.“

Entschlossen packte er Toshiyas schmale Hand, drückte sie ermutigend und zog ihn dann mit sich, der Gefahr entgegen.
 

***
 

Unheilvoll ragte das Firmengebäude vor ihnen in die Höhe.

„DAS ist es?“ fragte Toshiya ungläubig. „Das sieht so… normal aus.“

Kaoru lächelte schwach. „Sie werden bestimmt nicht in Großbuchstaben ‚Wir verticken Drogen’ an die Fassade pinseln.“

Beleidigt verzog der Blauhaarige seine Lippe zu einem Schmollmund.

„Manno, ich mein doch nur. Hab halt was…Spektakuläreres erwartet.“

Der Ältere rollte mit den Augen, ging aber nicht weiter darauf ein.

„Komm jetzt. Dai wartet“, drängte er ungeduldig und wollte weiter gehen, doch etwas hielt ihn am Arm zurück. Langsam drehte er sich wieder zu Toshiya um, hob fragend eine Augenbraue.

Der Bassist kaute nervös auf seiner Unterlippe herum.

„Du liebst ihn, oder?“

Erstaunen spiegelte sich in den braunen Tiefen des Gitarristen wieder.

„Eh... können wir bitte später darüber diskutieren? Das ist nicht gerade der passende Zeitpunkt.“

„Nein!“ wandte Toshiya hastig ein. „Bitte, ich will es jetzt wissen.“

Seufzend legte der Violetthaarige den Kopf schief, blickte einen Moment an dem Blauhaarigen vorbei in die Ferne und überlegte, wie er auf die Frage antworten sollte.

„Ich… hab Gefühle für ihn… aber… sagen wir so, ich hab ihn aufgegeben, da ich gegen Kyo keine Chance hab. Er liebt Kyo wirklich, das weiß ich. Ich sehe es ihm an, jeden Tag, jede Minute. Ich hab mich damit abgefunden, es akzeptiert.“

Er schwieg einen kurzen Moment.

„Und mit der Zeit sind dann auch die Gefühle abgeschwächt. Ich mein, ich liebe ihn noch immer… aber nicht mehr auf die gleiche Weise… anders... ich will ihn als meinen besten Freund nicht verlieren. Ich bin auch so glücklich, verstehst du?“

Toshiya nickte zögerlich. Einerseits stimmten ihn Kaorus Worte traurig, denn auch er kannte das Gefühl chancenlos zu sein. Wie oft hatte er Die in den letzten Wochen für sein Glück beneidet, von welchem dieser nicht einmal wusste. Andererseits entfachten Kaorus Worte eine kleine Flamme der Hoffnung in ihm. Vielleicht... vielleicht würde Kaoru ja irgendwann wirklich seine Gefühle erwidern. Aber er musste wohl den ersten Schritt tun und es ihm sagen. Nur nicht jetzt… erst wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war… wenn sie diese Selbstmordaktion hier überlebten.

Ein kleines Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Los, holen wir uns unseren Bigred zurück!“
 

***
 

Er wusste nicht, wie lange er schon reglos dasaß und die Dunkelheit tot starrte. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, doch konnten es erst Stunden sein, die er hier festsaß. Er hatte Hunger. Die letzten Tage hatten ihn sichtlich erschöpft. Er hatte pausenlos an Kyos Bett gewacht und kaum ein Auge zugetan. Kaoru hatte ihn irgendwann gezwungen etwas zu essen, doch sein Magen war so verkrampft gewesen, dass er ohnehin nicht viel herunter bekommen hatte. Das bereute er jetzt ein wenig.

Schutzsuchend hatte er die Arme um den Körper geschlungen, versuchte sich ein wenig aufzuwärmen.

Seine Gedanken schweiften immer wieder an entlegene Orte und wurden erst wieder in die Realität zurückgerissen, als Schritte ertönten.

Grausam quietschend öffnete sich das Auge der Zelle, ließ kaltes grelles Licht hineinströmen. Die Künstlichkeit der Atmosphäre wirkte falsch, beinahe krank.

Ängstlich und neugierig zugleich betrachtete der Rotschopf den dunklen Schatten, der in das Licht trat, ihm seine Intensität nahm.

Es konnte sich um niemand anderen als Nishimura handeln, von dem Kyo ihm schon erzählt hatte, wegen dem der kleine Sänger so viel hatte leiden müssen.

"Du bist also der Bengel, der mir einen Strich durch die Rechnung gemacht hat."

Erschrocken zuckte der Gittarist unter dem unerwartet eiskalten Tonfall zusammen.

Nervös kroch er tiefer in den Schatten der Zelle, doch erntete er dafür nur ein spöttisches Lachen.

"Du kannst nicht vor mir davonlaufen. Niemand kann das. Auch Tooru nicht."

Tooru? Dai blinzelte. Wer zum Teufel war Tooru?

Verwirrung machte sich unter den roten Haaren breit.

Wovon redete dieser Kerl überhaupt?

"Sag mir, wo er ist, dann lasse ich dich eventuell leben."

Unsicherheit schwappte über ihm zusammen, verbündete sich mit der nagenden Angst und Hilflosigkeit.

"Ich... ich kenne keinen Tooru", stammelte er leise.

"Jetzt spiel hier nicht den Unwissenden", fuhr ihn sein Gegenüber herrisch an. "Meine Leute haben ihn beobachtet und haben mir berichtet, dass du ihn von der Straße aufgelesen und mit zu dir nach Hause genommen hast."

Die Augen des Gitaristen weiteten sich leicht.

Von der Straße aufgelesen.. und mit nach Hause....

//K...Kyo? Aber wieso.. wieso Tooru? Ist dein Name etwa überhaupt nicht Kyo?//

"Alles war so schön geplant gewesen", rissen ihn die Worte Nishimuras wieder aus seinen Gedanken. Der verträumte Tonfall irritierte den Rotschopf. Skeptisch maß er den Mann vor sich.

Eines war klar: Bei dem lief so einiges nicht mehr rund im Kopf.

"Er wäre zu mir zurück gekrochen gekommen, hätte um mehr gebettelt und es auch bekommen. Und dann hätte er eingesehen, wo er hingehört", ein krankes Lächeln breitete sich auf den Lippen seines Gegenübers aus, "Zu mir!"

Hass flammte in Die auf, verbrannte seine Angst und ließ nur Wut zurück.

"Sie sind doch krank. Erst lassen sie ihn für sich anschaffen, dann verdammen sie ihn dazu mit Drogen zu dealen und jetzt machen sie ihn von dem Dreckszeug abhängig. Sie sind doch total gestört im Kopf."

Seine Stimme bebte vor Verachtung und Zorn. Gewaltsam hatten sich seine Hände zu Fäusten geballt.

"Er wird nie Ihnen gehören und er wird ganz bestimmt nicht hierher zurückkehren. Denn Sie haben den Falschen entführt. Ich bedeute ihm rein gar nichts. Niemand bedeutet ihm etwas und daran sind allein Sie schuld. Sie haben ihn zu dem gemacht, was er heute ist. Er vertraut niemandem und stößt alle von sich. Und deswegen haben Sie verloren." Kalt kamen diese Worte über seine Lippen und dennoch schwang Triumph in seiner Stimme.

"Er kommt nicht zurück!"

Ein schwaches Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus.

