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Sherlock Holmes - Im Reiche Morpheus'

von

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Ein neuartiges Gift

Als wir im Krankenhaus ankamen, warteten wir, bis unser Klient den zuständigen Arzt verständigt hatte. Dieser begrüßte uns mit einem Händedruck und führte uns einige Stockwerke nach oben. Zu unserer Überraschung betraten wir einen abgesonderten Bereich, anstatt der Krankenzimmer für die Patienten. Zwei robust aussehende Männer versperrten uns den Weg, bis Woodrow sie anwies, zur Seite zu treten. Wir erhielten Einlass und standen kurz darauf vor einem weiten Glasfenster, hinter dem das Krankenbett des Patienten aufgestellt war.

"Sondern Sie ihn ab? Vermuten Sie, dass er ansteckend ist?" fragte ich besorgt.

Der behandelnde Arzt wollte sich jedoch nicht auf eine eindeutige Antwort festlegen. "Eigentlich tun wir das inzwischen nicht mehr. Dennoch belassen wir es erst einmal bei dieser Vorsichtsmaßnahme. Der Patient ist im Moment stabil, aber wie bereits erwähnt, in einem tiefen Koma."

Holmes bat den Arzt, mich über die bisherigen Untersuchungsergebnisse zu informieren, was dieser ohne Einwände tat. Während ich ihn in sein Büro begleitete, blieb Holmes mit Woodrow zurück und betrachtete den komatösen Mann.

"Mr. Holmes, sowohl Agent Turner als auch Agent Hargreaves waren aufrichtige Männer, die nur dem Wohl des britischen Empires dienten. Ich möchte Sie bitten, den Täter so schnell wie möglich zu finden.", sagte Woodrow.

Der Detektiv wandte seinen Blick nicht ab.

"Sie vermuten also einen Mordanschlag auf die beiden Männer?", hakte er nach.

Woodrow schien sich dessen sicher.

"Wir haben den Kaffee des Agenten untersucht, den wir in seinem Büro entdeckt haben. Er hat einen seltsamen Geruch, und wir vermuten, dass er vergiftet wurde."

Holmes überlegte kurz.
 

„Selbst wenn dies der Fall ist. Das erste Opfer verstarb nach nur einem einzigen Tag. Selbst wenn sie das Gift identifizieren, wird die Hilfe für Agent Turner womöglich zu spät kommen.“, stellte er ihn vor die Tatsachen.

Woodrow war jedoch keineswegs naiv. Natürlich hatte er sich auf diese Option vorbereitet.

"Ich bitte Sie nur, alles in Ihrer Macht Stehende zu tun, Mr. Holmes. Wir müssen den Angreifer identifizieren und stoppen. Es wäre schrecklich, wenn er noch mehr Menschen angreift.", sagte er.

Mein Freund musste ihm in diesem Punkt zustimmen. Es war derzeit unmöglich, die Motive des Angreifers einzuschätzen. Handelte es sich um einen Anarchisten oder einen ausländischen Agenten? Holmes wusste, dass er diese Fragen nicht ohne Weiteres beantworten konnte. Die beiden warteten auf meine Rückkehr. Der behandelnde Arzt kümmerte sich um andere Aufgaben, hatte mich aber mit den Ergebnissen aller bisher durchgeführten Tests versorgt.

"Watson, können Sie eine erste Einschätzung abgeben?", fragte mein Freund.

Ich zögerte und antwortete.

"Ungern, Holmes, sehr ungern. Ich habe nur einen ersten Blick auf die Ergebnisse geworfen und kann im Moment nichts weiter als spekulieren."

"Dann tun Sie es bitte!", forderte Woodrow mich auf.

Ich seufzte und legte die Unterlagen ab.

"Bei beiden Männern scheint das vegetative Nervensystem betroffen zu sein. Sowohl ich als auch der behandelnde Arzt gehen von einem Neurotoxin aus", gab ich meine Einschätzung ab.

Holmes dachte einen Moment nach und fragte dann:

"Ich nehme an, dass man ein solches Toxin nicht einfach in Apotheken oder gewöhnlichen Arztpraxen kaufen kann?"

Ich konnte diese Frage definitiv verneinen. Ich musste zugeben, dass mir ein derartiges Toxin noch nie untergekommen war.

"Watson, ich möchte Sie bitten, die Ergebnisse genauer zu studieren. Ob Sie dies hier oder in der Baker Street tun, überlasse ich Ihnen. Mr. Woodrow, ich bitte Sie, die Tasse Kaffee, aus der das Opfer getrunken hat, ebenfalls in mein Labor zu bringen", sagte Holmes.

"Und was haben Sie vor?", fragte ich den nun sehr motivierten Detektiv.

Holmes richtete seinen Deerstalker-Hut und machte sich bereit zu gehen.

"Ich werde einen Ort aufsuchen, an dem geschwiegen wird. Ich werde das Schweigen in diesem Fall brechen.", antwortete er.

