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Peinlichkeiten und andere Probleme

Eine verdammt lange Woche lag hinter Michel, als er sich zusammen mit Asami, Feilong, Kanou und Someya in den klapprigen Bus quetschte. Es gab kaum Platz zum Sitzen, da die Okama vorher alles eingeladen hatte was sie ihrer Ansicht nach in den nächsten Tagen und vielleicht auch Wochen an Bord brauchen würden. Nur der Himmel mochte wissen wie es Someya gelungen war das man sie tatsächlich für die gesamte Rundreise gebucht hatte. Damit sie nicht sofort aufflogen hatte sie außerdem darauf bestanden das sie alle von jetzt an nur noch in Kimonos in die Öffentlichkeit traten, denn immerhin galt Asami als tot und auch der Rest von ihnen war nicht wirklich unauffällig. Zähneknirschend hatten die Mafiosos dem leider zustimmen müssen und so kämpfte der Russe verbissen mit seiner gigantischen Oberweite die entweder aus dem Kimono zu entkommen drohte oder ihn beinahe zu Boden zog. Wann immer er begann an der Seide herumzuzupfen schlug Someya ihm mit ihrem Fächer auf die Finger.

Anscheinend war sie noch immer über die blauen Male an Feilongs Handgelenken verstimmt, auch wenn diese bereits viel heller geworden waren. Ohne etwas zu sagen, aber mit um so giftigeren Blicken, hatte die Okama die Handgelenke mit einer Salbe eingecremt und sie dann vorsichtig übergeschminkt. Mehrmals hatte Michel versucht sich zu entschuldigen, auch wenn er jetzt nicht wirklich begriff wofür. Doch Someya hatte kein Wort mehr mit ihm gesprochen. Für den Rest der Woche hatten sie dann lieber auf die Handschellen verzichtet, auch wenn Asami nicht wieder in das Penthouse zurückgekehrt war.

Es war dem Russen noch immer ein Rätsel wo der Yakuza sich aufhielt wenn er nicht gerade auf der Shamisen übte oder sich mit ihnen traf. Ein Hotelzimmer konnte er schließlich schlecht buchen ohne aufzufliegen und bei Kanou war er anscheinend auch nicht gewesen, da die beiden Yakuzas niemals gemeinsam auftauchten. Da er allerdings mit seinem eigenen Unterricht dermaßen ausgefüllt war, bekam der Blonde auch nicht mehr alles mit. Denn neben dieser Trommel, welche Someya beharrlich Tsuzumi nannte, musste er ja auch noch alles andere lernen was eine angebliche Geisha so beherrschen musste. Zu seinem Glück hatte die Japanerin es von vornherein aufgegeben ihm die Teezeremonie beizubringen, doch das bedeutete nicht das er um alles drumherum kam. Stundenlang war er in diesem verdammten Kimono durch die Straßen gejagt worden, immer wieder von Someya dabei korrigiert wie er lief und sich allgemein bewegte. Japanische Anstandsregeln und Höflichkeiten musste er aus dem FF beherrschen. Jede Regung von ihm war beobachtet und bewertet worden. Selbst beim Schlagen auf die Trommel hatte er anmutig auszusehen und er durfte sein Gesicht währenddessen nicht einmal verziehen und das obwohl sich die Laute die Kanou von sich gab für ihn eher danach klangen das man einer Katze auf den Schwanz trat. Während es Asami, Kanou und Feilong auf anhieb gelang ihre Gesichter vollkommen emotionslos zu halten musste er doch ziemlich mit sich kämpfen. Zu oft noch zuckten seine Mundwinkel oder leuchteten seine Augen auf. Er war nun einmal nicht wie die anderen, die immer so wirkten als hätten sie in Eis gebadet. Sein Feuer war nun einmal heiß und heizte sein Temperament zusätzlich an. Doch Someya war in den letzten Tagen gnadenlos gewesen und hatte ihm jedes Zucken seines Gesichts spüren lassen.

Erst als Asami sich an ihm vorbeischob bemerkte Michel das er in seinen Gedanken abgedriftet war. Etwas perplex griff er nach seiner kleinen Tasche und folgte den Anderen nach draußen. Das Kreuzfahrtschiff war größer als gedacht und trotz der frühen Stunde, oder vielleicht auch gerade deswegen, wurde schon hart gearbeitet.

Zum Glück hatte die Okama so hart mit ihm geübt, denn sonst wäre es Michel mit Sicherheit nicht gelungen den zahlreichen Männern auszuweichen ohne auch nur einmal zu stolpern und das trotz Kimono und Getas.