Vielleicht würde er hier und jetzt sterben. Er konnte nicht behaupten, dass ihn dieser Gedanke nicht fast wahnsinnig vor Angst machte, und doch war das Gefühl der Zufriedenheit in diesem Moment einfach vorherrschend.

Mit Genugtuung betrachtete er, wie Wut in den Augen seines Gegenübers aufstieg.

Er hatte es sich bestimmt einfacher vorgestellt. Wahrscheinlich dachte er, dass er Die nur ein wenig Angst einjagen brauchte, damit dieser ihm tränenreich alles erzählte, was er wissen wollte.

"WO IST ER?" donnerte Nishimuras Stimme nun ungeduldig durch die winzige Zelle, ließ Dai zusammenzucken.

Doch der Rotschopf schwieg verbissen. Nichts und niemand würde ihn dazu bringen ihm zu verraten, wo Kyo sich im Moment befand. Lieber würde er seine Zunge verschlucken.

"Muss ich dir erst Gewalt androhen, damit du mir sagst, wo mein Sohn ist?"

Entsetzt riss der Rotschopf die Augen auf. "S..Sohn?" Unglauben schwang in seiner Stimme.

Hatte er das gerade richtig verstanden?

Nein, unmöglich.

Kyo selbst hatte ihm erzählt, dass er sein Vater irgendein Junkie war, von dem er nicht einmal wusste, ob er noch lebte... Aber... bedeutete das nicht, dass Kyo seinen Vater noch nie zu Gesicht bekommen hatte und dementsprechend gar keine Ahnung hatte, wer nun eigentlich sein Vater war? War es deswegen nicht auch möglich, dass Nishimura...

NEIN!

Entschieden schüttelte er den Kopf, versuchte den Gedanken zu verdrängen.

"Er ist nicht Ihr Sohn!" meinte er dann bestimmt.

"Er IST mein Sohn!" widersprach Nishimura resolut. "Ich habe seine verdammte Hure von Mutter geschwängert und den Bengel großgezogen. Wie kann er es wagen sich, nach allem, was ich für ihn getan hab, jetzt von mir abzuwenden."

Ein heiseres Lachen entwich Dais Kehle. "Nach allem was Sie für ihn getan haben? Das ist doch wohl ein schlechter Scherz!" Zornig verengten sich seine Augen. "Sie haben nichts getan, als ihm Leid zuzufügen. Sie haben es zugelassen, dass man sich wieder und wieder an ihm vergriff. Er war damals noch ein unschuldiges Kind, Sie Bastard!"

Unglaublicher Hass wallte in seinen Adern, nahm ihm schier die Luft zum Atmen und versengte ihn von innen heraus.

"Wenn ich könnte dann würde ich Sie auf der Stelle dafür töten, Sie Arschloch!"

Spöttisch kräuselte sein Gegenüber die Lippen. "Ach.. würdest du das? Nur bedauerlich, dass du keine Gelegenheit dazu haben wirst."

Gemächlich hob er seine rechte Hand und schnipste mit den Fingern.

Kurz darauf betraten zwei kräftige Männer, die wohl vor der Zelle gewartet haben mussten, die Bildfläche und bauten sich rechts und links neben Nishimura auf, die Arme vor der Brust verschränkt.

"Kitzelt Toorus Standort aus ihm heraus!"

Mit einen gehässigen Grinsen auf den Lippen drehte er sich um und verließ den Raum.
 

~*~
 

Im Inneren des Gebäudes war es kalt. Irgendwie erinnerte es an eine Eishölle.

Ängstlich klammerte sich der Bassist an den Ärmel des Gitarristen.

Er zitterte, doch wusste er nicht, ob es von seiner Angst oder der beißenden Kälte herrührte.

Fahrig wanderten seine Augen hin und her, ständig in der Furcht lebend, entdeckt zu werden.

"Was nun?" kamen die panisch gehauchten Worte über seine Lippen, als die Tür vor ihnen trotz beständigen Rüttelns verschlossen blieb.

"Wir nehmen einen anderen Weg", flüsterte Kaoru hektisch und zog den Blauschopf den Gang zurück, den sie eben beschritten hatten.

Leise hallten ihre Tritte auf dem trostlosen Linoleumfußboden wieder, der dem Gebäude mit samt den sterilen Wänden und dem grellen Neonlicht eine gespenstige Krankenhausatmosphäre verlieh.

Nein, Irrenanstalt traf es wohl eher.

Lautlos bogen sie in einen weiteren Flur ein und passierten die Tür an dessen Ende.

Kaorus Finger, die einen von Kyo in Eile niedergekritzelten Lageplan des Firmengebäudes hielten, zitterten leicht.

"Da lang", erklärte er nach einem kurzen Blick auf den Plan und dirigierte Toshiya in Richtung eines Treppenhauses.

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen legte der Bassist den Kopf in den Nacken und starrte in die unglaublichen Höhen, in die sich die Treppe wand.

"Nicht nach oben", erklärte Kaoru kopfschüttelnd. "Wir müssen nach unten. In den Keller."

Toshiyas Herz sank. Der Keller?

Kein sehr einladender Gedanke.

Aber er hatte es sich so ausgesucht. Er wollte Kaoru begleiten und nichts würde ihn jetzt noch davon abhalten. Nicht einmal ein gruseliger, dunkler Keller voller Geisteskranker, Drogenabhängiger, Folterknechte und Mörder.

Hastig schüttelte er diesen Gedanken ab. Kein Grund sich selbst wahnsinnig zu machen.

Zögerlich lief er hinter dem Violetthaarigen die Treppe hinab.
 

~*~
 

"Wie geht es dir?" Fragend maßen ihn zwei große schokoladenbraune Lichter, eingerahmt von hellbraunem Haar.

Kyo saß mit angezogenen Beinen auf der Couch, die bis vor einer Stunde noch zwei weitere Bandmitglieder beherbergt hatte, welche nun auf einer Rettungsmission waren, die eigentlich seine Aufgabe hätte sein sollen.

"Lass mich", knurrte er gereizt und drehte den Kopf weg.

Es tat so unglaublich weh hilflos zu sein und nur abwarten zu können.

Ein tiefes Seufzen entrann Shinyas Kehle. Die Couch senkte sich ein Stück, als der Schlagzeuger neben dem Sänger auf ihr Platz nahm.

"Kyo, Kaoru hat Recht. Du kannst in deinem Zustand eh nichts ausrichten. Die beiden machen das schon."

Wütend fuhr der Gelbschopf herum, funkelte seinen Gegenüber aus dunklen Sternen entgegen.

"Wieso müsst ihr mir immer alle meine Schwäche unter die Nase reiben. Macht es euch Spaß mich zu quälen?"

Überraschung zeichnete sich auf den sanften Gesichtszügen des Bandkükens ab, gefolgt von Wehmut.

"Nein, du verstehst das falsch. Wir machen uns doch nur Sorgen. Du hast eine furchtbare Woche hinter dir, eine Woche voller Schmerzen und Qualen und du bist gerade erst auf dem Weg der Besserung. Wir wollen dir doch nur weiteres Leid ersparen."

Kyos Lippen verzogen sich zu einem blutleeren Strich.

"Wenn du mir Leid ersparen willst, dann lass mich gehen. Ich ertrage es nicht nur hier rum zu sitzen und Däumchen zu drehen."

"Das kann ich nicht!" Resigniert senkte der Drummer sein Haupt, blickte betreten zu Boden.

