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Remember The Light

von

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A flickering Flame

Aceee!“, hallte die freudige Stimme meines Bruders, mitsamt seinen lauten Schritten durch unsere kleine Berghütte. Hastig rannte er die wenigen Treppenstufen zu meinem Zimmer herauf, während ich mein Gesicht weiter in das weiche Kissen drückte, unter dem meine verschränkten Arme lagen.

 

Mit einem lauten Krachen stieß Ruffy die abgenutzte Holztür auf;

„Frühstück!“, rief er mir zu, dabei auf einer mit Wurst belegten Brotscheibe in seinem grinsenden Mund kauend. Auf seinen Wangen trug er einige Krümel, von denen wenige seine linksseitige Schnittnarbe bedeckten.

 

`Frühstück´...?, wiederholte ich gedanklich und sah verschlafen blinzelnd zu ihm auf.

Meine schwarzen, leicht welligen Haare wirr meine Stirn und Augen umhüllend, schüttelte ich sie locker aus meinem Gesicht und wollte ihm gähnend Antwort geben, doch war er keine Sekunde später wieder aus dem Zimmer gestürmt.

Jubelnd hörte ich ihn die knarzende Treppe mit einem weiten Satz nach unten springen.

 

Typisch..., dachte ich mir schmunzelnd und lachte müde, bevor ich mich mit einem Sprung aus dem Bett schwang. Nur in kurzen, schwarzen Shorts bekleidet schleifte ich mich dann träge zur Küche, beim Laufen dösig meine Augen offen haltend.

Essen..., war der einzige Gedanke, der meine wankenden Beine vorantrieb.

 

Das Klappern von blitzschnell geleerten Tellern begrüßte mich in unserer kleinen Kochstube, der Geschirrstapel neben Ruffy sich im Sekundentakt anhäufend, während ich meinen schlaffen Körper auf den Stuhl gegenüber dem Seinen sacken ließ.

Im nächsten Augenblick fiel mein Gesicht in die gefüllte Cornflakes-Schüssel. Den Löffel hielt ich fest in meiner rechten Hand, deren Ellenbogen ich auf dem Tisch abgestützt hatte. Woraufhin kleine Blasen in der Milch des Porzellans erschienen.

 

Aus meinem Sekundenschlaf wurde ich durch Ruffys schallendes Lachen gerissen. Prustend zeigte er auf mich, sich dabei seinen Bauch haltend, und wäre beinahe mit seinem Stuhl nach hinten gekippt, während ich meinen Kopf anhob und ihn verdutzt anblickte.

Dann bemerkte ich wieder mein Frühstück unter mir, das meine vollste Aufmerksamkeit lockte, sodass ich es anschließend hungrig zwischen meine Lippen schaufelte und nebenbei diverse Milchtropfen und Flakes in alle Himmelsrichtungen verteilte.

 

Nach sieben Schüsseln war mein Hunger zumindest ein wenig gestillt. Weswegen ich mir mit meinem Unterarm die letzten Tropfen von meinem Gesicht wischte und mich dann zufrieden in dem Holzstuhl zurücklehnte, wie Ruffy es gegenüber mir tat.

Er selbst hatte seinen morgendlichen Essensrekord wieder übertroffen.

 

„Phew... Ich bin papp-satt“, sagte er leise lachend und schlug sich locker mit seiner Hand auf seinen leicht angehobenen Bauch, der binnen Minuten wieder seine gewohnt flache Form finden sollte.

Breit strahlend sah er mich an.

„Hey, Ace, was wollen wir heute unternehmen?“

 

Kurz überlegend, fuhr ich mir mit meiner rechten Hand über meinen Nacken und zuckte dann mit meinen Schultern.

 

„Wenn der alte Knacker mich nicht wieder zu Sozialstunden verdonnert, könnten wir-“, begann ich und bekam eine über die Rübe gezogen, sodass ich die liebevolle Faust besagten Knackers gegen meinen Hinterkopf schlagen spürte.

Laut brüllte der Alte mir dann in mein linkes Ohr.

 

„Ihr Grünschnäbel habt nichts, als Flausen im Kopf!“, wetterte Garp los, seine `Faust der Liebe´ demonstrativ in die Luft haltend, bevor er sich dramatisch seufzend seine grauen Haare raufte.

„So habe ich euch undankbaren Bengel nicht erzogen! Ihr werdet starke Ordnungshüter werden.“

 

Murrend rieb ich mir die pochende Stelle an meinem Kopf.

„Träum weiter, Opa... Vielleicht im nächsten Leben“, brummte ich zu mir selbst und kassierte die nächste Kopfnuss, sowie Ruffy es tat – aus reiner Gleichberechtigung.

Der Alte wollte seine familiäre Liebe schließlich gerecht verteilen.

 

„Nenn mich gefälligst `Großvater´!“, meckerte er weiter und ging dabei auf den Kühlschrank zu, dessen Inhalt – die gähnende Leere – ihn aus allen Wolken fallen ließ.

„Habt ihr schon wieder unsere Vorräte aufgegessen?!“, traf ihn die Erkenntnis wie ein eigener Hieb seiner faustigen Liebe, was mich schadenfroh grinsen ließ und mir zur gleichen Zeit zum Verhängnis wurde.

 

Knurrend knallte Garp ein paar Geldscheine auf den Tisch vor mir, weswegen das gestapelte Geschirr deutlich klirrte, während sein Blick mich durchbohrte.

 

„Du wirst dich sofort auf den Weg machen, Ace, und mir süße Reiscracker besorgen!“, herrschte er mich an und erhob erneut seine Faust, die mich nicht erreichte, weil ich längst aufgesprungen war, nachdem ich mir das Geld geschnappt hatte.

Im Flur zog ich mir schnell meine dunklen Stiefel an und setzte mir meinen auf der Kommode liegenden Cowboyhut auf, während ich mit einem: „Mürrischer alter Sack!“, aus der Haustür rannte.

 

Er versuchte mir noch nachzujagen, stand drohend in der offenen Tür und sah mir wütend hinterher.

Neben seinem Fluchen war Ruffys Lachen zu hören, doch war ich längst über alle Berge, den Waldpfad zu unserer Hütte herunter stürmend.

Bis zur Stadt war es nicht weit und da ich sowieso nichts Großes vorhatte, war der Morgensprint eine willkommene Abwechslung.

 

Vor einiger Zeit wurde in der Nähe von Garps Dienststelle ein neuer Backladen eröffnet, von dem er uns oft vorschwärmte. Laut ihm gab es dort die besten Reiscracker, die er jemals gegessen hatte – und das mussten echt Viele gewesen sein.

 

`Garp will einen Cracker! Garp will einen Cracker!´, hallte das Krächzen eines meckernden Papageis mit grauem Gefieder und buschigen Augenbrauen durch meine Gedanken, sodass ich grinsen musste.

Toll... Jetzt hab ich Hunger auf Bratvogel...

 

Ich bin noch nie in dieser Bäckerei gewesen und weil der Alte mir auch keine Adresse mitgegeben hatte, musste ich einige der Passanten fragen, von denen ein Mann mit grünen Haaren mich in genau die entgegengesetzte Richtung schickte. Ist das nicht einer von Ruffys Freunden gewesen?

Der Kerl hatte echt keinen Orientierungssinn, sodass ich ihm noch zweimal über den Weg lief, bevor wir seinen Kumpel mit langer Nase trafen, der mir weiterhalf – Nachdem er mir in aller Ausführlichkeit von seinen Heldentaten des heutigen Morgens erzählt hatte.

 

Letztlich sah ich von Weitem das große Ladenschild, auf dem `Sweet Heaven´ stand. Diverse Backwaren, wie Croissants und Tortenstücke umrahmten die dunkelbraune Schrift des Wolken-ähnlichen Schildes.

 

Schulterzuckend betrat ich den Laden, die schrille Klingel der Tür ertönend.

