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Das Büro der bewaffneten Wichtel

von

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Mit den besten Wünschen für das neue Jahr

Die Stille, die im Büro der bewaffneten Detektive herrschte, konnte kaum als besinnlich oder feierlich bezeichnet werden. Die, die schon dort waren und auf den Beginn der Jahresabschlussfeier warteten, standen nervös umherblickend inmitten der von den Geschwistern Tanizaki, Haruno und Kenji geschmückten Detektei.

„Whaa!“ Atsushi hatte im Vorbeigehen eine Luftschlange gestreift und war vor Schreck zusammengezuckt, sodass er beinahe die Luftschlange und die Papiergirlande, von der sie herabhing, heruntergerissen hätte.

„Ist alles in Ordnung, Atsushi?“, fragte Tanizaki angesichts der offenkundigen Nervosität des Gleichaltrigen besorgt nach.

„J-ja, alles in Ordnung.“ Der silberhaarige Junge versuchte, seine Aufregung wegzulächeln. „Bei dir auch, Tanizaki? Du bist heute ziemlich blass.“

Nun zuckte der Rothaarige zusammen. „J-ja, natürlich.“

„Tsk.“ Kunikida schüttelte missbilligend den Kopf. „Die Jugend von heute. Was zieht ihr auf einer feierlichen Veranstaltung solche Gesichter? Ist es etwa aus der Mode gekommen, sich anständig zu freuen?“

„Habe ich mein Stichwort gehört?“ Dazai erschien breit grinsend in der Tür. Er war, abgesehen vom Chef, der Letzte, der noch in der Runde gefehlt hatte.

„Welches Stichwort soll das gewesen sein?“, hakte Kunikida skeptisch nach, was Dazais Grinsen noch breiter werden ließ.

„Na, 'anständig' natürlich.“

„Ich hoffe, wer auch immer dich gezogen hat, hat dir ein Wörterbuch besorgt“, konterte Kunikida, ehe er stutzte. „Was trägst du da überhaupt?“

Die Blicke der anderen musterten den Kollegen im Trenchcoat. Seinen braunen Wuschelkopf zierte heute eine … schwarze Wollmütze.

„Meinst du die hier?“ Dazai zeigte mit einer ausladenden Geste auf seinen neuen Kopfschmuck. „Ist sie euch aufgefallen? Die ist auf meinem Weg zur Detektei heute Morgen vom Himmel in meine Arme gefallen. Mit einer Karte, auf der 'Mit den besten Wünsche für das neue Jahr' stand. Praktisch, oder? Atsushi, warum zucken deine Augen denn plötzlich?“

„Ähhh ...“ Es war dem Jungen in dem Moment klar geworden, woher diese Mütze kam, als sein Mentor erzählt hatte, sie wäre „vom Himmel gefallen.“

Sie ist eher von einem höllischen Dämon geworfen worden … aber das behalte ich vielleicht lieber für mich.

„Ich muss aber sagen, sie kratzt ziemlich. Wahrscheinlich hat der alte Besitzer sie deswegen weggeworfen“, legte Dazai nach und Atsushi wunderte sich, ob er nicht längst wusste, von wem die Mütze kam.

„Können wir dann jetzt anfangen? Wir sind mit dem Zeitplan für die Feierlichkeiten schon in Verzug“, warf Kunikida ein und absolut niemand wunderte sich, dass es einen Zeitplan für ihre Feier gab. „Weckt mal bitte jemand Ranpo?“

Von allem Vorangegangenem nichts mitbekommend und fern jeglicher Aufregung schlummerte Ranpo wie an jedem anderen Tag mit dem Kopf auf seinem Schreibtisch. Zu Kunikidas wachsender Ungeduld kam niemand seiner Bitte nach.

„Ich bin doch nicht lebensmüde“, entgegnete Yosano abwehrend, als der flehende Blick des Idealisten auf ihr landete.

„Gut, dann … Atsushi, mach du es.“

„Was?? M-muss ich?“

Noch während Kunikida grummelte, trat Kyoka entschlossen an den Tisch des Meisterdetektivs heran und schob ein Stück Lebkuchen genau vor dessen Nase. Sein feines Näschen runzelte sich ein paar Male, ehe -

„GIBT'S WAS ZU ESSEN?“

Ranpo saß so schnell aufrecht an seinem Schreibtisch, dass alle anderen erschrocken zusammenfuhren.

 

Nachdem Fukuzawa hinzugeholt worden war, räusperte sich Kunikida laut. „Um bis zum Schluss Manipulationsversuche zu unterbinden, wird jeder nacheinander sein Geschenk übergeben. Bei allen anderen Übergabemöglichkeiten bestehen zu große Risiken, dass manche“ - sein missmutiger Blick landete ganz eindeutig auf Dazai - „irgendeinen Trick anwenden könnten, um Geschenke zu vertauschen. Wir werden per Losverfahren die Reihenfolge festlegen, nach der die Geschenke überreicht werden.“

„Du weißt, wie man die Stimmung auf einer Party anheizt, Kunikida“, feixte der Verdächtigte amüsiert, was dem Blonden lediglich ein weiteres Knurren entlockte.

