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Umnachtung

…oder warum für Tatsuro Alkohol doch manchmal die bessere Lösung ist
von

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Umnachtung
 

…oder warum für Tatsuro Alkohol doch manchmal die bessere Lösung ist
 

War ich denn total bescheuert?
 

In einem plötzlichen Anfall von Verzweiflung schlug ich die Hände vors Gesicht und ließ mich rückwärts auf das Bett fallen. Wie ich es zurück in das Hotelzimmer geschafft hatte, konnte ich nicht sagen, alles verschwamm zu einem Einheitsbrei. Und das lag nicht nur am Alkohol, der die letzten Stunden so reichlich geflossen war und nun ein gewisses Taubheitsgefühl in meinem Körper hinterließ.
 

Ich musste wirklich von allen guten Geistern verlassen gewesen sein!
 

Mit einem erbärmlichen Stöhnen strampelte ich mit den Beinen in der Luft, in der Hoffnung, damit irgendetwas zu erreichen. Was genau? Keine Ahnung. Irgendetwas halt.

Aber mehr, als dass ich wahrscheinlich aussah wie ein verzogenes Kleinkind, das sich auf dem Bett herumwälzte, passierte nicht und auch die Bilder aus meinem Kopf wollten sich mit diesem sehr erwachsenen Verhalten nicht vertreiben lassen.
 

Wieso hatte ich Yukke küssen müssen? Vor aller Augen.

Ja, ich war betrunken gewesen.

Ja, Alkohol hatte noch nie den besten Einfluss auf mich gehabt.

Und ja verdammt, ich hatte es tun wollen. Aber… Erst irgendwann und nicht heute, nicht mitten auf Hydes Geburtstagsfeier, vor allen Gästen. Aber nein, mein benebeltes Gehirn musste natürlich andere Pläne haben.
 

Tief durchatmend lag ich auf dem Bett, alle Viere von mir gestreckt, starrte an die Decke und ließ all meine wenig durchdachten Entscheidungen der letzten Zeit Revue passieren.

Allmählich ließ das Drehen in meinem Kopf nach und machte einer unangenehmen Erkenntnis Platz: Ich hatte es vergeigt.

Es war weniger die Angst, dass ich mit meiner plötzlichen Knutscherei etwas an dem doch sehr freundschaftlichen Verhältnis, das Yukke und ich pflegten, zerstört hatte. Das hatte in den letzten Jahren schon deutlich mehr aushalten müssen.

Nein, es war eher die Angst vor den nun aufkommenden Fragen, die meine Aktion und der darauffolgende unrühmliche Abgang – nämlich erschrockenes Augenaufreißen und panisches Wegrennen – nach sich zogen.

Und was sollte ich antworten? Mit der Wahrheit rausrücken, dass ich dummerweise seit einer geraumen Weile eine gewisse intensivere Vorliebe für meinen langjährigen Freund und Kollegen entwickelt hatte, die eigentlich ziemlich unpassend war? Sicher nicht. Nur war ich leider ein ziemlich miserabler Lügner.
 

Aber es half ja alles nichts. Nun lag ich hier in diesem nicht sonderlich komfortablen Hotelzimmer und versank in meinem Elend. Dabei hatte sich der Kuss echt gut angefühlt. Also soweit ich es mitbekommen hatte.

Mein Handeln war auch alles andere als durchdacht, sondern eher ein spontaner Impuls gewesen. Sowas passierte meist entweder bei Konzerten, wenn mir eine Kamera ins Gesicht gehalten wurde oder wenn ich verärgert war. Und das war ich heute Abend gewesen.

Ich war einfach ignoriert worden!

Zwar hatte ich viele Kollegen und Bekannte getroffen, mit denen ich auch sonst gerne mal etwas trinken ging, aber derjenige, mit dem ich heute eigentlich den Großteil des Abends hatte verbringen wollen, war erst spät aufgetaucht, was meinen Geduldsfaden sehr strapaziert hatte. Und dann begrüßte er mich nur flüchtig, um sich anschließend in ausschweifende Gespräche mit anderen zu stürzen.

Hallo? Wer war ich denn, dass man mich einfach so ignorierte?
 

