Zum Inhalt der Seite

Bruder

von
Koautor:  YoungMasterWei

Vorwort zu diesem Kapitel:
Wie angekündigt ist hier das erste von insgesamt drei Bonus-Kapiteln (die anderen sind aber noch nicht geschrieben). Es erzählt Kap. 8, "Bruder", aus Jiang Chengs Sicht. Der Anfang des Kapitels ist genau gleich (war ja ursprünglich schon aus Jiang Chengs Perspektive), deshalb denke ich, dass ihr nicht noch mal zurückblättern müsst, sondern gleich hier starten könnt. Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Bonus: Bruder (Jiang Chengs Perspektive)

Wei Wuxian war so tief in seinem Albtraum gefangen, dass er nicht einmal mitbekommen hatte, dass die Gefahr vorüber war. Die Schreie nach “LAN ZHAN!!” hallten unverändert von den Höhlenwänden.

“Nun komm mal wieder zu dir!”, murmelte Jiang Cheng schließlich. Er wünschte, seine Schwester wäre hier, die in solchen Situationen immer gewusst hatte, was zu tun war. Was sollte er, Tölpel, der er nun einmal war, denn ausrichten? Damals, als Wei Wuxian mitten in der Nacht fortgelaufen war, weil Jiang Cheng gedroht hatte, Hunde auf ihn zu hetzen, hatte sie alle beide nach Hause zurückgetragen. Aber auch mit zwei unverletzten Beinen könnte er ihn wohl kaum auf seinen Rücken laden und hier heraustragen. Allein über diese Vorstellung fühlte er eine ungelenke Verlegenheit in sich aufkommen.

Stattdessen versuchte er es zögerlich mit einem Händedruck auf der Schulter – einen Herzschlag lang, dann fühlte sich auch diese Geste deplatziert an und er zog seine Hand schleunigst zurück und drehte sich weg.

“Ich hab dir doch versprochen, wenn ich einen Hund sehe, verjage ich ihn für dich”, flüsterte er das Versprechen, das er Wei Wuxian einst gegeben hatte.

Eigentlich hätte Jiang Cheng nicht damit gerechnet, dass seine Worte Gehör finden, doch das Schreien und Scharren stoppte. Jiang Cheng atmete tief durch. Bevor die Situation noch peinlicher werden konnte, besah er sich die eingestürzte Wand, um herauszufinden, wie sie hier am schnellsten wieder rauskamen. Doch Wei Wuxians nächste Worte trieben ihm kalten Schweiß auf die Stirn.

“Suibian?”

Seine linke Hand schnellte an seinen Gürtel, das Schwert samt Griff und Scheide mit seinem Ärmel verdeckend.

“Wenn du dein Schwert vermisst, schicke ich es dir später zurück”, versuchte Jiang Cheng abzulenken.

“Das rote Leuchten war Suibian”, beharrte Wei Wuxian und drehte sich mit seinem verheulten Gesicht zu ihm um, starrte auf Jiang Chengs Ärmel und das dahinter liegende Schwert. Jiang Cheng musste einsehen, dass sein Ablenkungsversuch gescheitert war, und änderte seine Taktik. Er streckte seinen Rücken, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte gleichgültig auf Wei Wuxian herab.

“Sandus Klinge wurde bei der letzten Nachjagd beschädigt. Wenn dein alter Zahnstocher schon bei mir rumliegen muss, kann er sich auch nützlich machen.”

Wei Wuxian musterte ihn eine Weile schweigend.

“Es tut mir leid.”

Musste der denn ausgerechnet dann reumütig werden, wenn man es am wenigsten gebrauchen konnte? Jiang Chengs Puls beschleunigte sich, während er sich fieberhaft nach einem Ausweg aus diesem Gespräch umsah. Er legte keinen Wert auf diese Auseinandersetzung. Jetzt nicht, und auch nicht sonst irgendwann. “Vergiss es. Es ist Vergangenheit. Das hast du selbst gesagt.”

“Aber für dich ist es das nicht. Und dass ich mein Versprechen gebrochen habe – das werde auch ich nie vergessen können.”

Er musste hier weg. Mit steifen Schritten marschierte Jiang Cheng an ihm vorbei und inspizierte die Geröllmauer.

“Mach dich nützlich und überleg lieber, wie wir hier wieder rauskommen.”

Aber Wei Wuxian wäre nicht Wei Wuxian, wenn er auch nur EINMAL das tun würde, was man von ihm will.

