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Sengoku-Jidai I [Remake]

Tōunamento
von

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Ein halbes Jahr

Seit jenem Tag, an dem Sesshomaru sie mit Tansui allein gelassen hat und sie gegen das Sternzeichen gekämpft hat, sind zwei Wochen vergangen. Liza ist sich mehr denn je bewusst, dass sie jetzt schon ein halbes Jahr hier ist; sogar etwas mehr, als ein halbes Jahr. Der Kampf gegen das Sternenbild Feuer-Hund hat sie von allen Kämpfen am meisten geprägt. Er ist das bisher netteste aller Sternzeichen gewesen, die sie kennen lernen durfte. Ob seine Brüder auch alle so sind? Es gibt insgesamt fünf Elemente in den Reihen aller japanischen Sternzeichen. Holz, Erde, Metall, Wasser und Feuer. Nennen alle Sternzeichen ihre Artgenossen Bruder und Schwester? Sind sie überhaupt wirklich sowas wie Geschwister?

Nachdem sie die Geschichte Leons gehört hat, fragt sie sich immer öfters wer all diese Sternenbilder mal waren, bevor sie zu diesen machtvollen Wesen aufstiegen. Waren es einst nur Menschen oder Dämonen? Welche Geschichten haben sie? Wenn sie jemals wieder in ihre Zeit zurück kehren wird, würde sie so gerne mehr über die Sternzeichen lesen. Die richtige Lektüre dafür zu finden, wird sich für Liza als sehr schwierig erweisen. Sicher haben die Sternzeichen auch in ihrer Zeitepoche ihre Hintergrundgeschichten, aber die werden garantiert anders sein. Oft überlegt sie, ob ihr Vater für sie auch eine derartige Lektüre hinterlegt hat. Ihr Vater hat ihr sehr viele Bücher hinterlassen. Fast alle sind dabei aus seiner eigenen Feder geschrieben, um sie über die Wahrheit mancher Dinge aufzuklären. Das ruft ein weiteres Mal die Frage in ihr wach wer ihr Vater gewesen ist. In dem Buch, das sie am Tag ihres Aufbruchs von Haru bekommen hat, hätte sie gerne weiter gelesen. Sie hat es sich sogar in ihren gelben Rucksack eingepackt. Heute ärgert sie sich so sehr, dass sie den Rucksack für das Gebet abgesetzt hat.

Ein weiteres Mal ruft aber genau dieser Fakt, die Frage in ihr wach, wer ihr Vater war. Sesshomaru hat ihr Versprochen mit Tsukuyomaru zu sprechen, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Vielleicht hat er es während der Trainingszeit mit Hakku bereits getan, doch andererseits fragt sie sich warum? Es ist keine Lehrerpflicht von ihm. Wenn sie ihn mittlerweile nicht besser kennen würde, würde sie sagen, er tut aus reiner Nettigkeit. Gerade weil sie ihn aber kennt, weiß sie, er tut es aus Interesse. Egal was ihr Vater oder vielleicht sie selbst getan hat, es hat seine Neugier geweckt und er will mehr darüber wissen. Sie hätte leichter damit leben können, wenn es nur Sesshomarus eigene Neugier ist, die ihn scharf auf Infos über ihren Vater macht. Leider geht es Liza selbst nicht mal so viel anders. Nach allem, was sie in den letzten Monaten herausgefunden hat, hat sie das Gefühl selbst ihren geliebten Vater nicht zu kennen. Wie so oft in letzter Zeit, fragt sie sich wer er eigentlich vor seinem Ableben gewesen ist. Diese Frage kommt immer wieder in ihr hoch.

Woher wusste Papa von meinen Kräften?, schießt der Schwarzhaarigen ihre eigene letzte Frage vom letzten Gespräch mit ihrer Mutter durch den Kopf.

