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Sherlock Holmes - Das Heulen des Wendigo

von

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Die neue Klientin

Anmerkung des Autors John H. Watson: Folgende Erzählungen finden im Dezember 1903 statt, während einer unserer Exkursionen außerhalb Londons. Jedoch sollte sich diese nicht als erholsame Ruhepause erweisen, wie ich sie schon zuvor in meinem Bericht zu den 'Gutsherren von Reigate' schilderte, in welchem mein Freund einen interessanten Fall jederzeit einem Urlaub vorzieht, sondern eher unseren Ausflügen ins Dartmoor, wie ich in Erzählungen wie 'Die Internatsschule' heranzog.
 

Für gewöhnlich beschreibe ich in meinen Geschichten von meiner und Holmes' Abenteuern im beschaulichen London. Seien es Besuche in Herrenhäusern, deren Besitzern von Einbrüchen oder familiären Tragödien berichten, oder auch Exkursionen in die Londoner Unterwelt, wie etwa das Aufsuchen der ein oder anderen Opiumhöhle, was selten zur völligen Missgunst meines Freundes ausfällt, oder der Hafen, an dem sich stets das ein oder andere Gesindel herumtreibt. Jedoch gibt es auch Ausschweifungen von dieser Regel, mir drängen sich die Ereignisse des Junkers von Reigate in den Sinn, aus dem Jahre 1887, in welchem ich Holmes eigentlich ausreichenden Urlaub verordnet hatte, er sich hingegen in den nächstbesten Fall stürzte. Oder so auch unsere Ausflüge in Richtung des Dartmoors, wie etwa unsere Untersuchungen in Baskerville-Hall im Jahre 1900. Wann immer unsere Ermittlungen es verlangten, so bat ich stets meinen treuen Kollegen doch meine Praxis zu übernehmen, was mir erlaubte meinen treuen Freund auf seinen Reisen zu begleiten. An jenem Tage sollte es sich nicht anders erweisen, mit der einzigen Ausnahme, dass mir keineswegs danach war. London steckte im tiefsten Winter und ich wagte mich nur zeitweise vor die Haustür. Dennoch hatte ich mich diesen Nachmittag bei Holmes in der Baker Street eingefunden um mit ihm zusammen einen Nachmittagstee zu genießen. Unsere treue Mrs. Hudson stellte für mich gerne eine zusätzliche Kanne auf und holte meine alte Lieblingstasse aus dem Geschirrschrank.

Nachdem Holmes immer noch keine Anstalten machte sich zu mir zu gesellen, übernahm ich die Initiative und schlenderte in dessen Arbeitszimmer. Wie erwartet saß er an seinem Schreibtisch und sortierte seinen Schriftverkehr.

„Holmes, Ihr Tee wird kalt. Das da kann doch sicherlich warten. Tee wird kalt, Papier hingegen nicht.“, wies ich ihn darauf hin, erntete doch den stets unbeeindruckten Blick meines Freundes.

„Watson, Sie hätten mir den Tee doch auch bringen können, anstatt mich auf diese physikalische Begebenheit hinzuweisen.“

Ich wies meinen Freund darauf hin, dass ich nicht sein Haushälter sei, ließ mich am Ende aber wie immer breitschlagen. Also servierte ich ihm den Tee und stellte meinen Stuhl näher an seine Arbeitsstelle.

„Etwas Spannendes? Ein neuer Klient womöglich?“, versuchte ich Holmes etwas zu entlocken.

Dieser schüttelte erst nach einiger Zeit den Kopf.

„Nein, im Gegenteil. Die Anfragen klingen keineswegs nach einem spannenden Rätsel. Dieser letzte Brief hier ist sogar so dreist mich nicht wegen eines Falles zu behelligen.“, knurrte er.

Ich runzelte die Stirn.

„Nein? Was sollte man denn bitte sonst von dem großen Meisterdetektiv wollen?“, hakte ich nach.

Holmes faltete den Brief wieder und legte ihn beiseite.

„Dieser... Thomas Driscoll möchte mich tatsächlich als seine Muse engagieren. Was kommen die Leute nur auf Ideen.“

Ich konnte meine Überraschung nicht verbergen.