Zeitgleich überkam mich ein ungutes Gefühl.

 

Ich spürte einen stechenden Blick auf mir. Ein Blick, der mich innerlich aufwühlte.

Antipathie. Das war es, was ich von den fremden Augen fühlte, ohne sie zu sehen.

Sie vermittelten mir das Gefühl der Ausgrenzung, als ob ich hier nicht hingehörte...

Als ob ich anders wäre.

 

Die Krempe meines Cowboyhuts mit meinem Zeige- und Mittelfinger hochschiebend, schaute ich auf und drehte meinen Kopf in Richtung des scharfen Blickes.

Meine Tigerauge-farbenen Augen nahmen einen dunklen Braunton an; selbstbewusst, feindlich, furchtlos. Auf die Azurblauen des blonden Irokesen treffend, welcher an der Wand in der Raumecke stand und mich fixierte.

Eines seiner Beine war angewinkelt, sein schwarzer Sandale gegen die Holzverkleidung gestützt, seine Arme locker vor seiner tätowierten Brust verschränkt. Das Symbol eines dunkelblauen Kreuz mit geschwungenem Schnurrbart seine Brust zierend, deutlich hinter seinem offenen, hellvioletten Kragenhemd sichtbar.

Gegen meine Erwartung eines aggressiven und ablehnenden Ausdrucks, wirkte sein Blick jedoch... vollkommen gleichgültig.

Ohne Gefühl, ohne Interesse, gar gelangweilt.

 

Doch täuschte sich meine Intuition niemals.

Irgendetwas an dem Typen stimmte nicht.

 

Plötzlich schwang die Tür zwischen Bäckereistheke und angrenzender Backstube geräuschvoll auf, bevor ein weiß gekleideter Mann mit haselnussbrauner Haartolle aus ihr trat.

Er bemerkte mich sofort, meinem Blick folgend, der von dem desinteressierten Irokesen zu ihm schweifte.

Meinem blonden Beobachter zeigte ich die kalte Schulter und ging auf die Verkaufstheke zu, hinter welcher der Mann mit schwarzem Spitz-Kinnbart mich freundlich anlächelte.

Neben seinem linken Auge zog sich eine geschwungene Narbe über seine Schläfe. Seine Augenfarbe war ein warmer Karamellton.

Als ich die Theke erreichte, begrüßte er mich mit einem freudigen Gesichtsausdruck, sowie seine Stimme einen sanften und familiären Klang trug.

Er warf einen Blick zu dem Irokesen, dessen Augen weiterhin auf mir blieben, ehe die Haartolle grinsend mit seinem Daumen auf ihn zeigte.

 

„Ignoriere die frostige Zierfigur da hinten einfach. Der gehört nur zur Dekoration “, lachte er ausgelassen und stützte sich mit seinem Ellenbogen auf die Glastheke zu mir rüber. Der gleichgültige Blick des blonden Igels änderte sich nicht, doch zuckte seine geschwungene Augenbraue bei der Bemerkung nach oben.

Aufgeschlossen reichte mir der Konditor seine Hand über die Theke.

„Thatch. Was kann ich für dich tun...“

 

„Ace“, nahm ich grinsend seine Hand, die einen festen Druck besaß, bevor mein Blick auf die vielen Backwaren vor mir fiel und mir sofort das Wasser in meinem Mund zusammenlief.

Tortenstücke, Gebäcke und Obstsnacks in allen Formen und Farben waren hinter dem Glas nebeneinander gereiht. Ihr Aussehen gar funkelnd, das Glitzern auf meine hungrigen Augen übergehend.

Schwer schluckend sah ich wieder auf, in das stolze Gesicht Thatchs, der meinen Gedanken von meiner Mimik ablesen konnte.

 

`Gib mir einmal alles´..., wollte ich sagen, aber erinnerte ich mich an meinen Auftrag.

„Ein dutzend süße Reiscracker“, antwortete ich stattdessen, mein Blick nochmals über die vielfältige Auswahl wandernd, die mich regelrecht in ihren Bann zog.

Mit einem frechen Lächeln fragte ich deswegen;

„Du lässt mich nicht zufällig einmal in alles beißen...? Nur ein Bissen?“

 

Laut lachte der Konditor los, sich dabei seinen Bauch haltend, sein herzliches Lachen den Raum füllend.

Als es abklang, wischte er sich eine Lachträne aus seinem vernarbten Augenwinkel.

 

„Das Gesicht der nächsten Kunden wäre Gold wert, haha!“, grinste Thatch und stellte sich das Szenario bildlich vor, ehe sein Blick nachdenklich wurde.

Dabei legte er seinen Zeige- und Mittelfinger an sein spitzbärtiges Kinn und sah mich grübeln an.

„Hmm... Ich könnte dir die Waren vom Vortag anbieten. Von ihnen habe ich noch eine ganze Menge übrig.“

 

Sein Angebot überraschte mich. Ehrliche Freundlichkeit war ich von Fremden nicht gewohnt.

Doch war ich der Letzte, der sich darüber beschwerte.

 

„Immer her damit!“, wurde mein Lächeln breiter, sodass es sich über meine sommersprossigen Wangen zog.

Kurz darauf verschwand Thatch in der Backstube und kam mit zwei großen Papiertüten wieder, die er mir überreichte.

Dankend nahm ich die randvollen Taschen, in die er auch die Reiscracker gepackt hatte.

Als ich bezahlen wollte, hob er seine Hand und schüttelte seinen Kopf.

 

„Geht auf's Haus“, schmunzelte er und zupfte sich abwesend an seinem sonnengelben Halstuch, ehe sein Blick zu dem blonden Irokesen schweifte, den ich bis dahin wieder völlig vergessen hatte.

Thatchs Augen blitzten kurz auf, als ob ihm spontan eine Idee gekommen wäre.

„Hey, Ace... Kennst du die Bar `Moby Dick´?“

 

Kurz überlegend, schüttelte ich anschließen meinen Kopf.

 

„Willst du sie kennenlernen...?“

 

Mein Blick kreuzte den des Igels.

Und als seine gleichgültigen Azur-Augen für einen nicht greifbaren Moment in einen ausdrucksvollen Blick der Skepsis wechselten, der sofort Desinteresse wich, stand meine Antwort fest.

 

„Klar-!“

 

Das Klingeln der aufgestoßenen Ladentür unterbrach mich. Unsere drei Köpfe drehten sich gleichzeitig zu der eintretenden Figur, die lautstark lachend ihre behaarten Arme vor sich ausbreitete.

Wie ein Kaiser mit aufgeplusterter Brust betrat er den Laden, als ob er ihm gehören würde.

 

Zehahaha!“, hüpfte sein runder Bauch beim Lachen auf und ab, während seine tiefschwarzen Augen je einen Blick zu der Haartolle und dem Irokesen warfen.

„Meine Brüder! Wie geht es euch?“

 

„Bis eben ging's noch“, antwortete ihm Thatch grinsend, doch lachte er im gleichen Moment auf, dabei mit seiner Hand abwinkend.

„Nur Spaß. Schön, dich wohlauf zu sehen, Teach. Was führt dich hierher? Wie laufen die Geschäfte?“

 

Ein dickes Grinsen, mitsamt vier Zahnlücken, war des haarigen Kaisers Antwort.

 

„Bestens“, erwiderte der schwarzbärtige Lockenkopf mit dunkelbrauner Kopfhaube, seine tiefe Stimme schmieriger als dickflüssiges Öl klingend.

„Ich war zufällig in der Gegend und wollte meiner hochgeschätzten Familie einen Besuch abstatten.“

 

Als der Schwarzbart an mir vorbeigehen wollte, blieb er abrupt neben mir stehen, seine pechschwarzen Augen starrend auf mich fallend.

Woraufhin er einen seiner haarigen Arme um meine Schultern schlang. Meine Muskeln spannten sich unter dem schweren Gewicht sofort an.