„Der Erste, der ein Geschenk erhält“, fuhr der Idealist nüchtern fort (Atsushi fragte sich an dieser Stelle, ob dies in anderen Firmen wohl auch in dieser streng durchstrukturierten Art ablief … vermutlich eher nicht) und zog eines der Lose, die er auf seinem Schreibtisch vorbereitet hatte. „... ist Kyoka. Könnte derjenige, der sie gezogen hat, bitte hervortreten und sein Geschenk überreichen?“

Kyoka machte große Augen, als ihr Name fiel. Plötzlich – sie konnte sich selbst nicht erklären, warum – klopfte ihr Herz viel schneller. Und noch schneller, als sie sah, wer hervortrat. Ungläubig blickte sie zu Fukuzawa hoch, als dieser mit einem Mal vor ihr stand und ihr ein in buntes (auffallend pinkes) Papier gewickeltes Päckchen hinhielt.

Die anderen Detektive raunten unüberhörbar. Der Chef hatte Kyoka gezogen? Das Schicksal hatte Humor.

„Ich hoffe, es gefällt dir“, sagte Fukuzawa in der gleichen ruhigen Tonlage, in der er immer sprach.

Mit überraschend zittrigen Fingern zog Kyoka das Papier sorgsam ab, legte es ordentlich beiseite und öffnete das Paket. Ein Japsen entwich ihr, als sie dessen Inhalt erblickte.

„Trifft es nicht deinen Geschmack?“, hakte Fukuzawa angesichts dieser Reaktion nach.

„Doch!“, rief Kyoka plötzlich aus und umarmte den überrumpelten Chef. „Es ist wunderschön! Vielen, vielen Dank!“ Als würde sie nun bemerken, was sie da tat, ließ sie ihn genauso plötzlich wieder los und verbeugte sich vor ihm. Keinem entging das erleichterte Ausatmen seitens Fukuzawa. Selbst er schien wohl wegen des Wichtelns aufgeregt gewesen zu sein.

„Was hast du gekriegt?“, fragte Kenji ganz euphorisch und staunte, als Kyoka ihnen eine weiße Thermoskanne in der Form eines niedlichen Häschens präsentierte.

„Der Nächte ist“, Kunikida zog ein weiteres Los, „Kunikida – oh, das bin ja ich.“ Er schluckte unbewusst und ließ seine Augen schnell durch die gesamte Runde wandern. Wer würde nun hervortreten? Nervös schnellte sein Blick immer wieder zu Dazai, der aber nur ominös lächelte.

Auf einmal blinzelte der Blondschopf verdutzt, als Naomi ihm ein Paket hinhielt.

„Ich möchte behaupten, das war keine leichte Aufgabe“, sagte die Schülerin dazu.

Noch immer erstaunt (und merkwürdig erleichtert) nahm Kunikida das Geschenk entgegen. „Ich danke dir für deine Mühe.“

„Mach es auf“, drängte Naomi. „Ich will wissen, ob ich wenigstens nicht völlig daneben liege.“

Gespannt starrten alle auf ihren Kollegen, der nun das Paket auspackte.

Kunikida stutzte abermals, als er ein Buch und eine offensichtlich dazugehörige CD hervorholte. „Eine … Anleitung zum Meditieren und Entspannen?“

„Na ja, irgendwie dachte ich, du könntest hin und wieder eine Auszeit gebrauchen und deine Nerven sind ja auch nicht die Besten, also ...“, erklärte Naomi, als sie bemerkte, wie Kunikida mehrmals schluckte und sich wiederholt räusperte.

„Das … das ist wirklich … sehr … sehr aufmerksam von dir ...“

„Du darfst ruhig weinen, wenn du willst“, warf Yosano bei diesem Anblick nicht ganz ernst ein.

„So ein … Unsinn. Ich … weine doch nicht gleich … deswegen ...“ Dass er bei diesen Worten schniefend sein Gesicht von den anderen wegdrehte, half seiner Argumentation nicht wirklich.

Hastig zog er das nächste Los und verkündete dessen Inhalt nach einem weiteren, lauten Räuspern.

„Yosano.“

Die Ärztin klatschte erfreut in die Hände. „Na endlich nimmt diese Party mal Fahrt auf! Gebt mir etwas Gutes!“ Sie leckte sich über ihre Lippen.

Merkwürdigerweise rührte sich niemand – bis Naomi eine Kleinigkeit auffiel.

„Bruderherz? Atmest du noch?“

„J-ja, ich glaube schon ...“ Tanizaki war sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen und er hatte vor Anspannung die Luft angehalten. Atsushi hatte umgehend Mitleid mit ihm. Er hatte Yosano gezogen?

Das Schicksal war grausam.

„Ahahaha“, freute sich Yosano derweil. „Du hast mich gezogen, Tanizaki? Dann lass mal sehen!“

„O-okay.“ Dicke Schweißperlen standen auf seiner Stirn, als er eine kleine Schachtel hervorholte und sie der Kollegin mit zitternden Händen übergab. „Es ist sehr klein, aber ich musste an dich denken, als ich es sah.“

Skeptisch hob die Ärztin eine Augenbraue. „Aha?“ Sie nahm den Deckel von der Schachtel und erstarrte. Tanizaki fürchtete bereits um seine Unversehrtheit, als Yosano einfach nur auf den Inhalt starrte, ohne etwas zu sagen.