Dein Vater wusste es so genau, weil er selbst ein Magier war. … Alle seine Vorfahren waren es, erinnert sie sich an die Worte und die Erklärung ihrer Mutter. Das war eine Lüge, schießt es ihr bitter und wütend zugleich durch den Kopf, nur kurz darauf gefolgt von einem traurigen: Warum? Ein ganzer Schwall voller Fragen dröhnt durch ihren Kopf. Jetzt, wo sie einiges gelernt hat und mehr über die Elemente und Ableger weiß, fragt sie sich, was ihre Mutter und ihr Vater ihr noch alles verheimlicht haben und vor allem auch warum. Angefangen mit der Erzählung von der Jungfrau, die ihr offenbart hat, dass alle Feuerableger einfach von den Sternzeichen gefunden und getötet wurden.

Weiterführend zu der Erzählung von Leon, der ihr in der Stadt, in der Okiya, erklärt hat, dass Elemente sich nicht über Generationen weiter vererben lassen. Es ist ein Teufelskreis. Die Sternzeichen wissen mehr über sie und ihren Vater, als sie selbst. Die Jungfrau erwähnte, dass er Schwestern gehabt hat. Nicht mal das hat Liza gewusst. In ihrem ganzen Kopf wird es immer leerer, wenn sie an ihn denkt. Sie sieht ihn wie einen schwarzen Schatten vor sich, um den hunderte Fragen schweben.

Die Schwarzhaarige gibt es ungern zu, aber bei Haru hat sie wenigstens gewusst, woran sie ist. Ihr Drang, sich wirklich mit ihm auszusprechen, wächst mit jeden Tag immer mehr. Sie möchte ihm eine Chance geben auch für sie ein Vater zu sein. Liza begreift immer mehr, wie egoistisch sie selbst einfach war, weil sie nur an sich gedacht hat. An sich und ihre eigene Zukunft. Früher ist ihr alles so klar vorgekommen. Sie hat eine eigene Firma gründen und aufbauen wollen, die sich dem Schutz und der Förderung sozial benachteiligter Menschen verschreibt. Die Firma soll ihnen eine Möglichkeit geben genauso im Berufsleben anzukommen, wie jeder andere Mensch. Dabei muss es nicht Japan sein. Dafür ist Liza auch bereit ins Ausland zu ziehen. Sie hat früher so große Pläne in der Neuzeit gehabt.

Große, aber einsame Pläne. Ohne Freunde. Ohne Mann.

Will sie das eigentlich noch? Die Menschenfrau fragt sich, ob sie jemals wieder in ihre Zeit zurück kehren wird und wenn ja, was will sie dort eigentlich noch? Es gibt dort ihre Familie, aber hier hat sie Freunde gefunden, insofern sie ihre dämonischen Begleiter so nennen kann, und jemanden, in den sie sich verliebt hat. In der Neuzeit hätte sie ihre Kräfte, aber keine Gefahren. Die Menschenfrau ist nicht dumm. Nachdem die Sternzeichen Wasser-Schlange und Jungfrau ihr offenbart haben, dass sie zwischen allen Epochen reisen können, weil sie in jeder Ära Existent sind, hat sie sich gefragt, ob das mit den Elementen vielleicht auch so ist. Zumindest mit denen aus der ersten Generation. Das Feuer besteht in der Neuzeit genauso, wie in der Sengoku-Ära. Allerdings hat sie gar keine Ahnung wie das gehen soll.

Über ein halbes Jahr ist seit jenem Tag vergangen, als sie im mittelalterlichen Japan gelandet ist, aber genau ein halbes Jahr, seitdem sie bei Sesshomaru im Training ist. Im eisigen Winter des mittelalterlichen Japans, Anfang oder Mitte Februar, Liza hat kein richtiges Zeitgefühl mehr, wird ihr ihre Einsamkeit mehr denn je bewusst, die sie in der Neuzeit durchleben würde.

Ob ihre Mutter sie vermisst?

Ob ihr verrückter Großvater manchmal an sie denkt?

Kümmert sich Haru wohl gut um ihre Halbschwester Kagome?

Würde sie jetzt vielleicht Freunde finden?

Aber vor allem … Wäre sie nicht mehr so einsam?