 

„Wen haben wir denn hier...? Ein neues Gesicht?“, fragte er interessiert und rückte mit seinem Gesicht näher an das Meine, um mich genauer zu mustern. Seine spitze Langnase beinahe meine sommersprossige Wange berührend.

„Du hast Feuer in dir Junge, das sehe ich sofort.“

 

Frech grinsend antwortete ich ihm;

„Gut erkannt – Und wenn du nicht auf Abstand gehst, werd ich dir Feuer unter'm Arsch machen.“

 

Das brachte ihn dazu, einen Schritt zurückzugehen und beschwichtigend seine Hände zu heben. Sein lückiges Grinsen jedoch nicht von seinen stoppeligen Lippen weichend.

 

„Du gefällst mir. Wie wär's, wenn wir beiden ein Stück zusammen gehen...?“

 

Wortlos ging ich bereits Richtung Ausgang. Thatch mir noch die Uhrzeit und den Treffpunkt für die Bar hinterherrufend, während Teach mir grinsend die Tür aufhielt, weil ich es mit den vollgepackten Tüten nicht tun konnte.

Was mich mitten in der Tür zum Stehenbleiben veranlasste, war die fremde Stimme, die einen sehr ruhigen, doch erhabenen Klangton besaß.

 

„Ich werde euch begleiten, yoi.“

 

Lässig stieß der Irokese sich von der Wand ab, mit verschränkten Armen hinter uns herlaufend, immer auf einen gewissen Abstand bedacht. Seine Augen in meinem Rücken spürte ich deutlich.

Warum genau er mir jetzt am Arsch klebte, wusste nur er selbst.

 

Traut er dem Schwarzbart nicht? Oder mir...?, fragte ich mich und warf beim Laufen einen Blick über meine Schulter. Seine Azur-Augen schauten stur geradeaus, gelangweilt über meinen Kopf hinweg.

Beiläufig hörte ich dem neben mir redenden Teach mit halbem Ohr zu.

 

„Jemanden wie dich könnte ich in meinem Team gebrauchen. Ich bin ein reisender Händler, musst du wissen... Ich verkaufe nur die besten Wertwaren! Alles legal, versteht sich.“

 

Wer's glaubt...

 

„Kein Interesse“, antwortete ich ihm direkt, meinen Blick wieder nach vorne richtend, während der Schwarzbart sich eine Kirschtasche aus einer meiner beiden Tüten fischte, die ich weiterhin vor mir trug.

Tatkräftig biss er in das Gebäck, dabei ein; „Du weißt nicht, was du verpasst“, schmatzend.

 

Nachdem er es gegessen hatte, leckte er sich seine Finger und winkte uns ab.

„Man sieht sich heute Abend in der Moby Dick.“

 

Weg war er, mitsamt meiner Kirschtasche...

Und ließ mich allein mit der Sprachfaulheit in Person.

Ohne ihn zu beachten ging ich weiter, er mir immer noch folgend. Die Stille war unser Begleiter.

Umso überraschter war ich, als der Igel nach mehreren Minuten seine diszipliniert kühle Stimme erhob.

 

„Marco, yoi“, hörte ich ihn plötzlich sprechen, sich so kurz fassend, wie nur möglich.

Bloß kein Wort zu viel verlieren, was?

Ich misstraute ihm. Weshalb ich ihn, ohne mich umzudrehen, in merkbar gereiztem Ton fragte;

„Hast du nichts Besseres zu tun, als mich zu verfolgen?“

 

Als wäre er die Gelassenheit selbst, blieb seine Stimme unbekümmert.

 

„Nein“, antwortete er freiheraus, ohne Umschweife. Womit er mich überrumpelte.

Kaum hörbare Belustigung lag in seinen Worten.

„Mir war nach einem Spaziergang.“

 

Seelenruhig spazierte er an mir vorbei, während er das sagte. Seine Schritte kontrolliert, wie es seine gesamte Körperhaltung war, in seinem gelangweilten Gesicht nicht die geringste Regung zu sehen. Das Einzige, was sich neben ihm selbst bewegte, waren seine hellblonden Haare, deren Irokesenfrisur bei seinen gleichmäßigen Schritten leicht auf und ab federte.

Er bog die nächste Seitenstraße ein, mich hier stehen lassend, wie bestellt und nicht abgeholt.

 

Wenigstens bin ich den komischen Vogel los..., dachte ich mir schulterzuckend und machte mich auf den Nachhauseweg. Bis zu unserer Waldhütte war es ein ganzes Stück, der Bergpfad nach Oben zog sich, alter Reiskuchen unter den Stiefeln war nichts dagegen.

Immerhin hab ich genug Marschverpflegung dabei...

 

Zehn Minuten später hatte ich die erste Tüte restlos verschlungen. Auf halben Weg folgte ihr die Zweite, sodass ich bloß noch die Reiscracker für den Alten zu tragen hatte.

Fast angekommen, rauschte mir Ruffy entgegen, der den Waldpfad in rasendem Tempo hinabrannte.

Mit seiner flachen Hand seinen Strohhut auf seinem Kopf festhaltend, wurde sein Lächeln breiter, als er mich erspähte.

 

Heeeeey, Aceeee“, wurde seine freudige Stimme lauter, je näher seine rennende Figur mir kam. Nicht stoppend, sprintete er beim Sprechen direkt an mir vorbei, dabei einen starken Windzug erzeugend, der beinahe meinen Cowboyhut mitgerissen hätte.

„Bis späteeeeer!“

 

Wo gehst du hin?, wollte ich ihn fragen, mein brüderlicher Beschützerinstinkt aufflammend. Aber war er schon fast aus meinem Sichtfeld, als ich mich zu ihm umdrehte, seine schmale Figur nur noch ein rot-blauer Strich zwischen den grünen Bäumen darstellend.

Mein kleiner Bruder ist so schnell erwachsen geworden...

 

Bereits früher waren wir immer unterwegs gewesen, waren so gut wie nie Zuhause.

Ich erinnerte mich noch genau daran, wie wir als Kinder in unserem Baumhaus übernachteten. Jeden Tag die Wälder erkundend, kein Abenteuer auslassend.

Den alten Garp sahen wir nur selten, er ließ sich sowieso kaum bei uns blicken.

Wir wuchsen allein auf. Wir hatten nur einander.

 

Ruffy ist meine Familie...

 

Grinsend schüttelte ich meinen Kopf, weiter Richtung Hütte gehend, die ich aus der Entfernung sehen konnte.

Mein Bruder hatte die Tür offengelassen, doch kam ohnehin niemand hier hoch, außer uns.

Als ich sie betrat, bemerkte ich sofort die Stille, die mich empfing. Seufzend stellte ich die Papiertüte mit den Crackern auf den Küchentisch zwischen die vielen Teller, die niemand weggeräumt hatte.

 

Der Alte ist wieder weg... sieht ihm ähnlich..., dachte ich mir und sah den beschrifteten Zettel am Kühlschrank, auf dem `Stellt keinen Unfug an!´ stand.

Es war nicht das erste Mal, dass Garp plötzlich verschwand, auf irgendeinen fernen Einsatz gerufen werdend. Manchmal blieb er Tage weg, oft Wochen oder sogar Monate.

Sein Beruf ist ihm wohl wichtiger, als seine `Familie´...

 

Ich will nicht wie er werden... niemals...

 

Mit einer schnellen Handbewegung riss ich den Notizzettel von der Kühlschranktür, ihn im gleichen Atemzug zerknüllend, ehe ich ihn in den Mülleimer warf.

Zeitgleich überkam mich eine Müdigkeit, wie ich sie zu oft verspürte. Starke Emotionen riefen sie zusätzlich hervor.

Obwohl ich mich längst an meine Schlaf-Attacken gewöhnt haben sollte, war das nicht der Fall. Sie traten zu den ungünstigsten Zeiten auf.