“Ehrlich gesagt, ich hab mich oft gefragt, ob wir diese Sache nicht endlich aus der Welt schaffen können, damit ich wieder zum Lotus Pier kommen kann. Umziehen wird nicht gehen, dafür haben Lan Zhan und ich in der Wolkenschlucht zu viel zu tun. Aber ich könnte alle paar Monate als Gastlehrer vorbeikommen und beim Training helfen. Oder wir koordinieren uns bei den Nachtjagden oder veranstalten gemeinsame Trainingsprogramme. Die Clans würden ohnehin davon profitieren, wenn wir die ganze Konkurrenz und das Misstrauen der älteren Generationen nicht auf die jüngeren übertragen.”

“Ich sagte, ES IST GENUG!”

Dieser Bastard raubte ihm noch den letzten Nerv!

“Du kannst doch nicht ernsthaft wollen, dass alles so bleibt, wie es ist!”, rief Wei Wuxian, offenbar nun selbst die Geduld verlierend.

“Und du kannst nicht einfach alles umkrempeln, wie es dir passt, und so tun, als wär nie was gewesen!”, brüllte Jiang Cheng zurück.

“JIANG CHENG! Spring EINMAL über deinen gottverdammten Schatten und sei nicht so ein verbohrter Dickschädel! Ist es dir vollkommen egal, dass alles, was wir früher hatten, in Scherben liegt?!”, donnerte es tausendfach durch die Höhle.

“DANN SAG DU MIR DOCH, WAS ICH TUN SOLL! ICH HAB DICH UMGEBRACHT, VERDAMMT!!”

In dem Moment, da die Worte ausgesprochen waren, erreichten sie plötzlich eine Tragweite, der Jiang Cheng sich bis dahin nie bewusst gewesen war. Und auf einmal ergab alles so viel Sinn. Die Albträume, die Unruhe, die schwelende Angst, die ständige Wut. Wut auf sich selbst.

“... Was?”

Und zum ersten Mal in dessen zwei Leben erlebte Jiang Cheng Wei Wuxian sprachlos. Er gaffte ihn an, als hätte Jiang Cheng ihm soeben eröffnet, dass er schwanger war.

“Ich hab dich umgebracht”, wiederholte er die Worte, diesmal flüsternd, auf der Zunge abwägend, ob sie tatsächlich die Antwort bereit hielten, die ihm sein Instinkt nahe legte. Und je länger er darüber nachdachte, desto logischer erschien alles. Und mit der Erkenntnis kam der Schmerz.

“Jiang Cheng! Du hast lediglich den Bannkreis durchbrochen. Ich hab die Kontrolle verloren. Ich hätte das Amulett längst zerstören sollen und nicht erst, nachdem ich solch ein Blutbad angerichtet hatte. Du kannst dir nicht vorstellen, wie das seine Kräfte verstärkt hat. Es grenzte an ein Wunder, dass mich nicht schon die andere Hälfte zerrissen hat.”

“Darum geht es doch gar nicht!”, fauchte Jiang Cheng dazwischen. “Ich war da! Ich hab sie gesehen! Das Balg, die Alten, die Krüppel.”

Er besann sich zurück an all die gebrochenen, verängstigten Gesichter. Bis auf Wen Qing hatte nicht einer von ihnen einen goldenen Kern besessen.

“Ich wusste ganz genau, dass du da keine Armee aufbaust, sondern von der Hand in den Mund lebst. Und ich hab nicht ein einziges Mal den Mund aufgemacht und den Gerüchten Einhalt geboten.”

Jiang Chengs Beine gaben nach. Er sackte auf die Knie, sein Kopf kippte gegen die erdige Wand.

“Ich hätte ihnen einfach einen Platz am Lotus-Pier anbieten sollen, dann hättest du dich nicht zwischen ihnen und mir entscheiden müssen und niemand hätte noch gewagt, einen Keil zwischen uns zu treiben.”

Heiße Tränen bahnten sich ihren Weg an die Oberfläche, doch er hatte weder die Kraft sie zurückzuhalten, noch seinen Arm zu heben und sie fortzuwischen.

“Ich hätte auf dem Goldschuppenplateau für dich einstehen müssen, nach der Sache mit dem Arbeitslager am Qiongqi-Pass, als alle die Tatsachen verdreht haben und dich zur Rechenschaft ziehen wollten. Mir war klar, dass sie nichts weiter als neidisch auf deine Macht waren und die zukünftige Stärke vom Lotus-Pier fürchteten. Aber was mach ich? Ihnen nach dem Mund reden und dich rauswerfen! Weil ich dich lieber meinem kranken Stolz opfere als auf deine Loyalität zu vertrauen! Nicht du hast dein Versprechen gebrochen! ICH habe alles zunichte gemacht!”

“JIANG CHENG!!”

