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Northernwell Abbey

von

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Fallende Sterne über Northernwell Abbey

Henry war erstaunt, wie leicht es gewesen war, die Zustimmung der Adams zu einem Aufenthalt Kathys in Northernwell Abbey zu erhalten. Sie hatten keinerlei Einwände geäußert, sondern eher Freude darüber bekundet, dass Kathy so freundlich von den Tallys aufgenommen wurde.

Nun saß sie neben ihm im offenen Wagen und genoss die frische Luft.

„Meine Mutter wird sich freuen sie kennen zu lernen, falls Vater ihnen gestattet sie zu treffen.“, eröffnete er das Gespräch, wobei er sich bewusst war, dass dies eine merkwürdige Aussage war.

„Sind sie sich sicher?“

„Ziemlich. Sie freut sich über jeden Besucher, der zu ihr kommt.“

„Oh, ist ihre Mutter krank?“

„Nein, glücklicherweise nicht. Sie verlässt nur ungern ihre Räumlichkeiten im Haus“, blieb er bewusst vage. Kathy war zwar nett und zeigte eine tiefe Verbundenheit mit Naturgeistern, doch bedeutete dies nicht, dass er ihr gleich alle Familiengeheimnisse anvertraute.

„Und ihr Elternhaus ist wirklich eine alte Abtei?“, initiierte sie einen Themenwechsel, als hätte sie gemerkt, dass er nicht weiter über seine Mutter sprechen wollte.

„Ja, eine mittelalterliche Abtei, die zu einem großen Herrenhaus umgebaut wurde.“

„Hatten sie Probleme mit Geistern?“

„Nein, da sie nicht zu den Abteien gehörte, die überfallen und geplündert wurden. Die Klosterschwestern haben das Gebäude verkauft, kurz bevor sie aufgrund des Religionswechsels enteignet worden wären. So hatten sie alle ein wenig Geld, als sie zu ihren Familien zurückkehrten.“

„Befindet die Abtei sich seit dem in ihrer Familie?“

„In gewisser Weise.“ Henry vermied es das weiter auszuführen, indem er fortfuhr: „Im Übrigen sind sie nicht der einzige Gast meiner Schwester. Eleanor betreibt, auf Mutters Vorschlag ihn, einen gelehrten Salon, weshalb öfters Dichter, Gelehrte und Zauberkundige zu Gast sind. Solange wir in Bath weilten, haben die Geschwister Herschel* Mutter Gesellschaft geleistet. Sie sind hergekommen, um die Sternschnuppenschauer zu erforschen und zu dokumentieren. Sie sollen in dieser Gegend besonders gut sichtbar sein. Was genau die Herschels daran interessiert, müssen sie sie aber selbst fragen.“

„Ich dachte, ich wurde eingeladen, um ihrer Schwester Gesellschaft zu leisten.“

„Im Großen und Ganzen sind sie das auch. Eleanor hat Gefallen an ihnen gefunden und wird die Zeit mit ihnen genießen. Die Herschels sind hier, wegen der Sternschnuppenschauer und als Astronomen sind sie aufgrund ihres Berufs vor allem nachtaktiv. Außerdem glaube ich, dass meine Schwester gerne ihre Meinung und Gedanken hören möchte, es ist doch etwas anderes mit jemand etwa Gleichaltrigen Umgang zu pflegen, als mit gelehrten, älteren Herrschaften.“

Henry merkte, dass er sich ein wenig mit seinen Worten ins Abseits manövriert hatte. Zu seinem Glück war Kathy gutmütig und freute sich aufrichtig, in ein solch gelehrtes Haus eingeladen zu sein und auf die bekannten Astronomen zu treffen.

Henry lenkte Katys Aufmerksamkeit an einem besonders guten Aussichtspunkt auf sein Elternhaus und hatte Freude daran ihre ehrliche Begeisterung mitzuerleben.