Ich hasste sie.

 

Zum Sofa im Wohnzimmer schaffte ich es gerade noch rechtzeitig. Mich mit ausgestreckten Gliedern auf das Polster gelegt, meine Arme als Kissen benutzend und mein Cowboyhut mein Gesicht bedeckend, bevor ich wegdriftete.

 

 

Am späten Abend wachte ich auf.

Wie immer, nach einer meiner Schlaf-Attacken, musste ich kurz meine Orientierung finden, mich dabei müde blinzelnd umsehend.

Meine halb-offenen Augen fielen auf die altmodische Uhr, die auf dem Wohnzimmertisch stand, sie ebenso dösig anblinzelnd... bevor sich mein Blick weitete und ich plötzlich aufsprang.

 

Das Treffen mit Thatch!, fiel mir ein, sofort hellwach werdend. Woraufhin ich aus dem Haus rannte, im Vorbeigehen von dem Kleiderständer meine rote Perlenkette schnappend, die ich mir eher ungeschickt über meinen Kopf streifte.

Sie war mein Glücksbringer.

 

Bei meinem Abwärts-Sprint, den Berg wieder herunter, wäre ich beinahe über einen handgroßen Stein gestolpert, dem ich mit einem gekonnten Sprung auswich. In der Hocke landend, meine Hand auf meinem Cowboyhut abgelegt, sah ich mich flüchtig um. Links und Rechts von mir nichts als Bäume, die dicht aneinander standen, der Wald hinter ihnen vor abendlicher Dunkelheit unkenntlich.

 

Aus der Tasche meiner kurzen, schwarzen Hose holte ich mein schwarzes Zippo-Feuerzeug heraus, auf dem das Symbol einer roten Flamme abgezeichnet war.

In Begleitung eines Klacken öffnete ich den Verschluss mit meinem Daumen, ein leises Zischen folgend, welches die Flamme zum Leben erweckte, mit ihr meine Umgebung in ein flackerndes Lichtspiel tauchend.

Ich spielte gern mit dem Feuer und fühlte mich zu seiner Gefahr hingezogen.

 

Es war das Element der Stärke. Spendete Wärme und verschaffte mir Beruhigung.

Doch konnte es ebenso zerstörerisch sein, wenn man es nicht zu kontrollieren wusste.

 

Einen Moment betrachtete ich den Tanz der Flamme, die ich vor mein sommersprossiges Gesicht hielt. In meinen Sandelholzfarbenen Augen spiegelte sie sich wieder, das dunkle Braun meiner Augenfarbe dabei ein angehauchtes Orange annehmend. Unter ihnen sich das breite Grinsen auf meinen Lippen befindend, das den faszinierten Ausdruck meiner Mimik unterstrich.

Kurz darauf schwenkte ich das Feuerzeug umher, dabei eine glatte Baumrinde am Waldrand entdeckend, die mich auf eine Idee brachte.

 

Warum laufen, wenn es einen viel schnelleren Weg gibt?

 

Grinsend sprang ich auf die robuste Rinde, ihre Form mich an ein Surfbrett erinnernd, zu dem ich sie umfunktionierte. Mit einem schwungvollen Tritt stieß ich mich ab. Woraufhin ich den steilen Weg mit enormen Tempo hinabfuhr, das Sturmfeuerzeug als Lichtquelle vor mich haltend und mit meinem Körper das Gleichgewicht balancierend.

Die Fahrt war sehr holprig, der Pfad alles andere als eben, aber störte mich das wenig. Ich hatte echt Spaß. Mein ausgelassenes Lachen durch den Wald hallend, während mein orangener Hut wegflog, von dem Band an meinem Hals gehalten werdend.

Mit jedem zurückgelegten Meter wurde die Unterseite der Rinde durch die raue Oberfläche des Wegs immer weiter abgerieben. Aber erst, als ich das untere Ende des Bergpfads erreichte, war von meinem Surfbrett nichts mehr übrig, sodass ich mich mit einem Sprung von ihm verabschiedete.

 

Das Zippo zuklappend, ließ ich es zurück in meine schwarze Hosentasche gleiten, ehe ich mich sprintend zu dem Treffpunkt aufmachte, den Thatch mir genannt hatte.

Mittlerweile war ich über eine Stunde zu spät, was mich nicht mehr daran glauben ließ, dass dort jemand auf mich wartete. Einerseits wegen meiner Verspätung, andererseits weil es zurzeit eisig kalt sein musste.

Abends waren die herbstlichen Temperaturen besonders kühl. Hätte ich keine natürliche Körperhitze, würde ich mir ohne Oberbekleidung wahrscheinlich den Arsch abfrieren.

 

Trotz meiner Verspätung und der schwindenden Hoffnung ging ich zu dem vereinbarten Ort.

Ein Versprechen war ein Versprechen.

 

Ziemlich aus der Puste kam ich dort an, eine vierfache Straßen-Abzweigung mich umgebend, in deren Mitte ich stand.

Schnell atmend schweifen meine Augen über die menschenleere Straße, nur die Stille mich begrüßend.

Als meine Atmung sich beruhigte, zog ich die große Krempe meines Hutes mit einer langsamen Handbewegung über meine Augen, meinen Kopf dabei leicht senkend.

 

Niemand ist hier..., verzogen sich meine Mundwinkel zu einem entmutigten Halb-Grinsen, das meine sommersprossigen Wangen nicht erreichte.

Verständlich...

Keiner würde sich die Mühe machen... und auf jemanden, wie mich wart-

 

Oi!“, hörte ich plötzlich jemanden rufen, weswegen ich aufschaute. Meine überraschten Augen fixierten sich auf die unklare Figur, die an einer der schwarzen Straßenlaternen lehnte und ihre Hand locker gehoben hatte.

Trotz der erhöhten Lautstärke des Rufens blieb der Klang seiner Stimme ruhevoll und ausgeglichen.

„Willst du dort Wurzeln schlagen, yoi?“

 

Keiner würde sich die Mühe machen...

Keiner... außer Marco...

 

 

--

 

 

Einige Minuten später erreichten wir die `Moby Dick´.

Schweigend hatte Marco mich begleitet, eine Gelassenheit ausstrahlend, die mein impulsives Gemüt abkühlte, sodass ich ebenfalls stumm blieb. Mittlerweile gewöhnte ich mich an seine Gegenwart.

Das Stillschweigen wurde erst durch mich gebrochen, der ich die riesige Bar mit völliger Fassungslosigkeit anstarrte.

 

Ein grinsender Wal?!“, rief ich meine Entdeckung aus, meine Stimme entgeistert und staunend klingend. Vor dem gigantischen Maul des Tieres standen wir, der Eingang sich mittig zwischen seinen Zähnen befindend.

Perplex zeigte ich mit meinem Zeigefinger auf den Wal, dabei meinen Kopf zwischen der Bar und meinem Begleiter hin und her drehend.

Er trug ein kaum erkennbares Schmunzeln auf seinen Lippen.

„Siehst du, was ich sehe, Marco?!“

 

„Das tue ich“, sagte er mit einem wahrnehmbaren Ton von Stolz, seine Mimik jedoch gelangweilt bleibend. Langsamen Schrittes ging er an mir vorbei, das rustikale Rundbogentor öffnend, aus dem sofort ein lauter Geräuschpegel aus feiernden Stimmen dröhnte.

Bevor er den großen Eingang durchschritt, drehte er sich zu mir, seine Stimmfarbe ernst werdend.

„Ich bringe dich zu Vater, yoi.“

 

Bei dem Wort `Vater´ zuckte ich innerlich zusammen. Doch ließ ich mir nichts anmerken und nickte, ein falsches Grinsen meine sommersprossigen Wangen zierend. Die Schritte, mit denen ich Marco folgte, waren merkbar zögernder, sowie mein Enthusiasmus fühlbar gemildert.

