Prolog
Das Leben läuft nicht ab wie einem Film. Der Traummann spaziert nicht einfach gemütlich durch die Tür, zupft an einem romantisch beleuchteten Stadtpark an einem Brunnen sitzend seine Gitarrensaiten oder stolpert im Supermarkt natürlich nur versehentlich gegen dich und verstreut all deine Einkäufe um sie dann gemeinsam aufzulesen und dir dann das besagte Lächeln zu schenken, bei dem sofort das Herz aussetzt um dann doppelt so stark in ein Stakkato überzugehen. Der Star-Quarterback des College wirft dich nicht mit einem Tackle um, weil du ihm aufgrund deines umwerfenden Antlitz alles Rationale aus seinem Gedächtnis gepustet hast und er nicht einmal mehr die Kontrolle seines Körpers hat. Es wäre sicher nicht so gewesen, dass dieser typische Magnet-Effekt aufgekommen wäre, der dafür sorgte, dass man aneinander gezogen wurde wie Motten vom Licht. Und ganz gewiss war da kein verschmitztes Lächeln.
Das Leben verläuft, wie es nun mal verläuft. Und das ist es auch schon. Da gibt es dann keine Planung über die Möglichkeiten was wann passiert. Das war und ist das Leben, weil es eben kein Film ist. Und das war es auch nie zuvor. Das Leben passiert abrupt. Unerwartet.
In einem unbedeutenden Moment kann man vielleicht davon reden, dass man es vielleicht erwartet. Einen bestimmten Moment, den man sich schon seit der Kindheit herbei sehnt. Sogar darauf hinarbeitet. Beispielsweise den erträumten Beruf erlangen, Ziele erreichen, die Liebe finden. Weil man dann eben doch mit offenen Augen bemerkt, dass das Leben deine Pläne und Wünsche berücksichtigt.
Und wenn ich ehrlich bin, würde ich lügen zu verneinen, es mir einmal gewünscht zu haben, dass meine Liebe genau so über den Weg laufen würde, wie oben beschrieben. Ein Filmmoment, eine schöne Romanze, ein aufregender Actionstreifen, bei dem ich von Anfang an wusste, dass dieser Kerl das Mädchen bekam. Oder umgekehrt. Ich wäre selbstverständlich eine der Protagonisten.
Aber was wusste ich denn schon?
Das Leben passiert nicht wie im Film. Andererseits... je länger ich darüber nachdenke, desto mehr könnte man Parallelen ziehen.
Denn das, was mir im ersten College-Jahr passierte, war eigentlich der Auftakt eines amüsanten Filmes.
Mein erstes Semester, meine erste Party. Und das erste Mal, dass ich ihn sah. Auf der Toilette. Mit herunter gelassener Hose.
Ich wünschte, ich könnte etwas besseres als das erzählen, aber da war keine Liebe auf den ersten Blick. Kein aufgeregtes Schmetterlinge-im-Bauch-Gefühl. Es war kein romantisches Aufeinandertreffen zweier Menschen wie in eben besagten Kinostreifen. Natürlich hätte ich es mir auch anders gewünscht, wisst ihr? Er wäre auf dem Campus in mich hinein gelaufen, mir wären vor Schreck die Bücher aus den Händen gefallen. Er wäre auf die Knie gegangen, um das dickste und schwerste Biologiebuch der Welt aufzuheben und mir zu reichen, während ich mich im selbem Moment nach unten gebeugt hätte und dann wäre es passiert. Die Köpfe gegeneinander, ein überraschtes Auflachen trotz der Schmerzen im Kopf, aber dann wäre da dieser eine besondere Blick und dann, ja, der Rest wäre dann die Geschichte die jeder Filmliebhaber doch kennt, nicht wahr?
Ich bin mir sicher, dass ihr versteht was ich meine. Aber solch eine romantische Filmszene war es nicht.
Nein, überhaupt nicht. Nicht im Geringsten.
Der erste Blick galt seiner Körpermitte. Unsere erste Unterhaltung war ein unangenehmes Räuspern seinerseits, während er mit zusammen gezogenen Brauen alles verstaute, was verstaut werden musste.
Es war auch wirklich nur ein kleines "Schade eigentlich", das in meinem Kopf herum schwirrte.
Aber es war ein Anfang.
Leider überhaupt nicht in die oben geschilderte. Kein Bisschen Romantik.
So war es allerdings nun mal - das Leben ist abrupt. Und das war wie bereits gesagt erst der Anfang.
Der erste Eindruck ist der, der zählt. Und vielleicht hatte sich der erste Eindruck sehr in meine Gehirnwinden eingebrannt und ist geblieben. Nun, vielleicht. Oder definitiv vielleicht?