„Du hast an mich gedacht, als du das hier gesehen hast?“, hakte sie ungläubig nach und der Rothaarige machte gedanklich schon sein Testament, als er nickte.

„Du meine Güte.“ Die Stimme der Detektivin war zu einem gerührten Hauchen geworden. „Tanizaki … das ist wunderschön.“ Sie nahm den kleinen, runden Gegenstand heraus und klappte ihn auf. Es war ein Taschenspiegel, der mit lila-goldenen Schmetterlingen verziert war.

„Er gefällt dir?“, fragte Tanizaki erleichtert nach und atmete aus, als Yosano dies bejahte. „Da bin ich froh.“ Die Erleichterung des Rothaarigen dauerte weniger als eine Sekunde an, denn plötzlich spürte er die eifersüchtigen Blicke Naomis auf sich. „N-natürlich ist niemand so schön wie du, Naomi.“

„Bevor das eskaliert“, wandte Kunikida ein, „machen wir weiter. Oh!“ Er richtete sich auf, bevor er den Namen verkündete. „Der Nächste ist der Chef.“

Wieder rührte sich niemand, bis Kenji etwas bemerkte.

„Guckt mal! Jetzt atmet Atsushi nicht mehr!“

„Ach, so ist das?“, sagte Dazai erheitert, bevor er seinen Schützling nach vorne schubste.

Stolpernd und kurz vor dem Fall kam Atsushi vor dem Chef zum Stehen.

„Ich … Sie … Gute … alles … bitte!“ Nach diesem Gestammel hielt er Fukuzawa eine Schachtel hin, die noch kleiner war, als die, die Yosano erhalten hatte. Dabei verbeugte Atsushi sich so tief, dass er einen perfekten 90-Grad-Winkel erreichte – und seine ganze Konzentration dem Boden schenkte.

„Ich danke dir.“ Von dem hypernervösen Verhalten des Jungen scheinbar unbeirrt griff Fukuzawa nach dem Geschenk und öffnete es.

Niemand erwartete, dass die Miene des Ältesten irgendetwas verriet, es war schließlich Fukuzawa, von dem sie hier sprachen, aber dann … geschah ein Wunder.

Für den Bruchteil einer Sekunde hatte sich die Miene des Chefs aufgehellt.

„Was ist es? Was? Ich will es sehen!“ Erstaunlich wach rückte Ranpo ihm auf die Pelle und versuchte einen Blick zu erhaschen. Fukuzawa hatte die Schachtel schnell wieder geschlossen – und sich verräterisch geräuspert.

„Es ist Atsushi vielleicht nicht recht, wenn ich sein Geschenk herumzeige“, ermahnte er den neugierigen Meisterdetektiv – der nun wiederum grinste.

„Ihnen gefällt also, was er besorgt hat?“

„Ja. Es ist sehr gut ausgewählt.“

Atsushis Kopf schnellte so zügig nach oben, dass man beinahe fürchten musste, er würde ihm vom Körper fliegen. „Es gefällt Ihnen? Haaaa~“, der Junge strahlte plötzlich über das ganze Gesicht. „Ich habe so lange gesucht, bis ich dieses antike Katzennetsuke gefunden habe. Es ist wohl schon ziemlich alt und zudem aus einem besonders hochwertigem Quarz gearbeitet, sodass es eigentlich außerhalb meines Budgets lag, aber der Händler hat es mir günstiger gelassen, weil ich einen so verzweifelten Eindruck gemacht habe und ihm leid getan habe.“

Er war sich selbst vollkommen unbewusst, wie viel an Informationen er da herausposaunt hatte; so glücklich war er, dass sein Geschenk ins Schwarze getroffen hatte. Und so betreten war nun die Stille der anderen, nachdem sie dies gehört hatten.

„Atsushi, du bist ein noch größerer Stimmungskiller als Kunikida“, kommentierte Dazai und ließ den unbedarften Jungen stutzen.

„Huh? Wieso? … Oh.“

Kunikida ging dazu über, sich mit einer Hand die Schläfen zu massieren, während er das nächste Los zog. „Machen wir bloß schnell weiter. Ranpo.“

„Hahaha!“, schallte es durch die Detektei. „Wurde auch Zeit! Wisst ihr, wie lange ich hier schon warten muss? Also, los, los, was hast du für mich?“ Ranpo drehte sich zu Kenji und hielt ihm seine ausgestreckten Arme entgegen. „Ich hoffe, du hast gut aufgepasst, als ich erklärt habe, was ich unter keinen Umständen haben möchte.“

„Moment, Moment“, wandte Naomi empört ein. „Wieso weißt du, wer dich gezogen hat?“

Der Blick des Meisterdetektivs wurde schlagartig übellauniger. „Hat keiner von euch die grundlegendste Regel der Detektei verstanden? Atsushi, erklär es ihr.“

Von seiner Geschenkübergabe noch schweißgebadet, brach Atsushi erneut in Schweiß aus. „Hah? I-ich s-soll …? Ähm … ah! Ranpo … weiß alles.“

„So ist es.“ Der Schwarzhaarige grinste bei dieser Antwort wieder über das gesamte Gesicht.