...Ersetzt durch ein stechendes Gefühl, das ich über Jahre nicht verspürt hatte.

 

Erbitterung... Unmut... Groll...

Das emotionale Durcheinander, welches mich seit meiner Kindheit begleitet...

 

Im Inneren der Bar war die Hölle los. Der riesige Raum war überfüllt mit Personen aller Art, in den verschiedensten Größen und von der unterschiedlichsten Herkunft.

Marco lief vor mir, mitten durch die Menschenmasse, die ihm respektvoll Platz machte. Von den vielen Tischen um uns winkten ihm eine Vielzahl freundlicher Gesichter zu, ihn mit Zurufen begrüßend. Und zum ersten Mal glaubte ich, eine andere Emotion in Marcos Mimik zu sehen; familiäres Glück.

Er fühlte sich sichtlich wohl unter all den Menschen hier.

 

Thatchs Haartolle war unverkennbar, sodass ich sie unter der bunten Menge ausmachen konnte. Aber blieb mir nicht genug Zeit, um mich auf ihn zu konzentrieren, weil ich im nächsten Augenblick von zig Augenpaaren entdeckt wurde.

Sofort gewann die Lautstärke an Dezibel, viele Stimmen über das Geräuschgewirr hinweg rufend.

 

„Wen hast du mitgebracht, Marco?“ „Ein neuer Bruder?“ „Cooler Hut!“ „Friert er gar nicht...?“ „Sieht der gut aus~“

 

Die Aufmerksamkeit irritierte mich. Ich fühlte mich unter der fremden Beobachtung unwohl. Weswegen ich einen Schritt schneller ging, näher an den vor mir laufenden Marco heran... gegen dessen Rücken ich stieß, als er plötzlich abrupt anhielt.

Seine violette Bluse trug einen leichten Geruch nach Ananas, den ich unterbewusst wahrnahm, während er seine Stimme erhob. In einem autoritären Ton sprechend, den ich zuvor noch nie von ihm gehört hatte.

 

Ruhe!“, ließ er mit einem einzigen Wort die ganze Meute augenblicklich verstummen.

Die plötzliche Stille war völlig gegensätzlich zum vorherigen Geräuschpegel und fühlte sich echt seltsam an.

Jeder Blick war auf Marco gerichtet, der mit seinem Daumen lässig hinter sich, auf mich zeigte.

„Das ist Ace, yoi. Mehr müsst ihr nicht wissen.“

 

Damit hatte sich das Thema für ihn erledigt, sodass er seelenruhig weiterlief. Für einen Moment folgten ihm die Augenpaare, bevor der Stimmpegel langsam wieder an Lautstärke gewann, keiner mehr ein Wort über mich verlierend.

Blinzelnd schaute ich auf seine gehende Figur, ehe ich grinsend zu ihm aufholte.

 

„Danke“, sagte ich leise, sodass nur er mich verstehen konnte. Das Gefühl einer verlorenen Last spürend, welche er mir genommen hatte.

 

„Wofür, yoi?“, fragte er unschuldig, die Antwort genau wissend.

 

Anschließend führte er mich zu einer großen Holztreppe, die sich neben der langen Bartheke befand und wir zusammen nach oben stiegen. Je weiter wir gingen, desto leiser wurden die feiernden Geräusche hinter uns.

Gegen meine Erwartung, dass die Treppe uns ins zweite Stockwerk brachte, gelangten wir auf das Dach; Den Rücken des großen Wals, der einem Schiffsdeck ähnelte.

 

Die hölzernen Dielen knarzten leise unter unseren Schritten, in der Ruhe hier oben waren sie deutlich hörbar.

Umringt war das große Runddach von einer weißen Holzreling, auf der meine Augen kurz blieben, bis Marco zu sprechen begann. Seine Worte waren nicht an mich gerichtet, seine Stimme trug einen befremdlich freudigen Ton.

 

„Vater!“, rief er, in seiner gehenden Bewegung anhaltend, wodurch ich ebenso stehen blieb.

Erst dann fiel mein Blick auf den übergroßen Sessel, der gegenüber der Treppe stand. Ein riesiger Mann mit weißem Schnurrbart in ihm sitzend, umgeben von jungen Frauen, die wie Krankenschwestern angezogen waren.

In seiner Hand hielt er eine große Sakeflasche mit japanischem Schriftzeichen, die er an seinen Lippen ansetzte, seine Augen über den Rand von ihr, zu Marco schauend.

 

„Willkommen zurück, mein Sohn“, begrüßte er ihn, seine grollende Stimme dröhnender als jeder Gewittersturm klingend, während Marco ein beinahe unverständliches `Du sollst nicht immer so viel trinken, Pops´ murmelte, was nur für mich hörbar war.

Mit einem ausdrucksvollen Schwenken seines großen Arms schickte der Riese die Krankenschwestern weg, woraufhin die Frauen allesamt in die Richtung liefen, aus der wir kamen.

In Begleitung eines lauten Klopfens stellte er dann die Sakeflasche auf der breiten Armlehne seines Throns ab, zeitgleich schweifte sein eindringlicher Blick auf mich. In seinen uralten Augen schien das Wissen der Welt verborgen.

„...Und wer ist dieses Gör?“

 

`Gör´?!, spürte ich die Wut in mir aufkommen, weswegen ich uneingeschüchtert von seiner beängstigenden Ausstrahlung einen Schritt auf den alten Kauz zuging. Von niemandem ließ ich mir diese Herabwürdigung bieten!

Das Grinsen hinter seinem geschwungenen Schnurrbart war herausfordernd, gar höhnisch.

Gleichzeitig wollte Marco ihm seine Frage beantworten.

 

„Sein Name ist-“, hob der Alte seine Hand und brachte den Blonden zum Schweigen.

Seine einschüchternden Augen blieben auf mir, sein Gesichtsausdruck blieb provokant, doch seine Worte, gerichtet an Marco, besaßen einen vertraulichen und fürsorglichen Ton.

 

„Sei so gut und lass uns allein, Sohn.“

 

Was er wie eine Bitte formulierte, klang wie ein sanfter Befehl, den Marco ohne Zögern ausführte.

Nach einem leichten Nicken, drehte Marco sich um, an mir vorbeigehend. Doch fühlte ich die Hand, die er mir aufbauend auf meine rechte Schulter legte, aber sofort wieder zurückzog, als ob er sich an mir verbrannt hätte.

Selbst diese winzige Berührung schien ihm merkbar schwer gefallen zu sein. Wie reserviert Marcos Charakter gegenüber mir in Wirklichkeit war, konnte ich nur erahnen.

Und auch der alte Mann staunte nicht schlecht, eine seiner Augenbrauen fragend gehoben, als er seinem `Sohn´ nachsah, bis er aus unserem Blickfeld verschwunden war.

 

„Nun zu dir, Bengel“, nahm seine grollende Stimme einen festeren Klang an, dabei lehnte er sich in der Lehne seines gigantischen Sessels nach vorne, spürbar ausdrucksstark auf mich herabschauend.

„Was hast du in meinem Revier zu suchen?“

 

Sein herablassender Ton gefällt mir nicht...

 

„Das geht dich einen feuchten Dreck an, alter Mann!“, knurrte ich ihm entgegen, meine Meinung über ihn deutlich machend, dabei intensivierte ich meinen unbeherrschten Blick auf ihn.

„Von jemandem, der zu alt zum Stehen ist, lass ich mir keine Angst einjagen!“

 

Seine Augenbraue schoss in die Höhe, keine Sekunde später griff er nach seinem riesigen Stab, der an seinem Sessel lehnte. Dann erhob er sich ohne Vorwarnung, sich groß vor mir aufbauend und zeitgleich das Ende seines Stocks auf den Boden neben sich rammend. Damit einen deutlichen Windzug erzeugend, mitsamt einem spürbaren Erdbeben.

Ich behielt meinen festen Stand und zuckte nicht einmal. Von seiner protzigen Show völlig unbeeindruckt bleibend.

