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Boston Boys - Fragmente

Kurzgeschichten zur Boston Boys Reihe
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
CN: Darstellung von Traumafolgen

Spoiler: Samsas Traum (leicht) Komplett anzeigen

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Samsa – Dezember 2015 I

Unruhig stieg ich von einem Fuß auf den anderen, blies immer wieder warme Luft in meine Hände. Es war nicht wirklich kalt – der Winter ließ sich dieses Jahr sehr viel Zeit und bescherte noch einmal ein paar warme Tage – dennoch fühlten sich meine Hände an, als würden sie erfrieren. Dabei gab es nicht einmal einen Grund, so nervös zu sein. Ich traf mich doch nur mit Tino. Es würde sein wie immer. Nichts, weshalb ich mich aufregen müsste.

Egal, wie oft ich mir das selbst erzählte: Es ändere nichts. Wie auch, es war schließlich unser erstes, offizielles Date. Ich konnte noch so sehr daran glauben, dass es vollkommen egal war, ob es uns gefiel oder nicht, dass es nichts ändern würde, die Angst davor blieb.

Erleichtert atmete ich aus, als Tino endlich auf der anderen Straßenseite erschien. Er hatte sich nur minimal schick gemacht, nichts, was übertrieben war und mir noch mehr Angst gemacht hätte. Viel hatten wir ja auch immerhin nicht vor. Nur ein vollkommen unromantischer Kinofilm, irgendwo etwas essen, wenn wir einen Platz ergattern konnten, und danach weitersehen. Ganz klassisch, nichts Extravagantes.

Und doch machte mir alles um uns herum klar, was die Welt von uns erwartete: Kein profanes, tollpatschiges erstes Date, nicht diese vollkommen undefinierte Beziehung in der wir alles und nichts waren, sondern stichfeste Romantik, den Willen eine eigene Familie zu gründen, wenn wir es denn schon wagten, den heutigen Tag nicht mit denen zu verbringen, die uns eine hätten sein sollen. Die Luft war erfüllt von Kitsch, überall klingelte und klimperte es, aus jeder Ecke schrie es nach Romantik und Familienglück.

Wir hätten das nicht tun sollen, wir hätten einen anderen Tag finden müssen. Auch wenn Tino versichert hatte, dass es für ihn ebenfalls keinen anderen Ort gab, an dem er hätte sein sollen oder wollen, das war nicht der Tag, den er mit mir – einer unbedeutenden Affäre, einem nicht so wirklich Freund, einem undefinierten Etwas – verbringen sollte, nur weil dieser nicht wusste ...

»Hey.« Tino hauchte mir einen Kuss auf die Wange. »Du hättest ruhig schon reingehen können, statt hier draußen zu frieren.«

Ich nahm seine Hand, die sich warm um meine Finger schloss und mir sofort etwas Selbstvertrauen verlieh. »Ich wollte dir einen Grund geben, mich zu wärmen.«

Weich lächelte er mich an, eine angenehme Wärme in seinen dunklen Augen. Dann wurde der Ausdruck frecher. »Für richtig intensives Wärmen hättest du dir aber einen anderen Ort suchen sollen.«

Lachend stieß ich gegen seinen Oberarm und lehnte dann meinen Kopf dagegen.

Ich wurde das Grinsen nicht los. Es tat so gut, etwas mit ihm zu unternehmen. Es war so ... leicht. Er stellte keine Erwartungen an mich.

»Wünsche, wo wir sitzen?«

Diesmal war es an mir, frech zu sein: »Lass uns hinten sitzen, falls der Film langweilig ist.«

Skeptisch hob Tino eine Augenbraue. »Dann können wir den Besuch auch sein lassen oder etwas anderes sehen, wenn du meinst, dass es langweilig wird.«

Schnell schüttelte ich den Kopf. Wirklich interessiert war ich an Star Wars nicht, aber ich ging zumindest davon aus, dass man sich den Film ansehen konnte. Wenn ich mich schon an ein Date wagte, dann wenigstens etwas ganz klassisches, das nicht zu kitschig war.

»Okay, dann hinten. Magst du uns Snacks besorgen, während ich die Karten hole? Dann müssen wir nicht zweimal anstehen.«

»Klar. Was willst du?«

»Bringst du mir ein großes Nachomenü mit?«

Ich nickte und war auf dem Weg, noch bevor er sein Portemonnaie aus der Hosentasche ziehen konnte. Wenn er die Karten zahlte, wollte ich die Snacks übernehmen. Ich hatte mir in den letzten Wochen extra etwas zur Seite gelegt, um bei unserem Date nicht auf ihn angewiesen zu sein.

Die Schlange an der Snackbar war sehr kurz, die meisten hatten wohl schon ausgiebig gegessen oder wollten sich vor dem großen Mahl nicht zu sehr vollstopfen. Daher hatte ich auch Zeit, noch kurz mit der Verkaufsperson zu flirten, bevor Tino mit den Karten am Durchgang zu den Sälen stand und wartend zu mir sah. Zügig verabschiedete ich mich, sammelte unsere Sachen ein und ging zu ihm.

Lächelnd sah er mir entgegen und legte den Arm um mich, sobald ich bei ihm angekommen war. Wohlig schmiegte ich mich an ihn.
 

»So, sprich, was möchtest du essen? Mit dir spaziergehen ist zwar wunderschön und wir können das gern öfter machen, aber so langsam hab ich echt Hunger.« Tino beugte sich zu mir herunter, hauchte einen Kuss gegen meinen Kopf und strich mit dem Daumen sanft über meinen Handrücken.