Doch wäre es hier so viel anders? Sesshomaru erwähnte dem Daiyokai des Südens gegenüber das er sich von den Menschen wieder abwenden würde, sobald das Tōunamento vorbei ist. Das einzige, was ihr noch Hoffnung gibt, ist der Pakt, den sie einst miteinander abgeschlossen haben. Wenn sie stärker als jeder Dämon wird und keine Möglichkeit findet wieder in ihre Zeit zurück zu kehren, würde er sie in seinen Ländereien aufnehmen, so dass sie diese beschützen kann, wäre er nicht da. Sie wäre wieder alleine. Zwar stark und gebraucht, aber allein. Nicht mehr.

Hakku? Sie wünscht ihm, dass er seine Treue wiederfinden wird und er mit Tansui glücklich wird. Er ist zwar ein Hundedämon aus der stolzen Familie des Westens und Sesshomaru rangmäßig unterlegen, aber das bedeutet für sie nicht, dass er auch in dessen Dienste tritt. Ebenso wenig, dass er sich mit Tansui häuslich im Westen niederlässt. Egal wo die Menschenfrau wäre, sie bleibt allein.

»Konzentrier‘ dich gefälligst!«, rufen die barschen Worte der Fuchsfrau Liza wieder aus dem Gedankenreich zurück. Sie registriert wieder, dass sie sich im Innern eines gewaltigen Wasserballs befindet den Tansui mit ihrer Macht erschaffen hat. »Dein Lehrmeister hat mich beauftragt dich zu lehren dein Element auch unter Wasser benutzen zu können, damit nicht wieder so ein Dilemma entsteht, wie damals, als du gegen die Wasser-Schlange kämpfen solltest.«

Das grimmig wütende Gesicht der Feuerfrau zeigt ihren Zorn und feste Entschlossenheit. Alle Wut der Welt hilft jedoch nicht sich gegen das Wasser, das Tansui um sie geschlossen hat, zu behaupten. Seufzend hebt Tansui Wasserball wieder auf. Wild hustend kann sich Liza auf den kalten Boden fallen lassen. »Hey! Ich hab noch längst nicht alles gegeben!«, pflaumt Liza ihre aktuelle Lehrerin an.

»Wär' es dir lieber, du wärst ertrunken?«, kontert Tansui dagegen nur kühl.

Gegen diesen Einwand hat Liza wirklich nichts zu sagen und sie schaut nur zu Boden.

Ernst blickt das neue Teammitglied zur Jüngeren. Es erstaunt sie, wie viel Kraft und Macht diese Feuerkönigin bereits in sich trägt. Das ruft in ihr augenblicklich die Frage wach, ob Liza wirklich nur ein Mensch und einfache Königin ist. Tansui sprach bereits vor Sesshomarus Abreise mit ihm über diese sonderbare Stärke. Von ihm erhielt sie auch die Info über den Kampf mit der Wasser-Schlange. Auch er scheint bisher keine Anhaltspunkte über seine Schülerin gefunden zu haben, die das Gegenteil ihres Ranges beweisen. Einzig das Zeichen des Turniers auf Lizas Handrücken verrät ihren Rang als einfache Feuerkönigin. Für die Wasserherrscherin selbst ist diese Menschenfrau fast schon ein Monster, aber auch hier hat Sesshomaru ihr verboten dieses Wort überhaupt auszusprechen. Er verriet ihr zwar nicht warum, doch das wird seine Gründe haben. Leider sind beide momentan gezwungen, ihre Schüler auszutauschen. Hakku braucht eine stärkere Defensive und da kann Sesshomaru mit seinen machtvollen Erdtechniken wirkungsvoll dagegen wirken.

Ihr Verlobter fehlt ihr. Tansui fragt sich jeden Tag, wie sie wohl dessen Treue wieder bringen kann, damit es sie allein ist, die sein Lächeln genießt. Damit es sie allein ist, die seine Liebe wieder spüren kann. Einmal mehr wird ihr bewusst, wie besitzergreifend seine Liebe sie umfasst hat. Aber Hakkus Liebe kam so sanft über sie, dass sie es nicht mal gemerkt hat, bis es zu spät war, es zu leugnen. Als Hund und Fuchs stoßen sich beide Rassen von Natur aus ab, doch Hakku kam zu jener Zeit über sie, wie ein Wirbelsturm.