Die alte Abtei mit ihrem Glockenturm und den Spitzbogenfenstern, strahlte noch immer etwas Majestätisches aus, besonders, wenn wie im Augenblick, dass Sonnenlicht von den Scheiben glitzernd reflektiert wurde.

Auf dem letzten Stück des Weges konnte Kathy die Augen nicht von dem Gebäude abwenden.

Vor dem Haupteingang zügelte Henry ihr Gefährt und half Kathy vom Wagen herab. Da er sich um die Pferde und den Wagen kümmern musste, genauer gesagt sicher stellte, dass der Pferdeknecht seiner Aufgabe nachkam, war es ihm leider nicht vergönnt Kathys Reaktion beim ersten Betreten des Gebäudes mitzuerleben.

Er hatte vor bis nach dem Sternschnuppenschauern in seinem Elternhaus zu bleiben, also sah er Kathy beim Abendessen wieder.

Eleanor entschuldigte ihre Eltern, die in ihren Gemächern speisten und stellte dann alle Anwesenden einander vor.

Henry hielt sich bei der aufkommenden Unterhaltung mit Redebeiträgen zurück, stattdessen lauschte er lieber dem angeregten Gespräch.

„Laufen ihre astronomischen Untersuchungen gut?“, erkundigte Eleanor sich bei den Herschels.

„Ja, der Turm ihres Anwesens hat sich als ideal für die nächtliche Himmelsobservation erwiesen“, antwortete Wilhelm ihr.

„Das freut mich sehr.“

„Wir hoffen bei den kommenden Sternschnuppenschauern neue Erkenntnisse zu gewinnen, nicht war Caro?“

Caroline Herscheln nickte nur und widmete sich lieber ihrem Essen.

„Was genau untersuchen sie denn, äh… wenn die Frage erlaubt ist?“, schaltete Kathy sich zögerlich in das Gespräch ein.

„Fragen sie nur, liebes Fräulein. Wir freuen uns über wissbegierige junge Menschen“, antwortete Wilhelm. „Wir versuchen herauszufinden, was die Schauer auslöst, beeinflusst und zu errechnen, wo ein gefallener Stern, wohl landen wird. Es ist für die armen Dinger recht nützlich, wenn sie rasch gefunden und nach Sternheim gebracht werden, ehe ein Schwarzkünstler sie entdeckt. Ich denke, ihnen dürfte bekannt sein, wofür Schwarzkünstler gefallene Sterne in ihre Finger bekommen wollen…“

„Leider, die Vorstellung allein ist schon schrecklich“, erwiderte Kathy.

„Wir bauen Morgen die Fernrohre auf dem Turm auf. Sie alle sind herzlich eingeladen uns bei unseren Beobachtungen behilflich zu sein“, erklärte Wilhelm.

Henry konnte sehen, wie Caroline leicht die Stirn runzelte, ihrem Bruder jedoch nicht widersprach.

„Stören wir sie nicht bei ihren Untersuchungen?“, wollte Kathy besorgt wissen.

„Keineswegs, liebes Fräulein, keineswegs.“

„Wir können das im Laufe des morgigen Tages noch genauer besprechen“, schlug Eleanor vor. „Ich hoffe es gelingt ihnen verlässlichere Berechnungen zu bekommen, wo Sterne landen.“

Obwohl sie eine anstrengende Anreise hinter sich hatten, führten sie ihre Gespräche bis spät in die Nacht fort. Unterbrochen von einer, kleinen, spontanen Konzerteinlage der Herschels. Wilhelm war ein wunderbarer Pianist und Carolin bewies eine herrliche Singstimme, bei seiner Begleitung. Lange nachdem die Herschels zu ihren nächtlichen astronomischen Forschungen aufgebrochen waren, führten Eleanor, Henry und Kathy die Unterhaltung noch fort. Erst als sie die Augen kaum noch offen halten konnten zogen sie sich zurück.
 