„Oh, ich hoffe, du weißt nicht schon, was du kriegst.“ Kenji holte mit erwartungsfroher Miene das Präsent hervor. „Sonst wäre es ja gar keine Überraschung mehr.“

„Ich hoffe, ich erlebe keine böse Überraschung“, erwiderte Ranpo, als er es entgegen nahm.

„Ich bin mir sicher, du wirst dankbar sein für das Geschenk, das Kenji extra für dich ausgesucht hat“, warf Fukuzawa, um Contenance bemüht, ein. Er kannte seinen langjährigsten Schützling zu gut. Ranpo war kein gemeiner Mensch, aber ihm war es oft nicht bewusst, wenn er Gefühle verletzte.

„Jaaa, natürlich.“ Der Beschenkte zog eine Schnute, bevor er sich auf das Geschenkpapier stürzte und es hastig von dem Paket riss. „Es riecht nicht nach Gemüse, das ist schon mal gut.“

Als wäre er derjenige, der etwas bekommen würde, zappelte Kenji aufgeregt neben Ranpo auf und ab. „Das ist so spannend!“

„Das werden wir noch sehe-oh?“ Der Meisterdetektiv hatte eigentlich erneut Einspruch erheben wollen, als er den Deckel abnahm und eine Flasche in dem Paket entdeckte. Verwundert nahm er sie heraus und las das Etikett.

„Das ist der süßeste Ahornsirup der Welt?“ Ranpo blinzelte den blonden Jungen erstaunt an, der daraufhin energisch nickte.

„Lucy hat ihn mir empfohlen! Ich habe ihn probiert und er ist sooo süß! Da habe ich gleich gedacht, dass er dir bestimmt schmecken würde!“

„Awww, Kenji“, machte Haruno gerührt, „das ist süß von dir.“

„Gefällt er dir?“ Staunend beobachteten er und alle anderen, wie Ranpo die Flasche öffnete und ein paar Tropfen des Sirups auf seine Zunge fallen ließ. Als würde er einen edlen Wein probieren, schwenkte er die zuckersüße Flüssigkeit ein paar Mal im Mund hin und her. Plötzlich leuchteten seine Augen auf und Kenji geriet noch mehr ins Zappeln.

„Er ist … göttlich.“

Kenjis Lächeln strahlte nun heller als die Sonne, die draußen den Schnee zum Glitzern brachte.

„Ich glaube, ich nehm noch einen Schluck!“ Ranpo wollte die Flasche gerade zu seinem Mund führen, als Fukuzawa blitzschnell dazwischenging.

„Willst du dir Kenjis Geschenk nicht vielleicht für besondere Anlässe aufheben?“

„Huh? Hmm … vielleicht.“ Er schraubte die Flasche wieder zu.

„Gut reagiert, Chef“, raunte Yosano ihm zu. „Ich möchte kein Zahn in Ranpos Mund sein.“

„Gut, das hätten wir geschafft“, sagte Kunikida erleichtert, so als hätten sie gerade eine besonders schwierige Aufgabe gemeistert. „Als Nächstes ist dran … die Verantwortliche für das alles hier. Naomi.“

Die Genannte schlug begeistert ihre Hände zusammen. „Ich bin an der Reihe? Ja! Das ist aufregend!“ Sie wunderte sich für einen kurzen Moment lang, warum ihr Bruder einen nervösen Blick mit Yosano austauschte.

„Anscheinend will das Schicksal mich unter allen Umständen mit den Tanizakis verbinden.“ Yosano überreichte der überraschten Naomi eine kleine Box. „Dabei ist keine Verbindung stärker als die der Tanizakis untereinander.“

Von diesen Worten verwirrt, öffnete Naomi ungewohnt zaghaft das Geschenk. Man konnte genau dabei zusehen, wie sich das Lächeln über ihr ganzes Gesicht ausbreitete. Sie nahm zwei große Haarspangen aus der Schachtel und hielt sie Tanizaki hin. „Hilf mir, sie festzumachen!“

Verdutzt nahm der Rothaarige den Haarschmuck entgegen und klemmte ihn in den Haaren seiner Schwester fest.

„Tadaaa!“ Die sichtlich glückliche Schülerin präsentierte stolz, was sie bekommen hatte: Die Spangen waren zart weiß gepudert, so als hätte es hauchdünn darauf geschneit und an einem Ende befand sich eine große, stilisierte Schneeflocke, die mit Glitzersteinen besetzt war. „Stehen sie mir?“

Yosano hielt ihr ihren neuen Taschenspiegel hin.

„Sie sind wie für mich gemacht!“, rief Naomi entzückt aus. „Vielen Dank, Yosano!“

„Ich bin froh, dass sie dir gefallen. Meine erste Idee war in eine andere Richtung gegangen – und hätte vermutlich ein Todesopfer gefordert.“

Die anderen Detektive wussten nicht, ob sie das beunruhigen sollte, dass Tanizakis so dreinblickte, als hätte er gerade ein Gespenst gesehen.

