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SMS für dich...

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Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie war so dumm! Dumm, dumm, dumm! Dieses Wort zog sich wie zäher Kaugummi schon den ganzen Tag durch ihre wirren Gedanken und beschämt ließ sie ihren Kopf in die Handflächen sinken, als sie daran dachte, was ihr heute bevorstand. Warum hatte sie nur eingewilligt, mit Draco Malfoy auf ein Date zu gehen? Welcher Hippogreif hatte sie geritten? Und war es eventuell noch nicht zu spät, sich eine Ausrede einfallen zu lassen? All diese Gedanken machten sie wahnsinnig und stritten sich in regelmäßigen Abständen mit der Frage, was sie wohl anziehen sollte.
 

Er hatte sie herausgefordert, gestern Abend, als sie auf der Tower Bridge gestanden und er ihren Gryffindormut verhöhnt hatte. Irgendwie. Und sie hatte ihre kleinen Fäuste in die Hüften gestemmt und ihm Kontra gegeben, indem sie gesagt hatte, dass sie nichts lieber täte, als auf ein Date mit dem gar großartigen Draco Malfoy zu gehen und er sich besser etwas noch verdammt Großartigeres einfallen lassen sollte, um sie zu überzeugen, dass Dates auch anders ablaufen konnten. Und nun hatte sie den Salat, denn nicht nur, dass sich ihr Magen kontinuierlich im Kreis drehte, nein.  Sie wusste, dass sie sich tief in ihrem Inneren unbändig auf die Verabredung mit ihm freute. Und das machte ihr Angst. Sie war keine Idiotin – Hermine hatte schon vor einer Woche nach ihrem ersten Aufeinandertreffen mit dem blonden Malfoy-Erben festgestellt, dass von diesem Mann eine unglaubliche Anziehungskraft ausging. Wenn sie genau darüber nachdachte, war das wohl schon zu Schulzeiten der Fall gewesen, doch damals hatte seine Reinblüter-Attitüde zum Glück noch ihr Übriges dazu beigetragen, dass sie keinesfalls und unter gar keinen Umständen ebenso zu einem kichernden Fangirl hatte werden können, wie die, die sich sonst so in seinem Dunstkreis aufgehalten hatten. Beim Gedanken an Pansy Parkinson musste sie beinahe lachen.
 

Doch nun ging sie mit Draco Malfoy auf ein Date und dieser Gedanke rief gleichzeitig zu dem Angstschweiß in ihrem Nacken, auch ein vorfreudiges Kribbeln hervor, das sich langsam und stetig durch ihre Eingeweide fraß.

„Hermine, geht es dir denn gut? Du hast mir noch gar nicht erzählt wie deine Verabredung gelaufen ist.“ Luna hatte soeben die kleine, helle Küche betreten, an dessen Tisch Hermine gerade saß, leidend aufstöhnte und sich schon seit gefühlten Stunden verfluchte. Dumm, dumm, dumm!

„Das Date war… schrecklich um ehrlich zu sein“, überwand sie sich nun dazu, ihrer Freundin von dem seltsamen Abend zu berichten, der ihr nach wie vor in den Knochen steckte. „Dieser Typ war einfach nur selbstverliebt und so überhaupt gar nicht sympathisch. Vermutlich würde ich immer noch dort sitzen und mir sein egozentrisches Geschwätz anhören, hätte mich nicht Draco Malfoy gerettet.“ Jeder normale Mensch oder besser gesagt, jeder ihrer anderen Freunde, wäre auf diese Aussage hin rückwärts vom Stuhl gefallen vor Schock, nicht aber Luna, die ihr mittlerweile ruhig gegenübersaß und sie erwartungsvoll anblickte.

„Oh, das war aber nett von ihm, oder nicht?“

Hermine wollte lachen, weinen und schreien auf einmal. Sie liebte Luna, aber manchmal – ja manchmal, da wollte sie ihre Freundin einfach nur an den Schultern packen und schütteln. Sie schluckte.

„Ja, ich denke… uhm… das war es. Wir gehen heute aus.“

Wenn Luna erstaunt über diese Aussage war (was Hermine stark bezweifelte), so ließ sie sich nichts dergleichen anmerken, sondern zuckte lediglich mit den Schultern. „Das ist gut, vielleicht wird das dann ein besseres Date. Ich meine, es ist Draco Malfoy, da kann man denke ich schon etwas erwarten.“

„Luna!“, entfuhr es Hermine, doch zwischenzeitlich musste sie selbst kichern.

