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Der Feensammler

von

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„Du glaubst nicht, was meine Alte letztens wieder gebracht hat. Ich sag dir. Die ist total irre.“

„Los erzähl, Mann.“

Ruhig öffnete er die Tür und trat in den Raum, als er schon das Lachen seiner Kollegen hörte. Das Holster seiner Waffe schlug gegen sein Bein und die Hitze des Kaffees drang langsam durch die Wand des Bechers zu seinen Fingern durch. Ruhig stieg der Dampf in die Luft und trug das belebende Aroma zu seinem Geist hinauf, bevor er dann einen kräftigen Schluck daraus nahm und die Tür wieder hinter sich ins Schloss fallen ließ.

„Hey, John! Du glaubst  nicht, was Martha gestern wieder gebracht hat.“ Ein großer, schlaksiger Kerl kam auf ihn zu und grinste ihn breit an. Sein schwarzes Haar war kurz geschnitten und die blauen Augen wirkten offen und bereit für einen Spaß.

„Was? Hat sie endlich mal denLippenstift an deinem Halskragen entdeckt?“ Schalk lag in Johns Stimme als er weiter zu seinem Schreibtisch ging. Natürlich dicht gefolgt von seinem Kollegen.

„Häh? Wo hast du den Mist her? Nein, sie meinte doch glatt, dass ich den Kindern nicht immer so viel Unsinn beibringen sollte. Aber hey, ich seh die Plagen ja kaum. Das verbockt sie gerade echt alles selbst.“

„Und das hast du ihr natürlich auch so gesagt, nicht wahr?“ Er stellte seinen Becher auf den Tisch ab und warf einen Blick auf die neue Akte auf seinen Tisch. Wieder ein vermisstes Kind. War unterwegs und kam nicht mehr heim. Er musste den Bericht nicht lesen, um es zu wissen. Schließlich war es doch immer dasgleiche gewesen. Sie gingen raus. Spielen oder zu Freunden, aber kamen nie wieder zurück.

Mit einem frustrierten Seufzer warf er die Akte zu den anderen auf den Stapel und wandte sich dann wieder seinem Kollegen zu. „Ja, klar und irgendwie ist ihr dann eine Sicherung durchgebrannt. Sie heulte los und sagte, dass ich öfters Zuhause sein sollte. Schließlich wäre die Arbeit nicht mein Leben und unsere Kinder brauchen auch ihren Vater. Ja, genau. Irgendwer muss ja das Geld nach Hause schaffen.“

„Ach, komm schon, Tom. Wir wissen beide, dass du in deine Arbeit flüchtest. Vielleicht wäre es wirklich nicht schlecht, wenn du dich auch ein wenig mit deinen Kindern beschäftigst. Du könntest dort eine Energiequelle finden, die du vielleicht nicht dort vermutest hättest. Schließlich weißt du doch, was man sagt, oder?“

„Ja, ja. Sie werden viel zu schnell groß und dann bereut man es nur, dass man nicht mehr Zeit mit ihnen verbracht hatte, als es noch möglich war. Ich weiß, aber... ich halte es Zuhause einfach nicht aus, okay?“

John schenkte ihm ein mitleidiges Lächeln und als er gerade etwas sagen wollte, knallte jemand eine weitere Akte auf seinen Schreibtisch. „Herr Schneider, es kam eine weitere vermissten Anzeige herein! Haben Sie endlich einen Anhaltspunkt, wo die Kinder sein könnten? So kann das doch nicht weitergehen! Wir brauchen endlich irgendeinen Hinweis. Irgendein Ergebnis. Man macht mir schon die Hölle heiß. Sie wollen Ergebnisse sehen! Es sind nun schon über zehn Kinder in den letzten drei Monaten verschwunden und wir haben nicht einmal ein Staubkorn gefunden, dass uns irgendwie auf die Fährte führt!“

„Ich weiß, Herr Meier. Ich bin auch an der Sache dran, aber es gibt keine Spuren. Die Kinder haben sich verabschiedet und danach scheint sie niemand mehr gesehen zu haben.“

„Das ist unmöglich! Irgendjemand muss die Kinder gesehen haben! Sie können sich ja nicht in Luft aufgelöst haben! Verdächtige Personen an den Orten, an denen sie zu letzt gesehen wurden? Verrückte Verwandte?! Gehen die Kinder auf dieselben Schulen? Es muss doch irgendeine Verbindung geben!“

„Keine, die sie alle haben. Ein paar von ihnen besuchen immer dieselbe Schule. Gehen aber in unterschiedliche Klassen. Manche wohnen in derselben Gegend, aber andere sind dann wieder wo ganz anders. Sie sind nicht verwandt. Nicht befreundet. Ich... ich finde nichts.“

„Verdammt!“ Er schlug auf den Tisch. Sein kantiges Gesicht war rot vor Zorn und das schulterlange, braune, schon leicht ergraute, Haar hing ihm wirr in sein Gesicht. Unter seinen blauen Augen waren tiefe Augenringe. „Sie sollten mal wieder schlafen, Hauptkommissar.“

„Ich weiß nicht, wie Sie in dieser Situation so ruhig schlafen können, Herr Schneider. Stellen Sie sich doch nur vor welche Angst diese Kinder haben müssen oder was man Ihnen schon alles angetan haben könnte. Einige fehlen doch schon seit Monaten. Wir müssen sie endlich finden, Herr Schneider. Sie und den Psycho, der das hier tut.“ Er strich sich eine Strähne hinters Ohr und fuhr sich kurz über seinen wuscheligen Schnäuzer, bevor er sich dann abwandte. „Ich möchte bis Ende der Woche endlich Ergebnisse sehen. Dieses Schwein muss gestoppt werden. Egal, was er mit den Kindern tut. Es wird nichts Schönes sein. Das spür ich.“

John seufzte und ließ sich auf seinen Stuhl sinken. Tom sah ihn wie ein verschrecktes Reh an, bevor er dann entschuldigend auf seinen eigenen Tisch deutete und schon im nächsten Atemzug dorthin verschwand.