Sein Lachen erwärmte ihr einsames Herz.

Seine ehrliche Art umfing sie genauso sanft wie seine Arme.

Ja, selbst seine einfühlsame Art war so neu und erfrischend wie seine Küsse.

Unweigerlich fragt sich Tansui, ob alle Hundedämonen so zu ihren Frauen sind, was ihren Blick erneut zur Menschenfrau führen lässt. Unlängst ist ihr klar, dass sich etwas zwischen ihr und Sesshomaru anbahnt. Als Frau kann sie die Schwarzhaarige verstehen. Er ist attraktiv, klug und stark, aber ohne Gefühle. Für Tansui ein wichtiges Attribut, was den älteren Hundedämon unwichtig werden lässt. Als Wasserherrscherin ist er für sie irrelevant. Ihr Herz schlägt nur für den jüngeren, wilderen Halbbruder.

Tansui muss sich wieder dem hier und jetzt widmen. Liza muss lernen ihr Element auch unter Wasser kontrollieren zu können. Schon lange gehen Gerüchte über einen Feuerkrieger um und Feinde werden dessen natürliche Schwäche ausnutzen wollen. Das ist alles, was Tansui wissen muss.

Die Schwarzhaarige rennt einfach voller Freude an ihr vorbei und eilt zu Jaken, der bereits das Essen zubereitet hat. Ohne weiter zu fackeln, greift sich die Menschenfrau den Kröterich und umarmt ihn. Nie zuvor hat eine Menschenfrau sich sichtlich wohler gefühlt. Etwas, was Tansui weiterhin ins Denken versetzt. Es ist schon lange üblich, dass Menschen Dämonen fürchten und Dämonen die Menschen meiden oder fressen. Liza bricht all diese Dinge einfach. Längst ist der Fuchsfrau klar, dass sich die Frau aus einer anderen Ära unter Dämonen wohler fühlt und die Dämonen selbst sehen sie nicht einmal als Mensch. Zumindest fällt Tansui das bei Sesshomaru auf. Beide haben viele Eigenschaften gemeinsam.

Sie brechen alte Regeln.

Sie verlassen sich auf ihre Stärke.

Sie ordnen sich nicht unter, sondern bestehen auf die Oberhand.

Dennoch beschützen beide diejenigen, die ihr vollstes Vertrauen genießen. Auch wenn Sesshomaru es selbst immer leugnet sie zu beschützen.

»Hey lass mich runter, Menschenweib!«, meckert Jaken rum, doch die Ältere sieht, dass er es sichtlich genießt.

»Ich find dich süß«, säuselt Liza nur und lässt ihn wieder runter.

»Wieso kocht der Kappa-Dämon eigentlich für dich?«, fragt Tansui schließlich.

»Er heißt Jaken«, knurrt Liza ihre Gegenüber an. »Und er kocht für mich, weil ich es nicht kann.«

So offen eine Schwäche zuzugeben, überrascht wieder einmal die Fuchsfrau. »Dann wird es Zeit das du das lernst.«

»Und warum? Damit ich einen Mann von vorn bis hinten bedienen kann?«, sträubt sich die Menschenfrau gleich dagegen.

»Nein für dich. Damit du dich einmal allein ernähren kannst!«, zeigt sich Tansui nun auch etwas gereizt. »Du wirst nicht immer einen Jaken haben, der für dich kocht. Oder eine Mutter. Oder sonst einen Lakai.« Lizas geschockter Gesichtsausdruck verändert sich zu einer traurigen Miene. Nie hat die Jüngere so gedacht. Davon abgesehen, dass ihr ihre Mutter von Tag zu Tag tatsächlich immer weniger fehlt. Am Anfang hat sie oft an sie gedacht und sie hat ihr auch oft gefehlt.

Auch ihre Halbschwester.

Und ihr Großvater.

Ja sogar an ihren Stiefvater hat sie immer öfters denken müssen.

»Woran denkst du?«, sind es die Worte von Tansui, die sie wieder aus ihrer Gedankenwelt herausholen.