„Bevor du umkippst“, warf Kunikida ein und wedelte mit einem Los, „du bist als Nächster dran, Tanizaki.“

Die Gesichtszüge des Rothaarigen entspannten sich wieder ein wenig. Vollkommen entspannt war auch Ranpo, der selbstbewusst wie eh und je dem Jüngeren ein rechteckiges Päckchen reichte.

„Von dir, Ranpo?“

„Ich bin fast ein bisschen neidisch“, entgegnete der Meisterdetektiv. „Ich werde nie erfahren, was für ein überwältigendes Gefühl das sein muss, ein Geschenk von mir zu bekommen.“

„Ich fühle mich geehrt.“ Tanizaki verbeugte sich leicht vor ihm, ehe er das Papier abmachte und ein Buch darunter zum Vorschein kam.

„Was ist das?“ Naomi schmiegte sich an seine Seite, um den Titel lesen zu können. „'Aus dem Schatten der anderen treten – Wie Sie Ihre eigenen Stärken erkennen und fördern können.'

„Ist das ein Selbsthilfebuch?“, fragte Atsushi verblüfft.

„Ranpo sucht ein pädagogisch wertvolles Präsent aus?“ Die Verwunderung in Kunikidas Stimme war kaum zu überhören. Er hatte wohl aufgepasst, nicht auch noch „ausgerechnet Ranpo“ zu sagen.

„Seid ihr etwa erstaunt? Es ist die grundlegendste Regel der Detektei“, äußerte Dazai gespielt oberlehrerhaft. „Ranpo weiß eben alles.“

„Du darfst mir später dafür danken“, sagte der Meisterdetektiv derweil an Tanizaki gewandt.

„Nein, Ranpo“, antwortete der Rothaarige mit einem Lächeln im Gesicht. „Ich danke dir jetzt schon.“

„Das ist ein sehr wohlüberlegtes Geschenk“, bemerkte Fukuzawa und plötzlich wich Ranpos hochmütiges Grinsen einer verdatterten Miene. Ein Lob vom Chef blieb für ihn das größte Geschenk.

„Das läuft besser als ich erwartet hatte.“ Kunikida zog den nächsten Namen. „Haruno.“

Aufmerksam richtete die Sekretärin sich auf und schaute nervös zu den noch übrigen Kandidaten. Zögerlich trat Kyoka hervor und Haruno schmolz beinahe. Nein! Kyoka hatte sie gezogen? Die süße Kyoka? Die bis vor nicht allzu langer Zeit noch als Assassine gearbeitet hatte und im Umgang mit anderen Menschen ein paar massive Probleme hatte? Haruno schüttelte innerlich den Kopf. Das sollte sie wohl lieber nicht denken. Nein, egal, was da nun kommen würde, sie würde sich darüber freuen. Das Mädchen hatte so viel durchmachen müssen und sie gab sich so viel Mühe, in der Detektei alles richtig zu machen – es war herzzerreißend.

„Das tut mir leid.“

Haruno schreckte aus ihren Gedanken hoch, als Kyoka sich bei ihr entschuldigte. Was in aller Welt meinte sie?

„Bist du enttäuscht, dass ich dich gezogen habe?“

Was?! Wie kam sie denn …. Die Sekretärin stutzte, als Naomi ihr ein Taschentuch reichte. Oh. Ihr waren über ihre Gedankengänge die Tränen gekommen.

„Nein, nein!“, rief Haruno schnell aus. „Ich weine … vor Vorfreude! Ja, genau! Vor Vorfreude!“

„Ah, wirklich?“ Kyoka blinzelte sie an.

Sie nickte auffallend hastig und nahm Kyokas Geschenk entgegen.

„Vielen lieben Dank, Kyoka“, sagte sie noch während sie auspackte. „Weißt du, ich habe die ganzen letzten Nächte schlecht geschlafen, weil ich doch tatsächlich dachte, mich würde jemand verfolgen. Aber seit gestern ist dieses komische Gefühl plötzlich weg. Vielleicht bin ich dadurch noch ein bisschen durch den Wind.“

Die Detektive stutzten heftig, als sie Haruno dies erzählen hörten.

„Du hast dich verfolgt gefolgt?“, hakte Kunikida hellhörig nach. „Wo genau?“

„Überall.“ Die Sekretärin hielt inne. „Das heißt, zuerst in der Detektei und dann auch auf dem Nachhauseweg und schließlich sogar in meiner Wohnung.“

„In der Detektei?“ Tanizaki blickte sich besorgt in ihren Räumlichkeiten um.

„Hat es irgendjemand auf uns abgeseh-“, wollte Atsushi fragen, als ihm der entgeisterte Ausdruck in Kyokas Gesicht auffiel.

Unverzüglich winkte Ranpo unbekümmert ab. „Darüber müssen wir uns keine Gedanken machen. Diese 'Gefahr' ist vorüber.“ Der Meisterdetektiv grinste Kyoka an, deren Anspannung daraufhin etwas nachließ.

Oh nein … Atsushi dämmerte, was los war. Kyoka, du warst das?, sagte sein Blick und das Mädchen senkte ihren Kopf.