Trotzdem war der Russe ein wenig außer Atem als sie endlich die steile Gangway hinter sich gebracht hatten. Anscheinend wurden sie schon erwartet, denn ein Mann starrte ihnen abwartend entgegen. Kaum waren sie bei ihm folgten sie Someyas Beispiel und verneigten sich vor dem Unbekannten der sich als Eventmanager Heinrich Horn vorstellte. Anscheinend hatten sie es diesem zu verdanken das sie in den nächsten Wochen an Bord nicht weiter auffallen würden, da dieser sie wohl auf Someyas Anraten hin gebucht hatte. Bevor er den Mund aufmachen konnte, trat die Okama einen Schritt zurück und schlug ihm auffällig ihren Fächer gegen die Seite. Sie musste nichts weiter sagen, damit sich der Kiefer des Russen wieder schloss und er sich wortlos den anderen auf ihrem Weg in das Innere des Schiffes anschloss. Diesen Teil hatte er noch nie zuvor zu Gesicht bekommen, da wenn er schon einmal reiste, sehr viel Wert auf Luxus und Bequemlichkeit legte. Diese Gänge jedoch verfügten weder über das eine noch das andere. Sie waren schmal und vollkommen zweckdienlich. Seine Befürchtung das die Kabinen genauso waren, bewahrheitete sich als Michel hinter Feilong einen kargen Raum betrat der lediglich vier Betten und eine winzige Minibar beherbergte. Hinter einer kleinen Tür verbarg sich ein so winziges Badezimmer das der Russe befürchtete Platzangst zu bekommen wenn er darin duschte.

Mit einem misstrauischen Blick starrte der Blonde auf die vier schmalen Betten, von denen zwei oben an der Wand angebracht waren. Doch es war schließlich Kanou der die Stille brach, als er sich zu Someya herumdrehte. „Wo schläfst du?“

Zum ersten Mal seit Michel die Okama kennengelernt hatte, wirkte sie nervös. „Bevor du irgendetwas sagst, Kanou. Das hier sind die normalen Kabinen für die Angestellten an Bord, immerhin wollt ihr ja nicht auffallen, oder?“

Ein Funkeln war in den kalten dunklen Augen zu sehen, als der Yakuza sich der Kleineren näherte. „Das habe ich nicht gefragt Someya.“

„Ich habe mir schon vor Monaten eine angemessene Kabine auf dem Mitteldeck gebucht, schließlich konnte ich da ja noch nicht ahnen das ihr hier her mitkommen würdet.“

Die Stimme des Dunkelhaarigen war nur noch ein Knurren als er fassungslos nachhakte. „Du hast dir eine Kabine gebucht?“

„Ja natürlich habe ich das,“ verteidigte sich die Okama hastig und trat vorsichtshalber einen Schritt zurück, „immerhin machten damals schon die Gerüchte von einer Yakuza-Hochzeit die Runde. Weißt du denn nicht wie schwer es ist sonst so etwas zu Gesicht zu bekommen? Es heißt das die Braut einen echten Hochzeitskimono tragen wird. Außerdem wäre es wohl ein wenig auffällig gewesen wenn ich die Reise jetzt abgesagt hätte, nur um dann als Angestellte erneut auf die Bordliste zu kommen.“ Im letzten Moment gelang es Someya den zupackenden Händen des Yakuzas auszuweichen und auf den schmalen Flur zu flüchten. Ohne noch einmal zurückzublicken hastete die Okama über den Gang und verschwand schließlich hinter der nächsten Biegung.

Wutschnaubend sah Kanou ihr hinterher. „Hisako, komm doch wieder rein, ich würde gern die Tür schließen.“ Für einige Sekunden schloss der Yakuza seine Augen als er seinen neuen Namen hörte, den Someya für ihn ausgesucht hatte. Ein letztes Mal sah er in den jetzt leeren Gang, dann betrat er wieder ihre winzige Kabine, deren einziger Vorteil die erstaunlich schwere Tür war, die ihn eher an ein Schott erinnerte.

Trotzdem hatten sie schon vorher abgesprochen sich nicht mehr mit ihren wahren Namen anzusprechen, so lange sie an Bord waren. Immerhin konnten sie nicht abschätzen wer in einem unbeobachteten Moment eventuell dich mithörte. Allein auf dem Weg hier herunter waren sie mindestens zehn Securitys begegnet, nicht auszudenken wenn sie wegen einer solchen Unbedachtheit aufflogen.