»An nichts weltbewegendes«, antwortet sie kurz, ehe sich beide Frauen gemeinsam hinsetzen. »Einfach nur an meine Dämlichkeit.«

Tansui nimmt sich ruhig einen der Fleischspieße und pustet ihn achtsam. »Erwachsen werden, heißt Fehler zu machen, aber nicht dumm sein.« Der Kopf der Menschenfrau sinkt weiter. »Egal was du für Fehler gemacht hast, aber wir alle machen Fehler«, spricht Tansui weiter.

»Dämonen offenbar nicht«, antwortet Liza so leise, das es wie ein Flüstern klingt.

Tansui hört es aufgrund ihres guten Gehörs trotzdem. »Wie kommst du darauf?«

»Wenn ich mir die eleganten und vollendeten Bewegungen von Sesshomaru anschaue, kommt es mir so vor, als würden Dämonen alles perfektionistisch vollziehen können. Allein, wie er seine Hände erhebt … Es wirkt, wie ein vollendeter Tanz. Oder Hakku. Selbst wenn er lacht, wirkt es, als ob ihm nichts entgehen kann«, versucht sich die Menschenfrau zu erklären. »Ja und selbst bei dir bekomme ich das Gefühl, dass du beim Gehen so elegant bist, als würdest du schweben können. Dieses Gefühl werde ich nie erreichen für andere so Elegant und Perfekt zu sein.«

Zunächst schweigt die Fuchsfrau einfach nur und scheint sich durch den Kopf gehen zu lassen, was die Menschenfrau gesagt hat. »Ist es denn das, was du willst?«

Diese Frage lässt Lizas Kopf hochschießen und Tansui erstaunt anschauen.

Jaken blickt zwischen den Frauen hin und her. Er kennt Liza und auch wenn er es nie aussprechen oder sagen würde, aber er mag sie. Sie ist ihm sympathisch geworden. Wie sie sich immer um ihn sorgt und ihn … umsorgt. Das hat er noch nie zuvor bei Menschen gesehen. Die meisten fürchteten sich vor ihm oder ekelten sich. Sie hingegen umarmt ihn, knuddelt ihn und akzeptiert ihn, sowie er ist.

»Nein, ich … ich … i-ich …«, stottert Liza ganz plötzlich. Sie weiß schon lange nicht mehr, was sie eigentlich will. Außer für immer bei Sesshomaru zu bleiben und selbst das wird ihr wohl nicht gewährt werden.

»Sesshomaru hat schon immer etwas sehr faszinierendes an sich gehabt. Seine kühle, distanzierte Art hat immer sehr anziehend auf Frauen gewirkt«, spricht Tansui weiter, als wüsste sie, was im Kopf der Schwarzhaarigen vor sich geht. In ihrem Gesicht und ihren Augen kann die Fuchsfrau fast lesen, wie in einem Buch. Ein weiteres Mal schaut die Jüngere entsetzt. »Gerade auf Menschen wirkt er sehr anziehend. Seine Ausstrahlung, seine Aura, sein Aussehen, seine Abstammung … Das mag ihm bewusst, aber bis heute egal gewesen sein. Ganz im Gegenteil zu Hakku, der sich kaum von Röcken lösen kann, sobald er einen sieht.«

»Liebst du ihn?«, fragt Liza dann aus heiteren Himmel.

Da ist die Fuchsfrau auf einmal sehr überrascht und muss sich erst einmal sammeln. Dann aber antwortet Tansui mit einem Lächeln. »Meinst du etwa Sesshomaru?« Sie bricht in ein schallendes Gelächter aus, ehe sie antwortet. »Wer könnte sich in einen eiskalten Dämon verlieben, der nichts zu geben hat?« Das wütende Gesicht von Liza verrät Tansui jedoch alles. »Jetzt verstehe ich«, lächelt sie. Ihre Lippen bilden ein, wie es für die Menschenfrau wirkt, geheimnisvolles Lächeln. »Aber nein. Ich liebe ihn nicht. Er ist für mich einfach nur hilfreich, in dem er Hakku trainieren kann und mit ihm das macht, was ich nicht kann.«

»Das heißt?«

»Wie du gemerkt hast, ist Hakku ein schneller und agiler Angreifer, aber er hält nicht sehr viel aus. Seine Defensive ist sehr, sehr schlecht. Ein Schlag und er fällt mir zu Boden, wie ein Sack Reis.« Fast schon hochmütig, wie es Liza scheint, blickt die Wasserfrau sie an. »Da hältst selbst du mehr aus und du bist ein Mensch.«

»Also benutzt du ihn nur«, stellt sie fest.