„Entschuldigung.“

„Das ist nicht deine Schuld“, warf Dazai ein. „Kunikida hätte explizit in seinem Regelwerk erwähnen müssen, dass man denjenigen, den man gezogen hat, nicht heimlich observieren und verfolgen soll.“

„DANN BIN ICH SCHULD??“

„Aber ja.“ Dazai nickte und ließ den blonden Kollegen stutzen. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, griff der Idealist sich sein Notizbuch und schrieb (ohne Dazais Grinsen zu sehen) etwas dort hinein. Der grinsende Brünette störte sich auch nicht daran, dass Atsushi ihm ein missbilligendes Kopfschütteln schenkte.

„Oh!“ Über den ganzen Tumult war Haruno mit dem Auspacken fertig geworden. „Kyoka!“

Wieder voller Anspannung sah das Mädchen zu der Älteren.

„Das … das ist … sooooo süüüüüß!!“ Haruno hielt ein Spielset für Katzen in die Höhe. Der mit mehreren Miezen gespickten Verpackung zufolge war es ein Mix aus Kratzbaum, Tunnelröhre und einer Aufziehmaus. „Mii wird es lieben!“

„Aber ist das dann nicht eher ein Geschenk für deinen Kater und nicht für dich?“, wandte Yosano ein.

„Ich glaube“, entgegnete Kyoka, „dass Haruno nichts glücklicher zu machen scheint als eine glückliche Katze.“

„So ist es!“ Die sonst so zurückhaltende Sekretärin fiel dem überrumpelten Mädchen um den Hals – was Kyoka nach dem ersten Schock sanft und zufrieden lächeln ließ.

Während Fukuzawa versuchte, verstohlen auf die Packung von Harunos Geschenk zu schauen, zog Kunikida seufzend das nächste Los. Sollte die ganze Sache so nervenaufreibend sein oder machten sie etwas falsch?

„Atsushi, du bist – ah!“ Die Blicke der beiden trafen sich.

Ohne zu verstehen, warum Kunikida plötzlich so aufgekratzt wirkte, richtete Atsushi sich erwartungsfroh auf. Er staunte nicht schlecht, als ausgerechnet dieser Kollege ihm ein rechteckiges, sehr offensichtlich Buch-förmiges Präsent hinhielt.

„Du Kunikida? Du schenkst mir etwas?“

„Ich hoffe, du wirst Gefallen daran finden.“

„Huh?“ Dazai beäugte das Geschenk. „Atsushi“, raunte er ihm für alle hörbar zu, „wenn es ein Notizbuch ist, tu trotzdem überrascht.“

„Es ist sicher kein Notizbuch- äh, ich meine, vielen Dank, Kunikida! Egal, was es ist.“ Zum zweiten Mal an diesem Tag legte der Junge eine perfekte 90-Grad-Verbeugung hin; um kurz darauf in Windeseile das Papier von dem Paket zu reißen.

„Es ist … … ein Notizbuch?“ Atsushi blinzelte das Buch in seiner Hand ungläubig an. „Äh, ich meine, vielen Dank!“

Unbeirrt von dieser Reaktion tippte Kunikida mit einem Finger auf die Schrift auf dem Einband. „Es ist etwas, das sich 'Glückstagebuch' nennt. Es ist ein Kalender, bei dem du an jedem Tag eintragen kannst, für was du dankbar bist oder was dich an diesem Tag glücklich gemacht hat.“

„Klingt wie Hausaufgaben“, bemerkte Dazai, als Atsushi mit angehaltenem Atem auf das Buch blickte. Als er seinen Kopf wieder hob, war es an Kunikida, ihn fragend anzublinzeln. Atsushis Lippen bebten und seine Augen füllten sich mit Tränen.

„Findest du es so schlimm?“, fragte der Blonde nun doch irritiert.

„Whaa!“ Sturzbäche rannten mit einem Mal aus den Augen des silberhaarigen Jungen. „EsistsoschönichweißgarnichtwieichdirdafürdankensolldassdudirmeinetwegensovielMühegemachthastdasisteinperfektesGeschenkichbinsoglücklichvielenvielenDankKunikida!“ Er schnäuzte lautstark in ein Taschentuch, das Naomi ihm gereicht hatte. Dann - als wäre ihm plötzlich eine Idee gekommen - schnappte er sich einen Stift und kritzelte umgehend hochkonzentriert etwas in sein neues Buch.

„Gut. Das freut mich.“ Kunikida atmete hörbar aus und lächelte für einen kurzen Moment sogar, bevor er sich dem nächsten Los widmete. Es waren nur noch zwei übrig und so langsam machte es ihn nervös, dass Dazai noch niemandem etwas geschenkt hatte. Hatte der Vogel sich am Ende selbst gezogen? Wenn dem nicht so war, hoffte er inständig, dass er ein Geschenk besorgt hatte, denn Kunikida graute es davor, den Kameraden leer ausgehen zu lassen, der noch übrig war. Ein enttäuschtes Kind würde ihnen allen auf jeden Fall die Feier verderben. „Kenji.“ Blitzschnell ging Kunikidas Blick zu Haruno, die sich jedoch nicht rührte. Oh nein, hieß das …? Seine Augen rasten zu Dazai und verengten sich sogleich zornig. Dazai rührte sich ebenso nicht.

