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Vom Fuchs und Raben (NEU!)

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Kapitel 3: Wenn Fuchs und Rabe sich ein Nest teilen

Kapitel 3:

Wenn Fuchs und Rabe sich ein Nest teilen
 

Der silberne, zum Teil bereits rostige Schlüssel von Appartement drei öffnete nicht nur die Eingangstür zur Wohnung, nein, sie öffnete Kisuna auch endlich den Zugang auf ein besseres Leben. Ein Leben mit der Sicherheit jeden Tag ankommen zu können, ohne von Ort zu Ort schleichen zu müssen. Auch wenn sie dieses Leben mit dem stillen Renji Yomo in diesem Fall teilweise verbringen musste. Nein, es störte sie nicht allzu sehr, denn das wohlige Gefühl sich in einem warmen Bett fallen zu lassen, wann hatte sie das zum letzten Mal so verspürt? Sie wusste es nicht mehr. Die kalten, erstickenden Eindrücke des Umherwanderns ins gefühlte Nichts hatten ihr nicht mehr als die Vision eines ansehnlichen Lebensstils übriggelassen. Doch genau dieses erfuhr sie nun nach langem Warten am eigenen Leib. Ihr sturer Glaube hatte Wunder bewirkt und selbstverständlich die Tatsache, dass sie Rumore ausgelöst hatte. Selbst daraus schien sich jedoch etwas Positives heraus gefiltert zu haben, sonst wären Yoshimura und dessen rechte Hand wohl nicht auf sie aufmerksam geworden. „Willst du das Bett? Dann müssen wir es nämlich teilen.“ Yomo riss sie schlagartig aus ihren Gedanken. „Was?“ „Auf dem Sofa kann man nicht wirklich schlafen und einen Futon habe ich nicht.“ Er schien es todernst zu meinen. Eigentlich störte sie es nicht wirklich, sie hatte schon mit Männern in einem Bett geschlafen, doch wollte sie auf keinen Fall Missverständnisse schaffen, jetzt wo sie einen sicheren Platz zum Bleiben gefunden hatte. „Solange du mir körperlich nicht zu nahe kommst, sollte das kein Problem sein.“ Kisuna wollte nicht zugeben, dass sie, trotz Erfahrung, einen Hauch Nervosität in sich spürte. Etwas an diesem Yomo brachte sie zum Nachdenken. Er war anders, als alle Männer, die sie bis jetzt kannte. Seine Ruhe war ihr unangenehm, dadurch fühlte sie sich beobachtet. So als könnte er durch sie hindurchsehen. „Denkst du das wirklich?“ „Noch einmal, ich kenne dich nicht.“ Sie wollte ihren Standpunkt klar machen, doch der männliche Ghul blieb gleichgültig. Im Gegenteil, er begann einfach sich auszuziehen. „Hey, was hast du vor!?“, rief Kisuna empört aus. Hatte er gerade etwa überhaupt nicht zugehört? „Hörst du mir eigentlich zu?“ Wieder bekam sie keine Antwort. „Erde an Yomo, hallo?