Zu allem Übel sah Yukke heute besonders gut aus, in seiner legeren Hose und in dem, für seine Verhältnisse, recht engen Hemd. Und alles, was mir blieb, war ihn für die nächsten Stunden von der anderen Seite des Raumes zu beobachten und mich an meinem Glas festzuhalten.

Wann sich meine Gefühle für Yukke gewandelt hatten, wusste ich nicht mehr. Mit einem Mal war da dieses seltsame, aufregende Ziehen in der Magengegend gewesen, sobald er in der Nähe war, und das mich so sehr verwirrte. Schließlich kannten wir uns bereits Jahrzehnte lang. Ich hatte ihn immer gemocht und meine Späße mit ihm getrieben, schließlich war er mein kleiner Lieblingsbassist mit der anfangs so witzigen Topffrisur und dem ruhigen Auftreten, das so gegensätzlich zu meinem war. Seine Gegenwart hatte mich stets auf eine gewisse Weise geerdet und gleichzeitig aufgepusht.

Und dann waren sie plötzlich da, diese Empfindungen, mit denen ich zunächst nichts anzufangen wusste und die ich dann doch akzeptieren musste, da sie einfach nicht mehr auf ein normales Maß zurückkehren wollten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich nie über die Maßen für andere Männer interessiert, jedenfalls nicht im sexuellen Sinne. Doch nun stand ich anscheinend plötzlich auf Yukke. Überraschung.
 

So ließ es sich nicht vermeiden, darüber nachzudenken, wie es wäre, nicht mehr nur ein normaler Freund für ihn zu sein, ihn zu küssen und zwar richtig, nicht nur als Neckerei auf der Bühne. Wobei ich diese Gedanken immer recht schnell verdrängte, um mich selbst nicht zu deprimieren. Warum sollte sich Yukke jemals auf diese Weise für mich interessieren?

Ich wusste nicht einmal, wie er zu diesem Thema stand. Wäre er prinzipiell offen für eine gleichgeschlechtliche Beziehung? Bisher hatte es nur eine Handvoll Frauen in seinem Leben gegeben, keine Beziehung hielt länger als ein paar Jahre und in letzter Zeit hatte ich gar nichts mehr davon mitbekommen.

Und die noch wichtigere Frage, die sich stellte: Wollte ich überhaupt eine Beziehung? Ich war bis jetzt nie der Mensch für etwas Dauerhaftes gewesen.
 

Ach Mann… Zu viele Fragen und Überlegungen, die mein armes Hirn gerade einfach nicht verarbeiten konnte.

Fakt war: Als Yukke mich aufhalten wollte, die Party nach schier endlosen Stunden zu verlassen, hatte ich ihn aus meiner Verärgerung heraus geküsst. Nicht nur einen flüchtigen Schmatzer auf den Mund, sondern so richtig mit Gesicht festhalten und ganz viel Leidenschaft. Wie in diesen Liebesdramen aus dem Fernsehen eben. Und es hatte sich verdammt gut und richtig angefühlt.

Warum hatte ich damit so lange gezögert? Ja, richtig, weil das bei einem Freund nun mal nicht so einfach war.
 

Erst Yukkes überraschtes Keuchen hatte mich aus meiner Trance gerissen und mein Hirn zum Weiterarbeiten bewegt. Diese großen, weit aufgerissenen Augen, der überraschte Ausdruck in seinem Gesicht, noch gekrönt von diesem herrlich durchbluteten Lippen. Am liebsten hätte ich sie nochmal gekostet, doch Hizumis Grinsen, das hinter Yukke aufgetaucht war, hatte mich zur Besinnung gebracht. Adrenalin pulsierte durch meinen Körper, während ich ihn losließ. Mühsam schaffte ich es, mein Gesicht einigermaßen gelassen erscheinen zu lassen, als ich Abstand zwischen uns brachte und ihm noch ein hoffentlich ebenso gelassen klingendes „Das hast du jetzt davon, dass du mich den ganzen Abend ignorierst.“ entgegen zu raunen, ehe ich die Flucht zum Fahrstuhl ergriff. Im Nachhinein betrachtet, hatten meine Worte wohl eher atemlos geklungen.
 

Ach Mann, was war ich auch dämlich! Ich sollte künftig wirklich die Finger vom Alkohol lassen, mit Ende 30 vertrug man das nicht mehr sonderlich gut.
 

Ein gedämpftes Klopfen holte mich aus meiner Lethargie.