„Wenn Fujika endlich mal ihre Möpse einziehen würde, hätte man hier vielleicht sogar Platz.“

Wütend drehte sich Michel zu dem Schwarzhaarigen herum, doch schnitt Feilong ihm mit einer wedelnden Handbewegung das Wort ab, bevor es über seine Lippen kam. „Krieg dich wieder ein Hisako. Someya hat recht und es wird wohl nicht für lange sein. Wie gut kann man schon einen Jungen wie Ayase auf solch einem Schiff schon verstecken.“
 

Der angenehme Nebel um seine Gedanken begann sich langsam zu lichten, was nur bedeuten konnte, das es mal wieder an der Zeit war etwas Nahrung zu sich zu nehmen. Seitdem Ayase sich einmal beim Essen so stark verschluckt hatte, dass er sogar blau anlief, ließen sie jetzt immer sein Beruhigungsmittel stark genug ausklingen das er etwas bewusst wahrnahm. Jedes Mal wenn dies geschah, fühlte sich der junge Japaner noch einsamer als zuvor, bedeutet das doch das er sich noch weiter von Kanou entfernt hatte. Matt hob der Blonde seinen Blick und sah wie schon die Tage zuvor seinen Begleiter neben sich sitzen. Noch immer hatte dieser ihm nicht seinen Namen verraten und es sah auch nicht so aus als würde er es überhaupt noch tun. Genauso wie sein Herr zog er es anscheinend vor unerkannt zu bleiben um auch das kleinste Risiko zu vermeiden. Ein Teller wurde ihm hingehalten, doch Ayase schaute diesen nur stumpf an ohne sich zu rühren. Sein Magen fühlte sich an als wäre er mit ätzender Säure gefüllt. Selbst das Schlucken fiel ihm schwer, da ihm dadurch immer wieder der unangenehme Geschmack auf seiner Zunge bewusst wurde.

Nach einer gefühlten Ewigkeit schließlich seufzte sein Gegenüber und stellte den Teller zurück auf den kleinen Tisch.

Nach einem sichernden Blick zur Tür, setzte er sich neben Ayase auf das Bett und zog diesen tröstend zu sich heran. Der Blonde genoss diese kurzen Momente in denen er wie ein Mensch behandelt wurde und nicht einfach wie eine Ware. Ohne es zu wollen spürte er wie ihm Tränen in die Augen traten. Rauhe Finger wischten ihm die Feuchtigkeit von den Wangen. Doch wie immer waren diese Momente viel zu kurz.

Ayase wurde in einer flüssigen Bewegung wieder zurück aufs Bett geschoben, als sich die Tür öffnete und sein Entführer den Raum betrat.

„Ah, er ist wach. Das ist gut. Mach ihn fertig. Ich habe ein paar Interessenten die ihn heute Abend sehen wollen.“

Irritiert richtete sich der Leibwächter auf, während noch immer seine Hand auf dem Rücken des Blonden lag. „Sir, halten sie das für eine so kluge Idee? Heute Abend ist doch die Hochzeit und Oumi-sama wird nicht erfreut sein, wenn sie nicht anwesend sind.“

Der Andere schnaubte amüsiert. „Auf einmal so besorgt um mich? Bei der Trauung werde ich natürlich anwesend sein, doch danach wird sowieso keiner mehr auf mich achten. Sorg einfach dafür das der Kleine gegen elf im kleinen Saal ist. Setzt euch möglichst weit nach hinten. Für die notwendige Geräuschkulisse wird eine Okama-Truppe sorgen die dann gerade auftritt.“

Stille trat ein, in der die große Hand weiter über Ayases Rücken strich. Schließlich räusperte sich der Personenschützer. „Eine Okama-Truppe?“

Deutlich konnte er spüren wie sich eine Gänsehaut auf Ayases Rücken gebildet hatte, doch schob er es darauf das der Junge jetzt wahrscheinlich seinen zukünftigen Besitzer kennen lernen würde.

Abwertend nickte der Andere. „Ja, die führen irgendwelchen solchen traditionellen Kram auf. Ich wette Oumi hat die Tussen gebucht. Du weißt ja das er auf sowas steht.“

„Oumi-sama steht auf Okamas?“ Fassungslos starrte der Leibwächter seinen Gegenüber an und versuchte verzweifelt sein Kopfkino zu stoppen, welches bei diesen Worten sofort losgegangen war. Das waren wirklich Bilder die er niemals hatte sehen wollen.