"Du kannst mich nicht aufhalten, Shin, DU nicht. Vielleicht ist Kao stärker als ich, aber mit dir werde ich allemal fertig, egal wie beschissen es mir geht."

Shinya beschloss die Beleidigung zu überhören und fragte stattdessen: "Willst du mich jetzt niederschlagen oder was?"

Forsch blickte ihm der Blondschopf entgegen. Entschlossenheit glitzerte in seinem Blick.

"Wenn es sein muss!"

Der Jüngere wirkte gekränkt.

"Das würdest du wirklich tun? Und das, obwohl wir befreundet sind?"

"Du lässt mir keine andere Wahl."

Shinya seufzte. "Kao würde es mir niemals verzeihen, wenn ich dich einfach gehen lassen würde."

"Dann komm mit mir."

Nachdenklich legte der Braunhaarige den Kopf schief.

Lange Zeit herrschte Schweigen, ehe er wieder die Stimme erhob.

"Okay... unter einer Bedingung!"
 

~*~
 

Ängstlich kroch der Rotschopf dichter in den Schatten der unbarmherzigen Steinwand. Es gab kein Entkommen.

Aus geweiteten Augen musste er zusehen, wie die zwei Kolosse immer näher kamen.

Herauskitzeln. Wieso klang dieses Wort in Verbindung mit jenen zwei Gestalten nur so brutal?

"Möchtest du oder soll ich anfangen?" fragte der linke Riese den rechten, als ginge es darum, wer beim Karaoke das erste Lied anstimmen sollte.

"Nein nein, mach du nur. Ich überlasse dir gern den Vortritt", meinte der Andere grinsend.

Hätte Die in diesem Moment klar denken können, so wäre er sich wohl wie ein Stück Vieh vorgekommen, wie Ware, die man wahllos hin und herschob, doch sein Verstand war längst von Angst beherrscht und ließ Gedanken nicht einmal zu.

Fingerknackend trat die linke personifizierte Gewalt auf ihn zu und packte ihn am Kragen, um ihn brutal vom Boden in eine senkrechte Position zu ziehen.

"Hallo Vögelchen", drang die tiefe raue Stimme seines Gegenübers an sein Ohr, jagte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken. "Ich bring dich jetzt zum Singen."
 

~*~
 

In einem Punkt hatte Toshiya sich geirrt.

Der Keller war keineswegs dunkel. Vielmehr schienen sich hier unten die Neonröhren nur noch zu mehren, als wollten sie jeden Winkel, jedes kleine Fleckchen in krankes totes Licht tränken, die Dunkelheit ersticken und somit jedes Versteck, jeden Zufluchtsort auszulöschen.

"Wir sind ganz nahe", verkündete Kaoru plötzlich, "Laut Kyo werden die Gefangenen irgendwo hier unten eingesperrt."

Er studierte noch einmal die Karte ehe er Toshiya in einen weiteren Gang lotste, der wie der vorhergehende aussah.

Der Bassist hoffte innigst, dass Kaoru hier unten den Überblick bewahrte, denn er hatte ihn in diesem labyrinthartigen Gänge-Gewirr schon längst verloren.

"Pass auf!" Hastig hielt der Dunkelhaarige den Gitarristen zurück und deutete auf eine Überwachungskamera, die langsam von links nach rechts schwenkte.

"Die ist auf der Karte überhaupt nicht eingezeichnet", beschwerte sich der Ältere und bedachte das kleine Stück Technik mit einem verächtlichen Blick, als wollte er es allein durch Verachtung von der Decke holen. "Scheiße, wie kommen wir denn jetzt daran vorbei?" fluchte er leise und studierte erneut den Plan. "Es gibt keinen anderen Weg", meinte er schließlich resigniert.

Nachdenklich legte Toshiya den Kopf schief. "Wie wärs, wenn wir einfach ganz schnell durchrennen. Wenn wir Glück haben schaut in dem Moment gerade niemand auf den Bildschirm."

Kaoru seufzte. Die Idee war idiotisch, doch leider fiel ihm auch nichts Besseres ein.

"Okay, versuchen wir es!"

Sogleich griff er nach Toshiyas Hand, was dem Bassisten ein kleines Lächeln entlockte.

"Wenn ich ,Jetzt' sage rennst du los!" erklärte er ernst, während er die Bewegungen der Kamera analysierte und die Zeitabstände im Kopf mitzählte.

"Okay, mach dich bereit", flüsterte er angespannt. Toshiya, der die ganze Zeit nervös auf seiner Unterlippe herumgekaut hatte, nickte knapp und umfasste die Hand seines Liebsten fester.

"Eins... zwei... JETZT!"

Hastig zog er den Blauschopf mit sich über den langen, hell erleuchteten Flur, vorbei an dem wachenden Auge der sterilen Hölle.

"Meinst du man hat uns gesehen", fragte der Jüngere noch immer leicht außer Atem.

Kaoru zuckte ratlos mit den Schultern. "Ich denke, dass werden wir sehr bald erfahren."

Ein kaltes Lachen ertönte.

"Früher als euch lieb ist, schätze ich!"
 

~*~
 

Kyos Meinung nach hatte es viel zu lange gedauert bis sie endlich das Firmengebäude erreicht hatten. Sie hatten auf Shinyas Drängen hin einen kurzen Abstecher gemacht, der ihm gar nicht recht gewesen war. Doch er hatte den Kompromiss eingehen müssen.

Jetzt wollte er keine Zeit mehr verlieren.

Ungeduldig sah er an der düsteren Fassade empor.

"Was wenn sie längst mit Dai zurück sind", fragte Shinya in die bedrückende Stille.

Der kleine Sänger schüttelte den Kopf. "Dann hätten sie eine SMS geschrieben und gefragt, wo wir wären. Nein, ich bin mir sicher, dass sie es versaut haben."

"Na du bist ja sehr optimistisch", erwiderte der Braunhaarige trocken, erntete jedoch nur ein Schulterzucken.

"Los komm!" Er hatte lange genug gewartet und tatenlos zusehen müssen.

Er hielt dieses Verlangen nicht mehr aus, diese Sehnsucht nach seinem strahlenden Lächeln, seinen zärtlichen Fingern, die beruhigend durch sein Haar strichen. Er brauchte diesen Menschen, in dessen Nähe er zum ersten Mal Geborgenheit spürte, Wärme fand, ohne den er nie wieder glücklich werden würde.
 

~*~
 

Ein leises Schluchzen war zu hören. Ein einziges einsames Geräusch, gefangen in der Dunkelheit.

Eine scheue Hand strich einige verzweifelte Tränen fort, streichelte zärtlich über die rosigen Wangen.

"Es tut mir Leid, Totchi. Ich wollte nicht, dass es soweit kommt."

Ein weiterer Schluchzer, dann ein Schniefen.

"Das...das weiß ich doch. Es ist doch nicht deine Schuld... Es... es war einfach unmöglich ihn da raus zu holen. Wir hätten auf Shin hören und die Polizei alarmieren sollen."

Ein Seufzen war zu hören.

"Vielleicht."

...

"Werden wir jetzt sterben?"

Die Stimme des Siebzehnjährigen zitterte. Er hatte Angst.

"Niemand stirbt hier!" widersprach der Leadgitarrist energisch. "Shinya und Kyo werden sich Sorgen machen, wenn sie nichts von uns hören und bestimmt etwas unternehmen!"

Ein erneutes Schniefen, gefolgt von einem schwachen Nicken. Dann Stille.