Grob wurde er an den Schultern gepackt und in Wei Wuxians Arme gezogen, kraftlos, wie eine Puppe, eine Marionette, deren Fäden man durchtrennt hatte. Die Tränen liefen unaufhörlich weiter.

“Mach dich nicht schlechter, als du bist. Ich bin kein Heiliger”, drang eine zittrige Stimme durch Stoff und Arme zu seinem in Watte getauchten Kopf. “Und damals erst recht nicht. Du hattest so recht, ich HATTE einen verdammten Heldenkomplex. Ich hab nie verstanden, wie beschissen es sich anfühlt, wenn andere für dich ins Verderben rennen und du nur ohnmächtig zusehen kannst. Ich hätte dich einfach fragen sollen, ob du uns einen Platz am Lotus-Pier gibst. Aber ich wollte es allein schaffen. Und wenn ich ehrlich bin: Selbst wenn du mir das damals angeboten hättest, ich hätte abgelehnt. Ich war verblendet und … und …”

Die Umarmung wurde fester, ein schweres Schlucken unterbrach die Rede.

“Genauso in Lanling. Wenn ich damals ernsthaft argumentiert hätte, wäre den anderen Clans gar nichts anderes übrig geblieben, als die Füße stillzuhalten. Aber überheblich und eingebildet wie ich war, hielt ich es nicht für nötig, mich anständig zu erklären. Ich hab erwartet, dass alle nach meiner Pfeife tanzen, aus Schuldgefühlen wegen der Sunshot-Kampagne oder zumindest aus Angst vor meiner Macht.

Jiang Cheng, verstehst du? Diesen Weg ins Verderben habe ich ganz allein beschritten! Ich hab mir Feinde gemacht, wo immer ich hinging. Vielleicht hätten die anderen Clans aufgegeben, mich stürzen zu wollen, wenn sie gesehen hätten, dass sie an uns als Einheit nicht vorbeikommen. Vielleicht hätte es das Unausweichliche aber auch nur hinausgezögert. Und vielleicht hätte es auch gar nichts geändert und wir wären am Ende nur beide gestorben, und der Yunmeng Jiang-Clan mit dir.”

Die Umarmung lockerte sich, Wei Wuxian drückte ihn ein wenig von sich, blickte ihm ins Gesicht. Trotz allem Schmutz und all der Tränen - oder vielleicht gerade deshalb - strahlte er eine Ernsthaftigkeit aus, die Jiang Cheng bis ins Mark fuhr.

“Ja, wir haben Fehler gemacht. Beide. Aber vom rechten Weg sind wir nie abgekommen.

Jin Guangshan hat Zivilisten in Arbeitslager gesteckt und ermorden lassen! Jin Zixun hat mir den Fluch der Tausend Löcher angehängt und mich in einen Hinterhalt gelockt. Und von dem, was Jin Guangyao alles verbrochen hat, will ich gar nicht erst anfangen. Das war nicht unsere Schuld und es lässt sich nicht mehr ändern, hörst du? Egal, wie sehr ich es mir wünsche, wir bekommen Shijie nicht zurück. Jin Zixuan kommt nicht zurück. Das Blutbad, das ich in der Nachtlosen Stadt angerichtet habe, wird nicht ungeschehen. Aber … Jin Ling ist noch da. Du bist noch da. Bitte, ich will wenigstens meinen Neffen und meinen Bruder nicht verlieren!”

Bruder

Das Wort schmiegte sich an seine blutende Seele. Jiang Cheng schwirrte der Kopf. Der ganze Redeschwall ergab im Moment noch nicht viel Sinn. Aber es tat gut, Wei Wuxian bei sich zu haben. Es tat gut, trotz all seiner Vergehen nicht verurteilt zu werden, sondern einen Platz im Herzen der Person angeboten zu bekommen, die er so schmerzlich vermisst hatte.

Neue Tränen rannen ihm über die Wangen.

Wie hatte er all die Jahre ausblenden können, wie sehr er sich nach Wei Wuxian gesehnt hatte?

Bruder.

Zittrig hob Jiang Cheng die Arme, legte sie dem anderen zögerlich an den Rücken, zog ihn an sich heran, schloss die Augen. Er würde Zeit brauchen, um über all das nachzudenken. Aber für den Moment war es nicht von Bedeutung. Zum ersten Mal seit vierzehn Jahren fühlte sich sein Innerstes irgendwie richtig an. Sofern man inmitten dieser tosenden Taubheit von “fühlen” reden konnte.

“Bruder.”