„Idiot, natürlich steht er nicht auf Okamas und hör endlich auf ihn mit -sama anzusprechen! Die Trullas sind nur als Geishas verkleidet. Der Alte steht doch total auf alles was mit Traditionen zu hat, was würde da besser passen als eine Geisha die auf der Bühne mit ihren Fächern herum wedelt?“

Harte Finger griffen nach Ayases Kinn und zwangen ihn in die kalten dunklen Augen seines Gegenübers zu blicken. „Und du wirst dich da hinsetzen und keinen Mucks von dir geben. Hast du das verstanden?“

Der Griff tat weh und schon wieder traten Ayase die Tränen in die Augen, trotzdem senkte er seinen Blick vor dem Älteren nicht. „Egal was mit mir geschieht, Kanou wird sie finden und zur Strecke bringen!“

Ayase sah die Hand noch nicht einmal kommen, als sie mit voller Wucht seine Wange traf und ihn auf die Seite warf. Nur die schnelle Reaktion des Leibwächters verhinderte das er aus dem Bett fiel.

„Du solltest deinen ach so tollen Kanou lieber vergessen, Kleiner. Wir befinden uns jetzt schon seit zweieinhalb Wochen auf See und es ist ihm nicht gelungen dich zu finden und das wird er auch weiterhin nicht, denn hier in Europa hat er keine Macht. Also gewöhne dich schon mal daran das du ihn nie wieder sehen wirst.“

Leise schluchzend hielt der Blonde sich seine schmerzende Wange, trotzdem sah er den Älteren aus zornblitzenden Augen an. Wieder hob dieser seine Hand, ließ sie dann jedoch schnaubend sinken. „Das hättest du wohl gerne, du kleiner Bastard!“ Ohne noch einmal zu dem Jüngeren zu sehen drehte er sich herum um den Raum zu verlassen. An der Tür verharrte er noch einmal kurz. „Kühl das bevor Spuren sichtbar werden. Ich will nicht das ein blauer Fleck seinen Wert mindert.“

Mit einem lauten Knall fiel die Schottähnliche Tür ins Schloss und sie waren endlich wieder allein. Eine gekühlte Flasche tauchte in Ayases Sichtfeld auf und er nahm sie dankbar entgegen um sie gegen seine schmerzende Wange zu pressen.

„Du solltest ihn nicht immer so reizen, Kleiner,“ tadelte der Ältere ihn sanft, während er ihm aus dem Bett half und in das angrenzende Badezimmer führte.

Der Blonde sah noch nicht einmal auf, als das Hemd welches er trug, von seinen Schultern gezogen wurde. „Was soll er mir denn noch antun können?“ Tieftraurige blaue Augen sahen zu dem Größeren auf, in ihnen war all die Hoffnungslosigkeit der Welt gefangen und ließen Ayase noch jünger und zarter erscheinen, als er ohnehin schon war.

„Mach es dir doch nicht so schwer, Ayase. Du weißt doch noch nicht einmal wen wir nachher treffen. Vielleicht sind deine Interessenten ja ganz nett.“

Die Bitterkeit im Lachen des Jüngeren wollte nicht so ganz zu dem unschuldigen Auftreten des Jungen passen, als er in die kleine Dusche trat und nach Wasserhahn griff. „Ich wurde schon einmal verkauft. Damals war es weil mein Cousin unbedingt Geld brauchte. Ich hatte Glück und Kanou hat mich gekauft. Es ist schon ziemlich unwahrscheinlich das man einmal auf jemanden trifft der nicht nur ein gekauftes Objekt in einem sieht. Also sag mir nicht dass mein zukünftiger Besitzer ganz nett sein könnte. Immerhin kommt er hier her um sich einen Jungen zu kaufen von dem er weiß das dies alles gegen seinen Willen geschieht.“

Er wartete die Antwort des Älteren erst gar nicht ab und drehte sofort das Wasser auf, welches angenehm auf ihn niederfiel. Sich dessen vollkommen bewusst das es vielleicht das letzte Mal sein könnte das er so ungestört duschte, genoss Ayase das warme Wasser auf seiner Haut und seifte sich ausgiebig mehrmals ein. Er musste einfach irgendetwas tun um seine nervösen Gedanken zu beruhigen. Zu seinem Glück ließ sein Begleiter ihn gewähren und setzte sich nach einiger Zeit auf die geschlossene Toilette um zu warten.