"Kao...ich...ich hab Angst."

"Ich weiß", erwiderte der Ältere sanft. "Ich hab auch Angst! Aber es wird alles gut werden, du wirst sehen."

Behutsam legte er seine Arme um den zitternden Körper des Jüngeren, drückte ihn liebevoll an sich. Zärtlich strichen seine Finger durch das blauschwarze Haar, welches sich in der Finsternis verlor.

"Alles wird gut", wiederholte er seine Worte schon fast wie ein Mantra, doch selbst ihm fiel es schwer an seine eigenen Worte zu glauben. Und wahrscheinlich tat es der Jüngere auch nicht.

"Kao... wenn wir sterben-"

"Wir sterben nicht!"

"A..aber wenn doch..." nuschelte er leise in den Pullover des Gitarristen. "Ich... ich wollte dir noch etwas sagen. Schon ganz lange, aber... ich hab mich nie getraut... weil... weil du... ich... ich hab..." Er seufzte, holte tief Luft und versuchte erneut einen Satz zu formulieren. "Aber...wenn wir jetzt wirklich sterben, dann möchte ich, dass du es weißt."

Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und doch hörte man sie vor Nervosität zittern.

"Sssh Totchi. Was auch immer es ist, ich werd es dir bestimmt nicht übel nehmen!" versuchte er ihn zu ermuntern.

"Das...das sagst du jetzt", murmelte er bitter und seufzte erneut.

Die Atmosphäre war furchtbar, der Zeitpunkt schrecklich, die Umstände grotesk.

Und dennoch nahm er all seinen Mut zusammen und hob den Kopf.

"Kao, ich... ich bin nicht wegen Dai mitgekommen, sondern weil ich dich nicht allein gehen lassen wollte. Ich hatte Angst dir würde was passieren. Das... das würde ich nicht aushalten, denn...du bist mir so unglaublich wichtig...du..." Er stockte, holte erneut tief Luft. "Kao, ich liebe dich!"

Stille brach über den beiden zusammen.

Toshiya schluckte. "Mann, diese Atmosphäre ist so was von unromantisch. Fehlt nur noch der Geruch von Verwesung und das Trabbeln unzähliger Rattenfüße. Mann, ist mir kalt, ist dir auch so kalt... ich glaub ich erfriere hier drin schon, bevor die überhaupt mit der Folter anfangen können. Die foltern uns doch bestimmt. Das sieht man doch immer in den ganzen Filmen. Oh mein Gott, das tut sicher weh! Aber ich erfriere ja sowieso vorher, also ist das auch egal. Ob erfrieren auch wehtut? Ich meine, wenn dir alles langsam abstirbt-"

"Toshiya", brachte Kaoru den nervös plappernden Blauschopf zum Schweigen.

//Toshiya? Nicht mehr Totchi? Scheiße...ich habs versaut...Wieso konnte ich nicht meine dämliche Klappe halten? Wieso muss ich immer alles schlimmer machen?//

Er spürte Tränen in seinen Augen brennen.

//Nein, du fängst jetzt nicht an zu heulen, Toshimasa Hara!!!//

Zwei sanfte weiche Lippen rissen ihn aus seinen Gedanken, zogen ihn liebevoll in die Realität zurück.

Haltlos lösten sich die Tränen, kullerten langsam seine Wangen hinab.

//Kaoru...?//

Eine zärtliche Zunge strich über seine Lippen, bettelte um Einlass, den er ihr, nachdem der erste Schreck überwunden war und das wohlige Kribbeln einsetzte, nicht länger verwehren wollte.

Zögerlich berührten sich ihre Zungenspitzen, erforschten sich gegenseitig scheu, ehe sie verlangender wurden, miteinander spielten und tanzten.

Selbstverloren schlang Toshiya seine Arme um Kaorus Nacken, zog ihn enger an sich, genoss die Nähe und Wärme des Augenblicks, kostete die Süße des Lebens.

In diesem Moment war es egal, wo sie sich befanden, egal, was vor ihnen lag. Was zählte war das Hier und Jetzt, dieses intensive Gefühl von Liebe, welches durch die Adern des Blauschopfes zog, seinen Kopf benebelte und die Angst vertrieb.

Er war glücklich.

Und Kaoru war es auch.

Sie waren so vertieft in den Kuss, dass sie nicht einmal mitbekamen, wie die Tür geöffnet wurde und ein braunhaariger Junge in die Zelle spähte.

Alles was seinen jungfräulichen Lippen entkam, war ein peinlich berührtes: "Uuups!"
 

~*~
 

Mit zitternden Fingern zog er den Riegel zur Seite. Die letzte Tür. Die letzte.

Er hatte sich von Shinya getrennt, als dieser Kaoru und Toshiya in einer der Zellen ausfindig gemacht hatte. Er konnte nicht warten, wollte nicht.

Ein mulmiges Gefühl hatte sich in seinem Innersten breit gemacht.

Was für ein Bild würde ihn erwarten?

Würde Die überhaupt in der Zelle sein?

Was wenn nicht?

Wo sollte er noch suchen?

Wild hämmerte sein Herz gegen seine Rippen, drohte die Knochen zu sprengen.

Die würde ihm Vorwürfe machen. Man hatte ihn nur seinetwegen entführt und in ein dunkles Loch gesperrt. Nur seinetwegen.

Würde Die ihn jetzt hassen?

Er spürte, wie sich sein Herz bei diesem Gedanken zusammen zog. Aber seit wann war es ihm denn wichtig, was der Rotschopf von ihm hielt? Was er für ihn empfand?

Angespannt führte er die beiden Dietriche in das Schlüsselloch, bewegte sie zielsicher, seinem Instinkt folgend, hin und her. Schon wenig später verkündete ein Klicken den Erfolg seiner Aktion. Mit einem flauen Gefühl im Magen schob er die Tür auf.

Die letzte Tür.

Was würde er tun, wenn auch sie leer war?

Hastig wischte er seine störenden Zweifel beiseite und betrat die Zelle.

Dunkelheit begrüßte ihn, die selbst das grelle Licht des Flures nur teilweise zerreißen konnte.

Unsicher trat er näher, schaute sich um. Suchend scannten seine Augen die Dunkelheit, die er ebenso fürchtete wie die Einsamkeit und die dennoch schon so sehr zum Inhalt seines Lebens geworden war, dass er sich auf erschreckende Weise in ihr heimisch fühlte. Er brauchte kein Licht mehr, um in der Dunkelheit sehen zu können, so vertraut war ihm die Schwärze bereits.

Er hielt in der Bewegung inne. Sein Blick war auf einen Widerstand gestoßen.

In einer Ecke, fast gänzlich vom Schatten der Finsternis verschluckt, erkannte er eine zusammengekauerte Gestalt. Sie saß, die Beine an den Körper gezogen an die Wand gelehnt, den Kopf auf den Knien liegend und schaukelte kaum sichtbar vor und zurück.

Durch das plötzliche Licht aufgeschreckt hob sie langsam den Kopf, sah ihn aus großen Augen an.

Es war Die!

Kyos Herz krampfte sich zusammen, als er sah, in welch mitleidvollem Zustand er sich befand.

Seine roten Haare standen wüst nach allen Seiten, seine Kleidung war verdreckt und an einigen Stellen zerrissen, sodass man einige blutige Schrammen und blaugrüne Flecken durchschimmern sah. Ein kleines Rinnsal von getrocknetem Blut zog sich ein Stückchen oberhalb seiner linken Augenbraue vorbei an seinem Auge die Wange hinab und auch seine Unterlippe war aufgeplatzt und blutig.