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Duchess
2023-03-26T15:58:07+00:00 26.03.2023 17:58
Ahhh sorry,
mir fehlte die Zeit dir endlich wieder vernünftig zu schreiben.
So lange Kommentare, dauern meist leider doch etwas länger als nur 10 Minuten >.<
Ich hoffe mal, dass du mit deiner Dissertation wenigstens richtig voran gekommen oder vielleicht sogar fertig geworden bist!

Zum Bonus Kapitel:
Das ist schon krass wie anders es auch Jiang Chengs einfach wirkt und ich empfinde im direkten Vergleich es auch passender Wei Wuxians Sicht zu nutzen, aber dieser Moment wo Jiang Cheng ihm entgegen schrie, dass er ihn umgebracht habe und dann diese Erkenntnis kam, scheint mir aus Jiang Chengs Sicht ebenso extrem ausdrucksstark und als wichtiges Element, nach dieser Szene wo Jiang Cheng noch am Lotuspier zu den beiden Schwertern ging und sein eigenes inneres Leben dem Leser offenbart hat. Eigentlich würde ich auf keine der beiden Sichten verzichten wollen.

Bei Su She mit seiner Eifersucht fällt mir gerade auf, hieß „Wuxian“ nicht sowas wie „frei von Neid“? Irgendwie finde ich es total spannend, dass ausgerechnet die beiden in diesem Moment aufgrund von Lan Wangji aufeinander trafen.
Und wenn man alles noch etwas weiter denkt, dann kann man alle Romanfiguren in eine von zwei Gruppen stecken: Diejenigen, die privilegiert geboren sind und diejenigen die es nicht sind. Erst aufgrund ihrer Erfahrungen, die sie durch andere gemacht haben und ihrer individuellen Lebenseinstellung wird jeder für sich ein eigener Charakter. Und beide Seiten können in eine positive als auch negative Lebensführung abdriften. Niemand ist vor allem sicher.
Lan Wangji scheint da im wahrsten Sinne des Wortes der Fels in der Brandung zu sein. Er hält sich an die Regeln und nimmt bei einer Regelverletzung die Strafe in Kauf. Er hält sich fern von allen Machtspielchen und ist dennoch bei einigen Menschen Mittelpunkt selbiger.
Und Su She war zwar nicht besonders helle, aber zumindest klug genug sich einem anderen klugen Kopf anzuschließen, auch wenn er „nur“ für die niederen Dienste benutzt wurde.
Aber ja, auch wenn Jin Guangyao nicht so ein Netzwerk aus Intrigen aufgebaut hätte, wäre vieles nicht so gekommen, wie es gekommen ist.
Und dann denke ich wieder, dass Jin Guangyao von Su Shes Eifersucht auf Lan Wangji gewusst haben muss. Zeitgleich war er aber eben mit Lan Xichen befreundet und wusste, dass es ihn verletzen würde, wenn seinem Bruder etwas passieren würde. Aber hätte oder hat Jin Guangyao vielleicht sogar Su She davon abgehalten, wenn er Lan Wangji etwas angetan hätte/hat?
Jin Guangyao hat schließlich die Zügel in den Händen mit denen er die Menschen zu lenken wusste.
So gesehen hatte er mit Wei Wuxian etwas gemeinsam. Beide haben sich die Rachegelüste der anderen zu Nutzen gemacht und diese befehligt. Der Eine tat dies mit denen der Toten, der andere mit Lebenden.
Oh man, mein Kopf denkt gerade wieder in so viele Richtungen gleichzeitig @.@

Madame Yus Türen schließen um keine Zeugen zu haben klingt auch plausibel. Ob es von den Anwesenden nicht weiter getragen worden wäre, da wäre ich mir nicht mal so sicher. Jiang Cheng hätte geschwiegen, Wei Wuxian genauso, aber Wang Lingjiao hätte das doch laut vor allen verkündet, welch Freude es ihr gewesen wäre allen zu zeigen, dass die berüchtigte Madame Yu ihrem Befehl gehorcht hätte. Wäre eher fraglich gewesen, ob die Anhänger des Jiang Clans das geglaubt hätten. Hätte das Schweigen von Jiang Cheng und Wei Wuxian dafür oder dagegen gesprochen? Aber ja, gerade wenn dieses Ereignis im Jiang Clan publik geworden wäre, dann wären einige aufgrund dieses Vertrauensbruchs geflohen. So eine Strafe zu vollziehen, weil irgendeine außenstehende Person eine Behauptung aufstellt, geht einfach nicht, wenn man sein Leben auf dem Clan und dessen Werten aufgebaut hat.
Wen-Spione ausschließen um ein zu schnelles Vorgehen der Wens zu verhindern klingt dagegen sehr plausibel, je mehr man drüber nachdenkt. Zumal die Wens ja noch ein weiteres Clan Mitglied in ihrer Gewalt hatten, wegen dieser Lappalie mit dem abgeschossenen Drachen. Vielleicht hatte sie auf noch einen weiteren Weg gehofft ihn dort ebenfalls raus zu ziehen?