„Tatsuro?“

Oh nein, nicht jetzt!

Erschrocken setzte ich mich auf und starrte zur Tür. Ein kurzes Stechen hinter meinen Schläfen aufgrund der schnellen Bewegung ließ mich zusammenfahren.

„Tatsuro! Ich weiß, dass du da bist. Mach die Tür auf.“

Vergiss es! Den Teufel würde ich tun und mich jetzt freiwillig demjenigen stellen, der gerade schon wieder eine leichte Panik in meinem Körper verursachte, gemischt mit diesem blöden, aufgeregt flatternden Schmetterlingshaufen in meinem Bauch, den ich aber geflissentlich ignorierte. Nope. Da stellte ich mich lieber tot.
 

Ich zermarterte mir noch mein Hirn, wie ich aus dieser Situation entkommen konnte, da klickte es an der Tür und sie schwang langsam auf. Vermutlich mutierte ich gerade zum berühmten Kaninchen vor der Schlange. Jedenfalls wenn ich Yukkes feines Schmunzeln, als er eintrat, richtig deutete.

„Wie kommst du hier rein?“

Das Schmunzeln wurde verlegener.

„Es gibt hilfsbereite Hotelangestellte, die liebend gerne Ersatzkarten ausstellen, wenn man sie freundlich darum bittet.“

Demonstrativ wedelte er mit der Ersatzkarte herum, ehe er sie auf die kleine Ablage neben der Tür legte.

Wieso sah er so entspannt aus?

„Ach, lass mich doch in Ruhe.“

Mit einem theatralischen Seufzen ließ ich mich zurück aufs Bett fallen und versteckte mein Gesicht hinter den Armen. Ich hörte Yukke amüsiert schnauben, was wenig dabei half, meine Gefühle in den Griff zu bekommen. Konnte er nicht einfach wieder gehen und mich in meinem Elend alleine lassen?
 

Ich spürte, wie sich die Matratze neben mir leicht senkte. Ungerührt blieb ich in meiner Position liegen.

„Wie betrunken bist du?“

Ha! Und da fingen die Fragen schon an, auf die ich nicht antworten wollte. Im Moment wohl nicht betrunken genug, um das Ganze ohne Blutdruckschwankungen zu überstehen.

„Ganz doll betrunken bin ich.“

„So klingst du aber nicht und so siehst du auch nicht aus.“

Ich war nicht nur ein miserabler Lügner, sondern ein noch schlechterer Schauspieler.

Ich murrte.

Plötzlich pikste mich etwas in die Seite, was ein recht unmännliches Quietschen nach sich zog.

„Los, Tatsuro, sieh mich an.“

Es bedurfte eines kurzen Kampfes, bis ich schließlich die schützende Position meiner Arme aufgab. Mit klopfenden Herzen lag ich da, Yukke halb über mich gebeugt und mit diesem versteckten Grinsen im Mundwinkel, das mein Herz in letzter Zeit leider viel zu oft hatte höher schlagen lassen.
 

Sekundenlang starrten wir uns schweigend an und die Szene hätte sicher etwas Romantisches gehabt, wenn in meinem Kopf nicht so viel Leere geherrscht und ich das Bedürfnis zur Flucht verspürt hätte.

Schließlich war es Yukke, der die Stille brach.

„Also, hast du noch etwas anderes zu sagen, außer, dass ich das jetzt davon habe, weil ich dich ignoriert habe.“

Seine Augenbraue zuckte.

„Und zu deiner Information: Ich habe dich nicht ignoriert, sondern mich gefreut, auch mal andere Leute wiederzusehen. Ich geh nicht ganz so häufig aus wie du.“

Ich starrte ihn weiter schweigend an. Vielleicht würde er ja gehen, wenn ich nichts sagte. Es gab nun mal keine plausible Antwort dafür, nur die Wahrheit und die wollte ich ihm nicht auf die Nase binden. Vielleicht sprach da auch die Bockigkeit eines Angetrunkenen aus mir.
 

Mit einem Schnauben schloss ich die Augen, sperrte damit Yukke und hoffentlich auch alles andere aus.

Womit ich nicht gerechnet hatte, waren die rauen Finger, plötzlich anfingen mit meinen Haaren zu spielen. Das sanfte Zupfen auf meiner Kopfhaut schickte eine dicke Gänsehaut über meinen gesamten Körper.