„Warten Sie. Meinen Sie etwa Thomas Driscoll, den bekannten Kriminalautor?“, wollte ich wissen.

Holmes schnaubte.

„Ja, so hat er sich glaube ich genannt. Er ist auf der Suche nach Detektiven, die ihm als Inspiration dienen sollen. Aber ausgerechnet ein Genie wie mich anzuschreiben ist... nun ja dreist.“

Zum Teil konnte ich meinen Freund verstehen, auf der anderen Seite war ich mir sicher, dass er nie eines von Driscolls Werken gelesen hatte.

„Das würde ich jetzt nicht sagen. Driscolls Romane sind überaus beliebt. Sie in einen von ihnen zu verewigen würden manche seiner Fans durchaus als Ehre betiteln.“

Holmes zeigte sich unbeeindruckt. Mir war bewusst, dass er so gut wie keine fiktiven Geschichten las und sich vollkommen auf Fachliteratur verstand. Selbst mich rügte er wenn ich während meinen Erzählungen zu sehr ins Fantastische abdrifteten und die wahren Darstellungen zu sehr verzerrte.

„Wenn Sie es wünschen, können Sie ja statt meiner nach Carlisle reisen und seine Fantasie beflügeln.“

„Carlisle?“, fragte ich verdutzt nach.

Holmes nickte.

„Ja, augenscheinlich gibt er dieses Wochenende eine Dinnerparty in seinem Landsitz in Carlisle. Er schrieb, dass er auch noch andere Experten eingeladen hat, die sich mit den verschiedensten Thermenbereichen beschäftigen. Doch wie dem auch sei, zu schwatzen und ausgeschmückte Berichte über meine Arbeit wiederzugeben liegt mir nicht. Das überlasse ich dann doch Ihnen, werter Doktor.“

Ich merkte an, dass Driscoll mit mir alleine wohl nicht zufrieden wäre, doch für meinen Freund schien dieses Thema ohnehin abgehackt zu sein.

„Aber widmen wir uns doch etwas erfreulichen, Watson. Wie lautet Ihre Meinung zu unserer neuen Klientin?“

Eine Frage, mit der mich mein Freund sichtlich überraschte.

„Haben... wir denn eine?“,verbarg ich meine Skepsis nicht.

Der Detektiv nickte.

„Jeden Augenblick zumindest. Mrs. Hudson hat sie soeben eingelassen und das ohne großes Drumherum. Die Person muss also einen sehr freundlichen und sympathischen Eindruck auf sie hinterlassen haben. Bei unseren männlichen Klienten inspiziert sie diese bis aufs Mark, immerhin kann nicht jeder zu mir durchgelassen werden.“

Ich nickte langsam.

„Kann es nicht ein hübscher Bursche sein, der es Mrs. Hudson angetan hat?“, konterte ich.

Obgleich mir bewusst war, dass unsere Haushälterin sich nach dem Tod ihres Mannes keinerlei Männergeschichten mehr hingab.

„Theoretisch. Doch der Gang hat meine Vermutung bestätigt. Sie hastet die Treppen sehr rasch nach oben, aufgrund ihres Schuhwerkes hingegen schließe ich, dass es sich um eine Dame aus feinerem Hause handelt. Sie ist energisch, zielstrebig und besorgt. Wie auch immer ihr Anliegen ausfällt, wir sollten sie nicht warten lassen.“

Beinahe wollte ich Holmes bereits Übertreibung unterstellen, da klopfte es bereits an unserer Tür. Der Detektiv bat die Person herein und vor uns tat sich tatsächlich eine junge, fein gekleidete Dame auf. Sie trug ein besches Kleid, einen hohen Hut und eine teuer wirkende Tasche um die Schulter. Anhand der hohen Schuhe konnte ich Holmes' Schlussfolgerungen nachempfinden. Sie konnte noch keine 30 sein, doch ihr Gesicht wirkte ernst und etwas abgekämpft. Mein Freund räusperte sich und ich verstand sofort, dass ich der jungen Dame einen Stuhl anzubieten hatte. Diese Zeit schien diese zu nutzen um erst einmal durchzuatmen. Holmes hatte recht, sie wirkte in Eile und auch etwas besorgt. Schließlich bat ich sie, sich zu setzen und sie folgte. Sie legte ihre Tasche ab und schlug sich das Bein übers Knie.