Eleanor führte Kathy durch das recht verwinkelte Anwesen zu einem Gästezimmer, welches sie schon kurz nach ihrer Ankunft betreten hatte, um sich frisch zu machen und fürs Abendessen umzukleiden. Kathy war froh, über Eleanors Fürsorge. Sie war sich sicher, sie hätte sich verlaufen, hätte sie das Zimmer alleine wiederfinden sollen.

Nun im Schein der Öllampe begutachtet Kathy das Zimmer etwas genauer, stellte jedoch fest, dass sie dies besser bei Tageslicht nachholen sollte. Trotzdem nahm sie sich die Zeit, sich einen raschen Überblick über die Möblierung zu verschaffen. Neben ihrem Koffer enthielt der Raum ein gemütlich aussehendes Bett, dessen blauer Betthimmel gedrechselten Stangen gehalten wurde. Am Fenster stand ein zierlicher Sekretär, an dem sie ihre Korrespondenz erledigen konnte. Ein Kleiderschrank, ein Toilettentischen mit Spiegel und eine mit Schnitzereien verzierte Truhe vervollständigte das Mobiliar.

Auf Grund der Machart der Truhe und der Verzierungen schätzte Kathy, dass es sich dabei um ein altes Stück handelte, eventuell noch aus der Zeit als dieser Ort ein Kloster gewesen war.

Vielleicht enthielt sie ein magisches Relikt, überlegte Kathy beim Haare bürsten, nur um gleich darauf über sich selbst den Kopf zu schütteln. Die Tallys würden sicherlich keine Truhen mit magischen Relikten in den Gästezimmern ihres Hauses stehen haben!

Nun war sie gar nicht dazu gekommen, der Herrin des Hauses ihre Aufwartung zu machen, war ihr nächster Gedanke. Das musste sie gleich Morgen nachholen.

Reichlich müde streckte sie sich in dem nach Lavendel duftendem Bettzeug aus, nachdem sie die Lampe gelöscht hatte. Einige Augenblicke schien es ihr als schimmre die Truhe schwach golden.

Sie schloss und öffnete die Augen wieder, um sich zu vergewissern, doch nun war die Truhe nur ein dunkler Schemen, wie die anderen Möbel im vom Mondlicht beleuchteten Raum.
 

Der nächste Morgen begann regnerisch, doch nicht nur das, als Kathy ins Frühstückszimmer trat, erwarteten sie dort nur Eleanor, Henry und die Geschwister Herschel.

„Guten Morgen. Ich hatte gehofft heute ihre Mutter anzutreffen und mich meiner Gastgeberin vorzustellen“, grüßte Kathy erst allseits, ehe sie sich mit dem zweiten Teil an Henry und Eleanor wandte.

„Das ist löblich von ihnen, aber wie ich ihnen Gestern sagte, bleibt meine Mutter in ihrem Flügel des Hauses und Vater lässt nur ausgewählte Gäste zu ihr.“

„Oh, dass hatte ich vergessen.“ Kathy grübelte, ob Hexenmeister Tally seine Frau gefangen hielt, was jedoch nicht zu dem Bild des Gentlemans passte, den sie kennengelernt hatte.

„Ich muss sie bitten ohne ausdrückliche Erlaubnis meines Vaters den Räumen meiner Mutter fernzubleiben“, fügte Eleanor noch hinzu.

„Sicherlich, wenn sie das so wünschen“, antwortete Kathy gedanklich noch immer damit beschäftigt, aus welchem Grund, wohl die Hausherrin so in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt war.

„Trinken sie ihren Tee. Ich kann ihnen versichern, meine Mutter erfreut sich bester Gesundheit und Vater tut sein Möglichstes es ihr so angenehm es nur geht in ihrem Flügel zu machen“, versuchte Henry sie aufzuheitern, was zunächst misslang.

Die Unterhaltung der Herschels und deren Hoffnungen, dass das Wetter noch besser würde, lenkte Kathy von ihren düsteren Überlegungen ab.

