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Jägerpfade

Ein Horizon Zero Dawn MSP
von
Koautor:  Ixana

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Boden der Tatsachen

Bevor ich wirklich verstehe, was passiert ist, tauche ich in eisige Kälte ein. Der Schock ist enorm, körperlich und psychisch. Unkoordiniert rudere ich unter Wasser mit Armen und Beinen. Panisch versuche ich wieder an die Oberfläche zu kommen, paddle wild um mich. Als mein Kopf endlich aus dem Wasser ist, hole ich tief Luft, und versinke direkt wieder im kalten Nass. Meine Bewegungen sind weder dienlich noch funktional, die Panik hat mich fest im Griff. Mein Herz rast wie verrück und mein Brustkorb fühlt sich extrem eng an.

Es dauert, bis ich registriere, dass ich mit den Fußspitzen auf den Grund komme und meine Position dadurch stabilisieren kann. Außerdem gibt mir der Umstand Sicherheit. Ich bin kein guter Schwimmer und bekomme Angst, wenn ich mit den Füßen nicht mehr den Boden berühren kann.

Endlich mit dem Kopf vernünftig über Wasser, atme ich erstmal viel zu schnell und hektisch, bis ich mich etwas beruhigt habe. Ich bin abgestürzt, begreife ich dann endlich. Und das Wasser ist eise Kalt! Ich muss hier raus, so schnell wie möglich.

Hektisch schaue ich mich um und sehe den Tunnel, der zum Bunker führt. Ich schwimme los, mit vor Kälte und Schock zitternden Muskeln. Ich beeile mich so gut ich kann, denn ziemlich schnell spüre ich meine Fingerspitzen nicht mehr.

Als ich endlich vor dem Bunker ankomme, klappere ich bereits unkontrolliert mit den Zähnen. Meine Füße sind fast taub und ich traue mich nicht aufzustehen, als ich endlich am „Ufer“ bin. Daher krabble auf allen Vieren aus dem Wasser und durch die Tür ins Innere der Ruine.

Ich zittere am ganzen Körper und mir ist schweinekalt. Ich ziehe mir den Bogen vom Rücken, löse mit zitternden Händen meine Taschen und den Köcher. Nachdem zweiten Anlauf, schaffe ich es endlich die völlig vollgesaugte Weste ausziehen, die mit einem Platsch auf dem Boden landet. Den Waffenrock ziehe ich ebenfalls aus, genau wie die Fellstulpen an den Beinen. Einen Moment überlege ich, ob ich den Rest auch noch ausziehen sollte, entscheide mich aber dagegen. Der Stoff ist so dünn, dass wahrscheinlich recht schnell trocken wird. Außerdem klebt er im Moment so sehr an der Haut, dass ich weder Hose noch Oberteil mit den tauben Fingern ausgezogen bekommen dürfte.

Es ist hier im Bunker zwar angenehmer als in der Höhle, aber trotzdem nicht wirklich warm. Ich sehe mich um, ob sich irgendwo etwas finden lässt, in dass ich mich einwickeln kann. Ein paar Meter vor mir ist ein Schrank auf dessen Tür sich ein Symbol befindet, dass mit viel gutem Willen ein „Rotkreuz-Kreuz“ sein könnte.

Ich krabble hin und kämpfe zunächst die Tür überhaupt aufzubekommen. Mir fehlt die Kraft und das Gefühl in den Fingern und ich schreie frustriert auf. Meine Stimme hallt wütend durch den stillen Raum und ich bin über mich selbst erschrocken. Solche Gefühlsausbrüche sind eigentlich nicht meine Art.

Atmen, ermahne ich mich selbst.

Mit etwas mehr Ruhe bekomme ich die Tür auf und finde … Staub. Ich bin enttäuscht und will die Tür gerade wieder schließen, da sehe ich irgendwas in der hintersten Ecke. Ich zerre es mühsam raus und stelle fest, es ist ein großer Sack. Er besteht aus dickem, kratzigem Stoff, ist löchrig und darin hausen wahrscheinlich mehr Milben und anderes Getier wie ich wissen möchte, aber er sollte seinen Zweck erfüllen. Ich wickle mich in das muffige Ding ein und hoffe aufs Beste.