„Was können wir denn für Sie tun, Miss...“, begann ich und ließ die Dame fortfahren.

„Florence Pembroke. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass mich empfangen, Mr. Holmes.“,

Der Detektiv nickte und wollte der Frau einen Tee anbieten. Diese lehnte jedoch höflichst ab.

„Zunächst möchte ich mich zum Tod Ihres Vaters aussprechen. Er war bestimmt eine wichtige Person für sie.“, kam er nun zum Punkt.

Ich bemerkte die Verwirrtheit und das Unverständnis, das auch mich schon so oft in Holmes' Anwesenheit überkommen war.

„Wo... woher können Sie das wissen?“, fragte sie ungläubig.

Mein Freund ließ mit einer Antwort nicht lange auf sich warten.

„Verzeihen Sie. Mir fiel nur auf, dass Sie den Friedhof besuchten, bevor Sie meine Detektei aufsuchten. Besser gesagt fiel mir die heruntergebrannte Friedhofskerze im Seitenfach Ihrer Tasche auf. Sie ist um Blumenstraußpapier gewickelt. Da Sie diesen jedoch nicht bei sich tragen, müssen Sie ihn irgendwo anders gelassen haben. Sie haben demnach ein Grab besucht. Allerdings handelt es sich nicht um einen kürzlich verstorbenen, denn dann würden Sie Schwarz tragen. Ihr Kleid ist maßgeschneidert, hat sich also einiges kosten lassen. Ich nehme dadurch an, dass die Erbschaftsangelegenheiten inzwischen alle geregelt sind.“, konkretisierte er.

Die Dame nickte leicht.

„Ja... aber wieso... mein Vater?“,verstand sie nicht recht.

„Weil sich diese noch am Leben und dazu bei bester Gesundheit befindet. Sie war es, die Ihr Haar geflochten hat, nicht wahr? Wäre es eine Freundin gewesen, würde es einen weniger detailreichen Anschein erwirken. Nein, dieses Haar wurde von jemandem geflochten, der sich mindestens schon seit Ihre Kindheit damit beschäftigt. Dadurch schloss ich auf Ihre Mutter, nicht zuletzt, da diese als Floristin tätig ist und den Blumenstrauß für Sie angefertigt hat. Und zwar, weil ich kein Logo einer Firma am Papier in Ihrer Tasche sehen kann.“

Während Miss Pembroke noch staunte, räusperte ich mich.

„Und er hat sich noch nicht einmal, richtig warmgelaufen. Gleich sagt er Ihnen, dass Sie auch eine Katze besaßen, die Sie über alles liebten.“, frotzelte ich.

Die Dame sah mich verwundert an.

„Woher... wissen Sie das?“

Das verschlug wiederum mir die Sprache.

„Nun, unser guter Dr. Watson ist ein Meister des Ratespiels. Er konnte es inzwischen derart gut perfektionieren, dass er bei jedem dritten oder vierten Mal richtig liegt, wenn ich ihm eine Frage stelle.“

Die Frotzelei war nach hinten losgegangen und ich überließ Holmes den Sieg.

Doch nun schlich sich wieder Ernsthaftigkeit ins Gesicht unserer neuen Klientin

„Sie haben recht. Mein Vater, Victor Pembroke ist vor gut einem Jahr gestorben. Man... fand ihn mit einem Messer in der Brust vor. Die Polizei spricht von Selbstmord.“

„Doch Sie glauben nicht daran.“, führte Holmes den Satz fort.

Die Dame schüttelte vehement den Kopf.

„Nein, so ein Mensch war mein Vater nicht. Er hätte mich und meine Mutter nie alleine gelassen.“, stand für sie fest.

„Ich nehme an, dann existiert auch kein Abschiedsbrief?“, wollte ich in Erfahrung bringen.

Die Klientin verneinte augenblicklich.

„War Ihr Vater im Besitz einer Pistole oder eines Revolvers?“, fuhr der Detektiv fort.

Miss Pembroke zögerte.

„Nein, aber er besaß ein Gewehr. Er und sein Arbeitgeber gingen oft gemeinsam auf die Jagt.“

Ich verstand nun worauf mein Freund hinauswollte. Warum sich der umständliche Todesart durch ein Messer bedienen, wenn man im Besitz einer Schusswaffe war?

