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Something Strange

Vanished
von

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Chapter 1

"Randall, kommst du jetzt endlich?"

Ungeduldig trat Felix von einem Bein auf das andere, die Hand bereits auf den kühlen Griff der Haustürklinke gelegt, während er seinem Cousin dabei zusah, wie dieser sich in gefühltem Zeitlupentempo seinen Mantel anzog, ohne dabei auch nur die geringsten Anstalten zu machen, sich zu beeilen. Bereits vor einer halben Stunde hatten sie sich ursprünglich auf den Weg machen wollen. Mittlerweile war es kurz vor halb zwei, die Hälfte des Tages war bereits rum, und so früh, wie es so dieser Jahreszeit dunkel wurde, blieb ihnen nicht mehr allzu viel Zeit…

Wie lange konnte man eigentlich brauchen, um sich seine Winterklamotten überzuziehen? Wenn man Randall so zusah, scheinbar eine Ewigkeit...dass er nicht allzu begeistert von der ganzen Idee war, war Felix von Anfang an bewusst gewesen. Es hatte ihn alle Mühe gekostet, seinen jüngeren Cousin davon zu überzeugen, ihn zu begleiten, ihn zu unterstützen bei diesem außergewöhnlichen Vorhaben, das er alleine niemals würde bewältigen können.

Randall hob den Blick von seinem Reißverschluss, den er gerade im Begriff war, zuzuziehen und betrachtete Felix mit einer Mischung aus Argwohn, Gereiztheit und etwas, das womöglich so etwas wie Schuldbewusstsein ausdrücken mochte, vielleicht aber auch nicht. "Ich bin doch gleich so weit. Bleib doch ruhig…"

Innerlich musste Felix seufzen. Hätte er die Wahl gehabt, so hätte er sich eindeutig jemand anderen als Begleiter ausgesucht, jemanden, der ein wenig begeisterungsfähiger war, nicht so desinteressiert und geradezu gelangweilt. Jemanden, der in der Lage war zu begreifen, worum es hierbei eigentlich ging, was das für eine große Sache war, welche Auswirkungen ihre Erkenntnisse haben würden.

"Du erzählst mir seit einer dreiviertel Stunde, dass du gleich soweit bist! Wenn du so weitermachst, ist es dunkel! Also mach endlich hinne, Randy!"

Das letzte Wort zog er künstlich in die Länge, beobachtete dabei, wie Randall das Gesicht verzog, als er den ihm so sehr verhassten Spitznamen vernahm, mit dem man ihn ganz wunderbar provozieren konnte, wenn man denn wollte. Gereizt wandte der Angesprochene sich ab und griff nach seinem Schal, dabei in scharfem Tonfall entgegnend: "Ich bin gleich soweit, okay? Sei froh, dass ich überhaupt mitkomme!"

Das war Felix allerdings in der Tat. Alleine hätte er dieses Unterfangen wohl niemals gewagt, hätte er sich diese Tatsache auch unter keinen Umständen eingestanden, und Freunde, die sich dazu bequemt hätten, ihn zu unterstützen, besaß er keine. Aus diesem Grund hatte er alles daran hatte setzen müssen, Randall zu überreden, ihn zu begleiten. Was nicht gerade leicht gewesen war.

Letztendlich hatte Randall wohl vor allem deshalb zugestimmt, bei dem Ganzen mitzumachen, damit Felix endlich damit aufhörte, ihm in jeder freien Minute damit auf die Nerven zu gehen, und Ruhe gab. Ein verschwendeter Nachmittag war immer noch besser, als sich von den ständigen Betteleien langsam in den Wahnsinn treiben zu lassen. Eine traurige Motivation zwar, aber besser, als gar keine.

Dennoch ging Felix nicht weiter auf diese Aussage ein. Verdrehte lediglich die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust, mittlerweile sichtlich genervt, drehte sich um und warf einen Blick aus dem Fenster, auf den mit Schnee bedeckten Vorgarten des Hauses, der in der frühen Nachmittagssonne funkelte wie ein Haufen Diamanten.

"Hast du eine Ahnung, wo der Hausschlüssel ist?", hörte er Randall hinter sich fragen. "Ich hab keine Lust, heute Abend vor der Tür zu stehen und zu erfrieren!"

Felix öffnete den Mund, um etwas zu erwidern; er hatte keine Ahnung wo der blöde Schlüssel war und es war ihm auch herzlich egal, doch kein Laut drang aus seiner Kehle hervor.