Man schien ihn ordentlich verprügelt zu haben.

Getrocknete glitzernde Spuren bewiesen, dass er vor nicht allzu langer Zeit geweint hatte.

Kyos Hände ballten sich frustriert zu Fäusten.

Das war seine Schuld, alles seine Schuld!

Er hatte zugelassen, dass Die in diese ganze Misere mit hineingezogen wurde.

Seit er in das Leben des Gitarristen getreten war hatte er ihm nur Unglück und Leid gebracht.

Wie konnte er das nur jemals wieder gut machen?

War das überhaupt wieder gut zu machen?

"Kyo?"

Dais leise Stimme war das erste, was die bedrückende Stille durchbrach. "Was...was machst du hier? Bist du verrückt? Das ist viel zu gefährlich. Willst du, dass er dich wieder einsperrt und unter Drogen setzt?"

"D..Dai...halt den Mund... bitte..."

Die Lippen des Blonden hatten sich zu einem blutleeren Strich verzogen, seine schmalen Schultern bebten.

Wieso sorgte der Rotschopf sich ständig um ihn? Wieso dachte er nicht einmal an sich selbst?

Zitternd gaben seine Beine unter seinem kleinen zitternden Körper nach und er sank dem Boden entgegen. Erst seine Knie stoppten den Fall. Er spürte keinen Schmerz, nur die Machtlosigkeit seines Körpers und die Schwerkraft, die ihn nach vorne zog. Geistesgegenwärtig streckte er seine Arme aus und wirkte der Anziehungskraft entgegen, stützte sich ab. Vornüber gebeugt saß er da, den Kopf gesenkt. Sein hilfloser Blick kollidierte mit dem dreckigen steinernen Grund, versuchte zu begreifen, zu verstehen.

"Wieso... wieso schreist du mich nicht an?" Seine Stimme zitterte vor Schmerz.

Er hatte immer gedacht, dass er stärker wäre, aber in diesem Moment brachen jegliche Stützen in seinem Innersten zusammen.

Tränen sammelten sich in seinen Augen.

Tränen?

Seit wann hatte er nicht mehr geweint?

Hatte er es überhaupt jemals getan?

Er konnte sich nicht erinnern.

Konnte sich nicht erinnern, wie es war, wenn alles brach und nichts das Wasser halten konnte, welches wie Verzweiflung in ihm brannte.

"Wieso hasst du mich nicht? Es ist meine Schuld, dass man dir das angetan hat. Es ist immer nur meine Schuld."

Seine Worte waren kaum mehr als ein Wispern, wurden von den unendlichen Emotionen, die in Kyos Stimme lagen, schier erstickt, und doch schienen sie zu schreien.

"Aber du... du machst dir wieder nur Sorgen um mich. Wieso? Wieso bist du so? Du...du musst mich doch hassen!"

Langsam kam der Rotschopf auf ihn zugekrochen. Überraschung und Besorgnis waren in seinen Gesichtszügen zu lesen.

"Kyo, ich...ich könnte dich niemals hassen."

Behutsam legte er seine Arme um den Sänger, zog ihn an sich, die Schmerzen missachtend, die seinen geschändeten Körper peinigten.

"Niemals!"

Ein entkräftetes Schluchzen ertönte, ließ den Älteren erschrocken inne halten.

"Kyo...du weinst ja?!" Erstaunen spiegelte sich in der Stimme des Gitarristen wieder, als er langsam den Kopf des Sängers anhob und mit dem Daumen die Tränen auf Kyos Wangen wegstrich, der nicht einmal bemerkt hatte, wie sie aus seinen Augen getreten waren.

//Weinst du etwa...um mich...?//

Der Gelbschopf schluchzte erneut. Dais liebevolle Geste und der sorgenvolle Ton seiner Stimme machten nur noch alles schlimmer. Unaufhaltsam grub sich das kostbare Nass einen Weg über seine Haut, hinterließ silberne Spuren.

Wieso konnte er nicht aufhören?

Wo kamen all die Tränen her?

Hatten sie sich über die Jahre unaufhaltsam in ihm angestaut und nur auf ihren Ausbruch gewartet?

"Sssh Kyo. Ist doch gut." Beruhigend strichen seine Finger durch das gelbe Haar, sanfte Lippen liebkosten die tränenassen Wangen.

"Ich hab dich noch nie weinen gesehen", hauchte er leise. "Ich hatte schon Angst, dass du es nicht kannst."

Ein schwaches Lachen mischte sich zwischen die Schluchzer. "Irgendwas muss ich ja können."

Die seufzte.

Da waren sie wieder. Die Selbstverachtung und die Schuldgefühle, die den kleinen Körper langsam aber sicher zerstörten.

Liebevoll strich er über den verkrampften Rücken. "Kyo... Ich bin ok."

Er lächelte tapfer, wollte Kyos Nerven beruhigen und die nagende Schuld tilgen.

"Aber wie geht es dir?" versuchte er abzulenken. Besorgt schob er den kleinen Sänger ein wenig von sich, strich ihm einige lose Haarsträhnen aus den Augen und musterte sein rundliches Gesicht.

"Du bist blass. Und ganz kalt."

Sanft streichelte er seine Wange.

"Du hättest nicht kommen sollen. Dein Körper ist noch viel zu geschwächt."

Störrisch schüttelte der Gelbschopf seinen Kopf.

"Die", seine Stimme klang ernst, aber auch ein wenig zögerlich. "Ich... ich musste kommen. Ich hatte solche Angst um dich!"

Ein gerührtes Lächeln schlich sich auf Daisukes Züge. Kyo hatte sich also wirklich Sorgen gemacht. Und er war nur wegen ihm in diese Hölle zurückgekehrt, hatte für ihn all seine Ängste überwunden, nur für ihn.

Erneut schlang er seine Arme um den kleinen Körper, schmiegte sich eng an ihn und vergrub sein Gesicht in den gelben Fluten.

"Danke", hauchte er leise.

Regungslos ließ Kyo die Behandlung über sich ergehen, blinzelte lediglich verwirrt.

"..Wofür?"

Der Gitarrist lächelte flüchtig.

"Dafür, dass du soviel für mich auf dich genommen hast.. weil du dir Sorgen gemacht hast und mich hier nicht einfach zurücklassen wolltest."

Der blonde Sänger regte sich leicht. "Würdest du mir zutrauen, dass ich dich einfach hier verrotten lasse?" Seine brüchige Stimme klang vorwurfsvoll.

Die schwieg einen Moment, ehe er leise erklärte: "Bis vor wenigen Tagen hast du mich schließlich noch gehasst. Du warst ständig nur genervt von mir, weil ich so ein aufdringlicher Idiot bin." Er grinste gequält, ob dieses Selbstgeständnisses.

Kyo schüttelte sanft den Kopf.

"Es hat sich vieles verändert."

Der Rotschopf nickte nachdenklich. "Aber nicht wirklich zum Positiven."

Der Kleine seufzte. "Mh... aber in einem Punkt schon."

"Welchen?"

"...Du bist mir wichtig."

"Wichtig?"

"... Ich hab dich gern", erklärte der Jüngere. "Und ich vertraue dir. Es ist lange her, dass ich vertraut habe."