Erst nach Holmes' Rückkehr in die Baker Street erhielt ich eine detaillierte Berichterstattung von ihm. Er hatte sich von mir und Woodrow getrennt und ließ sich von der erstbesten Droschke zu der Person bringen, von der er wusste, dass er definitiv Antworten bekommen würde. Eine Stunde später stieg er aus und trat in den Eingang des Diogenes-Clubs ein. Ich hatte diesen Club bereits in meinem Bericht über den Fall des "Griechischen Dolmetschers" erwähnt, aber ich kann meinen Lesern nicht verdenken, wenn der Zweck dieses Clubs bisher unklar war. Jegliche Art von Kommunikation ist in diesem Club absolut verboten. Kein Mitglied darf auch nur Notiz von einem anderen nehmen, außer im Besucherzimmer ist das Sprechen strengstens untersagt. Drei Verstöße gegen diese Regel führen zum Ausschluss.

Der einzige Sinn des Clubs scheint es zu sein, in bequemen Sesseln die neusten Zeitungen zu lesen. Jedoch scheint dies eine Wohltat für die Mitglieder darzustellen.

Holmes klopfte an und ließ sich vom Butler in den Wartebereich führen. Er gab an, mit welchem Mitglied er sprechen wollte und wurde dann kurz allein gelassen. Kaum eine Minute später kehrte der Butler zurück und bat Holmes, ihm zu folgen. Sie folgten einem Gang, der vor einem abgesonderten Zimmer endete. Darin schienen die gewöhnlichen Regeln des Clubs nicht zur Anwendung zu kommen.

Der Detektiv trat ein und erkannte seine Informationsquelle an einem Tisch sitzend. Mycroft Holmes wies ihm einen Stuhl zu, welchen sein Bruder ohne zu zögern in Anspruch nahm.

„Du warst zuerst im Sankt Bartholomews, um dir einen ersten Blick zu verschaffen?“, wollte sein Bruder wissen. Holmes nickte bedächtig.

„So könnte man es ausdrücken. Sind es deine Agenten, denen so übel mitgespielt wurde?“, fragte er zurück.

Der ältere der beiden Brüder verneinte rasch.

„Nein, eigentlich nicht. Sagt dir der Name Sir Alexander Sisley etwas?“, fragte er erwartend.

Natürlich kannte er die Antwort seines Freundes bereits.

„Selbstverständlich ist mir der Mann ein Begriff. Ein ranghohes Mitglied des SSB, dem Secret Service Bureau“, ging der jüngere Holmes darauf ein.

Mycroft nickte.

„Sir Sisley leitet die Abteilung für Auslandsspionage. Die Agenten Hargreaves und Turner wurden ihm beide unterstellt.“

Der Detektiv lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

„Und wie genau bist du in diese Angelegenheit verstrickt?“

Mycroft Holmes zuckte nur mit den Schultern.

„Du weißt, ich bin nur ein kleiner Beamter im Außenministerium. Mein Einflussbereich ist gering.“

Holmes lachte gekünstelt.

„Natürlich. Und ich bin die Queen höchstpersönlich. Also überspringen wir das und du erklärst am besten von Anfang an, was hier vor sich geht.“

Mycroft rang mit sich, gab am Ende aber nach.

„Was ich dir jetzt erzähle, verlässt diese vier Wände unter keinen Umständen. Auch gegenüber deinem werten Dr. Watson bist du zum Stillschweigen verpflichtet. Es würde sich als Katastrophe herausstellen, würde die Bevölkerung in diesem nicht ernst zu nehmenden Strand-Magazine darüber lesen.“

Der Detektiv erwiderte nichts darauf. Er wusste, dass ihn sein Bruder so oder so ins Vertrauen ziehen würde.

„Watson verdächtigt ein Neurotoxin. Kannst du mir etwas dazu sagen?“, versuchte er sein Glück.

Mycroft nickte langsam.

„Oh ja, das kann ich, Sherlock. Immerhin wurde es von uns entwickelt.“

Eine Überraschung in der Miene seines Bruders blieb jedoch aus.

„Um genau zu sein von der Abteilung für Auslandsspionage. Sir Sisley warb einen brillanten Wissenschaftler an. Der Leiter dieses Projekts war Dr. William Ashford. Ihm und seinen Assistenten wurde ein Labor zu Verfügung gestellt in welchem er besagtes Toxin innerhalb eines Jahres entwickelte.“

Der Detektiv schnaubte.

„Lass mich raten. Dieses Toxin sollte natürlich dazu gedacht sein, Agenten im Ausland auszuschalten“, sagte er.

Mycroft nickte.

„Dem Ministerium war es wichtig, dass der Tod möglichst natürlich aussehen sollte. Das Neurotoxin befällt das vegetative Nervensystem und sorgt für einen sofortigen Fall in ein tiefes Koma. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Aneurysma oder ein Schlaganfall. Ohne eine gründliche Obduktion wäre der Einsatz nicht feststellbar.“

Der jüngere der Brüder verzog verächtlich das Gesicht.