Dankbar schloss Ayase die Augen und konzentrierte sich vollkommen auf das Gefühl von Seife und Sauberkeit. Als sein Entführer eine Okama-Truppe erwähnt hatte, war für einen Sekundenbruchteil so etwas wie Hoffnung in ihm aufgeblüht. Nur um im nächsten Moment schon wieder zu verdorren. Selbst wenn Someya wie durch ein Wunder an Bord sein sollte, was würde ihm das schon nützen? Das wahrscheinlichste Szenario war dann doch nur das er die freundliche Okama würde sterben sehen, bei dem Versuch ihn zu befreien. Das Kanou es hier her schaffte war mittlerweile vollkommen ausgeschlossen, schließlich befanden sie sich jetzt seit drei Wochen schon auf See. Und auch wenn der Yakuza hier wäre, Ayase war die ganze Zeit auf dem Zimmer geblieben und hatte nicht einmal nach draußen gehen dürfen. Wie hätte Kanou ihn also finden sollen?

Tränen liefen Ayase wieder übers Gesicht, welche sofort von dem Wasser fortgespült wurden. Es dauerte lange bis er sich soweit gefangen hatte, dass er sich in der Lage fühlte die Dusche zu verlassen. Dass sich etwas geändert hatte, bemerkte der Blonde sofort daran das sein Begleiter ihn jetzt mit einem beinahe kalten Blick musterte. Dies machte ihm klar das ihre gemeinsame Zeit jetzt enden würde, denn er konnte nichts mehr von der Freundlichkeit in den dunklen Augen erkennen, die ihm vorher entgegengebracht wurde. Zögernd näherte er sich dem Älteren, der ihm daraufhin ein Handtuch entgegenhielt.

„Wie wird es jetzt weiter gehen?“ fragte er leise.

„Du wirst dich fertig machen und dann werden wir den kleinen Saal aufsuchen. Dort werden wir dann auf die Interessenten warten. Doch vorher wirst du die hier nehmen.“

Auffordernd wurden Ayase kleine unscheinbare Tabletten unter die Nase gehalten und er trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Zwar war ihm nicht gesagt worden was es genau war, was der Ältere da in der Hand hielt, doch er konnte sich bereits denken um was es sich handelte. Zögerlich schüttelte er den Kopf und zog sich noch weiter zurück. Nur um festzustellen das er nach zwei Schritten bereits mit dem Rücken gegen das Waschbecken stieß. „Ich will das nicht nehmen.“

Obwohl er nur sehr leise sprach und der kurze Satz von etlichen Schniefern unterbrochen wurde, verstand der Leibwächter ihn sofort. Er seufzte leise und folgte dem Kleineren durch den Raum. „Jetzt mach es dir doch nicht so schwer, Kleiner. Der Boss hat befohlen das ich dir die hier gebe, bevor wir losgehen. Bitte zwing mich nicht sie dir hineinzupressen.“

Verzweifelt schüttelte Ayase den Kopf. „Aber wenn ich die Aphrodisiaka nehme bedeutet es doch nur das ich schon so gut wie verkauft bin. Er wird die Auktion nicht mehr abwarten, oder?“

Wieder tauchten die Tabletten in seinem Blickfeld auf, diesmal nachdrücklicher und er nahm sie an.

Der Leibwächter beobachtete Ayase genauestens als eine Tablette nach der anderen in seinem Mund verschwand und er sie trocken hinunterschluckte. Erst dann griff er nach einem der Zahnputzbecher und füllte ihn bis obenhin mit Wasser. Gierig trank der Blonde, bis er den ekligen Geschmack der Tabletten endlich aus seinem Mund bekam.

„Was macht es denn für einen Unterschied ob du heute verkauft wirst oder erst in ein paar Tagen?“

Mutlos sank Ayases Kopf auf die Brust. In diesem Moment ließ er auch den letzten Strohhalm auf, an den er sich bisher verzweifelt geklammert hatte. Er würde heute verkauft werden. Niemand würde zu seiner Rettung kommen. Yukiya Ayase würde hier verschwinden und nie mehr auftauchen.

Das Zittern, welches seinen Körper erfasst hatte, ebbte schlagartig ab und als Ayase seinen Kopf hob waren seine vorher so strahlend blauen Augen stumpf geworden. Er konnte bereits spüren wie das Aphrodisiakum sich in seinem Blutkreislauf verteilte. Hauchfeine Schweißtropfen bildeten sich auf der zarten Haut. Doch all dies geschah nur körperlich, sein Geist hatte sich in dem Moment seines Aufgebens zurückgezogen. Ohne jede Gegenwehr ließ er die restliche Prozedur über sich ergehen und setzte sich anschließend mit dem Leibwächter wieder auf das Bett, bis es soweit war aufzubrechen.
 