„Sein Arbeitgeber? Was genau tat Ihr Vater beruflich?“

Miss Pembroke zögerte und rieb sich die Hände.

„Er war der persönliche Assistent eines reichen Mannes. Sie haben vielleicht schon von Thomas Driscoll gehört?“

Ich und Holmes warfen uns verblüffte Blicke zu.

„In... der Tat haben wir das. Tatsächlich haben wir uns kurz vor Ihrem Eintreffen über ihn unterhalten.“, offenbarte ich.

Für die Dame schien dies aber keine besondere Erkenntnis zu sein.

„Ich weiß. Onkel Thomas... so habe ich ihn zumindest früher immer genannt, hat mir davon erzählt. Er veranstaltet dieses Wochenende ein Dinner, zu dem er einige seiner Bekannten eingeladen hat. Alles Experten auf ihrem Gebiet. Sein Ziel ist es, dass sein nächster Roman der erfolgreichste überhaupt wird. Er erwähnte auch, dass er versuchen will, den großen Sherlock Holmes einzuladen. Dadurch kam ich erst auf die Idee Sie zu engagieren. Onkel Thomas... war derjenige, der meinen Vater gefunden hat.“, berichtete sie.

Während Holmes die Information noch verarbeitete, füllte ich die Pause.

„Sie... verdächtigen doch nicht etwa Mr. Driscoll? Standen die beiden in keinem guten Verhältnis zueinander?“, wollte ich wissen.

Miss Pembroke zuckte mit den Schultern.

„Doch eigentlich schon. Darum kann ich mir auch nicht vorstellen, dass er meinem Vater etwas antun würde. Aber... irgendetwas verschweigt Onkel Thomas mir. Das... spüre ich einfach. Können Sie das... irgendwie nachempfinden, Mr. Holmes?“

Zu meiner Überraschung bejahte mein Freund. Ich hingegen wusste, dass er wenig über Gefühle gab, obgleich er die Instinkte eines Ermittlers nicht leugnete.

„Sind Sie ebenfalls zu diesem Dinner eingeladen, Miss Pembroke?“, erkundigte er sich.

„Ja, das bin ich. Schon alleine weil es der Todestag meines Vaters ist.“

Der Detektiv nickte und nahm noch einmal den Brief zur Hand, den er vorhin zur Seite gelegt hatte.

„Also, gut ich möchte folgendes vorschlagen. Wir werden getrennt anreisen. Und Sie werden so tun, als würden wir einander nicht kennen. Das dürfte uns einen kleinen Vorteil verschaffen.“, lautete Holmes' Plan.

Miss Pembrokes Gesicht entspannte sich zusehends,.

„Heißt das... Sie übernehmen den Fall?“

Mein Freund nickte, blieb aber stoisch.

„Ja. Allerdings möchte ich noch keine Versprechen machen. Dazu fehlt es deutlich an Details. Ich werde persönlich ein Auge auf diesen Driscoll werfen.“, entschied er.

Miss Pembroke erhob sich und verbeugte sich leicht. Ihre Dankbarkeit war ihr sichtlich anzusehen. Wir verabschiedeten einander und bald darauf hatte sie die Detektei wieder verlassen.

„Wie sieht es aus, Watson? Wollen Sie mich begleiten?“, lud mich mein Freund ein.

Ich zögerte jedoch etwas.

„Sie meinen... dieses Wochenende? Nach Carlisle? Da ist jetzt tiefster Winter, Holmes! Noch schlimmer als hier in London!“, wehrte ich mich.

Dieser schmunzelte jedoch nur.

„Ach kommen Sie! Solche lapidaren Hindernisse haben Sie doch noch nie von etwas abgehalten. Wo ist der Soldat, dem selbst Granaten in afghanischen Schützengräben nichts ausgemacht haben?“

Ich wusste, was mein Freund bezweckte und wie immer konnte ich mich nicht wehren. Hinzukommend gestand ich mir ein, doch daran interessiert zu sein, einen berühmten Autor wie Mr. Driscoll einmal kennenlernen zu wollen. Schließlich sagte ich zu und wir verabredeten uns für das kommende Wochenende.



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