Vorsichtig griff Daisuke nach der schmächtigen Hand des Sängers, verflocht seine Finger mit den seinen. Ein teils trauriges, teils dankbares Lächeln zierte seine spröden Lippen. "Lass uns von hier verschwinden."

Er brach den Kontakt ihrer Finger, rappelte sich langsam auf. Seine Knie schmerzten von dem harten unebenen Untergrund. Er klopfte sich abwesend den Staub von der Hose und sah zu Kyo herab, der noch immer am Boden hockte, sich nicht gerührt hatte. Aufmunternd hielt er ihm seine Hand vor die Nase, wollte ihm helfen aufzustehen. Kyos, von den Tränen glitzernde, Augen wanderten unsicher zwischen der dargebotenen Geste und Dies Lächeln hin und her. Er wirkte unentschlossen.

"Die, ich... ich..." Er senkte den Blick, unfähig es auszusprechen. Resigniert griff er nach der angebotenen Hilfe, ließ sich hochziehen, den fragenden Blick des Gitarristen missachtend.

Starr blickte er auf ihre Hände, die noch immer ineinander lagen. Er wollte ihn nicht gehen lassen, wollte nicht loslassen, jetzt, da er ihn endlich wieder hatte.

Der Rotschopf verstand den Blick, las den Wunsch darin und schenkte ihm ein ehrliches Lächeln. Sanft verübte er Druck auf seine schmalen Finger, strich mit seinem Daumen über die kalte Haut, ehe er sich zur Tür umwandte und ihn hinter sich herziehen wollte. Doch Kyo hielt ihn zurück, zwang ihn sich wieder zu ihm umzudrehen. Innerhalb eines Augenschlags war er heran, hatte er sich auf Zehenspitzen gestellt, die linke freie Hand an Dies verwundertes Gesicht erhoben, die Wange sanft berührt. Nervöse unsichere Lippen legten sich über einen vor Erstaunen leicht geöffneten Mund, verschlossen ihn zärtlich.

Dies Herz begann zu rasen, passte sich Kyos aufgeregtem Rhythmus an.

Augenblicklich senkten sich seine Lider nieder, vertrieben die grausame Welt aus seinem Blick, tauchten ihn in süße Dunkelheit und genießerische Stille.

Der Kuss dauerte nicht lang und war auch eher schüchtern, als verlangend, dennoch war das Gefühl überwältigend, die Wirkung intensiver, als tausend schöne Worte.

Zögerlich lösten sich ihre Gesichter, brachten wieder Distanz zwischen sich. Große Augen sahen einander an, ungläubig, aber keineswegs von Reue gezeichnet.

Kyo regte sich als erster. Seine Lippen bewegten sich leicht, als wollte er etwas sagen, aber kein Ton drang aus seinem Mund. Sein Blick fiel zu Boden, unsicher, verwirrt.

Die indes suchte nach einer Antwort. Kyos Handeln hatte einen Stein in ihm losgerissen und eine wahre Lawine ausgelöst. Unzählige Gefühle purzelten durch sein Innerstes, irrten durch seinen Geist.

Wieso hatte Kyo ihn geküsst?

War es aus Dankbarkeit? Oder aus Zuneigung?

Was hatte es zu bedeuten? Was drückte es aus?

"Lass uns gehen!" riss der Grund seines Gefühlschaos ihn aus den Gedanken und zog ihn an der Hand, die noch immer die seine hielt, aus der Zelle... und lief direkt in jemanden hinein.

"Uff!"

Erschrocken hob er den Blick, doch es war nur Kaoru, der seinen Weg versperrte. Erleichterung machte sich breit, erhellte sein Herz. Er sah in die Runde. Sie waren wieder vereint.

Überschwänglich stürzte der Älteste sich auf seinen besten Freund, umarmte ihn herzlich. "Oh Gott sei Dank... wir haben uns solche Sorgen gemacht." Er schob ihn ein Stück von sich, betrachtete ihn kritisch. "Und wie es scheint zu Recht."

Die, der die erste Überraschung überwunden hatte, da er nicht damit gerechnet hatte, dass sie alle gekommen waren und er auch gleich so stürmisch umgerannt wurde, erwiderte des Leaders Blick zerknirscht.

"Ich bin ok", wiederholte er seine Worte von vorhin. "Ich will nur endlich hier weg!"

Kaoru nickte verständnisvoll und entließ ihn endgültig aus seiner Umarmung.

Big Red nutzte die Chance, um sich erst einmal umzusehen. Sie alle waren da, sie alle waren gekommen, um ihn zu retten. Er war gerührt.

"Sag mal..." Er lehnte sich näher zu Kao. "Was hat denn unser Chibi?"

Der Leader lachte leise und klopfte dem bis unter die Haarwurzeln erröteten Schlagzeuger auf die Schulter. "Er hat wohl den Schock seines Lebens wegbekommen, als er nicht nur Toshiya und mich, sondern auch euch beide beim Knutschen erwischt hat. Das war wohl zuviel für seine jungfräulichen Augen."

Kyos Augen weiteten sich leicht, ertappt, Shinya verzog beleidigt seine Lippen zu einem Schmollmund und brabbelte irgendwas von "Gar nicht wahr", während Dies Augenbraue sich hob. "Du und Toshiya?" Ein Grinsen umspielte seine Mundwinkel.

"Das erzähl ich dir, wenn wir hier raus sind."

"Ich bitte darum!"
 

~*~
 

"Ich wusste, dass du kommst, Tooru!"

Ein gewinnendes Lächeln zierte das Gesicht des hochgewachsenen Mannes, der die kleine Gruppe auf ihrem Weg nach draußen am Ende eines hell erleuchteten Ganges, lässig im Türrahmen lehnend, empfing.

Ausnahmslos jeder verharrte augenblicklich in der Bewegung, starrte mit aufgerissenen Augen hilflos geradeaus. Entsetzen war die einzige Emotion.

"Na na, nicht so viel Enthusiasmus auf einmal", meinte Nishimura spöttisch und löste sich von seiner Position. Gemächlich trat er näher, ein hämisches Grinsen im Gesicht, eine schwarze blitzende Pistole in der rechten Hand.

Alle Augen wanderten zu der Waffe, löcherten sie mit verzweifelten Blicken.

Mehrere Gestalten waren bereits hinter sie getreten, versperrten ihnen den Rückweg.

"Du hast mich verletzt, Tooru. Du bist nicht wegen mir zurückgekehrt. Erst wegen ihm", er hob die rechte Hand und deutete mit seiner Schusswaffe auf Die, dessen Augen sich erschrocken weiteten, "..bist du gekommen. Das nehme ich persönlich."

"Nimm das Ding runter", knurrte Kyo warnend, löste seine Finger aus denen von Die und trat einen Schritt vor.

"Du bist nicht in der Position, um Forderungen zu stellen, Tooru." Ein eisiges Lächeln legte sich auf Nishimuras Züge. "Ich werde deine kleinen Freunde jetzt leider erschießen müssen. Sie wissen einfach zu viel", meinte er mit theatralischem Bedauern. "Und mit deinem Liebling fange ich wohl an." Er grinste süffisant und entsicherte die Pistole.

Kyo glaubte, sein Herz müsse aussetzen. Die war wie erstarrt.

Jetzt war alles aus.

"NEIN!" Schützend stellte der Gelbschopf sich vor den Älteren. "Dann wirst du erst mich erschießen müssen."