“ „Ich gehe duschen. Hier“. Er warf ihr sein Shirt, dem er sich gerade eben entledigt hatte, zu und verschwand dann in das geräumig wirkende Bad. Verdutz richtete sich Kisuna vom Bett auf, griff erst zögernd, dann vehement nach dem übriggebliebenen Kleidungsstück. Was sollte sie damit? Etwa anziehen? Sie hatte doch etwas an. Sie biss sich auf den Nagel. Sollte sie…? Nein! Das wäre doch seltsam… Oder? Ach, es war ihr egal. Forsch klammerte sie es an sich, hielt es an ihre Nase, roch daran. Der Duft war… anders… frem...interessant. Intensiv sog sie den Geruch in sich auf, wurde sich erst dann bewusst, was sie da tat. Mit einem Satz schleuderte sie das Hemd davon, angewidert von sich selbst. „Was machst du da, bist du bescheuert?“, fragte sie sich selbst und ließ sich ausgestreckt wieder ins Kissen fallen. Doch das Shirt ließ ihr keine Ruhe. Immer noch fragte sie sich, was sie damit sollte, warum er ihr es zugeworfen hatte. Sie würde ihn einfach fragen, das war am simpelsten und erschien ihr logisch. Lange schien er nicht mehr zu brauchen, die Duschgeräusche des fließenden Wassers waren schon längst wieder aus, man konnte Schritte vernehmen. Still und leise, wie hätte man es anders erwartet, trat der Ghul wieder ins Schlafzimmer herein, trug nichts, außer einem Handtuch um seine Lende. Es kam ihr vor, wie im Film, doch war es Realität. Von seinem durchtrainierten Körper rann das Wasser hinab über jeden einzelnen Muskel, man konnte es genauestens verfolgen. Die silbernen Haare, zwar verwuschelt, strich er sich galant mit den Händen zurück, die Augen glänzten. War ihm das nicht unangenehm? Einer Fremden seinen Körper so zu präsentieren. Und woher kam plötzlich dieses bizarre Gefühl in ihr? Konnte es etwa sein… das sie rot wurde? Verdammt, wieso denn das? Sie schüttelte den Kopf. Erst jetzt hatte er den Blick auf sie gerichtet, doch seine Miene blieb neutral. „Fühlst du dich nicht“, sie überlegte kurz, wie sie es formulieren wollte, „unwohl, wenn du dich mir so zeigst? Ich meine das nicht böse, aber wie gesagt, wir sind uns doch komplett fremd.“ Kisuna versuchte alles, sich nicht anmerken zu lassen, dass sein Anblick sie durchaus etwas aus der Fassung gebracht hatte. Das war sie von sich selbst nicht gewohnt, was sollte das also? Wohin war die stets selbstbewusste Frau in ihr verschwunden? „Früher oder später werden wir einander kennen. Schließlich wohnst du ab sofort hier mit mir.“ Hier mit mir, hallte es in ihrem Kopf wieder. Eines war ganz klar: Er war sich seines Charmes gar nicht bewusst, hatte keine Ahnung, was seine Worte bei anderen Frauen bewirkt hätten. Nicht bei ihr, nein. Die Ghula hatte sich mittlerweile wieder gefangen, hatte wieder Klarheit gefasst. Weshalb sie ihn jetzt auch wegen des Shirts ansprechen wollte, aber er kam ihr zuvor, wollte aufstehen. Das durfte sie nicht zulassen, also streckte sie sich nach seinem Arm aus. Doch wie hätte es anders sein sollen, erwischte sie nicht seinen Arm, stattdessen zog ihre Hand am einzigen Teil, das ihn bedeckte und offenbarte alles. Zum zweiten Mal am selben Tag hatte ihre Ungeschicktheit ihm Unannehmlichkeiten beschert.