„Wann geht ihr denn aus?“

Ja und das war das Lustige daran und etwas, was Hermine schon den ganzen Tag beschäftigte. Nachdem sie quasi zugesagt hatte, mit Malfoy auf ein Date zu gehen, hatte er sich ihre Adresse nennen lassen und ihr prophezeit, er würde sie um vier Uhr am Nachmittag abholen. Welcher normale Mensch ging an einem Samstagnachmittag zu einer Verabredung? Wobei, es war Malfoy, da wunderte sie eigentlich nichts mehr.

„Um vier…“, murmelte sie darum, während ihre Gedanken schon wieder weit weg waren.

„Also in sechs Minuten?“, wollte ihre Freundin darauf leichthin wissen und nun war es Hermine, die beinahe rückwärts von ihrem Stuhl gefallen wäre. Was? Wie konnte sie nur so die Zeit vergessen? Ihr geschockter Blick auf die Uhr war jedoch ernüchternd.

„SCHEISSE!“, rief sie aus, warf beim Aufspringen beinahe ihre Teetasse um und hetzte wie von der Tarantel gestochen in ihr Zimmer.

 

***
 

„Hallo, Draco Malfoy!“ Drei kleine Worte einer simplen Begrüßung, die ihn jedoch genauso aus der Bahn warfen, als würde Voldemort persönlich vor ihm stehen. Nicht, dass er Luna Lovegood mit dem dunklen Lord vergleichen würde. In seinem Kopf formte sich jedoch, ob er wollte oder nicht (und er wollte eindeutig nicht!), das Bild vom Dunklen Lord mit Radieschen-Ohrringen und schnell schüttelte er den Kopf, um diesen doch höchst verstörenden Gedanken schnellstmöglich zu vertreiben.

„Lovegood?“, brachte er dann letzten Endes doch noch hervor und senkte seine Hand, die noch immer vor ihm in der Luft schwebte und mit der er gerade an die Tür hatte klopfen wollen, ehe sie schon davor geöffnet worden war.

„Du bist pünktlich. Das ist schön“, lächelte die junge, blonde Frau vor ihm, die er schon während seiner Schulzeit höchst seltsam gefunden hatte und die es, auch noch nach all den Jahren, schaffte, ihn zu verwirren. „Komm doch rein. Ich glaube Hermine müsste demnächst fertig sein. Sie schien mir etwas nervös. Möchtest du etwas trinken?“ Und mit diesen Worten hatte sie ihn schon in eine kleine aber freundlich eingerichtete Küche geführt. Draco lehnte dankend ab und beschränkte sich darauf, sich an die Wand neben der Küchentüre zu lehnen und Lovegood zu beobachten. Und sich zu wundern. Darüber, warum Hermine Granger wohl mit dieser ganz und gar gegensätzlichen Person unter einem Dach lebte. Komischerweise fand er die Tatsache jedoch auf verquere Art und Weise beruhigend.

„Wie lange wohnt ihr schon zusammen?“, fragte er, nur, um überhaupt etwas zu sagen. Er war geübt in Smalltalk, doch bisher hatte er noch nie eine Konversation mit Lovegood führen müssen. Hoffentlich war Granger bald fertig, um dieses Mal ihn zu retten.

„Seit Ronalds Tod. Einige Tage später ist sie glaube ich, eingezogen. Leider ist sie viel zu ordentlich, denn immer, wenn sie einen Putzanfall bekommt, finde ich danach gar nichts mehr“, seufzte die junge Frau vor ihm, die gerade dabei war, sich einen Tee zuzubereiten, aus seltsam tentakelähnlichem Gestrüpp. Sie schien seinen zweifelnden Blick erkannt zu haben. „Spulwurzeln“, klärte sie ihn darum wie selbstverständlich auf und zeigte auf ihren Tee. Er ging nicht darauf ein. „Aber ansonsten ist sie eine tolle Mitbewohnerin. Solltet ihr eines Tages heiraten und zusammenziehen wollen, wirst du auf jeden Fall immer duftende und vorgewärmte Handtücher im Badezimmer finden. Dieser Zauber ist ihre Spezialität, ich glaube, den hat sie selbst entwickelt.“

Dracos Gesichtszüge entgleisten und er war froh, dass er ihr Angebot eines Getränks abgelehnt hatte, denn sonst hätte er sich womöglich daran verschluckt und wäre auf der Stelle erstickt. Bitte was?