Die Anspannung beherrschte die gereizte Stille, keiner den Blick von dem des anderen nehmend.

Bis der Alte plötzlich gellend auflachte.

 

Gurarararara!

 

Verwirrung spielten meine Augen wieder, meine Augenbrauen sich zeitgleich zusammenziehend.

Als sein einprägendes Lachen abklang, schnappte er sich seine Sakeflasche und ließ sich wieder in seinen Thron fallen. Er nahm einen großen Schluck, bevor er seine tiefe Stimme abermals an mich richtete, dabei den dunklen Himmel über sich ansehend.

 

„Du erinnert mich an jemanden... einen alten Freund“, begann er zu erzählen, seine Stimmfarbe resigniert und gedankenversunken klingend, dabei zwirbelte er seinen langen Schnurrbart zwischen seinem Zeige- und Mittelfinger.

Einen Augenblick später schaute er mich abermals an. Sein Blick nun von Wärme gezeichnet.

„Du trägst das Herz am rechten Fleck, mein Junge“, zeigte er mit der Spitze seines breiten Stocks auf meine rechte Brustseite, ohne meine Haut zu berühren.

Dann grinste er.

„Ein freches Gör... das sich selbst überschätzt.“

 

Bevor ich ihm einen Kommentar entgegen pfeffern konnte, lachte er erneut, damit jegliches Gegenwort meinerseits übertönend.

 

„Amüsiere dich gut!“, klang er erheitert, aber wechselte seine Klangfarbe kurz darauf in finstere Ernsthaftigkeit. Seine abschließenden Worte waren geprägt von Drohung und Gefährlichkeit.

„Doch wenn du meinen Kindern Schaden zufügst...“

 

Er führte seinen Satz niemals zu Ende. Und dennoch besaß er eine so große Bedeutsamkeit, dass ich die schwerwiegende Bedrohung dahinter spüren konnte.

Anschließend ignorierte er mich einfach, seine Aufmerksamkeit voll und ganz seinem Sake widmend. Weswegen ich ihm meinen Rücken zudrehte, bevor ich mich wieder Richtung Treppe begab.

Als ich sie halb heruntergestiegen war, traf ich unerwarteterweise auf Marco, der dort auf mich gewartet hatte.

 

Warum?, fragte ich mich, stummen Blickkontakt mit seinen Azurblauen Augen aufnehmend, ehe er sich von der Flurwand abstieß und langsam vorausging.

Ich holte zu ihm auf, ein Grinsen wie von selbst seinen Weg auf meine Lippen findend.

Hat er sich etwa Sorgen um mich gemacht...?

 

Zurück im Bar-Untergeschoss, erreichte die Stimmung dort ihren Höhepunkt.

Erneut waren alle Blicke gespannt auf Marco und mich gerichtet. Jeder wusste, dass ich den alten Mann getroffen hatte, was einer entscheidenden Prüfung für die Familienmitglieder ähnelte.

Stille. Allesamt warteten sie auf Marcos Zeichen, das er ihnen kurz darauf gab; Ein Nicken.

Jubelnd wurden die Trinkkrüge weit in die Luft gehoben und anschließend gegeneinander gestoßen, ein lautes Klirr-Geräusch dabei entstehend.

 

Kanpai!“, riefen die Menschen im Chor. „Auf Ace!

 

Im nächsten Augenblick torkelte Thatch auf uns zu, von hinten je einen Arm um Marcos und meine Schulter legend. In seinen beiden Händen hielt er je einen gefüllten Krug, den er uns ungeschickt überreichte, sodass der Inhalt leicht überschwappte.

Thatchs Stimme war ebenso unkoordiniert, wie seine Bewegungen.

 

„Trinkt, Freunde!“, lallte er zwischen uns, sein Atem stark nach Alkohol riechend, bevor er hicksend lachte.

„Seit wann gibt’s euch doppelt?“

 

Marco seufzte lange, sich dabei mit seiner Hand durch seine strubbeligen Igel-Haare fahrend.

 

„Seit du in Vaters Sakefass gefallen bist, yoi“, antwortete er ihm trocken, doch mit verstecktem Amüsement in seinen müden Gesichtszügen. Auf einmal wirkte er viel ausgelassener.

 

Thatch überhörte seinen Kommentar bewusst und setzte sich in Bewegung, uns in seinem festen Armgriff schwankend zu seinem Tisch mitziehend. An ihm saß noch jemand anderes; ein geschminkter Mann in einem rosafarbenen Kimono, der sich seine langen, schwarzen Haare zu einem Samurai-Zopf band.

Sobald wir ihn erreichten blickte er auf, seine Lavendel-lila Augen zuerst auf mich, dann auf Thatch fallend, der ihm gespielt jammernd in seine Arme sprang.

 

„Izouuuuu, Marco ist wieder gemein zu mir!“, beklagte er sich, sein Gesicht dabei fester in den Bruststoff des teuren Kimonos drückend, weswegen seine Worte beinahe unkenntlich waren.

Izou hob wie in Zeitlupe seine geballte Faust, eine leichte Wutader an seiner gepuderten Stirn pochend. Keine Sekunde später verpasste er Thatch eine kräftige Kopfnuss, sodass dieser nur noch Sterne sah.

 

„Ein Phönix, haha!“, lachte Thatch lallend, seine Augen gar drehenden Spiralen gleichend, seine wirr zuckenden Pupillen dabei dem imaginären Vogel folgend, der seine Kreise um seinen Kopf flog.

Völlig unberührt, begrüßte Izou uns mit einem lockeren Handgruß. Seine Hände daraufhin in den langen Ärmeln seines Geisha-Outfits versteckend, während Marco und ich uns an den Tisch zu den beiden setzten. Ich war in der Mitte, zwischen dem außen sitzenden Marco und Thatch rechts von mir. Neben Letzterem Izou den Eckplatz einnehmend.

 

Hier war ich willkommen. Und wurde ohne Vorurteile freundlich aufgenommen.

Mir ging es noch nie besser.

 

Grinsend hielt ich meinen Krug in Marcos Richtung, der nach kurzem Zögern den Seinen gegen Meinen stieß.

Dann trank ich, ausgelassen und vergnügt, als gäbe es keinen Morgen.

Ein Limit? Ich kannte kein Limit!

Zumindest nicht mein eigenes...

 

Die Hochstimmung und die gute Gesellschaft trug einen großen Teil dazu bei, dass ich mich hier – nach meinem anfänglichen Unmut – vollkommen wohl fühlte. Ich konnte ich selbst sein.

Jeder behandelte mich wie einen alten Bekannten, gar einen Freund und... Bruder.

Manche sprachen mich mit ebendiesem Wort an, doch machte es mir nichts aus. Was mitunter an dem fließenden Alkohol lag, den ich in Mengen in mich schüttete.

Immerhin war er umsonst!

 

 

Thatch kam bald auf die Idee eines Karaoke-Wettsingens. Seine Regel: `Wer am schiefsten singt, muss die nächste Runde holen.´

So lieferten er und ich uns ein Lall-Konzert. Ich dabei `Ring of Fire´ von `Johnny Cash´ singend, was mir im nüchternen Zustand mehr als peinlich gewesen wäre. Aber konnte es mir in diesem Moment egaler nicht sein!

 

Auf dem runden Bartisch stehend, zog ich meinen Cowboyhut aus, hielt ihn vor meine freie Brust und legte breit grinsend los.

 

„`Love... is a burnin' thing~ And it makes a fiery ring~

It burns, burns, burns~ The ring of fire~ The ring of fire~´“

 

Thatch neben mir auf dem Tisch versuchte torkelnd seinen Stand zu finden. Er hatte längst den Liedtext vergessen, den er singen wollte, und klatschte stattdessen fröhlich mit, sowie es viele andere taten.