Verwirrt löste er den Blick vom Fenster. Legte eine Hand auf seinen Hals, versuchte noch ein Mal, eine Antwort hervorzubringen, doch erfolglos.

Angst stieg in ihm auf. Was zur Hölle war das? Er konnte unmöglich von einer Sekunde auf die andere verlernt haben, zu reden, so etwas war nicht möglich, und bis eben war mit seinen Stimmbändern alles in bester Ordnung gewesen. Also was...

"Felix?" Randall war die Irritation deutlich anzuhören; es war absolut ungewöhnlich für Felix, auf eine Frage nicht zu antworten, oder überhaupt so lange zu schweigen. "Hast du mir Grad zugehört?"

Felix wollte nicken, doch nicht einmal mehr diese Handlung schien ihm nun noch möglich zu sein. Stattdessen krampfte sich sein gesamter Körper seltsam zusammen als habe er einen epileptischen Anfall, seine Hände zitterten unkontrolliert und seine Beine schienen zu drohen, unter seinem Gewicht wegzubrechen. Etwas knackte. Es war ein lautes, ein widerliches Knacken, gefolgt von einem Geräusch, das so klang, als würde irgendetwas entzwei gerissen, und ein unfassbarer, betäubender Schmerz fuhr Felix' Rückgrat hinauf.

"Felix? Was...Was ist los?"

Dem Klang seiner Stimme nach zu urteilen stand Randall jetzt direkt neben ihm; Felix wollte sich zu ihm drehen, oder ihm zumindest zubrüllen, dass er verdammt noch mal irgendetwas tun sollte, doch alles, wozu er in der Lage war, war ein seltsames, kehliges Stöhnen, das klang als habe man es direkt aus irgendeinem drittklassigen Zombiefilm herausgeschnitten.

Der metallische Geschmack von Blut erfüllte von einer Sekunde auf die andere seinen Mund, unfassbar intensiv und Übelkeit erregend, und nur wenige Augenblicke später ertastete seine Zunge einen harten, klebrigen Klumpen im hinteren Teil seines Rachens, der sich anfühlte wie eine skurrile Mischung aus Gummi und Schleim.

"Felix!"

Und dieses Mal gelang es Felix, sich Randall zuzuwenden.

Sein Kopf ruckte in einer unnatürlichen Drehung herum, während der Rest des Körpers vollkommen unbeweglich verharrte, und das Knirschen der brechenden Knochen und das Reißen von Sehnen und Muskeln fuhr ihnen beiden durch Mark und Bein.

Randall hatte das vollkommen sichere Gefühl, jeden Moment ohnmächtig werden zu müssen. Er starrte in das grauenhaft verzerrte Gesicht seines älteren Cousins, der mit weit aufgerissenem Mund vor ihm stand und ihm anstarrte mit einem Blick, in dem sich Wahnsinn und Urangst mit einer Leere vermischten, die Toten eigen war, denen noch niemand die Augen geschlossen hatte.

Felix' Kopf hing auf seiner rechten Schulter, nur noch von Haut und einigen wenigen Muskeln daran gehindert, zu Boden zu fallen, aus dem offenen Hals ragte ein offen liegendes Stück Wirbelsäule. Sein Mund öffnete und schloss sich tonlos wie bei einem Goldfisch, dünne Blutfäden hingen zwischen seinen Zähnen und erzitterten bei jedem Atemzug. Das Ganze hätte ein ausgesprochen gut gemachtes Halloween-Konstüm sein können, oder gar das Werk eines Maskenbildners aus Hollywood, doch war Randall selbstverständlich vollkommen bewusst, dass es nichts dieser Art war.

Felix begann zu schwanken, seine Pupillen und die Iris wanderten blicklos in Richtung Decke, dann drang ein grauenerregendes, widerliches Gurgeln aus seiner Kehle, gefolgt von dem intensiven Gestank von Blut, Galle und Verwehsung.

Etwas klatschte auf den Boden. Ein seltsam rötlich-grün schimmernder Klumpen von der ungefähren Größe eines Tennisballs, bedeckt von schimmerndem Blut und überzogen von bläulichen, pulsierenden Adern. So etwas hatte Randall noch niemals zuvor gesehen. Er wollte zurückweichen, fort von diesem seltsamen Ding, das, was auch immer es sein mochte, nichts gutes bedeuten konnte, und fort von Felix, der, nachdem er diesen eigenartigen Fremdkörper, der nichts, aber auch gar nichts im Körper eines Menschen zu suchen haben dürfte, ausgewürgt hatte, reglos wie eine Statue dastand und kein Lebenszeichen mehr von sich gab.