Der Spaziergang, den sie nach dem Frühstück antraten, der Regen hatte fast aufgehört, tat sein Übriges ihre Gedanken auf andere Dinge zu lenken.

Zunächst schritten sie noch durch den großen Garten des Anwesens. Trotz des Nieselregens, gegen den sie sich mit Wollmänteln und Hüten schützten, konnte Kathy sehen, dass in die Pflege des Gartens floss.

„Wenn sie möchten, zeige ich ihnen am Nachmittag unseren Kräuter- und Küchengarten auf der anderen Seite des Hauses“, bot Eleanor an, während sie die Auffahrt entlang schlenderten.

„Das wäre herrlich. Aber da dies eine alte Klosteranlage ist, befindet sich nicht auch zwischen den Gebäudeflügeln ein Garten oder wurde das beim Umbau verändert“, erkundigte sich Kathy.

„Der Garten in dem sich der Wandelgang des Klosters befindet existiert noch. Er gehört jedoch um Refugium meiner Mutter, welches nur mit Einladung betreten werden darf“, teilte ihr Henry mit.

„Verstehe. Schade, ich hätte gerne mal einen noch existierenden Wandelgarten eines Klosters gesehen.“

„Vielleicht zeigt Vater ihn ihnen, wenn sie länger unser Gast sind“, versuchte Eleanor Kathys Enttäuschung abzumildern. „Aber komme sie, ich zeige ihnen einen besonderen Platz.“

„Elly, der Weg dahin könnte jetzt zu feucht für eure Schuhe sein.“

„Ach, sei kein Frosch, Henry! Wir bestehen nicht aus Zucker!“, wehrte sie seine Bedenken ab.

Kurz hinter der Hecke, welche den Garten des Anwesens vom restlichen Land der Tallys abgrenzte, betraten sie einen entzückenden Hain, der Kathy bei der Anfahrt nur am Rande aufgefallen war.

Von den Ästen und Blättern fielen dicke Tropfen auf sie herab, als sie auf den Pfad einbogen, der tiefer in den Hain führte.

Kathy atmete genüsslich den Duft feuchter Erde und nassen Laubs ein. Sie mochte Spaziergänge, aber Waldspaziergänge waren ihr am liebsten. Allerdings traf Henrys Befürchtung zu. Der Weg war matschig und dadurch rutschig. Doch solche kleinere Unannehmlichkeiten nahm Kathy bei einem Waldspaziergang gerne in Kauf.

Nach einigen Metern erreichten sie ein fröhlich plätscherndes Bächlein, an dem der Weg längsführte. Bei einer Verbreiterung des Baches, die fast schon als Teich bezeichnet werden konnte, stand eine Bank, auf die Eleanor sich trotz der Feuchtigkeit des Holzes niederließ. Kathy zauderte. Mit matschigen Schuhen konnte sie leben, aber Nässe, die am Po durch den Mantel- und Kleiderstoff drang, war ihr unangenehm.

„Setzen sie sich ruhig.“ Henry legte eine Hand auf die Sitzfläche der Bank und machte eine wischende Bewegung. Einen Moment später hielt er eine Kugel aus Wasser in der Hand. Er zwinkerte Kathy zu, ehe er die Wasserkugel im Bach entsorgte.

„Vielen Dank.“ Leicht beschämt, ob ihrer Zimperlichkeit, setzte Kathy sich neben Eleanor.

„Ich liebe diesen Ort. Ich komme oft her, wenn ich nachdenken möchte oder es mir im Haus zu eng wird.“, erklärte Eleanor.

Henry lächelte nur auf eine Art und Weise, die traurig und nostalgisch zugleich schien.

Kathy merkte, dass ihre beiden Begleiter mit ihren Gedanken abschweiften, also schwieg sie, um ihnen die Muße dafür zu geben. Sie nutze die Gelegenheit sich umzusehen.