Kisuna verbeugte sich mehrmals in hohem Bogen, entschuldigte sich noch öfter, doch Yomo schien es kalt zu lassen. Alles was er tat, war, sein Handtuch aufzuheben und es sich wieder umzubinden. Gefolgt von einem „Schon gut.“. Seine Ruhe brachte sie irgendwie aus der Ruhe. Wie konnte er nur so gleichgültig bleiben, ging sie ihm nicht auf die Nerven? Sie selbst würde sich definitiv auf die Nerven gehen, das musste sie sich eingestehen. „Ich ziehe mir besser etwas an.“ „Ich geh‘ dann besser raus.“ Sie wollte ihn nicht noch einmal entblößt vor sich stehen sehen, auch wenn es ihm wahrscheinlich erneut total irrelevant gewesen wäre, dass sie alles von ihm gesehen hatte. Alles. „Ah, eine Frage noch.“ Schließlich hielt sie nach wie vor sein T-Shirt in der einen Hand. „Was soll ich damit?“ „Anziehen.“ Meinte er das etwa Ernst? „Ich verstehe nicht ganz, wieso denn das?“ Kisuna war sich sicher, sie sah gerade bestimmt wie ein Idiot aus, kapierte nicht, was er von ihr wollte. „Du kannst auch in deinen Sachen schlafen. Ich dachte nur, dass es vielleicht so gemütlicher wäre.“ Sein Blick strahlte vollkommene Ernsthaftigkeit und Gelassenheit aus. Sie konnte es nicht fassen. „Danke“, fügte sie noch hinzu, verschwand dann geschwind aus dem Zimmer. War sie etwa verlegen? Auch wenn sie zugeben musste, das es sich wirklich um eine sehr zuvorkommende Geste seinerseits handelte. War sie? Mit gefesseltem Blick starrte sie auf den Stoff, den sie fest in ihren Händen gedrückt hielt. Was war nur so anders an all dem hier, fragte sie sich während des Abstreifen ihrer Kleider. Ohne große Bedachtsamkeit, aus reiner Gewohnheit heraus, hatte sie damit begonnen. Ein Fehler, wie sich herausstellte. Ihr gegenüber stand Yomo, er hatte sich mittlerweile eine lange Jogginghose angezogen, jedoch kein Oberteil. Das einzige Problem: Kisuna hatte sich bis auf ihre Unterwäsche komplett ausgezogen, gerade dabei das Shirt umzuwerfen. Sie konnte fühlen, wie sein Blick bedacht auf ihr ruhte. „Schau weg!“, mehr brachte sie nicht hervor. Auf ihren Befehl hin, drehte er seinen Kopf zur Seite. Es war das erste Mal, dass sie eine Regung in seinem Gesicht wahrnehmen konnte. „Tut mir Leid.“ „Schon gut. Jetzt sind wir Quitt. Du kannst wieder herschauen, es macht nichts. Ich bin nur erschrocken.“ Versuchte sie sich gerade heraus zu reden, dass sie sich erstmals lächerlich vorkam, halbnackt vor einem Mann zu stehen? Was war nur plötzlich mit ihr? Hastig zog sie sein Shirt über. Yomo, er verbeugte sich nochmals als Entschuldigung, trat aus dem Türrahmen zu ihr heraus. Reflexartig wich die Ghula ein Stück zurück. Wieder diese peinliche Stille. Sie musste etwas dagegen unternehmen. „Also, es ist schon spät, du willst bestimmt schlafen.“ „Korrekt.“ Eine plumpe Antwort, wie überraschend. Einfühlsam versuchte sie zu ihm durchzudringen, doch das würde ihr wohl am meisten Nerven kosten, es erwies sich bereits schwieriger als gedacht. Kisuna fühlte sich bedrückt, verklemmt, ja regelrecht befangen, als sie mit ihrem neuen Mitbewohner ins Bett stieg. Es hatte sich herausgestellt, dass sogar nur eine einzige Decke zur Verfügung stand, was ihrem Motto von keinem Körperkontakt unversehens einen Strich durch die Rechnung machte. Da lag sie nun, ihr Blick wanderte durch den Raum. Zu schlafen, daran konnte sie nun wirklich nicht mehr denken. Viel zu absurd kam ihr auf einmal alles vor. Vor ein paar Tagen, sie wusste es noch genau, als er sie herausgefordert hatte, hätte sie nie auch nur im Geringsten daran gedacht, so plötzlich in einer richtigen Wohnung zu leben. Geschweige denn mit einem athletischen, jungen Mann zusammen. Genau dieser bereitete ihr zunehmendes Kopfzerbrechen. Sie müsste mit ihm klarkommen, sonst würde es nicht klappen, alles wäre nur noch komplizierter. Also startete sie einen erneuten Versuch. „Hey, Yomo.“ Ein träges „Mhm“ kam zurück. Wenigstens etwas. „Tut mir Leid, wenn ich dir auf die Nerven gehe.“ Kisuna erhoffte sich noch eine Antwort, doch ehe sie sich versah, fielen ihre erschöpften Augenlider zu und um sie herum wurde alles schwarz. Zu schwarz. Sie fiel tiefer, tiefer und immer tiefer. „Hallo? Was geschieht hier?“, doch alles blieb still. „HALLO!“ Ängstliche Schreie stießen aus ihrer Kehle, sie hatte wirklich Bange. Es war wieder einer dieser Träume, aus denen sie schweißgebadet und mit Schwindelgefühlen aufwachte. Wann war nur eine Frage der Zeit.