Der Raum war vollkommen abgedunkelt. Nur auf die kleine Bühne waren mehrere Scheinwerfer gerichtet. Mühsam konzentrierte Ayase sich auf seine Füße um nirgends anzustoßen. Sein Körper stand regelrecht in Flammen und machte es ihm schwer geradeaus zu laufen. Mittlerweile schien der Schweiß in Strömen über seinen Körper zu laufen, während die Hose im Schritt eng wurde und unangenehm scheuerte. Verzweifelt biss er sich auf seine Lippen um ein Keuchen zu unterdrücken, doch es gelang ihm nur teilweise. Nur am Rande bekam Ayase mit wie er gegen einen Tisch stieß. Erstaunt sah er auf, als eine Hand sich auf seinen Arm legte. Ein älterer Japaner sah ihn an und sagte etwas. Doch er konnte dem nicht folgen, da sein eigener Herzschlag so laut in seinen Ohren dröhnte das er nichts anderes mehr wahrnahm. Und dann war da auch schon wieder sein Begleiter, der einen Arm um seine Hüfte legte und sich gleichzeitig vor dem Anderen verneigte. Etwas in seinem Gehirn versuchte sich bemerkbar zu machen, doch wurde es vollkommen unter den Empfindungen begraben, welche die Berührung an seiner Hüfte auslöste. So ließ er sich ohne Widerstand vom Tisch lösen, an dem er sich erstaunlicherweise noch immer festhielt und folgte seinem Begleiter in eine kleine Nische nach ganz hinten. Auch von hier hatten sie einen sehr guten Blick auf die Bühne und Ayase versuchte sich ein wenig damit abzulenken, indem er beobachtete wie die Okamas ihre Positionen einnahmen. Ein bitteres Lächeln lag auf seinen Zügen, als er in die goldenen Augen der Okama sah, die gerade ihr Shamisen stimmte. Anscheinend war er benebelter oder auch verzweifelter als er bisher angenommen hatte, glaubte er doch einen Sekundenbruchteil lang Asami unter der dicken Schicht Schminke zu sehen. Die Okama direkt neben der Shamisen-Spielerin hatte so klare blaue Augen das Ayase sich sofort an den Russen erinnert fühlte. Auch sie war recht breit im Kreuz, aber das musste man dieser Oberweite wohl auch sein.

Mit einem leisen Kichern gab sich der Blonde seinem Tagtraum hin und malte sich gerade aus das die Okama, die kein Instrument bei sich hatte, aussah wie Kanou. Der eiskalte Blick schien jedenfalls zu passen.

Genau in dem Moment in dem die letzte Okama die Bühne betrat und ihre Position einnahm, traten zwei Männer vor ihren Tisch und nahmen Ayase den Blick. Frustriert schnaubte er auf und versuchte seinen Hals so weit zu verrenken das er dennoch etwas mitbekam. Sein Traum war gerade so schön gewesen!

Doch anstatt zur Seite zu treten, griffen grobe Hände nach seinem Kinn und zwangen ihn den fremden Männern ins Gesicht zu sehen.

„Das ist er also?“

An dem Lächeln, welches sein Begleiter aufgesetzt hatte, erkannte Ayase das dies wohl die Männer waren die ihn kaufen wollten. Sofort rutschte er auf der Bank ein wenig nach hinten und befreite so sein Kinn aus dem unangenehmen Griff. „Ja, das ist Ayase. Wie sie sehen, wurde ihnen nicht zu viel versprochen. Er ist zwar keine Jungfrau mehr, doch noch immer ist er sehr unschuldig was alles körperliche angeht. Wenn sie es wünschen können sie ihn später auch noch im Zimmer genauer ansehen, wenn ihnen das bei ihrer Kaufentscheidung hilft.“

Ayase hasste dieses Gespräch jetzt schon, denn es wurde über ihn geredet als wäre er ein Haustier oder eher noch ein Gegenstand, der keinerlei Gefühle hatte.

„Er schwitzt, ist er gesund?“

Am liebsten hätte der Blonde sich die Ohren zu gehalten und hätte alles ausgeblendet, doch er konnte nicht. Stattdessen wurde er nur weiter auf seiner Bank nach hinten gedrängt und die beiden Unbekannten setzten sich neben ihn.