Ruhig griff er nach der ersten Akte, wobei er sich sein langes, blondes Haar in einem Pferdeschwanz zusammenband, damit es ihm nicht in die Quere kam. Noch einmal holte er tief Luft und klappte dann das Deckblatt zur Seite. Es war ein neues Kind. Wuschelige, schwarze Haare und freche braune Augen. Seine Haut war leicht gebräunt und eine Zahnlücke stach aus diesem herzhaften Lächeln heraus.

Verschwunden seit drei Tagen. Es schien auf den Weg zu seinem Vater gewesen zu sein, doch war dort niemals angekommen. Die Eltern waren geschieden. Der Junge lebte bei der Mutter und war nur alle paar Monate mal beim Vater. Unscheinbar. Er ging in die erste Klasse. Liebte den Sport und spielte in einer Fußballmannschaft. Ein kleiner Verein vor der Haustür der Mutter. Dessen Namen John noch nicht gelesen hatte, also erneut keine Verbindung. Auch der Spielplatz tauchte nur bei ein oder zwei anderen Kindern auf.

„Es gibt nichts. Nichts, was bei allen gleich ist. Von sechs bis zehn Jahren ist alles dabei. Sie wohnen verstreut in der ganzen Stadt. Geschiedene, alleinerziehende oder auch glücklich verheiratete Eltern. Was übersehe ich? Fuck! Sie müssen doch eine Sache gemeinsam haben! Irgendwas!“ Verzweifelt schloss er die Akte und schmiss sie wieder auf den Stapel. Zwölf Kinder. Es sind mittlerweile zwölf Kinder verschwunden und niemand scheint sie zu finden. Alle weg. Ihre Freunde haben sie das letzte Mal gesehen. Sie sind vom Spielplatz, vom Training, von Freunden oder gar von der Schule nach Hause gegangen, doch dort kamen sie nie an. Niemand hat sie dann noch einmal gesehen. Ihre Sachen sind zusammen mit ihnen spurlos verschwunden.

„Glaubst du, dass es ein Menschenhandelring ist?“ Die sanfte Stimme einer jungen Frau riss John aus seinen Gedanken und als er seinen Blick hob erkannte das lange, brauneHaar mit blonden Strähnen, das ein leicht rundlichen Gesicht sanft umspielte auf demimmer ein sanftes Lächeln lag, das einem jede Sorge nahm. Genauso wie das Strahlen in ihren braunen Augen, die an ein junges Reh erinnerten, erleuchtete jeden noch so dunklen Moment.

„Vielleicht sogar ein Pädophilenring? Das wäre schrecklich.“ Sie zog sich einen Stuhl heran und ließ sich vor ihm nieder. „Ich weiß es nicht, Rebeka. Man findet halt nichts. Ihre Kleidung und ihre Sachen, die sie bei sich trugen, sind auch spurlos verschwunden. Was sehr auf einen Ring hindeutete. Aber wäre das dann nicht landesweiter. Diese vermissten Kinder gibt es nur hier und in unseren Nachbarstädten. Das deutete doch sehr auf einen Einzeltäter hin, der hier irgendwo wohnt.“

„Vielleicht sollten wir eine großflächige Razzia machen und jede Wohnung durchsuchen.“ John musste bei diesem Vorschlag trocken auflachen. „Das können wir nicht, Beka und das weißt du. Wir brauchen Beweise und nicht nur eine Vermutung, um so etwas durchzusetzen und Stichproben bringen nichts, weil wir keine Ahnung haben nach welchen Kriterien wie aussuchen sollten. Ich finde nichts, was all diese Kinder gemeinsam haben. Rein gar nichts. Sie sind beliebt und unbeliebt. Offen und eher zurückgezogen. Ihre Eltern arbeiten quer durch alle Berufsgruppen. Es gibt nichts. Nichts was sie vereint.“

John stand auf und ging an seine Tafel an der er alle Informationen zusammen getragen hatte. Unter anderem sogar einen Lageplan mit Markierungen von den Wohnorten der Kinder und ihrer letzten Sichtung. Es wirkte so wirr, dass es kein Muster ergeben konnte. Mit einem erschöpften Seufzer griff er vier neue Pinnadeln und markierte die beiden neusten Opfer. Sie zerrissen das nicht vorhande Muster noch mehr, was ein Knurren von John forderte.

„Doch, es vereint sie eines: Sie sind Kinder und sie brauchen uns. Wir müssen sie finden, bevor es zu spät ist. Nur wir können ihnen helfen und das werden wir auch. Du kannst dich auf mich verlassen. Wir werden dieses Schwein schon finden und die Kinder auch.“

Sie legte ihm sanft eine Hand auf die rechte Schulter und sah mit ihm zusammen auf den Plan. John hoffte so sehr, dass sie recht hatte. Sie mussten ihn endlich finden, denn so konnte es nicht weitergehen. Kinder waren heilig. Niemand durfte ihnen etwas tun. Wirklich niemand...



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