Izou und Marco hingegen, die noch immer auf der Bank an dem Tisch saßen, blickten jeder in eine andere Richtung, nur nicht uns ansehend. Ihre Gesichter waren in ihren Getränkekrügen vergraben.

 

Als das Lied abklang, die letzte Strophe meine Lippen verlassend, rutschte Thatch auf einem umgekippten Krug aus. Halt an mir suchend, riss er mich mit sich runter. Woraufhin wir lachend auf dem Holzboden landeten.

Seine riesige Haartolle war in mein Gesicht gedrückt, während sich die Welt um mich drehte und die Stimmen der Anwesenden nur gedämmt zu meinen Ohren drang.

Eine von ihnen jedoch, nahm ich überdeutlich wahr.

 

„Seid ihr fertig damit, euch zum Affen zu machen, yoi?“, konnte ich den intensiven Blick auf mir spüren, der seinen gereizten Ton begleitete.

Thatch über mir rappelte sich schwerfällig hoch, blieb jedoch auf allen Vieren am Boden und sah schuldbewusst schmollend zu seinem Kumpel auf.

„Marc-“, wollte er zum Sprechen ansetzen, wurde jedoch von einem sandalierten Fuß in seinem Gesicht zum Schweigen gebracht.

 

Nach wenigen Anläufen konnte ich erfolgreich aufstehen, mein Blick den übelgelaunten Marcos treffend.

„Spielverderber...“, nuschelte ich ihm betrunken zu, den nächstbesten Gedanken aussprechend, der meinen alkoholisierten Geist beim Anblick seiner Frisur durchkreuzte.

„'N Wunder, dass sich in deinem Nest noch kein Vogel eingenistet hat.“

 

Thatch, noch immer den schwarzen Sandale küssend, lachte hinter der Sohle prustend. Wohingegen Marcos geschwungene Augenbraue langsam, bedrohlich langsam nach oben glitt.

Okay, jetzt war er echt angefressen.

 

„Mitkommen, yoi“, war seine Stimme so kalt, wie seine eisigen Augen. „Du brauchst dringend frische Luft.“

 

Draußen, vor der Moby Dick, begrüßte uns die Nacht, deren sanfter Wind sich angenehm kühl auf meiner erhitzten Haut anfühlte. Marco lehnte sich schweigend mit seinem Rücken an die weiße Außenverkleidung der Bar, die Beherrschtheit ihn umgebend, welche seinen Charakter immerzu begleitete.

Sie ging auf mich über, sodass ich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte.

 

„Sorry“, begann ich, mir dabei verlegen mit meiner Hand über meinen Nacken streichend, während ich ihm einen entschuldigenden Blick zuwarf.

„Ich hab mich wohl etwas mitreißen lassen...“

 

Sanft schüttelte er seinen Kopf, seine strubbeligen Haare dabei leicht wippend.

 

„Ist in Ordnung, yoi. Ich hätte dich vor Thatch warnen müssen“, sagte er und seufzte, bevor er einen seiner Mundwinkel schmunzelnd nach oben zog.

„Ich bin froh, dass du dich bei uns wohl fühlst.“

 

Mehrere Sekunden starrte ich auf Marcos Lippen, um die Worte von ihnen abzulesen, da ich sie sonst nicht verstanden hätte. Dann schweifte mein unklarer Blick zu seinem, der mir plötzlich seltsam warm vorkam. In dem dunklen Blauton seiner Augen gar eine hell-flackernde Flamme sich widerspiegelnd, welche mich in Trance versetzte.

 

Meine Frage sprach ich gedankenlos aus.

 

„Warum?“, formten meine Lippen langsam die Buchstaben, die mir beim Sprechen einen Stich in meiner Brust setzten.

„Warum... nennt ihr ihn Vater?“

 

Ohne Zögern gab mir Marco seine Antwort. Sie damit der absoluten Aufrichtigkeit entsprechend.

Seine Stimme nahm einen sanfteren Ton an, sowie das Blau seiner Augen in eine mildere Farbe überging.

 

„Weil er uns seine Söhne nennt“, begann er, sein Blick Richtung Bar-Dach schweifend, während seine Lippen sich zu einem liebevollen Schmunzeln verzogen.

„Für den Rest der Welt sind wir Außenseiter... Verstoßene. Es ist nur ein Wort... Doch es macht uns glücklich, yoi.“

 

Den Gesichtsausdruck, welchen Marco in diesem Moment trug, würde ich niemals vergessen.

Die blaue Flamme in seinen Augen schien heller zu leuchten, als je zuvor. Als sein Blick langsam zu dem hypnotisierten Meinen glitt, fühlte ich den Schmerz meiner linken Brustseite nicht mehr.

Marcos Feuer hatte ihn vertrieben.

Nur für einen Augenblick... Für einen einzigen Augenblick spürte ich das Glück, welches er empfand.

 

Ich will ihn berühren..., flackerte der Gedanke in meinem willenlosen Geist auf.

Ich muss... ihn spüren...

 

Meine nächste Handlung geschah aus einer reinen Kurzschluss-Reaktion heraus. Mit wenigen Schritten überbrückte ich die knappen Meter, die uns voneinander trennten. Bevor ich meine Arme um Marco legte und ihn damit vollkommen überraschte.

 

Marcos Körper war warm und kalt zugleich, als mein freier Oberkörper ihn spürte.

Er erstarrte merkbar unter der vertrauten Berührung, seine Azurblauen Augen mehr Emotionen zeigend, als sie es mir gegenüber jeher getan hatten; Verwirrung, Irritation und Erschrockenheit.

In seinem Blick spiegelte sich sein inneres Chaos deutlich wider, das er niemandem offenbarte, während das Meinige noch nie so klar gewesen schien. Keine einzige negative Empfindung verspürte ich, nur das Wohlbefinden und die Sicherheit, die mir seine Nähe gab.

 

Doch binnen einer Sekunde realisierte ich, was ich hier eigentlich tat. Zeitgleich ließ ich hektisch von ihm ab, eine undeutliche Entschuldigung murmelnd, ehe ich ihm meinen Rücken kehrte und losrannte.

 

Ich darf so nicht fühlen!, rief ich mir ins Gedächtnis, meine schnellen Schritte beschleunigend.

Mir steht es nicht frei zu entscheiden!

 

Niemandem will ich mich aufbürden...

Ich bin doch nur... die Brut eines Teufels...

Ein Bastard...

 

Immer weiter rannte ich in die Nacht. Kein Ziel vor Augen habend, nur den Drang so weit, wie möglich weg von diesem Ort zu sein. Ich hatte mich zu sicher gefühlt. Vergessend, dass es für mich keinen Platz in dieser Welt gab.

Ich würde immer ein verachteter Außenseiter bleiben.

 

 

--

 

 

Irgendwann gelangte ich in einen Stadtteil, den ich nicht kannte. Stehen bleibend, um kurz Luft zu holen, ließ ich meinen undeutlichen Blick durch die Gegend schweifen und entdeckte ein mir sehr bekanntes Gesicht;

Meinen Bruder. Neben ihm ein zwielichtiger Typ mit einer gepunkteten Plüschmütze laufend.

 

Wer ist der Kerl?

 

Durch den Alkohol in meinem Blut und meiner inneren Zerstreutheit, spürte ich meinen brüderlichen Beschützerinstinkt stärker, denn je entflammen. Ich kannte Ruffys Freunde, alle, und den Kerl hatte ich noch nie zuvor gesehen. Den gelb-schwarzen Pullover würde ich definitiv wiedererkennen.

 

Ohne einen Augenblick zu zögern, rannte ich auf die beiden zu.

 

Hey, Grufti!“, rief ich dem Plüschmützenträger zu, sodass seine silbernen Augen – unter denen sich dunkle Augenringe abzeichneten – in einer langsamen Bewegung zu mir schweiften.