Mein Blick geht zu meinen Sachen, die neben dem Eingang liegen. So richtig wohl fühle ich mich nicht, dass die da so „unbeaufsichtigt“ sind, aber ich rede mir ein, dass eh niemand hierherkommt und sie daher auch keiner klauen kann.

Böser Fehler.

Niemand kommt hierher, wird mir nämlich dadurch erst richtig bewusst. Ich habe keine Hilfe zu erwarten. Selbst, wenn Aloy oder Rost nach mir suchen würden, würden sie es nicht in einer Ruine der Alten tun.

Ich stecke mir meine Hände unter die Achseln, um meine Finger aufzutauen. Nach einigen Minuten beginne ich das typische, und schmerzhafte, Stechen zu spüren. Ja, es tut weh, ist aber ein gutes Zeichen, rede ich mir ein. Auch meine Zehen beginnen sich langsam bemerkbar zu machen. Der dicke Stoff des Sacks nimmt zudem gut die Feuchtigkeit aus meinen Klamotten auf und ich merke, wie das Zittern nach einiger Zeit etwas weniger wird.

„Du kriegst das hin“, sage ich leise zu mir selbst. In der Stille des Bunkers klingt mein Flüstern gespenstisch und ich schaudere.

Als ich wieder Gefühl in den Fingern habe, reibe ich mir die Beine, um die Blutzirkulation in Schwung zu bringen. Als ich den Eindruck habe, dass mein Körper wieder halbwegs funktionsfähig ist, stehe ich vorsichtig auf.

Etwas tapsig, und deswegen an der Wand abgestützt, gehe ich zu meinen Sachen. Ich wringe die Weste aus so gut es geht, genau wie Fellstulpen. Den Waffenrock muss ich so trocknen lassen, da er durch die Metallplatten nicht „wringbar“ ist. Außerdem ist nur auf der Innenseite Stoff, außen ist Leder, er hat also deutlich weniger Feuchtigkeit aufgenommen wie der Rest.

Mir ist immer noch kalt und Weste und Co nass. Ich muss improvisieren, um mir nicht irgendwas einzufangen. Selbst eine Erkältung könnte problematisch werden, von einer Lungenentzündung ganz zu schweigen.

Ich nehme mein Scherbenmesser und lege den Stoffsack aus. Ich trenne die trockene Hälfte vom Rest, falte sie und schneide an der Falzkante mittig einen Halbkreis raus.

Ja, wer hätte gedacht das es mir mal den Arsch rettet, dass ich „Rambo“ gesehen habe. Und, dass ich der ollen Grata das Seil abgeluchst habe. Nachdem ich mir den Rambo-Poncho übergezogen habe, binde ich mir das nämlich um die Hüfte, damit mein neues Styling sitzt.

Okay, soweit so gut.

Ich inspiziere den Inhalt meiner Tasche. Alles ist nass. Dem Fokus sollte das eher nichts ausmachen, Aloy geht mit dem Ding ja auch schwimmen und tauchen. Meinem Schlüssel sollte es auch nichts ausmachen, Edelstahl sei Dank. Das Brot habe ich zum Glück bereits gegessen. Ob und wie es dem Fleisch schadet weiß ich nicht, ich sollte es aber wohl lieber zeitnah essen. Bogen, Pfeile und Scherben sind nass, aber okay. Puschel-Bommel ist ebenfalls getränkt, aber das interessiert mich gerade weniger.

Aus der Sprengfalle läuft ein dünner Strahl Wasser heraus, als ich sie hochhebe. Ähm. Ja. Da ich nicht weiß, wie sie funktioniert, weiß ich auch nicht, ob der Tauchgang sie jetzt unbrauchbar gemacht hat. Mist. Nicht, dass ich das Ding unbedingt hätte Einsätzen wollen, aber jetzt will ich es definitiv auch nicht mehr. Das Risiko ist mir zu groß, dass sie ihren Zweck nicht erfüllt, wenn ich es bräuchte.