ARGH! Mach mir "Heaven Official's Blessing" doch nicht soooo schmackhaft. Ich bin selbst doch noch nicht so unfassbar weit mit lesen, aber leider schon gehyped @.@
Der letzte Band MDZS müsste hier im Mai (?) rauskommen, vielleicht nutzt man danach ja die Gelegenheit einfach mit dem nächsten Titel der Autorin weiter zu machen. Ich hoffe es zumindest für mich ^^°
Aber so ein Glossar ist für Neulinge in dieser Kultur einfach klasse. Und sogar zur Aussprache der Namen? Hoffentlich machen die das dann in der deutschen Version genau so. Ich find das immer total spannend mit welcher Intention Menschen oder Dinge benannt werden und wie ihre Namen das jeweilige Individuum widerspiegeln.
Bei deiner Story hattest du es doch eigentlich recht klar angelegt, dass es eine Art Fortsetzung des Originals darstellen soll. Ohne dieses Wissen wäre die Story leider etwas zu verschlossen für Erstlingsleser, die keine Ahnung von der Materie haben. Wenn du solche Leute locken willst, hättest du deutlich leichtere Themen wählen müssen, die nicht so tief in das Seelenleben der einzelnen Charaktere vordringen. Vielleicht eher so etwas Slice of Life mäßiges, mit kleinen Hints für diejenigen, die die Hauptstory eben doch schon kennen. Und beim Epilog hast du im Punkte Vorwissen eh noch mal eine ganz neue Tür aufgemacht. Aber das – so denke ich – ist okay, da nach der Szene im Tempel ja nicht mehr so viel Relevantes für die Hauptstory kam, sollten die anderen Leser damit gut zurecht kommen.
Der „halbgerechtfertigte“ Tod von Jin Guanyao ist vermutlich aber auch eh nur so eine Nebensächlichkeit. Viel wichtiger erscheint mir hier, dass er den tödlichen Stoß dann genau von der Person bekommen hat, der er sicherlich nie wirkliches Leid zufügen wollte.
Alle anderen waren ihm nützlich oder egal bis verhasst. Nur diese eine Person eben nicht. Aber genau in dieser Situation gab es eben den einen Menschen, der wiederum an ihm Rache üben wollte. Und damit schloss sich der Kreis.

Aber nochmal zurück zum Epilog. Ich hatte nicht erwartet, dass du zum Schluss noch mal das Fass mit Lan Xichen aufmachen würdest. Das kam jetzt schon sehr unerwartet, auch wenn es ein weiteres Thema ist, dessen weiterer Ausgang wohl nicht nur mich brennend interessiert.
Lan Xichen hat leider ein sehr schweres Los erwischt. Vielleicht oder sogar eher mit Sicherheit wäre es für ihn einfacher gewesen wenn Jin Guanyao wirklich vor gehabt hätte einen Fluchtversuch o.ä. zu unternehmen. Dann wäre diese bittere Erkenntnis, dass er einer Finte aufs Korn gegangen ist, nicht so kalt gewesen. Aber so muss er sich nun einmal eingestehen, dass er eine Schuld trägt.
Vermutlich kennt der Lan Clan in der Hinsicht keine Möglichkeit mit so einer Schuld umzugehen. Die Handlung selbst war ja durchaus gerechtfertigt. Er war gefährlich und ein Angriff ebenso denkbar. Auf so kurze Distanz blieb ihm nichts anderes übrig als zu handeln. Die Isolation, die er für sich selbst gewählt hat, war vermutlich die einzige „Strafe“, die ihm zuteil wurde.
Die beiden Brüder lieben sich und passen aufeinander auf. Gerade Lan Xichen als Älterer fühlt sich mit Sicherheit schon seit dem Tod der Mutter dazu verpflichtet auf den kleinen Bruder auf zu passen. Lan Wangjis Sozialkompetenzen mögen ja den Regeln des Clans entsprechen, sind aber auf rein menschlicher Ebene echt schwer für Außenstehende zu verstehen. Das wussten beide und dadurch stand Lan Wangji auch immer nur hinter seinem Bruder, wenn es um die Kommunikation mit anderen ging.
Ich fand es einfach sagenhaft klasse wie gut Lan Xichen ihm die Gemütslage allein vom Verhalten her ablesen konnte. Und wie bedacht er darauf war, dass sein kleiner Bruder Kontakt zu anderen aufbauen sollte, wenn er es selbst als seinen eigenen Wunsch schon nicht wahrhaben wollte.
Das ist nun vermutlich die erste richtige Gelegenheit, wo Lan Wangji sich revanchieren kann, bzw könnte, wenn er selbst mit Worten und Gesten besser umzugehen wüsste und Lan Xichen es schaffen würde ihm seine Gefühle in Worten mitzuteilen. Da ist ein Wei Wuxian, der für seinen Lan Zhan alles tun würde, einfach der zugänglichere Typ. Dass er selbst mit solcher einer Art Schuld eigene Erfahrungen gemacht hat, macht ihn umso besser als Kontaktperson.