Ruffy rannte mir entgegen, sich umarmend an meinen rechten Arm klammernd, während ich einen Meter vor dem Grufti stehen blieb, ihn mit meinem feindlichen Blick fixierend.

Zeitgleich nahm meine Stimme einen deutlich bedrohlicheren Klang an.

„Was willst du von meinem Bruder?“

 

Das kalte Silber seiner Augen blitzte kurz auf, bevor seine Lippen ein süffisantes Schmunzeln formten.

 

„Welch freundliche Begrüßung, Mister“, begann er, seine emotionslose Stimme schleimiger als überzuckerter Honig klingend. Beim Sprechen schob er die schwarzen Ärmel seines Kapuzenpullovers nach oben, seine Unterarm-Tätowierungen enthüllend, ehe er seine Arme vor seiner Brust locker verschränkte.

Seine Mundwinkel glitten weiter nach oben, in einen gar unheimlichen Ausdruck übergehend. Sein Blick blieb an dem Meinen, ein herausfordernder Funke in dem Silber verborgen liegend.

„Woher glauben Sie zu wissen, dass ich etwas von Strohhut-ya möchte?“

 

Abfällig knurrte ich ihm leise zu, meinen rechten Arm dabei um Ruffy legend, der verwirrt zwischen mir und dem Grufti hin und her schaute. Beschützend zog ich meinen Bruder näher an mich heran, den fremden Kerl nicht aus den Augen lassend.

 

„Wer nachts allein mit einem Minderjährigen durch die Straßen läuft, ist für mich zwielichtig“, sprach ich meinen Gedanken aus, der Alkohol meine Zunge deutlich lockernd und meinen Verstand verschwommen werden lassend.

Dass Ruffy nicht hilflos war und sich sehr wohl verteidigen konnte, wusste ich. Doch geriet er durch seine Offenherzigkeit oftmals an die falschen Personen, weswegen ich seinen Bekanntschaften skeptischer gegenübertrat. Jeden Menschen, den er an sich heranließ, musterte ich mehr als zweimal.

 

Ich hatte nur ihn. Mein Bruder bedeutete mir alles.

Für Ruffy würde ich jederzeit durchs Feuer gehen.

 

Erneut wollte der Plüschmützenträger zum Sprechen ansetzen, eine seiner Augenbrauen war kritisch gehoben. Aber unterbrach ihn mein Bruder, dem ich sofort meine volle Aufmerksamkeit schenkte.

 

„Traffy und ich waren im Krankenhaus-“, riefen seine Worte sämtliche Alarmglocken in mir aus, sodass sich mein feindlicher Gesichtsausdruck in Erschütterung wandelte, während ich Ruffy an seinen Schultern packte und ihn wild durchrüttelte.

Meine Stimme spiegelte ebenso Entsetzen wieder, meine geöffneten Lippen eine Frage nach der anderen bildend.

 

„Was ist passiert, Ruff?! Geht es dir gut? Bist du krank? Was hast du-?!“

 

„Hypermobilität“, beantwortete mir der Fremde meine Frage in neutralem Ton.

„Strohhut-ya ist ein Gummi-Mensch.“

 

Ein Gummi-Mensch?

 

Also ist der Kerl sein... Arzt?

Und... hat ihm geholfen?

 

Als die Erkenntnis in meinen alkoholisierten Verstand einkehrte, überkam mich das Gefühl der Schuld. Sofort verbeugte ich mich tief vor dem Plüschmützenträger. Meine Stimme einen reumütigen Klang besitzend.

 

„Entschuldigung“, nahm ich meine fälschlichen Anschuldigungen zurück, meine Worte geprägt von absoluter Ehrlichkeit.

„Ich danke dir dafür, dass du meinem Bruder geholfen hast.“

 

„Ich habe lediglich meine Pflicht als Mediziner erfüllt“, erklärte er beiläufig, doch nahm sein Schmunzeln dabei einen stolzen Ausdruck an, bevor seine Stimme beruflich und autoritär wurde.

„Sorgen Sie dafür, dass er seine Termine zur Nachuntersuchung einhält.“

 

Damit ging er, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Ruffy und ich sahen ihm nach, bis er in die nächste Straße eingebogen war.

„Komm, Ruff-“

Gerade, als wir Nachhause gehen wollte, hörten wir plötzlich mehrere aggressive Stimmen, die aus der Richtung stammten, zu welcher der Arzt gegangen war.

 

Mein Bruder und ich sahen uns an, zeitgleich nickten wir uns zu, ehe wir losstürmten.

 

In der verdunkelten Seitenstraße erwartete uns das, was wir geahnt hatten:

Fünf Männer umringten den Arzt, ihn damit einkreisend. Zwei weitere lagen auf dem Boden, um sie hatte er sich bereits selbst gekümmert.

Drei von den übrigen Typen trugen Messer bei sich, die anderen beiden provisorische Holzknüppel.

 

Ruffy preschte vor, einem Messerträger kraftvoll in den Rücken tretend, mitten in den Kreis springend. Folgend von mir, dem ich einem Knüppelträger mit meiner Faust die Lichter auspustete.

 

Gute Träume...

 

Ruffy und ich standen Rücken an Rücken neben dem Arzt, bereit zum Kampf. Drei gegen Drei.

Die erhobenen Messer der beiden Männer blitzten kurz auf, der Dritte schlug seinen Knüppel provozierend in seine Handfläche, bevor ihr Angriff erfolgte.

 

Zwei Sekunden... drei synchrone Fausthiebe.

Dann küssten die Angeber den Staub zu unseren Füßen.

 

Das ist zu einfach gewesen..., dachte ich mir und erwiderte den undeutbaren Blick des Arztes.

Ob er sich bei uns bedanken wird-?

 

„Ich hätte diese Unannehmlichkeit auch ohne Hilfe beseitigen können... Nun stehe ich in eurer Schuld“, sagte er, gar genervt klingend, und seufzte stumm. Ehe er abermals wortlos seines Weges ging.

 

Doch würde ich ihn bald wiedersehen, weil ich mich dazu verpflichtet fühlte, meinen Bruder zu seinen Untersuchungen zu begleiten.

Als der Arzt aus unserem Sichtfeld verschwunden war, atmete ich schwer aus.

 

„Was für eine Nacht“, seufzte ich, Ruffy einen leicht besorgten Blick zuwerfend, bevor ich ihm grinsend mit meiner Hand neckisch sein schwarzes Haar verstrubbelte.

„Lass und Nachhause gehen, Ruff.“

 

 

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht,

dass Azurblaue Augen mich vom Dach aus beobachteten.

 

Sowie ich nicht merkte,

dass sich eine winzige Flamme

in meiner linken Brustseite entzündet hatte.

 

Ihre Wärme kaum spürbar, ihr Licht nur blass leuchtend.

Doch ihr hellblaues Feuer sich langsam immer weiter ausbreitend.

 

Sie brannte sich in mein Innerstes,

wie in ein Stück Papier, auf dem mein Name stand.

 

Still kämpfte sie gegen die Dunkelheit in meinem Herzen.

...Nicht ahnend, dass sie dabei selbst immer weiter verdunkelte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Hisoka_Hebi
2021-08-25T19:49:34+00:00 25.08.2021 21:49
Huhu,

Mir gefällt deine Geschichte bisher. Bin gespannt wie sie weiter geht :)
Antwort von:  blackNunSadako
26.08.2021 22:46
(ノ◕ヮ◕)ノ*:・゚✧
Ganz liebe Grüße an dich, liebe Hisoka ♥
Wow, was für eine wunderschöne Überraschung du mir gemacht hast. Vielen vielen Dank!🌷
Es ist so lieb von dir, dass du mir geschrieben hast - gleich zweimal❣ - und dazu noch zu einer Geschichte, die etwas älter ist. Das weiß ich wirklich zu schätzen. ♥ .///.
Du bist wirklich herzallerliebst!💐
Dankeschön. (⺣◡⺣)♡*


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