„Weißt du, Tatsuro, ich kann auch die ganze Nacht hier sitzen und warten, bis du mit mir redest.“

„Kannst du nicht einfach wieder verschwinden und mich alleine lassen?“

Selbst in meinen Ohren klang das ziemlich jämmerlich, deshalb kam Yukkes schlichtes „Nein“ auch nicht sonderlich überraschend.
 

Resigniert sah ich ihn aus halb geöffneten Lidern an. War er etwa näher gekommen?

„Mann, Yukke. Was soll ich dir sagen, außer dass ich dich eben küssen wollte? So, jetzt ist es raus! Bist du zufrieden?“

Yukkes verlegenes Grinsen hielt sich unverändert auf seinen Lippen, nur mischte sich jetzt etwas anderes darunter, von dem ich nicht genau sagen konnte, was es war. Wurde er etwa rot?

Doch er ging gar nicht auf meine Worte ein und spielte weiter mit meinen Haaren.

„Warst du eifersüchtig?“

Wenn er mich so fragte...? Generell stand ich gerne im Mittelpunkt, besonders bei Menschen, die ich mochte. So war ich schon immer gewesen. Und natürlich war ich eifersüchtig, wenn man mir dann die kalte Schulter zeigte, heute noch dazu vom Alkohol verstärkt.

Ich musste nichts sagen, denn Yukke sah mir die Antwort an der Nasenspitze an.

Dieses Mal war es keine Einbildung, dass er näher zu mir rutschte. Sein Schmunzeln schwebte über mir, mein Mund war mit einem Mal staubtrocken, sodass ich nicht mal richtig schlucken konnte.

„Weißt du, mir gefällt der Gedanke, dass ich dich nur ein bisschen ignorieren muss, damit du mich so küsst. Also sollte ich das wohl häufiger tun, oder was meinst du?“

Ich blinzelte einmal, zweimal. Nur langsam sickerte die Information zu mir durch.

„Du willst mich ignorieren, damit ich dich küsse?“, wiederholte ich ungläubig mit kratziger Stimme.

„Schon… Wobei du mich auch küssen kannst, ohne dass ich dich vorher mit Nichtachtung strafe.“

War das sein Ernst? Die Röte seiner Ohren schien Anlass genug, dem plötzlichen Impuls in mir nachzugeben und eine Hand in seinem Nacken zu legen, um ihn zu mir zu ziehen.

„Dann würde ich die zweite Option wählen.“

„Hab ich nichts dagegen.“

Mit einem triumphierenden Laut überbrückte ich den letzten Abstand zwischen uns und presste meine Lippen auf seine. Einen Moment lang hatte ich das Gefühl zu fallen. Da war dieses Gefühl, das mich geradewegs überrollte – seine Wärme, sein Geruch, das Gewicht seines Körpers auf meinem, der leichte Geschmack von Zigaretten und Alkohol.
 

Ich hätte ewig so verweilen können, wenn Yukke sich nicht schließlich wieder von mir gelöst hätte. Sein verschämter Gesichtsausdruck verstärkte die Hochstimmung, die mich wahrscheinlich gerade ziemlich debil grinsen ließ. Er räusperte sich, wirkte einen Augenblick lang, als müsste er sich sammeln, ehe er mir zaghaft eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich.

„Hm, die Option gefällt mir auch besser. Besonders, da du dieses Mal nicht die Flucht ergriffen hast.“
 

Ende
 

Nachwort
 

Diesmal gibt es Nachschub im J-Rock Bereich, yeah xD

Ich liebe es ja, Tatsuro jammern so lassen, er macht es einem auch einfach.

Also ich hoffe, es hat gefallen und ich freu mich immer über Feedback <3
 

Liebe Grüße

Luna



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  -Pharao-Atemu-
2023-11-19T17:06:47+00:00 19.11.2023 18:06
*umguck*
Warum sind denn hier keine Kommis?
Die FF ist richtig gut und. Ich musste des öfteren grinsen.

Antwort von:  QueenLuna
27.11.2023 08:31
Das freut mich ^^ mir hat es auch sehr viel Spaß gemacht das zu schreiben

Naja auf animexx bzw im jrock fandom bewegt sich halt leider nicht mehr viel ^^


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