»Natürlich. Sowie er mich benutzt, um dich zu trainieren. So funktioniert das in der Dämonenwelt.«

»Aber du bist kein Dämon, wie Hakku oder Sesshomaru«, entgegnet Liza sofort. »Du hast aber dennoch etwas dämonisches an dir; auch wenn deine Aura nicht ganz so stark ist.«

Die Fuchsfrau zögert mit ihrer Antwort. »Ich bin ein Halbdämon.«

»Bitte was?«, ist die Schwarzhaarige überrascht, was wiederrum Tansui verblüfft.

»Ach ja. Sesshomaru meint, du kommst aus einer Zeit, wo es keine Dämonen mehr gibt.« Das Schweigen der Menschenfrau sagt Tansui alles. »Halbdämonen sind einfach das Endprodukt zwischen Menschen und Dämonen. Wenn sich ein Dämon auf einen Menschen einlässt, entsteht daraus ein Halbdämon.« In Tansuis Gesicht bildet sich auf einmal ein sehr neckisches Grinsen. »Also genau das, was passieren würde, wenn Sesshomaru jemals Gefühle zu dir entdecken würde, wenn er jemals wieder welche haben sollte.«

Dieser rote Schimmer auf den Wangen von Liza wecken eine seltsam schelmische Art und Weise in der Fuchsfrau. Also isst sie ihren Spieß auf und beugt sich rasant über Liza, drückt sie auf die Wiese und erhält sofort einen Blick der Verlegenheit und des Schocks. »Hmhmm… Aber so langsam kann ich verstehen, was er an dir findet.« Immer weiter beugt sich Tansui zu Liza hinunter, die immer röter im Gesicht wird. »Du quillst gerade nur so über voller Emotionen. Gefühle, die so sehr danach begehren frei gelassen zu werden. Das ist für einen Dämon wie ihn durchaus reizvoll.« Das Gesicht der Wasserfrau neigt sich über den Hals der Menschenfrau, über den sie ganz sanft haucht.

Liza atmet leise aus. Dieser warme Atem inmitten der kalten Winterluft löst eine große Gänsehaut in ihr aus. Wie sehr würde sie sich allein nur solch eine Berührung von Sesshomaru wünschen. Selbst als Tansui sie sanft am Hals beginnt küssen, stellt sie sich vor, wie es wäre von ihrem Meister so geküsst zu werden und ein leiser Seufzer entweicht ihren Lippen. Die weichen Lippen der Halbdämonin übersehen den Hals der Schwarzhaarigen mit vielen kleinen, aber langsamen Küssen. Ruhig und geduldig folgen sie der Halsschlagader hinauf zum Kinn, ehe sie sich wieder mit ihrer feuchten Zunge genauso bequem, bis zum Schlüsselbein hinunter leckt. Erneut atmet Liza leise aus und seufzt in die kalte Winterluft hinaus.

Jaken steht der Mund schier weit offen, als er diese Gefühle der Frauen so ungeniert vor sich sieht. »All diese Emotionen wollen raus. Mehr, als alles andere«, spricht Tansui weiter und blickt Liza wieder in ihre blauen Augen. »Jungfrauen hatten schon immer ein besonderes Interesse in Dämonen geweckt und du hast die größten Emotionen von allen. Da wundert es mich nicht, dass selbst dein Meister Interesse an dir bekommt.« Dieser verführerische Unterton in der Stimme der Fuchsfrau löst in Liza ein Gefühlsbad im Bauch aus. Alles in ihr schreit nach ihrem Lehrer.

Sie liebt ihn nicht nur.

Sie begehrt ihn.

Sie will nur ihm gehören.