Kenji sprang erneut aufgeregt auf und ab. „Das ist so spannend! Fast wie im Dorf, wenn man darauf wartet, dass ein Kälbchen geboren wird!“

Die restlichen Detektive ließen fragend ihre Blicke von einem zum anderen wandern, als niemand hervortrat. Das beginnende Knurren Kunikidas wurde von einem Zungenschnalzen unterbrochen.

„Du denkst wirklich so schlecht von mir?“, fragte Dazai ominös lächelnd und dann melodramatisch werdend nach. „Ich meine, ich bin schlecht, aber doch nicht so schlecht.“ Er zeigte mit einem Finger nach oben. „Ein Präsent überreichen kann jeder; aber ein Präsent zu präsentieren, das ist die wahre Kunst!“ Dazai machte eine Handbewegung, die ihnen andeutete, ihm zu folgen. Verdutzt tapsten die Detektive (Kenji voran) dem Mann im Trenchcoat bis auf das Dach hinterher.

Zum Glück schneite es nicht mehr und zu kalt war es auch nicht – dies hätte auch Dazais „Präsentation“ geschadet. Als die anderen das Dach erreichten, stand dieser, in den Händen einen gigantischen Stab haltend, der im oberen Teil kreisrund war, vor ihnen.

„Tadaa~!“

„Was heißt hier 'Tada'?“, meckerte Kunikida. „Was soll das da sein?“

„Ich habe mich von ...“ Dazai überlegte kurz, ehe er schelmisch grinste, „von einem führenden Kind beraten lassen und dieses Topspielzeug ergattert.“

„Häh? Was soll jetzt wieder ein führendes Kind sein? Das ergibt keinen Sinn“, erwiderte Kunikida verständnislos, als Dazai den Stab mit der kreisrunden Stelle in einen Eimer tauchte und wieder emporreckte. An der runden Öffnung glitzerte und glänzte es nun und als eine Windböe den Stab erfasste, stieg eine riesengroße Seifenblase aus der Öffnung empor.

Ein vergnügtes Lachen seitens Kenji hallte über das gesamte Dach, bevor der Junge sich voller Begeisterung auf den Stab stürzte und mit diesem herumfuchtelte, sodass noch weitere Seifenblasen in die Luft flogen. „Das ist toll!“ Kenji lachte noch lauter, als er mit dem Stab über das Dach sauste und eine ganze Schlange von Seifenblasen hinter sich herzog. „Vielen, vielen Dank, Dazai!“

„Wow, Dazai“, entfuhr es Atsushi, der ebenso wie Kyoka gebannt auf die hübschen Blasen blickte, „das ist ein wirklich schönes Geschenk. Aber was ist denn nun ein führendes Kind?“

Der Brünette legte sich immer noch spitzbübisch grinsend einen Zeigefinger auf die Lippen. „Das ist ein Berufsgeheimnis.“

Atsushi wollte gerade beeindruckt nicken, als Ranpo anmerkte:

„Hat Chuuya sich sehr aufgeregt?“

Dazais Lachen war allen Antwort genug.

„Nun denn, es ist nur noch ein Geschenk übrig.“ Kunikida schob seine Brille nach oben. „Gehen wir dafür wieder rein. Mich macht es nervös, wenn Dazai auf dem Dach herumturnt.“

„Whuuuhuuu!“ Als wäre es keine Warnung, sondern ein Stichwort gewesen, rutschte Dazai mit viel Schwung auf einer noch gefrorenen Stelle aus und schlitterte gen Brüstung.

„HÖR EINMAL ZU, WENN ICH ETWAS SAGE!!“ Kunikida schnappte sich den davongleitenden Kollegen am Kragen und stoppte so dessen Rutschpartie.

Wieder im Büro angekommen, holte Haruno sichtlich nervös ihr Geschenk hervor.

„Niemand hier wird leugnen, dass du die schwierigste Aufgabe von uns allen hattest, Haruno.“ Kunikida nickte der rot werdenden Sekretärin ermutigend zu.

„Oooh, das stimmt nicht“, widersprach Dazai, „es gibt viele Dinge, die ich mag.“

„Ja, aber nichts davon eignet sich als Geschenk“, erwiderte Atsushi, der wie die anderen sich die ganze Zeit über gefragt hatte, welcher arme Tropf Dazai gezogen hatte.

„Es war tatsächlich nicht ganz einfach.“ Haruno überreichte dem Brünetten das Päckchen. „Aber ich hoffe, du kannst etwas damit anfangen.“

Dazai schüttelte das Paket und ein leises Rumpeln war zu hören. „Es ist schon mal keine Frau drin. Außer vielleicht einer, die man noch zusammensetzen muss.“

„WARUM SOLLTE DA EINE FRAU DRIN SEIN??“, fauchte Kunikida und Tanizaki hielt dem gestressten Kameraden geistesgegenwärtig eine Seite aus dem Entspannungsbuch vors Gesicht.

Während Kunikida, wie auf der Seite beschrieben, langsame, tiefe Atemzüge nahm, fing Dazai an, das Papier herunterzureißen. „Es scheint auch keine Katze drin zu sein. Ich höre zumindest kein Miauen.“

„Wer würde denn eine Katze verpacken??“, empörte sich nun Atsushi an der Stelle des Idealisten.