Doch seine Beine gehorchte ihm nicht. Wie eingefroren stand er da, mit wild pochendem Herzen und vor unfassbarer Panik zitternd, und starrte die deformierte Gestalt an, die einst sein Cousin gewesen war, die nun jedoch, verdreht, mit beinah abgerissenem Kopf, diesem leeren, toten Blick und blutbefleckten Klamotten, kaum noch etwas menschliches an sich zu haben schien.

"F...Felix...?" Seine Stimme war kaum mehr, als ein tonloses Raunen, kaum hörbar, verklungen, bevor die Worte jemanden hätten erreichen können, und dennoch schien Felix sie vernommen zu haben.

Sein Oberkörper ruckte herum, wie zuvor sein Kopf, wieder erklang das Knacken und Reißen, doch registrierte Randall es dies Mal kaum, er befand sich in einer Art vollkommenen Schockstarre, die ihm nicht nur kontrollierte Handlungen, sondern auch weitere Gefühlsregungen und Reaktionen unmöglich zu machen schien.

Zitternde, sich spastisch verkrampfende Hände packten ihn an den Oberarmen und hielten ihn fest, zerrten ihn nach vorne, zu diesem Ding, das einst sein Cousin gewesen war, nun jedoch zu etwas geworden war, das man nicht mit Worten zu beschreiben vermochte.

Keine fünf Zentimeter trennten Randall mehr von dem unmöglich verdrehten Körper, und ein leises, furchtbar hohes und von einer tiefen Urangst erfülltes Wimmern drang aus seiner Kehle.

"Es wird mich töten!", schoss es ihm durch den Kopf, und ein eisiger Schauer fuhr ihm den Rücken hinab. "Keine Ahnung, was es ist, aber es hat Felix getötet, und jetzt..."

Unmöglich zu beschreiben, wie diese Handlung vonstatten ging, doch irgendwie gelang es dem Ding, den beinahe abgetrennten Kopf nocheinmal herumzudrehen, sodass es in der Lage war, Randall direkt in die Augen zu blicken. Die Lippen verzogen sich zu einem widerwärtigen Grinsen, Blut floss ihm übers Kinn und tropfte auf den Boden, der nach Verwehsung stinkende Atem strich über Randalls Gesicht und brachte ihn dazu, sich unter einem Würgen zusammenzukrümmen, soweit es die ihn festhaltenden Hände seines Gegenübers eben zuließen. Er merkte, wie seine Augen zu tränen begannen, ob vor Ekel oder Angst, konnte er nicht sagen, doch was spielte das auch für eine Rolle? Keine. In diesen letzten Sekunden, die ihm noch blieben, spielte nichts mehr eine Rolle.

Während der Würgens hatte er den Kopf gesenkt und war so Felix' stechendem Blick ausgewichen, und das schien diesem ganz und gar nicht zu gefallen. Eine seiner Hände löste sich von Randalls Arm, legte sich dafür unter dessen Kinn und drückte es nach oben, sodass ihre Blicke sich erneut begegneten; tote Leere und Todesangst.

Randall schwankte. Hatte das Gefühl, dass seine Beine nicht mehr in der Lage waren, sein Gewicht zu tragen, und nur zu gern hätte er sich einfach zu Boden fallen lassen und wäre dort reglos liegen geblieben. Für den Rest seines Lebens. Nicht mehr als wenige Sekunden also.

Doch Felix' schien dies nicht zulassen zu wollen, schien größten Wert darauf zu legen, dass Randall ihn ansah, und so verstärkte er seinen Griff, stützte seinen Gegenüber, bevor er schließlich tief Luft holte und mit einer Stimme, die nicht der Person gehörte, die einst der Eigentümer dieses Körpers gewesen war, erfüllt von Schmerz und unendlichem, tiefschwarzem Hass flüsterte:

"Mörder!"

Dann schlug er zu.

Und endlich konnte Randall schreien.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Schwabbelpuk
2019-03-14T19:07:31+00:00 14.03.2019 20:07
Wow, ähm...das nenne ich einen Storyumschwung. Damit hatte ich wirklich ganz und garnicht gerechnet. Du hast mich eiskalt erwischt. Jetzt will man nur umso mehr wissen, was zur Hölle da abgeht. Wieder perfekt geschrieben, war echt spannend. Deine Mühen scheinen sich hier wirklich mehr als zu lohnen!


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