Ich packe erstmal den Kleinkram wieder ein. Und was mach ich mit den Klamotten? Anziehen kann und will ich sie nicht, weil sie nass sind und dadurch mein Rambo-Poncho ebenfalls klamm werden würde.

Das ist doch die Idee!

Ich drehe mich um, hinter mir liegt noch der bereits feuchte Teil des Sacks. Ich werfe Weste, Waffenrock und Stulpen auf die übrige Hälfte und forme einen Sack, aus dem Sack. Sehr ironisch.

Und nun zu dir, Sprengfalle. Was mach ich mit dir? Ich lasse meine Finger über den Metallzylinder gleiten, betrachte die ganze Konstruktion eingehend. Einen Moment bin ich verleitet sie auseinander zu nehmen, aber ich habe Angst, dass ich mich selbst in die Luft jage. Hier liegen lassen will sie aber auch nicht. Könnten ja Kinder vorbeikommen und damit spielen …

Ja, danke für diesen absurden Gedanken, Gehirn. Aber ich freue mich, dass du wieder aus der Schockstarre erwacht bist.

Ich gehe zurück zum Eingang und werfe die abgesoffene Sprengfalle ins Wasser. Mit einem Gluck läuft sie wieder voll und geht unter. Da unten wird sie wenigstens keinen Schaden anrichten.

Ich drehe mich wieder um und gehe zu meinen Sachen. Bogen und Köcher binde ich wieder dahin, wo sie hingehören. Meine Tasche binde ich mir wieder um die Hüfte. Da sie aus Leder ist, ist sie zumindest außen trocken.

Ich habe meine Sachen zusammen, den Sack in der Hand und sehe auf. Vor mir liegt der Bunker, still wie das Grab, dass er ist. Ich hoffe inständig, dass diese ganze Tortur nicht umsonst war und ich hier etwas brauchbares finde.

Ich gehe tiefer in den Bunker und komme in dem Gemeinschaftsraum an, in dem ich, während meines Klartraums bereits war. Mein Blick fällt auf den Toten, der da auf den Sofas liegt. Und mir kommt die Idee überhaupt: warum meinen Fokus reparieren, wenn ich mir einfach einen neuen besorgen kann?

Ich stelle mein Bündel ab, gehe zu der mumifizierten Leiche und hadere mit mir. Ich will sie nicht anfassen, gleichzeitig möchte ich den Fokus an ihrem Ohr.

Los, Anja! Das ist nicht so schwer!

Vorsichtig Strecke ich die Hand aus. Warum ich so behutsam bin weiß nicht; der Kerl wird mich wohl kaum beißen. Das hier ist Horizon Zero Dawn, nicht Resident Evil. Trotzdem kann ich nicht anders und meine Bewegungen sind sehr langsam und ich halte regelrecht die Luft an. Ich nehme den Fokus und weiche zwei Schritte zurück.

Wie albern sind wir heute?

Sehr albern, augenscheinlich.

Ich putze den Fokus, sehe ihn an, putze ihn nochmal und betrachte ihn wieder, und putze nochmal.

Mit leichtem Widerwillen und Ekel packe ich das Ding an mein Ohr und drücke drauf.

„Data corrupted. Only Audio-Log available“, plopt auf.

Na toll. Hätte ja wenigstens einmal was funktionieren können. Gut, ich könnte die anderen testen, aber irgendetwas sagt mir, dass das Ergebnis nicht viel anders sein wird. Ooookay. Und nun?

Ich sehe mich um und sehe ein leichtes Flimmern im Nachbarraum. Ich nehme meinen Sack und laufe hin. In dem kleinen Nebenraum steht ein Schreibtisch mit einem Computer, daneben steht ein Bett und auf der anderen Seite ist ein Schrank. Zum Glück hat sich der ursprüngliche Bewohner dazu entschieden nicht hier zu sterben, worüber ich sehr dankbar bin.

Das Flimmern kommt vom Computer, der offenbar noch funktioniert. Ich grinse und freue mich. Endlich ein Lichtblick!