„Luna?“, hörte er Grangers Stimme aus einem anderen Teil der Wohnung und er dankte Gott im Stillen, dass sie ihn scheinbar erlösen würde. Zugegeben, er war trotz allem nervös. Mehr als das. Er konnte sich nicht erklären, warum er Granger um ein Date gebeten hatte. Nein, zu einem Date herausgefordert, träfe es wohl eher. Aber noch weniger erklären konnte er sich, warum ihn die Tatsache nervös machte, dass Granger sich den ganzen Tag noch nicht gemeldet hatte. Nicht bei ihm, versteht sich, sondern bei Weasley. Dennoch, er hatte den ganzen Tag keine einzige Nachricht von ihr erhalten und wusste nicht, was er davon halten sollte. War es ihr vielleicht nicht wichtig genug, um ihrem verstorbenen Freund von ihrer Verabredung zu erzählen? Schämte sie sich eventuell? Oder hatte sie es schlicht und ergreifend vergessen, weil sie damit beschäftigt gewesen war, sich über diese Unfassbarkeit Gedanken zu machen? Er hoffte Letzteres.

„Küche!“, unterbrach ihn Lovegood in seinen Gedanken, doch da war Granger schon an ihm vorbei gerauscht und stand nun mit dem Rücken zu ihm inmitten des kleinen Raums und schien aufgebracht.

„Welcher Teufel hat mich bitte geritten, mich ausgerechnet mit Draco Malfoy zu verabreden? Ich hab weder irgendetwas anzuziehen, noch hab ich eine Ahnung, was ich mit ihm reden soll, verdammte Scheiße. Ich meine, der Typ ist früher so arrogant gewesen und hochnäsig und jetzt ist er das vielleicht immer noch aber Luna, du hättest ihn sehen sollen. Er sieht so gut aus! Jede verdammte Haarsträhne fällt dem Idioten perfekt ins Gesicht und ich bekomm nicht mal einen Lidstrich gezogen.“ Granger hatte nach dem letzten Satz ihre Hände in einer wirklich theatralischen Geste in die Luft geworfen und ein genervtes Stöhnen folgte ihren Worten. Draco musste sich wahrlich ein Lachen verkneifen und gleichzeitig fragte er sich, warum Lovegood nicht bereits wiehernd am Boden lag, doch die runzelte nur die Stirn und betrachtete ihre Mitbewohnerin aufmerksam.

„Aber du hast doch etwas zum Anziehen gefunden?“, stellte sie verwundert fest und begutachtete die Kleidung ihrer Freundin, die aus hellen Jeans und einem dunkelroten Top bestand. Eigentlich schade, dass sie etwas gefunden hatte, schoss Draco der Gedanke durch den Kopf, denn kurz flackerte vor seinem inneren Auge das Bild von Granger in Unterwäsche auf und er verpasste sich eine imaginäre Kopfnuss. „Außerdem…“, fuhr Lovegood ungerührt fort „kannst du mit ihm sicher über so einiges reden. Er scheint mir auch ganz und gar nicht mehr arrogant, wenn du mich fragst. Außerdem ist er ein sehr pünktlicher Mensch.“ Nun konnte Draco ein leises Glucksen nicht mehr zurückhalten und selbstverständlich hatte Granger es gehört. Er bemerkte, wie ihr kompletter Körper zur Salzsäule erstarrte.

„Malfoy steht hinter mir, richtig?“, wimmerte sie nun, traute sich aber offensichtlich nicht, sich umzudrehen.  

„Ganz genau“, sagte er amüsiert. „Und der Idiot ist der Meinung, dass du heute keinen Lidstrich brauchst, Granger.“

 

***
 

Hermine wollte im Erdboden versinken. Sie wollte mit ihren eigenen Händen ein großes Loch graben, kopfüber hineinspringen und erst nach einer Million Jahren wieder rauskommen. Es war so peinlich und noch viel schlimmer war, dass Malfoy einfach gar nichts dazu sagte. Er hatte ihr angewiesen bequeme Schuhe anzuziehen und ihr die Tür aufgehalten, während sie noch einen wütenden Blick in Lunas Richtung abgeschossen und ihre Tasche sowie Jacke von der Garderobe geschnappt hatte. Doch natürlich war es weder Lunas noch Malfoys Verschulden, dass sie geradewegs mit Anlauf in das erstbeste Fettnäpfchen rannte, das sich auftat. Hermine fasste sich ein Herz.