Was war sein Leben denn schon noch wert, wenn Die sterben würde, Die und all die anderen? Keinen Yen mehr. Lieber wählte er den Tod, als in dieser tristen leeren Welt weiter existieren zu müssen.

"Geh zur Seite!"

"Verreck doch!"

Galant hob sich eine dichte Augenbraue.

"Gut... Dann fange ich eben mit jemand anderem an", erwiderte sein Vater gelassen und richtete die Pistole auf Kaoru.

Toshiya krallte sich ängstlich in Kaorus Ärmel, schmiegte sich hilflos an ihn.

"Waffe fallen lassen. Sie sind verhaftet", ertönte eine autoritäre Stimme und ein Pistolenlauf wurde an Nishimuras Hinterkopf gedrückt.

Ein Polizeibeamter hatte sich unbemerkt von hinten herangeschlichen, weitere hielten die restlichen Männer in Schach.

Ein erleichtertes Lächeln breitete sich auf Shinyas Gesicht aus. Wieso hatte das so lange gedauert?

Auch Kyos Anspannung löste sich ein wenig, dennoch traute er sich nicht vollends aufzuatmen.

Zögerlich trat Dai neben ihn, ergriff seine Hand. Er war so gerührt von Kyos Handeln, fand keine Worte. Schweigend zog er ihn in seine Arme, schmiegte sich an ihn. Er konnte Kyos rasendes Herz gegen seine eigene Brust schlagen spüren, spürte seine Aufregung und Angst.

Nishimura ließ die Beiden nicht aus den Augen. Hass wallte durch seinen drogenzerfressenen Geist. Dieser Junge war Schuld, dass sein Sohn abtrünnig geworden war. Er war Schuld, dass Tooru begonnen hatte sich zu widersetzen, ihm den Rücken zu kehren. Einst hätte er sein Lebenswerk übernehmen, Nishimuras Traum von der ultimativen Droge weiterleben sollen.

Wieso verstand er seine Philosophie nicht?

Sein Leben...

Frustriert richtete er seine Waffe wieder auf Die.

"Lassen Sie sofort die Waffe fallen!"

Ein Zittern ging durch seine Hand.

"Waffe fallen lassen habe ich gesagt!"

Der Druck auf seinen Hinterkopf wurde stärker.

Der Druck auf den Abzugshebel auch.

Er hatte schon oft getötet. Getötet mittels Chemikalien, getötet durch Befehle, doch nie durch seine eigene Hand. Wieso zitterte die Waffe so?

Wieso verschwendete er keinen einzigen Gedanken an das Metall an seinem Kopf, die Kugel, die durch sein Hirn schmettern, dem allen ein Ende bereiten würde?

War das nicht eine Ironie. Töten und Sterben im gleichen Moment? Ein astreiner Selbstmord.

Ein Lachen löste sich.

Der Gedanke war auf bizarre Weise witzig.

Tooru hatte sein Lebenswerk zerstört. Die Polizei würde ihn knechten, hinter eiserne Stäbe sperren, seine Rauschmittel vernichten. Der ultimative Traum, der höchste Rausch, der stärkste Kick, er würde die Erleuchtung nie erfahren.

Und nun würde er sterben. War vielleicht der Moment des Todes, die Sekunde zwischen Hier und Dort, war sie die letzte fehlende Komponente, die er seit Ewigkeiten suchte?

Sein Finger zitterte. Gleich würde er es wissen.

"Ich sagte: Lassen - Sie - die - Waffe - fallen!"

Mit Genugtuung las er den angsterfüllten Blick des Rotschopfes, sog er die Verzweiflung seines Sohnes in sich auf.

Dann vollendete sein Finger die Bewegung, ein Schuss hallte durch den grellen Gang, dicht gefolgt von einem Zweiten.

Entsetzte Schreie. Ein Körper ging zu Boden. Ein seltsam totes Geräusch.

Blut sickerte aus Nishimuras Haaren, tränkte den Boden in warmes Rot. Sein leerer Blick war nach oben gerichtet.

Der Falsche war gefallen.

Der Falsche!

Nein, das war es nicht!

Nicht danach hatte er gesucht.

Da war nur Kälte, nur Taubheit, jedoch kein Schmerz. Kein Licht, kein Rausch, kein Traum der Sinne. Alles war grau, verschwommen nur. Trist, trostlos flackernd, zog es ihn hinab, tief, tiefer noch.

Ins Reich der Stille.

Und sein Blick wurde schwarz.
 

~*~
 

Wie ein Kanonenschuss hallte das Geräusch durch seinen Kopf, machte es unmöglich auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.

Er torkelte rückwärts, von der Wucht des Körpers getroffen, der ihn grob zur Seite geschubst hatte.

Ein Wimpernschlag nur, der alles zerstörte.

"KYO!" Ein Schrei, der seine Kehle sprengte. Ein Wort nur, das sein Innerstes zum Bersten brachte.

Was hatte er getan?

Er fiel, fiel in seine ausgestreckten Arme. Roter Saft benetzte seine Fingerspitzen, zerriss alle Hoffnung in Fetzen.

Kraftlos zog ihn der kleine Körper zu Boden, in die Tiefe des Todestals.

Die Augen geschlossen, der Atem versiegt.

Rote Seen tränkten den Stoff, untermalten das Bild.

Ein junger Mann saß am Boden. Sein Blick war leer. Rotes Haar hing ihm wirr in die Stirn. In seinen Armen ein blutend Wesen, der Sinn seines Lebens. Verlöscht mit einem Knall.

Kein Laut war zu hören.

Kein Regen zu sehen.

Die Szenerie war erstarrt, erstarrt im Momente des Todes...

...
 


 

~o~O~o~+~o~O~o~
 

Geboren aus einem toten Schrei
 

Durch eine Nadel dringt das Leben

In mich

Aus mir

Ein buntes Sein

Träg laut verzerrt

So nah dem Sterben

Leis' sanft verwoben

Immerzu
 

In mir

Heraus

Durch Nebel tragend

Ein Windstoß nur

Ein kleiner Hauch

Zum Sturme wachsend

Tief in mir

Die Welt verschluckend

Geist um Geist
 

Aus mir

In mich

Die Nadel reifend

Schwarze Pest

Um mich herum

Der Sud verkocht

Rottende Meere

Zu meinen Füßen schwarzer Sand
 

Im Todestal

Am Grund ganz tief

Ein letzter Schimmer

Meiner selbst

Bin ich nur noch

Ein blutend' Wesen

Das ward

Ganz still nur

Einst geboren

Geboren aus einem toten Schrei

...

..

.

.

.
 

~o~oOo~o~
 

Bitte erst nach dem Epilog töten -___-;;

und vergebt mir das schlimme Geschnulze. Ich wär beim noch mal drüber lesen beinah dran erstickt >.<;;



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Kommentare zu diesem Kapitel (47)
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Von:  kohaku_san
2005-02-17T16:02:56+00:00 17.02.2005 17:02
Uwaaaargh, shimatta - ein böser böser böser Cliffhänga!!!!