Sie will nur an seiner Seite bleiben.

Für immer.

»Wie süß deine Lippen wohl schmecken? Vielleicht nach Kirsche?«, fragt Tansui weiter und beugt sich zur Menschenfrau hinab. Dein erster Kuss gehört mir!, vernimmt die Menschenfrau selbst plötzlich die herrische, kalte Stimme Sesshomarus in ihrem Kopf. Sie dröhnt durch ihren Körper, wie eine einzige Berührung. Dieses erwartungsvolle Beben, das sie durchfährt, hat sie nie zuvor so intensiv gespürt, wie in jenem Moment, als sie sich einfach nur seiner Stimme in ihrem Kopf klar wird. So packt sich Liza Tansui an den Schultern, drängt ein Bein zwischen die Schenkel der Fuchsfrau und dreht sich mit ihr, sodass es Tansui ist, die nun unter ihr liegt. Tatsächlich mit einem sehr schockieren Gesichtsausdruck muss die Wasserfrau mit ansehen, wie Liza sich nun ihrerseits einen der Fleischspieße vom immer noch entrüsteten Jaken greift und herzhaft hinein beißt. »Ja, ich bin noch Jungfrau, Tansui. Aber das heißt nicht, dass ich mich einfach verführen lasse, wie es jemanden passt. Schon gar nicht von einer anderen Frau. Dafür will ich selbst viel zu sehr die Führung behalten.« Nachdem sie das Essen durchgekaut und runter geschluckt hat, spricht Liza weiter. »Egal wie stark die natürliche Anziehung von euch Dämonen sein mag, aber auf mich wirkt das selten.«

Dieser ernste Blick den Liza dabei zu der Halbdämonin runter wirft, zeigt ihr in diesem Moment, wie stark die herrschende Seite in der Schwarzhaarigen ist. Sie ist die dominanteste Frau, der Tansui jemals über den Weg gelaufen ist. Sie duldet keine Zwangsunterwerfung – jedenfalls nicht von ihr. Fast wie eine Anführerin, die ihren Untergebenen in die Schranken weist, thront sie auf ihr und blickt mahnend zu ihr hinab. Die Ausstrahlung einer Herrscherin trägt die selbstbewusste Jugendliche tatsächlich tief in sich.

Ähnliches denkt sich auch Jaken, als er diese sichere, überhebliche Art in ihrer Haltung wieder erkennt. Liza löst sich von Tansui, steht einfach wieder auf und lässt die verdutzte Wasserfrau einfach auf der Wiese liegen. »Ich will weiter trainieren. Wenn Sesshomaru wieder kommt, will ich ihm beweisen können, dass ich mein Feuer auch unter Wasser benutzen kann.«

Diese Aussage schockiert Tansui mehr, als Tatsache das sich Liza ihr entzogen hat. Dämonen können auf Menschen durch ihre besondere Ausstrahlung – die sie Charme nennen – sehr anziehend wirken. Viele nutzen das tatsächlich sogar aus und ziehen sie an, nur um sie zu fressen. Der Fuchsfrau ist bekannt, dass der momentane Anführer der Wolfsdämonen das manchmal gemacht hat. Sich einem solch starken Einfluss zu entziehen, wie dem dämonischen Charme, ist für Menschen schier unmöglich. Sie hat völlig vergessen, dass Liza nicht nur eine Menschenfrau, sondern auch eine Elementskriegerin ist. Sogar eine Ablegerin des Feuers. Vielleicht ist solch ein Charme, bedingt durch ihr Element, auf sie wirkungslos. Nachdem sich die Wasserherrscherin wieder gefasst hat, richtet sie sich auf. »Na schön. Dann lass uns weiter trainieren.« Ihren Ehrgeiz schätze die Wasserfrau in jedem Fall.

»Es gibt nur eine Frage, die ich dir gerne stellen möchte.« Nach einem Nicken von Tansui stellt Liza ihre Frage. »Liege ich mit meiner Vermutung richtig, wenn ich durch das Feuer selbst wieder in meine Zeit gehen kann?«

Zunächst schweigt Tansui, antwortet dann aber. »Ja, das ist richtig. Unsere Elemente sind in jeder Zeitepoche verfügbar. Mit dem richtigen Training kannst du das Feuer als Portal für die verschiedenen Ären benutzen.«

»Kannst du es mir beibringen?«, fragt Liza weiter.