Als du bei dieser Unterrichtsstunde den Truthahnvergleich das erste Mal gezogen hast war mein allererster Gedanke, dass du auf diesen Moment ewig gewartet haben musstest XD
Und wie sich dann in meinem Kopf noch dieses Bild von denen manifestierte wie diese Köpfe nach und nach auch noch hochrot werden XDDD

Und zu dieser Sache mit Jiang Chengs Wut: Ich muss gerade hart überlegen, ob erwähnt wurde was tatsächlich aus den armen Leuten geworden ist, die im Verdacht standen Wei Wuxian zu sein. So richtig weiß ich das nicht mehr. Es wurde halt durch Dritte weiter getragen und wir wissen alle wie das mit der stillen Post so ist. Die Geschichten verändern sich gleich beim ersten Nacherzählen. Jiang Cheng wird sicherlich wenig Interesse daran gehabt haben gegen diese Gerüchte gegenüber seiner eigenen Person vorzugehen. Es wäre nicht seine Art gewesen und die verschlossenen Tore des Lotuspiers sprechen eher dafür, dass er einfach nichts weiter mehr davon hören wollte.
Es könnte natürlich wirklich sein, dass die Folter als Strafe dafür diente, dass diese Menschen versucht hatten den dunklen Weg zu kultivieren, aber ich denke, dass es Jiang Cheng durchaus bewusst war, dass diese Nachahmer es nicht zur selben Größe und Macht bringen würden. Zumindest zu diesem Zeitpunkt dachte er schließlich sicherlich noch, dass Wei Wuxian damals einen goldenen Kern hatte und dieser für das ganze Ausmaß ebenfalls notwendig war.
Und wenn Zidian diese Fähigkeit hat einen besetzten Körper zu befreien, dann macht es schließlich keinen Sinn den „befreiten“ Körper zu Tode zu foltern.
Darüber hinaus denke ich, dass da auch die Erinnerung an seine Schwester noch unbewusst Einfluss auf ihn gehabt hätte. Ihm ist bestimmt bewusst, dass sie diesen Ausgang nicht gewollt hätte.
Ich stelle mir sogar vor, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte seinen Bruder erneut zu töten, dann wäre ihm die Erinnerung an die Schwester hoch gekommen, die ihm ins Gewissen geredet hätte. Und dahinter hätte dann sicherlich wieder auch seine eigenen brüderlichen Gefühle gesteckt, die sich mit in der Erinnerung an die Schwester manifestierten.

Ich bin mir allerdings nicht so sicher ob man diese Szene im Guanyin-Tempel in dem Bezug gelten lassen kann, weil zu dem Zeitpunkt wusste er ja bereits, dass er das Spenderorgan seines Bruder in sich trägt. Zu dem Zeitpunkt wurde sein eigenes Weltbild zu seinem Bruder ja bereits ins Wanken gebracht und er war diesbezüglich schon verwirrt, was die Reaktionen im Tempel beeinflussten. Oder hab ich dich da bei der Begründung falsch verstanden?

Deine Schlussworte kann ich nur zurückgeben: Es war mir eine Freude diese brüderliche Aufarbeitung mitlesen und auch ganz besonders mit dir darüber mitdiskutieren zu dürfen ^^
Antwort von:  Lady_Ocean
10.04.2023 06:14
Waaaah! Vielen lieben Dank für deinen ausführlichen Kommentar! Das frisst ja auch immer eine ganze Menge Zeit (sehe ich auch an mir XD), deshalb hätte ich gar nicht erwartet, dass du noch mal dazu kommst. ^^°
Die Diss ist selbst im besten Fall nicht vor Mitte 2025 fertig. Und in den letzten zwei Monaten hatte ich irgendwie noch so viele andere Termine und Aufgaben, dass ich nicht so richtig weitergekommen bin mit meinen Interviewtranskripten. T_T Wobei ich jetzt zumindest mit dem dritten (von 14) zu ca. 2/3 durch bin. Und danach will ich auch so langsam mit der Analyse anfangen.