Ich packe mein Bündel auf das Bett und setzte mich auf den Stuhl. Mein Blick fällt auf etwas neben der Tastatur, da steht eine Figur. Staub und Dreck hat sie völlig umhüllt und eine Kruste gebildet, weswegen ich nicht wirklich erkenne, was es ist.

Zurück zum Computer. Ich tippe auf eine der Tasten und das Ding beginnt hochzufahren oder sich aus dem ewigen Standby zu kämpfen und einen Selbsttest zu machen, zumindest steht da „Self-Analysis“, gefolgt von „Searching for network“. „No connection found“, taucht nach einigen Minuten auf, „Only local-system available“.

Na gut, immerhin etwas. Die Sprache ist Englisch, was mich nicht wirklich verwundert; immerhin sind wir in den USA und die internationale Sprache ist ebenfalls Englisch. Enduring Victory war ja ein globales Unterfangen.

Mein Englisch ist gut, aber hier sind einige Fachbegriffe dabei, mit denen ich nichts anfangen kann. Ich lasse mich davon aber nicht entmutigen, ich schaffe es schon zu finden, was ich suche. Das Programm ist sehr intuitiv und ich finde mich schnell zurecht. Natürlich liegt das daran, dass ich mit Computern und Smartphones vertraut bin, trotzdem frage ich mich unwillkürlich warum keine der Stämme je auf die Idee kam die Dinger zu nutzen. Bei den Nora ist es klar, aber die anderen?

Plötzlich dämmert mir etwas. Ich habe noch nie darüber nachgedacht, aber die Menschen hier, können die Sprache nicht lesen. Sie sind nicht mit den Alten verbunden, sind eine neue, eigenständige Menschheit mit eigenen Kulturen und Sprachen.

Zurück zu meiner Suche nach einem Reparatur- oder Hilfsprogramm für den Fokus.

Eher unvermittelt finde ich „Room Setting“, was sofort meine Neugier weckt. Bekomme ich vielleicht die Heizung an? Mir ist immer noch kalt und so ein bisschen Wärme wäre echt nett.

Nach einem Klick darauf und einige Untermenüs später, bekomme ich angezeigt, dass der Zugriff auf die Bunkerversorgung gekappt ist, weil ein technischer Defekt vorliegt.

Ja, doch. Hätte ich mir eigentlich auch denken können, aber jetzt habe ich Gewissheit.

Ich wühle mich weiter durch das Programm, unterschiedliche Menüs und allerlei anderem Kram. Schließlich finde etwas, dass nach einem Log- oder Tagebuch aussieht.

Ich klicke mich durch die einzelnen Dateien. Meldungen, welche Stützpunkte die Faro-Plage bereits zerstört hat, wie die Lage im Bunker ist und so weiter und so weiter …

Plötzlich fällt mir eine Mitteilung ins Auge. Einer der Bewohner hat offenbar seinen Fokus beschädigt. Eine Reparatur ist aber nicht möglich, da der Teil des Bunkers, in dem sich die Reparatur-Station befindet, bei einem Bombeneinschlag verschüttet wurde. Man müsste zum US Robotic Command um eine Reparatur vorzunehmen und das ist in Anbetracht der Kriegslage unmöglich.

Ich spüre, wie mich meine Emotionen übermannen. Ich packe das Ding auf dem Tisch und schmeiße es wütend schreiend an die Wand, wo es in tausend Teile zerspringt. Meine Frustration schallt von den Wänden wieder und bebt drohend mit dem Staub in der Luft.

Ich will nicht mehr! Ich will nach Hause! Ich will, dass das hier endlich ein Ende hat. Ich will meinen Sohn und meinen Mann in die Arme nehmen. Ich will sinnlose Gespräche mit meiner besten Freundin führen, mit Joe über den Blödsinn der Welt philosophieren, mich über meine dummen Kollegen aufregen. Ich will mein Leben zurück!

Mir kommen die Tränen. Vor Wut. Vor Frustration. Vor Verzweiflung.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Aufgabe:
folgt im nächsten Kapitel Komplett anzeigen

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