Unschlüssig zuckte ich mit den Schultern. Keine Ahnung, ich hatte nicht wirklich Hunger und wusste noch nicht einmal, was überhaupt offen hatte. »Ist mir egal, irgendwas, was offen hat. Und wenn es das goldene M ist.«

Angewidert verzog er das Gesicht und gab damit zumindest seine Antwort auf diesen Vorschlag. Er fischte sein Handy aus dem kleinen Rucksack auf seinem Rücken. »Lass mal sehen, was es in der Nähe gibt.«

Nach einer Weile scrollen sah er kurz zu mir und drückte mir einen kurzen Kuss auf die Wange. »Du weißt schon, dass es eigentlich deine Aufgabe bei der Planung gewesen wäre?«

Ich schnaufte wenig ernsthaft. Ja, irgendwie schon, schließlich hatten wir ausgemacht, dass ich das planen sollte, womit ich mich wohlfühlte. Aber mir war nicht wichtig gewesen, wo wir aßen. Es war nur eine Notwendigkeit in der Planung. Ich konnte nun mal nicht kochen und wollte auch ihn nicht dazu verpflichten.

Er lächelte. »Wäre es in Ordnung, wenn ich dir nicht sage, wo wir hingehen, und dich einlade?«

Noch bevor ich wirklich darüber nachgedacht hatte, schüttelte ich den Kopf. Mir gefiel beides nicht. Aber ich wollte mich zumindest auf einen Kompromiss einlassen. »Nur eines von beiden.«

»Es ist in Ordnung, wenn du beides ablehnst.«

Wieder schüttelte ich den Kopf, sah ihm direkt in die Augen. »Eines von beidem.«

»Okay.« Er erwiderte den Blick und nickte bestimmt. »Dann lade ich dich ein. Weil ich weiß, dass es das von beidem ist, was dich am meisten ärgert.«

Ich sah ihn an, spürte plötzlich die kühle Luft durch meine Kleidung dringen. Hatte er mich absichtlich in eine Falle gelockt?

Halb unbewusst wartete ich. So ganz sicher war ich nicht, worauf, aber als er mich nach einer Weile noch immer ansah, spürte ich es sehr genau.

Da er es wohl nicht eilig hatte, konzentrierte ich mich auf dieses Gefühl. Was genau befürchtete ich gerade eigentlich?

Peter ... Er hatte mich in solche Fallen gelockt, wenn er wollte, dass ich etwas tat, was ich sonst nicht tun würde. Er hätte mich glauben lassen, einen Kompromiss zu machen, und daher von vornherein mehr gefordert, als er wollte. Aber Tino hatte mir deutlich gemacht, dass ich auch beides ablehnen durfte. Reichte das?

Nein. Nein, Peter hätte das auch getan. Damit ich nicht misstrauisch wurde. Er hätte nur nie zugegeben, aus welchen Gründen er was wählte.

Aber das erklärte nicht, worauf ich gerade unbewusst wartete ...

Die Ablenkung! Peter hätte mir keine Zeit gelassen, es mir anders zu überlegen. Er hätte sofort gesagt, wo er hinwollte, wäre vielleicht sogar direkt losgelaufen. Er hätte alles getan, damit ich nicht auf die Idee kam, noch einmal darüber nachzudenken. Niemals hätte er mich nach so einer Finte einfach abwartend angesehen.

Langsam nickte ich. Ich glaubte Tino, dass es nicht geplant war, und er mich nur freundlich ärgern wollte.

Sein Lächeln wurde breiter, er schien sich wirklich darüber zu freuen, dass ich es annahm. Er hielt mir sein Handy hin. »Was hältst du davon, wenn wir die Idee mit den Burgern aufgreifen und dort essen gehen? Das sind knapp zehn Minuten Fußweg und wenn wir dort zu lange warten müssten, gibt es noch andere Möglichkeiten in der Nähe. Außerdem mag ich den Milchshake probieren.«

Ich nahm das Handy an mich. Im Browser sah ich das Bild eines Milchshakes namens ›S’More than you can handle‹ mit Crackern, Marshmallows und viel Schokolade, für den eine regionale Burgerkette bekannt war, bei der ich schon gelegentlich gegessen hatte, wenn auch nicht in der nächstgelegenen Fiale. »Ja, klingt gut.«

Er hielt mir seine Hand hin und als ich sie ergriff, kehrte die Wärme wieder in meinen Körper zurück. Ich musste mir bei Tino keine Sorgen machen. Er war nicht wie Peter! Doch warum verstand ich das auch nach über einem Jahr noch nicht wirklich?



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  chaos-kao
2021-12-17T21:12:23+00:00 17.12.2021 22:12
Ein Weihnachtskapitel - und fast so süß wie dieser Milkshake klingt :D Hoffentlich ist Tino danach nicht schlecht, das würde nur den weiteren Abend verderben. Aber schön, dass die beiden es tatsächlich angehen und ein erstes Date haben. Ich freue mich sehr für Samsa. Seine Entwicklung ist wirklich sehr positiv.
Sollte man sich vor Weihnachten nicht mehr lesen, wünsche ich dir schon mal schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr :)
Antwort von:  Vampyrsoul
22.12.2021 14:34
Eine kleine Fortsetzung zu dem Kapitel hab ich tatsächlich so noch kurz vor Weihnachten ^^ Ich wünsche dir ebenfalls einen guten Rutsch und schöne Feiertag. Ich hoffe du kannst das Beste daraus machen.

Ja, das klingt tatsächlich so richtig pappensüß ^^' Aber ich mochte den Wortwitz dabei xD (Und die Möglichkeit, ihn im nächsten Kapitel noch einmal aufzugreifen)


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