Tansui zeigt sich unbeeindruckt von diesem eisernen Willen. »Sicher, aber erst einmal will ich mit dir deine Schwäche beheben. Da du nur eine Königin bist, wird die Erschaffung eines Portals vermutlich viel länger dauern, als die Schwäche deines Elements zu beheben. Außerdem lässt du dich immer noch viel zu leicht täuschen. Deine Augen müssen geschärft werden. Vor uns liegt noch eine ganze Menge Arbeit.«

Die Schwarzhaarige verschlingt den Rest des Spießes, ehe sie den Holzspieß einfach durch ihre Flammen niederbrennt und Tansui anschließend mit einfachen Handbewegungen wieder zu sich lockt. Darauf will die Herrscherin des Wassers natürlich eingehen, doch dann hören die Frauen nur Jaken aufschreien. Liza fährt sofort der Schock in die Glieder, als sie diese unheimliche, riesige Wespe am Arm des Kröterichs sieht. »Aaaaaaaaahhhhhhhhhh!!! Oh Gott! Das schmerzt!« Erst jetzt erkennt die Menschenfrau auch, dass diese Riesenwespe ihren Stachel in Jakens Arm gestochen hat. Bevor sie aber zum Zug kommt dieses Vieh zu verbrennen, ist es Tansui, die das Insekt mit einem gewaltigen Wasserstrahl wegdrückt und ersaufen lässt.

Trotzdem geht Liza gleich zu ihrem Freund hin und greift ihn sich. »Hey Jaken! Alles in Ordnung?«, fragt sie ihn sogleich besorgt.

»Schnell! Du musst mir den Stachel raus ziehen«, schafft er es noch schmerzhaft zu sagen.

Stumm nickt sie und zieht ihm den Kimonoärmel hoch. Schon jetzt versinkt der Stachel in seinem dürren Oberarm, wo die Wespe ihn gestochen hat. Mit ihren Fingern allein kann sie das nicht schaffen, also legt sie ihre Lippen um den Arm und saugt den Stachel so stark sie kann raus. Schließlich kann sie dann doch den Stachel mit ihren Zähnen packen und herausziehen. Kaum draußen spuckt sie den Stachel achtlos aus. Im zugeschneiten Boden zerläuft er zu einem ätzenden Gift.

»Das war dumm von dir«, meckert Tansui sofort mit Liza, die augenblicklich heftig zu husten beginnt. »Der Stachel eines Saimyōshō ist hoch giftig. Jetzt ist nicht nur Jaken vergiftet, sondern auch du. Damit hat sich das Turnier für dich und Sesshomaru erledigt.«

Wutentbrannt packt sich die Feuerfrau Tansui am Kragen ihres Kimonos. »Mir geht es hier nicht um mich, kapiert! Jaken ist mein Freund und ich will alles tun, damit es ihm gut geht. Das Viech sah aus wie eine Wespe! Dagegen muss es ein Heilmittel geben.«

»Sicher gibt es das, aber wer sagt, dass ich dir helfen will?«, zeigt sich Tansui uneinsichtig und kühl.

»Ich weiß, du hasst mich, aber tu es für Jaken. Oder hasst du ihn auch?«, drängt Liza sie weiter, während sie auf einem Arm den fiebrigen, fast bewusstlosen Kröterich hält. Tansui blickt auf den Freund ihrer momentanen Schülerin. Saimyōshō sind dafür bekannt, aggressiv zu sein. Vielleicht hat Jaken nur das Essen verteidigen wollen und wurde so gestochen. Sie hält nicht viel von den beiden. Weder von Jaken, noch von Liza. Doch wenn sie den beiden nicht hilft, weiß sie, würde sie den Zorn Sesshomarus spüren. Sie fürchtet sich nicht vor dem Tod, doch sie bangt denjenigen zu verlieren, den sie von allen am meisten liebt. Hakku.



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