> "aber dieser Moment wo Jiang Cheng ihm entgegen schrie, dass er ihn umgebracht habe und dann diese Erkenntnis kam, scheint mir aus Jiang Chengs Sicht ebenso extrem ausdrucksstark"
Finde ich total cool, dass ausgerechnet dieser Moment so viel Eindruck bei dir hinterlassen hat. Ging mir nämlich auch so. Das war so einer der ersten Aufhänger, die überhaupt zu dieser Geschichte geführt haben. Sie streiten, Jiang Cheng verliert die Nerven, er schreit seinen Frust über Wei Wuxians Tod (in seiner ganzen langen tragischen Laufbahn) heraus und in diesem Moment macht es "Klick".

Und stimmt, "Wuxian" heißt "keine Eifersucht". Der Vergleich, den du hier mit Jin Guangyao und seiner Einstellung bezüglich Lan Wangji ziehst, ist total spannend. Das könnte ihn tatsächlich lange davon abgehalten haben, Wei Wuxian zum Ziel seiner Intrigen zu machen. Wenn irgendwer gesehen haben könnte, dass Wei Wuxian wichtig ist für Lan Wangji, dann er. Andererseits hat Jin Guangyao im Kampf am Guanyin-Tempel aber auch gesagt, er fand es nicht nötig, sich extra anzustrengen, um Wei Wuxian aus dem Weg zu räumen. Denn Wei Wuxian hatte ohnehin eine Persönlichkeit, mit der er bei vielen angeeckt ist, und dann eben noch seine Macht als dunkler Kultivator, was ihn früher oder später eh ins Grab gebracht hätte (so Jin Guangyaos Einschätzung). Ich denke, das zeigt nicht nur, dass Wei Wuxian ihm für seine Pläne im Grunde unwichtig gewesen ist, sondern auch, dass Su Shes Racheakt mit dem Fluch der Tausend Löcher tatsächlich nichts mit ihm zu tun gehabt hatte. Wahrscheinlich hat Jin Guangyao ihn einfach machen lassen, weil er darin keinen Einfluss auf seine eigenen Machtpläne gesehen hat.
Und dieser Vergleich, dass sich Wei Wuxian die Rachegelüste der Toten zu nutze macht, während Jin Guangyao die Rachegelüste der Lebenden ausnützt - on spot! :D Mega cooler Gedanke.

Du hast "Heaven Official's Blessing" jetzt doch angefangen zu lesen?! Wie weit bist du jetzt? Aber ja, die Geschichte ist mega toll. Da lohnt es sich, sich durch dürftige Englischkenntnisse zu kämpfen (und wahrscheinlich hat dein Englisch danach 'nen totalen Boost hingelegt. So ging es mir zu Schulzeiten jedenfalls mit Harry Potter XD).

Stimmt, für Erstleser wäre so was wie Slice of Life definitiv einfacher zu handhaben. Aber die MDZS-Community ist mittlerweile ja auch recht groß. Und was ich halt total schön finde, ist, dass man so hin und wieder jemanden findet (wie dich), mit dem man auf Augenhöhe über Details und Interpretationsmöglichkeiten fachsimpeln kann. :D So ein Dialog geht mit Erstlesern halt nicht.