„Es iiiist ...“, Dazai schaute in das geöffnete Geschenk, „... was ist das?“ Mit erfrischend planloser Miene zog er ein Set Bleistifte, einen Zeichenblock und ein Anleitungsbuch heraus.

„Das ist ein Zeichenlernset“, erklärte Haruno bemüht ruhig. „Ich dachte, vielleicht würde es dir Spaß machen, einmal ein anderes Hobby auszuprobieren.“

„Aha …?“ Ungewohnt sprachlos blickte Dazai auf die Sachen in seinen Händen. Zeichnen? Er? Wie kam die Frau auf so eine Idee?

„Auch ein sehr durchdachtes Geschenk“, lobte Fukuzawa und ließ seine Sekretärin damit dezent strahlen. Sie hatte eh nicht mit überschwänglichem Jubel von Dazai gerechnet.

„Ich nehme an“, warf Ranpo nörgelnd ein, „Dazai kriegt keine Belehrung über Undankbarkeit, weil alle wissen, dass er gerade auf dem Schlauch steht und noch eine Minute braucht, um zu begreifen, dass Haruno ihm mit diesem Geschenk sagen möchte, dass keiner von uns sein anderes 'Hobby' gut findet. Ist doch so, oder?“

Ein weitaus sanfteres Lächeln huschte für einen flüchtigen Moment über Dazais Gesicht. „Gut erkannt, Ranpo. Und ... danke, Haruno.“

Die angesprochene Frau zog vor Überraschung scharf die Luft ein, bevor sie gerührt lächelte. „Gern geschehen.“

„Dazai bedankt sich?“ Kunikida war merklich baff.

„Es ist ein Jahresabschlussfeierwunder!“, rief Yosano aus, lachte und ließ die Korken knallen.

Inmitten der aus dem Vorjahr bekannten Programmpunkte (dieses Mal stimmte der abgefüllte Kunikida mit der ebenso angeheiterten Yosano ein Lied ums andere an), deckte Atsushi die auf dem Sofa eingeschlafene und ihre Thermoskanne wie ein Kuscheltier im Arm haltende Kyoka zu. Sein seliger Blick wanderte von seiner Kameradin über sein Glückstagebuch zu Dazai, der höchst fokussiert besoffene Strichmännchen mit Pferdeschwanz und Brille zeichnete (sollte es ihn beunruhigen, dass Dazai ständig merkwürdige schwarze Schatten hinter jedes Strichmännchen malte? Vermutlich nicht). Der Chef, der das Katzennetsuke an seinem Gürtel befestigt hatte, ließ sich inzwischen mit unüblich interessierter Miene von Haruno den Aufbau des Katzentunnels erklären (Fukuzawas Blicke klebten nun unverhohlen auf der niedlichen Verpackung). Ranpo nutzte die Gelegenheit, um sich einen großen Schluck seines Sirups zu gönnen, nachdem er und Kenji das Buffet leer gefuttert hatten und Kenji auf dem Tisch, auf dem es aufgebaut gewesen war, eingeschlafen war.

„Sag nicht, du bist auch schön müde.“

Atsushi zuckte ein wenig zusammen, als Naomi ihn so plötzlich ansprach.

„Ich bin kurz davor, Kunikida dazu zu bringen, K-Pop-Lieder zu singen. Ist es nicht erstaunlich, dass er die überhaupt kennt? Ich habe ihn so was von unterschätzt!“ Die Schülerin kicherte.

„Wo ist denn Tanizaki?“

„Spucken. Yosano hat ihm Alkohol gegeben.“

„Oh ...“

„Ich sehe es als zusätzliches Geschenk für mich an. Mein Bruder ist so süß, wenn es ihm schlecht geht.“

Atsushi lachte überfordert. Was sollte er sonst auf so eine Aussage antworten? „Ah, Naomi ...“ Plötzlich fiel dem Jungen etwas ein, das er unbedingt loswerden wollte.

„Was denn?“ Interessiert sah sie ihren Kollegen an.

„Das Wichteln war wirklich eine großartige Idee. Hab vielen, vielen Dank dafür!“

Erstaunt schaute Naomi in Atsushis glückliche Miene, bevor sie selbst lächeln musste. „Überlasst einfach alles Naomi.“

Beide lachten und richteten ihren Blick auf Kunikida, der gerade mit einer perfekten K-Pop-Choreografie an ihnen vorbeitanzte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ein Netsuke ist ein kleiner geschnitzter Gegenstand, mit dem Taschen/Behälter am Kimonogürtel befestigt werden können. Mit einem Geschenk für Tanizaki war ich zuerst überfragt, bis mir eine Dokumentation über Junichiro Tanizakis Essay „In Praise of Shadows“ einfiel, die ich gesehen hatte. Auch das Zeichenset für Dazai (und die gruseligen Schatten) lassen sich durch das reale Vorbild und dessen Roman „No Longer Human“ erklären.
Ich hoffe, ihr hattet trotz meines nicht ganz genauen Neujahrstimings Spaß an dieser kleinen Geschichte. Komplett anzeigen

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