„Ich bin ja so einiges von unserer Regierung gewohnt, aber biologische Waffen? Ich denke nicht, dass wir so ein gutes Beispiel für den Rest der Welt abgeben.“

Mycroft lockerte den Kragen seines Jacketts.

„Sherlock, du kannst dir denken, dass das ganz sicher nicht auf meinem Mist gewachsen ist. Eigentlich kam ich erst dazu, als das Projekt bereits weit fortgeschritten war. Ich und einige andere sprachen uns dagegen aus, woraufhin das Programm, das in den Akten nur unter ‚Projekt Morpheus‘ auftauchte, geschlossen wurde. Sir Sisley war alles andere als erfreut darüber.“

„Was ist mit diesem Wissenschaftler? Ashford, sagtest du?“

Sein Bruder zögerte einen Moment.

„Ja, das… Er war genauso wenig erfreut über die Beendigung des Programms. Also stahl er so viel von dem Toxin aus dem Labor wie er konnte, bevor dieses offiziell vernichtet werden konnte. Das war vor einem Jahr.“

Sein Gesprächspartner faltete die Hände.

„Und jetzt setzt er dieses Toxin gegen unsere Regierung ein. Warum? Aus Rache, dass sein Projekt beendet wurde?“, hakte er nach.

Mycroft schüttelte den Kopf.

„Dem ist nicht so. Dr. Ashford starb nur wenige Stunden, nachdem er das Toxin aus dem Labor geschafft hatte. Angeblich ein Straßenraub“, berichtete er weiter.

Sein Bruder rollte mit den Augen.

„Lass mich raten, das Toxin wurde nirgendwo mehr gefunden.“

Das Schweigen seines Bruders bestätigte seine Theorie.

„Ich weiß nicht, wer das Toxin an sich genommen hat. Jedenfalls hat er es auf Agenten der britischen Regierung abgesehen und das ist etwas, das wir nicht dulden dürfen“, stand für ihn fest.

Der Detektiv überlegte einen Moment und erhob sich dann.

„Du hast von Laborassistenten gesprochen. Kannst du mir ihre Personalien zukommen lassen? Ich werde dort als erstes ansetzen.“

Sein Bruder nickte und versprach, alles Nötige zu veranlassen. Dann verabschiedeten sich die beiden voneinander und der jüngere der Brüder verließ die Club-Räumlichkeiten. Sein Weg führte ihn zurück in die Baker Street.

Es war bereits lange dunkel, als ich die schweren Schritte meines Freundes vernahm. Ich selbst war noch immer über den Unterlagen gebeugt, die mir das Krankenhaus großzügig überlassen hatte. Ich erhob mich und suchte meinen Freund in seinem Büro auf.

„Holmes, ein Bote hat die Tasse Kaffee gebracht, den Sie angefordert haben“, informierte ich ihn.

Mein Freund dankte mir und fragte nach einem Update. Unglücklicherweise musste ich ihm berichten, dass ich bisher keine wirklichen Fortschritte gemacht hatte. Also zog mich mein Freund ins Vertrauen und berichtete von seinem Gespräch mit seinem Bruder im Diogenes-Club.

„Holmes, ich muss gestehen, dass ich von den Bemühungen unserer Regierungen nicht wirklich überrascht bin. Aber ein hinterhältiger Mord mit einem heimtückischen Toxin? Selbst unter Spionen kann ich dies nur schwer gutheißen. Aber vielleicht können wir die Unterlagen dieses Dr. Ashford studieren, um...“

Leider schob Holmes meiner Idee schnell einen Riegel vor.

„Ich muss Sie enttäuschen, guter Doktor. Nachdem das Projekt beendet wurde, sind auch alle Unterlagen und Materialien vernichtet worden. Es existiert keine Probe des Toxins mehr... außer natürlich den Vorräten des Täters.“

Ich verstand. Unsere einzige Möglichkeit, um an ein Gegenmittel zu gelangen, war dem Attentäter die beiden Agenten das Toxin abzunehmen. Doch dafür mussten wir ihn erst einmal finden.

„Ich werde heute noch ein paar Proben mit dem Kaffee anstellen, den Agent Turner getrunken hat. Wir wissen noch nicht, wie der Täter dem ersten Opfer das Gift verabreicht hat, aber konzentrieren wir uns erst einmal auf das, was vor uns liegt. Versuchen Sie weiterhin, die Unterlagen zu studieren. Wenn wir schon kein Heilmittel finden, dann vielleicht eine Möglichkeit, den Prozess zu verlangsamen.“, schlug Holmes vor.

Ich besaß keinerlei Einwände und machte mich wieder an die Arbeit. So auch Holmes, der sich in sein Labor zurückzog und von dem ich bis zum nächsten Morgen nichts mehr hören sollte.



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