Blitzartig schreckte sie auf. Wie erwartet, der Schweiß tropft von ihrer Stirn, ihre Kehle fühlte sich trocken an und um sich herum begann sich alles zu drehen. Erst jetzt merkte sie, dass sie nicht allein war. Natürlich, wie konnte sie nur vergessen. Yomo, er lag neben ihr. Nein, er lag nicht, er bewegte sich. Total wirr versuchte sie ihm mit den Augen zu folgen, es war unmöglich. Stürmisch wurde sie von zwei Armen gepackt, schon war sie gegen seine Brust gepresst. Es fühlte sich gut, behütet und sicher an. „Ich hatte einen Alptraum.“ „Du hast geschrien.“ „Was? Nein, wirklich?“ Yomo nickte, wobei er einen erleichterten Seufzer ausstieß. Seine Arme hielten sie immer noch streng an sich gedrückt. Wieder durfte sie feststellen, dass er doch nicht so gefühlskalt war, wie sie dachte. Doch dann kam sie zu sich, wandte sich aus seinem Griff, drehte sich aus Scham weg. „Das… ist zu nah.“ Irritiert blickte Yomo auf ihren Rücken. Was eben war das? Wieso hatte er sie gegen sich gedrückt? Es war definitiv zu nahe. Oder? Aber eigentlich fühlte es sich so wohlig an, total vertraut. Als könnte sie wahrhaftig auf ihn zählen. Sie konnte hören wie er sich wieder ins Kissen legte. „Du kannst meine Hand halten, wenn du willst.“ Aufgelöst verarbeitete Kisuna seine Worte im Kopf. Wie bitte? Unmöglich, dachte sie, sich behutsam umdrehend. Und siehe da, er lag tatsächlich, mit dem Rücken zu ihr, aber seine linken Arm nach hinten ausgestreckt, auf seiner Seite des Bettes. Aus einem ihr unbekannten Grund musste sie lächeln. Es war verrückt, doch es war real. Zögernd griff sie nach seiner Hand, selbst diese fühlte sich muskulös an. Ihr Gegenüber drückte leicht zu, als wolle er ihr signalisieren, dass alles in Ordnung sei. Auch sie drückte leicht zu, damit er sich keine Sorgen machen musste. Er hatte davor so besorgt gewirkt. Etwa wegen ihr? Nein, oder etwa doch? „Kisuna?“ Zum ersten Mal hörte sie, wie er ihren Namen aussprach. „Ja?“ „Du nervst nicht. Entschuldige, wenn du das dachtest.“ Seine Worte klangen wie Zauberworte. „Wirklich nicht? Ich verstehe ja, dass du ein schweigsamer Mensch bist, aber ich komme damit noch nicht so gut klar.“ „Du gewöhnst dich dran.“ Daran musste sie festhalten, etwas anderes stand ihr auch nicht zur Auswahl. „Ich bemühe mich. Danke.“ Die Ghula drückte die Hand ihres Mitbewohners erneut fester. „Ich bin wirklich dankbar für das hier“, gestand sie leise. Sie merkte, wie ihre Lieder bereits wieder schwerer wurden, sie war kurz davor wieder einzuschlafen. Vor ihrem inneren Auge wurde es wieder finster, doch nicht angsteinflößend. Diese Nacht konnte sie seit langem wieder einmal durchschlafen.



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