Geht mir auch so, dass der entscheidende Punkt an Jin Guangyaos Tod der ist, dass ausgerechnet sein engster Freund ihn gesetzt hat und dass dieser engste Freund womöglich auch der einzige Mensch auf der Welt war, dem Jin Guangyao nie Leid zufügen wollte. Lan Xichen ist halt auch einfach ein Herzensguter. Und womöglich auch der Einzige aus dessen engerem Bekanntenkreis, der wirklich NIE was bezüglich seiner Bordellherkunft gesagt hat. Und auch nicht mal gedacht. Weil es für Lan Xichen halt wirklich keinerlei Rolle spielt (und jemand, der so eine gute Auffassungsgabe hat wie Jin Guangyao, merkt garantiert auch sehr schnell, wer nur aus Höflichkeit dieses "Kind einer Prostituierten" nicht ausspricht). Ist eigentlich schade, dass sich Jin Guangyao und Wei Wuxian nicht unter anderen Umständen kennengelernt haben. Wei Wuxian hätte auf sowas auch keinen Deut gegeben und trägt einfach das Herz am rechten Fleck. Und handelt entsprechend seiner Überzeugungen. Die hätten eigentlich gute Freunde werden können unter anderen Umständen.
Ursprünglich schwebte mir Lan Xichens persönliches Dilemma auch nur als Nebenaspekt im Hinterkopf rum. Erst in dem Moment, wo ich am Schreiben war bzw. eigentlich so richtig erst nach dem Schreiben vom Epilog habe ich bemerkt, was für einen großen Raum dieses Thema hier plötzlich eingenommen hat. Für einen Epilog ist das eigentlich untypisch, aber ... was soll's! XD
Und Nie Huaisang hat da ein ganz schön großes Opfer in Kauf genommen, ausgerechnet Lan Xichen dazu zu manipulieren, seine Rache an Jin Guangyao abzuschließen. Gut, das war sicherlich ein ganzes Stück weit eine spontane Entscheidung. Ich schätze, Nie Huaisang hat da einfach die Gunst der Stunde genutzt. Aber dennoch.
(Und ehrlich gesagt: Ich frage mich bei Nie Huaisang auch, ob er den Tod seines großes Bruders nicht ein Stück weit sehenden Auges zugelassen hat. Er hat ja seit seiner Jugend permanent unter den hohen Erwartungen von Nie Mingjue gelitten und gezittert. Und dann hat Mingjue auch noch seine Fächersammlung vor seinen Augen verbrannt. Sicherlich hat Huaisang seinen großen Bruder auch geliebt, aber ich könnte mir gut vorstellen, dass da auch ziemlich viel "Ich schaff das alles nicht mehr. Ich halte diese ganze Last von meinem Bruder nicht mehr aus" mit dabei war. Selbst wenn Jin Guangyao dessen Qi-Entartung nicht durch das gezinkte Musikstück beschleunigt hätte, wäre es früher oder später wohl dazu gekommen. Nie Huaisang hatte sicher so oder so kaum Aussicht darauf, dass sich die cholerischen Ausbrüche seines großen Bruders irgendwann legen. Und mit dem Ritual zum Opfern des eigenen Körpers ist eigentlich klar, dass Nie Huaisang von Anfang an Jin Guangyao auf seiner Abschussliste gehabt haben musste. Dass er gewusst haben musste, dass Jin Guangyao für Nie Mingjues Tod verantwortlich ist. Und das wird er sicher nicht erst nach dessen Tod irgendwie zufällig erfahren haben.)

> "Als du bei dieser Unterrichtsstunde den Truthahnvergleich das erste Mal gezogen hast war mein allererster Gedanke, dass du auf diesen Moment ewig gewartet haben musstest XD"
Jepp! XD Zumindest wie sie da kurz vorm Explodieren sind und mit hochroten Köpfen dasitzen. Die Truthähne kamen dann beim Schreiben. Und als sie vor meinem geistigen Auge dann wirklich wie die Moorhühner dreingeschaut haben, wusste ich: DAS IST ES! XD

Ich erinnere mich auch nur an die Gerüchte, dass Jiang Cheng wohl die Kultivatoren, die er im Verdacht auf Nutzung der dunklen Künste gefangen genommen hat, dann zu Tode gefoltert hat. Aber dadurch, dass es Gerüchte sind, ist es schwer zu sagen, ob die komplett der Wahrheit entsprechen. Zumindest Folter ist bei Jiang Cheng aber gut vorstellbar, was? Ich denke aber, wenn es hart auf hart kommt, ist er einer der typischen "Hunde, die bellen, beißen nicht"-Fälle. Jin Ling hat er auch so oft damit gedroht, ihm die Beine zu brechen oder nicht mehr mit ihm zu reden, bis der sogar immun gegen diese leeren Drohungen geworden ist. Aber ich denke genau wie du, dass es Jiang Cheng total egal wäre, wenn Gerüchte im Umlauf wären, dass er dunkle Kultivatoren getötet hat, selbst wenn dem gar nicht der Fall ist.
Und ich denke auch, dass die Erinnerung an Yanli seine Taten immer mit beeinflussen. Sie wird im Jenseits traurig genug gewesen sein, dass Wei Wuxian gestorben ist. Dass Jiang Cheng zum Frustabbau mordet, hätte sie am Boden zerstört. Jiang Cheng hätte ihr nie wieder unter die Augen treten können.

> "Ich bin mir allerdings nicht so sicher ob man diese Szene im Guanyin-Tempel in dem Bezug gelten lassen kann, weil zu dem Zeitpunkt wusste er ja bereits, dass er das Spenderorgan seines Bruder in sich trägt."
Stimmt, hast recht! Das hat Jiang Chengs Haltung gegenüber Wei Wuxian noch mal eine ganz neue Dimension gegeben. Hatte ich zuvor außer Acht gelassen. ^^°


Zurück