Bunte Kiesel bildeten das Bachbett, Erde bildete Ufersäume, wo der Bach sie freigespült hatte. Auf der gegenüberliegenden Seite streiften die Zweige einer Trauerweide das Wasser.

Kathy fiel auf, dass dieser Ort Ruhe ausstrahlte. Er wäre ein geeigneter Wohnraum für eine Nymphe, doch sie spürte, dass er unbewohnt war.

Eine ganze Weile saßen und standen sie da und blickten auf das Wasser. Schließlich war es Henry, der die Stille brach. „Wie steht es mit euch, aber ich könnte eine ordentliche Tasse Tee und weitere astronomische Erörterungen mit den Herschels ertragen.“

Kathy war froh über seinen Vorschlag. „Das hört sich wunderbar an.“

„Elly, reiß dich los, unser Gast dürstet nach Tee und wissenschaftlichen Diskussionen.“

Mit einem Seufzen erhob sich Eleanor, um sie zurück zum Anwesen zu begleiten.

Der Rest des Tages verging mit gelehrten Diskussionen und weniger gelehrten Gesprächen, einige sogar über Schauerromane.

Gegen Abend klarte es zur Freude der Astronomen auf, wie es Henry und Eleanor nicht müde geworden waren ihnen zu versichern, dass das geschehen würde.

Schon vor dem Abendmahl bauten die beiden ihre Fernrohre auf dem Glockenturm auf.

Beim Abendessen, an welchem dieses Mal Hexenmeister Tally teilnahm, waren sie offensichtlich in Gedanken bei den Sternen und nur zu begierig nach draußen zu kommen.

Kaum war das Mahl beendet, verzogen sich Caroline und Wilhelm sich mit dem Hinweis an die anderen Anwesenden, sie möchten sich so um zehn abends bei ihnen einfinden.

Die Wartezeit vertrieben Kathy und Eleanor sich mit stricken, während Henry las und Hexenmeister Tally schon wieder mit Abwesenheit glänzte.

Zur verabredeten Zeit trafen alle am Fuß des Glockenturms zusammen. Da der Platz oben auf dem Turm begrenzt war, durften Kathy und Henry zuerst zu den Herschels auf die Plattform.

Unterhalb der Glocken waren zwei Fernrohre aufgebaut, so dass es möglich war in zwei Richtungen den Himmel zu beobachten. Caroline erklärte Kathy die Benutzung des Geräts und ließ sie dann hindurchschauen, wobei sie sie bat die Sternschnuppen zu beschreiben.

Es dauerte einen Moment, bis Kathy sich an den Blick gewöhnt hatte, dann rief sie vor Entzücken: „Oh, ich sehe sie! Es fallen so viele! Eins, zwei, drei, vier… fünf, ich glaube, dass waren… nein, sechs, sieben.“

„Wie sehen sie aus?“

„Hell, ihre Aura schillerte in allen Farben, wie ein Opal im Sonnenlicht.“

„Verändert sich die Aura?“

„Äh…, sie wird heller, je näher sie kommen. Sie verschiebt sich dabei von rot zu blau.“

„Darf ich?“

„Ja, natürlich!“ Kathy trat vom Fernrohr weg. Erst jetzt merkte sie, dass sie eine ganze Weile hindurchgeschaut hatte. Rasch machte sie für Eleanor Platz, die nun heraufkam.

Doch die Bilder der fallenden Sternschnuppen waren ihr noch immer vor Augen. Es war so spannend gewesen, dass sie mit Henry auf der Treppe wartete, in der Hoffnung noch einmal durchs Fernrohr schauen zu dürfen.