„Er ist kerngesund, doch wir waren so frei ihm etwas zu geben was ihn etwas handzahmer und williger macht.“ Ein dreckiges Lachen folgte und Ayase schossen die Tränen in die Augen. Diese Männer sahen tatsächlich nur ein Fickspielzeug in ihm. Mühsam richtete er seinen Blick wieder zurück auf die Bühne und sah jetzt wie die letzte Okama gerade ihre Fächer öffnete und sich begann langsam zum Takt der Musik zu bewegen. Jede einzelne Bewegung war genauestens bemessen und wirkte genau passend zu der Musik. Der Gesang war so schön das er allein schon ausgereicht hätte um Ayase vollkommen einzulullen. Es war bisher noch nicht oft vorgekommen, doch manchmal wenn er krank war oder nicht einschlafen konnte, dann sang Kanou genauso für ihn.

Genauso.

Mit einem Mal richtete sich der Blonde ruckartig auf. Er wusste nicht wie lange sie schon hier saßen. Anscheinend aber länger als er es mitbekommen hatte, denn seine Begleiter hatten sich in der Zwischenzeit etwas zu trinken und zu essen kommen lassen. Ayases Magen rebellierte bei den reichhaltigen Speisen auf den Tellern, doch sein Blick wanderte hastig über die Bühne. Vollkommen aus seiner Lethargie gerissen nahm er jetzt jede einzelne der Okamas unter die Lupe. Zwar konnte er es noch immer nicht glauben, doch die Stimme war eindeutig die Kanous. Und wenn der Yakuza da war, dann mussten die Anderen drei einfach Michel, Asami und Feilong sein. Für einen Moment stockte Ayase der Atem als er beobachtete mit welcher Anmut der Chinese vor ihnen tanzte und seine Fächer im Takt der Musik bewegte.

Langsam bewegte sich sein Blick zurück zu seinen Begleitern zurück, die gar nicht ahnten welch gefährliche Männer gerade zu ihrer Belustigung auftraten.

Im Gegenteil sie lachten und scherzten über die vier Okamas auf der Bühne. Anscheinend war ihr Tisch von der Bühne aus nicht zu sehen, denn der Blonde konnte es sich nicht anders erklären das Kanou noch nicht auf ihn reagiert hatte. Verzweifelt überlegte Ayase wie er die Aufmerksamkeit der vier auf ihren Tisch lenken konnte. Wieder wanderte sein Blick über die vollen Teller und dann sah er es. Direkt daneben lag das Besteck, noch immer unberührt.

Eine erneute Welle der Hitze durchströmte seinen Körper und brachte ihn zum Stöhnen. Bettelnd lehnte Ayase sich gegen den Mann neben sich, alles in ihm schrie regelrecht nach Aufmerksamkeit und mit einer eigenartigen Freude nahm er wahr wie der Andere seine Hand auf seinen Oberschenkel legte. Mit einem erneuten Stöhnen gab er dem Zittern seines Körpers nach und ließ sich gegen die Tischplatte sinken, während die Hand langsam höher strich.

Mit einem triumphierenden Schrei richtete er sich anschließend wieder auf und präsentierte dabei das Messer in seiner Hand. Zu seinem Glück hatte der Mann neben ihm sich einen Fleischteller bestellt, weshalb ein spitzes Steakmesser danebengelegen hatte.

Die Reaktion der Fremden war jedoch in keiner Weise so wie Ayase sie sich gewünscht hatte. Denn sie fühlten sich in keinster Weise von dem Kleineren bedroht, im Gegenteil sie lachten amüsiert auf und der Leibwächter streckte seine Hand nach ihm aus. „Mach dich nicht unglücklich und gib das Messer wieder her, Kleiner. Du kommst sowieso nicht gegen uns an.“

Wieder traten dem Blonden die Tränen in die Augen, während die Hitze unvermindert weiter durch sein Inneres tobte. Natürlich hatte er keine Chance gegen seine Begleiter, noch nicht einmal gegen einen von ihnen. Das hatte er schon gewusst, bevor er nach dem Messer gegriffen hatte. Er hatte noch nie eine Chance gehabt, weder heute, noch damals. Sonst wäre er nie verkauft oder zu anderen Dingen gezwungen worden. Doch er hatte auch nie vorgehabt einen der Anderen anzugreifen. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er seinen Griff um das Messer festigte und es minimal anhob. Dem Leibwächter entgleisten seine Züge als er Ayases wahre Absichten erkannte und versuchte noch ihn zu stoppen, doch so nah sie auch beieinander saßen, er schaffte es nicht.