*im eckchen sitz und wimmernd hin und her schaukel*
Ne Feary, Kyo is noch am Leben, ne!??
Ja, ja, Kyo lebt noch...
*apathisch mit mir selbst red*

Ok *räusper* deine Geschichte ist wirklich ganz toll geschrieben! Super erzählweise und immer schön spannend, auch wenn es 'nur' der Alltag war und nix aufregendes passiert ist!
Es wäre zu schön, wenn nochmal so ne Geschichte von den Jungs kommen würde. *zu feary guck*

Tja, jedenfalls warte ich gespannt auf den Epilog!!
*die geh kyo retten*
*die nen lieben klapps geb*

kohaku
Von:  Saki-san
2005-02-14T10:00:40+00:00 14.02.2005 11:00
Da habe ich mal ne Grippe und hätte Zeit zu kommentieren, und dann ist mein Handgelenk kaputt, so dass ich kaum tippen kann. Deswegen fällt der Kommi diesmal kürzer aus als normal: sorry!

Dieses Kapitel ist auch im zweiten Teil wieder sehr schön geworden.
Gut gemacht ist, dass die Rettungsaktion von kaoru und Toshiya erstmal nach hinten losgeht, so dass das Rettungskommando zweiter Teil aka Shinya und Kyo anrücken müssen.
Die Beschreibung des Gebäudes mit den Lichtern wirkt irgendwie surreal... gefällt mir sehr gut, weil das die ganze Stimmung so eigenartig verzerrt und einen richtig fesselt.
Die kleine Lovestory zwischen Kaoru und Toshiya ist wirklich niedlich... und wie Kyo und Die auf einander reagieren, entspricht völlig meinen Hoffnungen.
Shinya da zwei knutschende Pärchen vor die Nase zu setzen und diese "erwischen" zu lassen, ist da geradezu ein Bonbon!

Durch Nimura oben an der Treppe, steigerst du die Spannung nochmals um ein Vielfaches. Man erwartet sowas ja,aber wenn man es liest, kriegt man einen halben Herzstillstand. Das ganze Gespräch, was sich dann entwickelt, bringt eine zum Reißen gespannte Atmosphäre mit sich, die durch die Schüsse am Ende nicht aufgelöst wird.

Ich bin wirklich gespannt auf den Epilog... denn ich mag Cliffhanger ja trotzdem irgendwie.

Wieder ein tolles Kapitel. Danke!
Von: abgemeldet
2005-02-08T15:33:45+00:00 08.02.2005 16:33
du schaffst es mit deiner wunderbaren art zu erzählen, einen zu fesseln und das bis zum schluss!!! *begeistert ist* danke für die total süße liebesszene zwischen Toto und Kao! *schmelz* und ich freu mich schon auf den epilog ^^
Von: abgemeldet
2005-02-06T09:01:50+00:00 06.02.2005 10:01
du...du...du...kannst doch...*schluchz*
nich so einfach...*shcn ief*
KYOOOOOOOOOOOOOO~ ;_____;
*nomma aufschluchz*
abkratzen...lassen óò
bist du denn total bescheuert >_<?
*sniff*
der arme daidai...der ringt sich ja selber um, wenn kyo wirklich tot is *npoch hoffnungen heg, dass vielleicht im epilog alles gut wird* ^^"
...
*seufz*
toshiya un kaoru sin...süß o.0
(kannst dich geehrt fühlen...ich hasse dieses pairing v_v)
un shin...*leise lach*
der kleine schüchterne shin óò
wird so süß rot ^^
...
abba...dai...un...*schluchz*
kyo...
die...
die sin einfach füreinander bestimmt >_<!
mach n schönen langen epilog, hai ;__;?
*anshcmieg*
das is zu viel für mich so kurz vor nem karnevalszug v.v
*deprimiert und tränen wegwischen wegschleich*
Von: abgemeldet
2005-02-02T21:11:16+00:00 02.02.2005 22:11
schööööööööööööööööööööööönes ende....
<--sadistische ader nicht unterdrücken kann* *sfg*
super -^.^-
dachte erst, es wird n bissel kitschig, aber das ende hats wieder rausgehauen -^.^- *patpat*
n happy end hätte da auch nicht hingedurft >< *nodnod* *patpat* hassu gut gemacht -^.^-
also...
die story an sich find ich ja gut -^.^- bzw, klasse ^^
endlich mal was interessantes ><
endlich mal was mit handlung >< *nodnod*
und geschrieben war das au super -^.^-
wie gesagt, am besten gefällt mir das ende -^.~-
groooßes großes lob an dich -^.^- *überreichen tu* ^^
*winkz*
nup
Von: abgemeldet
2005-02-02T17:21:44+00:00 02.02.2005 18:21
wie traurig *heul*
mein armer kleiner kyo!
*sniff* wieso ausgerechnet der kleine!
wieso nicht... *fällt grade keiner ein, der das verdient hätte*
ach *heul* musste das denn sooooo traurig sein?
Von:  MadelineCorvatte
2005-02-01T22:11:27+00:00 01.02.2005 23:11
...o.o...ó.o...;__;...T_T
Das is ja so~ traurig *sniff* ich war auch wieder mal am heulen, ich kann den andern nur recht geben, du schreibst so~ hammergeile fics *nodnod* bitte auch drum bescheidgesagt zu kriegen, bei neuer *smile*
A-aber, das geht nich *gedanken aus kopf verbann*
Um mal kurz zu beschreiben, wie ich mich gefühlt hab:
erstma happy, weitergeschrieben du has weiter, dann interesiert, dann vertieft, dann irgendwann mal happy (jaja, sie liebt kao un toshi, die beiden mit dem da~ ~_~°) u-und dann *shock* *träne über wange kuller* *kopfschüttel* *das nich glaub* wie----warum? *sniff* du böses, böses mädchen *sniff* ._.
Kyo nich sterben darf *kopfschüttel**mich andern anschließ* dann....*sniff* û-u° dem tode nahe? *fleh*
Niyo~h~ ~_~
*knufflz* A-aber schreib trotzdem schnell weiter *nodnod* *sich in animexxcouch hock un wart, dass endlich fortsetztung kommt* o.o
Dat Madi-Dingz *nyo?*
Von: abgemeldet
2005-02-01T20:25:17+00:00 01.02.2005 21:25
Oh. Mein. Gott ;_;
*sterb*
Wie konntest du????
Wie konntest du das DaiDai antun?? Wie konntest du KyoKyo sterben lassen?! *buhuuuu* Oh naaaaaain! Iieee! *heul* Das DARF nicht saaaaaaaain!
wunderschön
*snif*
Von: abgemeldet
2005-02-01T18:48:38+00:00 01.02.2005 19:48
genial ! trotz sadend wirklich wunderbar ! außnahmsweise wirklich gut , das Kyo stirbt , und das ende von Niimura sowie kyo einfach genial in szene gebracht
wenn du noch ma ne Fanfiction schreibst , sagst du mir dann bescheid ? denn dein Stil gefällt mir wirklich sehr
ciao dann , ne
blackblade
Von: abgemeldet
2005-02-01T18:31:13+00:00 01.02.2005 19:31
Q___Q
Oh neee
Der arme Kyo ... was soll das denn?
Da ist er endlich glücklich geworden ... und dann das ...
Naja, ich frag mich wens mehr verletzt hat. Kyo oder Die.
Ich denke mal Die ... *snif* Kyo bekommts ja nicht mehr mit. Aber er war wahrscheinlich glücklich, hat sich schließlich für Die geopfert ...
Mein Gott, werd ich poetisch ~~

Nyaa ... mach bitte schnell weiter ...

Und ... achja .. der arme Shinya ... der hat ja nu garkeinen ne ...
Naja ... ich falle eines Falles würd ich mich ja opfern ...
Nyo Chu Rami ^^


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