Auf einmal war ein lauter Knall zu vernehmen. Der Turm bebte, kräftig genug um Kathy ins Straucheln zu bringen. Henry, der an der Wand gelehnt hatte, bewahrte sie davor die Treppe hinabzustürzen. Für eine hastig gemurmelte Entschuldigung blieb eben noch Zeit, bevor sie Hexenmeister Tallys Stimme hörten. „Heilige Mutter Gottes! Eleanor, bereite alles für noch einen Gast vor. Decken, warmen Tee und vorsichtshalber Verbandszeug! Henry, sattel zwei Pferde! Im heiligen Hain ist ein Stern runtergekommen!“

„Sofort, Vater!“ Henry lächelte Kathy entschuldigend an und hastete die Treppe hinab. Einen Augenblick später stürzte Hexenmeister Tally an ihr vorbei.“Und berichte deiner Mutter, was los ist! Sie wird sicher helfen wollen!“, befahl er seiner Tochter noch im Laufen.

Eleanor kam etwas gesetzter zu Kathy auf die Treppe.

„Gibt es etwas, womit ich behilflich sein kann?“, wollte diese wissen.

Eleanor schüttelte den Kopf. „Oder haben sie Erfahrung im behandeln eines gefallenen Sterns?“

„Bedaure, nein.“

„Dann gehen sie ins Bett. Finden sie allein zu ihrem Zimmer zurück?“

„Ja.“

„Gut, entschuldigen sie mich, es gibt einiges vorzubereiten.“

„Natürlich.“

Am Fuße der Treppe im Gang sah Kathy Eleanor noch kurz nach, wie diese davon eilte, ehe sie sich zu ihrem Zimmer aufmachte. Entgegen ihrer Behauptung, sich zurechtzufinden, bog sie einmal falsch ab, merkte es jedoch rechtzeitig.

In ihrem Raum stellte sie sich ans Fenster, doch wie sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte draußen keine Reiter erkennen. Ferner Hufschlag, sagte ihr, dass ihr Fenster schlicht zur anderen Richtung hin lag. Also kleidete sie sich für die Nacht, löste ihr Haar und ging ins Bett, wo sie lange wach lag.

Würden Henry und sein Vater den Stern finden? Wäre er verletzt? Wer würde den Stern ins Refugium der Sterne bringen?

Wie sie so in Gedanken versunken dalag, fiel ihr wieder die Truhe auf, denn die schimmerte tatsächlich golden.

Entschlossen entzündete Kathy die Lampe. Draußen war Wind aufgekommen, der an den Fensterläden rüttelte und die Angeln zum Quietschen brachte. Kathy stellte die Lampe vor der Truhe ab, kniete sich davor und betrachtete sie erst einmal genau. Doch sie konnte nur die üblichen Zauber für Mottenschutz entdecken. Behutsam drückte sie am Truhendeckel, der fest verschlossen blieb. Daraufhin setzte sie mehr Kraft ein. Das Ergebnis blieb gleich, die Truhe blieb zu. Nach mehreren Versuchen gab sie frustriert auf und kehrte ins Bett zurück. Die Sorge um den unbekannten Stern und die Geräusche des Windes, hielten sie noch lange wach.

Als sie endlich einschlief waren ihre Träume von fallenden Sternschnuppen und einer vielbeinigen Truhe, die ihr überallhin folgte und frische Wäsche und Angst verbreitete, erfüllt.


Nachwort zu diesem Kapitel:
* Caroline Herschel (1750-1848) und Wilhelm Herschel (1738-1822) arbeiteten bis zu Wilhelms Tod zusammen bei ihren Sternenbeobachtungen. Carolines Anteil an Wilhelms Arbeiten sind nicht eindeutig zu erkennen. Zusammen entdeckten sie unter anderem den Planeten Uranus. Wilhelm brachte es bis zum königlichen Hofastronom in England. Nach seinem Tod setzte Caroline ihre Sternenbeobachtungen fort, sie entdeckt mehrere Kometen. Sie berechnete Zonenkataloge für hunderte Sternenhaufen und Nebel. Im Alter von 96 Jahren erhielt sie die Goldmedaille der preußischen Akademie der Wissenschaften. Quellen: Wikipedia und eine Broschüre des Ministeriums für Politische Bildung über Frauen in Naturwissenschaft und Technik. Komplett anzeigen

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