Ayase schrie gequält auf als das Messer ohne jeden erkennbaren Widerstand in seinem Oberschenkel eindrang und erst am Griff gestoppt wurde. Der Mann neben ihm erwachte aus seiner Erstarrung und packte nach Ayases Händen, welche noch immer das Messer hielten. Doch so sehr er auch an ihnen riss, der Blonde gab seinen griff nicht auf. Erschrocken schrie der Kleinere erneut auf, als der Interessent ihm schließlich frustriert ins Gesicht schlug.

Er bekam gar nicht mit wie die Musik stoppte und die angeblichen Okamas sofort in Alarmbereitschaft waren, als sie seinen Schrei hörten. Erst als ein Wirbel aus elfenbeinfarbender Seide vor ihm auftauchte, sah er erschrocken auf. Jetzt aus der Nähe erkannte er Feilong sofort, der nicht einen Moment zögerte und einen der Männer ungebremst seinen Ellbogen ins Gesicht rammte. Deutlich konnte man sehen wie gern der Chinese noch einmal nachgetreten hätte, was jedoch durch den engen Kimono verhindert wurde. So begnügte er sich damit noch einmal seinen Ellbogen im Gesicht des anderen zu versenken. Ein hässliches Knacken war zu hören und der Mann sank mit einem schmerzerfüllten Schrei zu Boden. Ayase sah im letzten Moment wie sich der Leibwächter erhob und warf sich mit seinem vollen Gewicht gegen den Größeren, hatte der Chinese sich doch gerade dem zweiten Interessenten zugewandt. Als wöge der Blonde nichts griff der Sicherheitsmann nach dem zarten Körper und warf ihn über den Tisch hinweg. Erschrocken schrie Ayase auf. Geschirr und Essen landete auf dem Boden als er verzweifelt versuchte sich fest zu halten bevor er auf den Boden prallte. Doch seinen Sturz konnte er so nicht aufhalten. Nur am Rande nahm er den wütenden Ruf wahr, bevor er mit dem Kopf auf dem Boden aufprallte und alles vor seinen Augen verschwamm. Ohne zu bremsen setzten zwei Männer in Kimonos über ihn hinweg. In einen von ihnen erkannte Ayase Kanou, der jetzt ungebremst in den Leibwächter prallte und mit diesem zusammen zu Boden ging. Der andere musste Michel sein, auch wenn Ayase sich da nicht ganz so sicher war. Eigentlich wollte der Blonde seinen Blick nicht von Kanou abwenden, doch immer mehr begann seine Umgebung unscharf zu werden, weshalb er kurz die Augen schloss. Nur um sie sofort wieder aufzureißen, als er fremde Hände auf seinem Körper spürte. Ruhige goldene Augen bohrten sich in sein unruhigen blauen. Ohne zu Zögern hob Asami den zierlichen Körper hoch und machte sich daran den Kleineren in Sicherheit zu bringen. Noch immer hörte Ayase das wütende Fluchen Kanous und das widerwärtige Knacken von Knochen. Nach einem kurzen Moment gesellte sich Feilong zu ihnen. Sein vormals makelloses Aussehen wurde jetzt durch das Blut seines Gegners zerstört und aus der perfekten Geisha-Frisur hatten sich etliche Strähnen gelöst, die jetzt wild um sein Gesicht hingen. Anscheinend hatte Michel beschlossen das der Yakuza sich genug ausgetobt hatte, denn er begann auf den Japaner einzureden das sie den Leibwächter lebend brauchten. Scheinbar nur äußerst widerwillig ließ dieser sich endlich davon überzeugen und kam dann zu Ayase, der wie ein Häufchen Elend in den Armen Asamis hing. Noch immer konnte er ein Zittern nicht unterdrücken, auch wenn seine Sinne immer weiter abdrifteten. Bettelnd streckte er seine Arme nach seinem Yakuza aus und lächelte glücklich als dieser ihm nachgab und ihn sofort in den Arm nahm. Der vertraute Geruch des Älteren umhüllte den Blonden und gab ihm die Sicherheit die er brauchte. Zwar verstand Ayase noch immer nicht wie aus den vier Okamas die Mafiosos geworden waren, die er sich so herbeigesehnt hatte, doch dass sie da waren, reichte ihm völlig. Endlich war er in Sicherheit.

Gerade in dem Moment, als der Blonde die Augen schloss, machte sich der Mann bemerkbar, gegen dessen Tisch Ayase geprallt war, als er den Raum betreten hatte. Ohne mit der Hand zu zittern richtete er seine Waffe direkt auf den Blonden und stoppte so jede Bewegung der vier Mafiosos. „Wie wäre es, wenn mir jetzt jemand mal erklärt was hier gerade passiert ist?“



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