„Malfoy, es tut mir l - “

„Nein, Granger. Entschuldige dich nicht für etwas, dass du gesagt hast, das hat keinen Zweck, wenn du es in dem Moment so gemeint hast.“

Sie stutze, während er sie in eine kleine Seitenstraße lotste, wahrscheinlich um ungesehen apparieren zu können. Das hoffte sie zumindest. Doch sie traute ihm nicht zu, dass er sie einfach fernab von Augenzeugen umbrachte. Zumindest nicht mehr.

„Okay.“ Sie atmete einmal tief ein und wieder aus.  

„Außerdem hast du gesagt, dass du mich gutaussehend findest und das kannst du unmöglich nicht so gemeint haben.“ Sein unverschämtes Grinsen half ihr zumindest insofern, dass das schlechte Gewissen ein wenig abflaute. Aber im gleichen Moment war sie ihm auch dankbar, denn er hatte es innerhalb weniger Sekunden geschafft, die angespannte Stimmung zu lockern. Malfoy wartete jedoch keine Antwort von ihr ab, sondern reichte ihr lediglich seinen Arm und Hermine hatte nicht einmal mehr Zeit, zu fragen wo es denn hinginge, da spürte sie schon den unangenehmen Sog, den das Apparieren mit sich brachte. Sie hatte diese Art von Fortbewegung noch nie sonderlich leiden können. Die schnellen Bilder, die an einem vorbeizogen, der schiere Verlust von Zeitgefühl und der Schwindel, der meist noch einige Minuten nach dem Apparieren anhielt, trugen ihr Übriges dazu bei. Doch es dauerte keine drei Sekunden, ehe sie bereits wieder festen Boden unter den Füßen hatten, worüber sie mehr als nur dankbar war.
 

Sie waren nicht mehr in der Stadt, das war das erste, was Hermine auffiel, während sie sich interessiert umsah. Sie standen vor einem grobmaschigen Zaun, hinter dem sie eine Art… Parcours ausmachte (ihr fiel wirklich kein besseres Wort ein) und dieser ging etwa fünfzig Meter weiter hinten in ein kleines Waldstück über. Das Seltsame war allerdings, dass alles ziemlich… bunt war. Ein Gedanke formte sich in ihrem Kopf, denn sie erinnerte sich dunkel, dass sie hiervon schon einmal gehört hatte, doch noch ehe sie auf des Rätsels Lösung kam, hatte Malfoy sie einige Meter an dem Zaun entlang gelotst und seine Stimme erhoben.

„So, bereit für die Abreibung deines Lebens?“, wollte er wissen und bedachte sie mit einem Blick, den sie irgendwo zwischen vorfreudig und hinterlistig eingeordnet hätte. Hermine sah sich genauer um. Dort, ein paar Meter weiter rechts stand eine kleine Hütte mit einem Schild „Anmeldung“ und im Fenster saß ein junger Kerl, der ihnen freundlich lächelnd zunickte. Sie besah sich den Parcours genauer und noch während sie auf die vielen, bunten Farbkleckse starrte, die überall und an jedem Gegenstand hafteten, weiteten sich ihre Augen in geschockter Überraschung.

„Du gehst mit mir Paintball spielen?“ Okay, sie wusste nicht WAS sie erwartet hatte, doch das hier war es mit einhundertprozentiger Sicherheit nicht gewesen. Eines musste man Draco Malfoy aber auf jeden Fall lassen, er machte keine halben Sachen und an Einfallsreichtum mangelte es ihm anscheinend auch nicht.

„Ja, ich dachte, was wäre besser geeignet für uns beide, als sich gegenseitig zu beschießen?“, sagte er mit einem vorfreudigen Glitzern in den sturmgrauen Augen und Hermine hätte das Lachen, das nun aus ihr herausbrach, nicht einmal unter Kontrolle halten können, hätte sie das vorgehabt.
 

Schon wenige Minuten später fand sie sich in voller Kriegsmontur, bestehend aus Schutzweste, Visier und Mundschutz mit einem Gewehr in der Hand gegenüber von Malfoy stehen, der selbstverständlich dieselbe Schutzkleidung trug, damit aber auf eine unverschämte Art und Weise immer noch gut aussah. Hermine war sich sicher, dass sie im besten Fall dämlich aussehen musste und ärgerte sich kurz über die Tatsache, dass sie sich überhaupt Gedanken um ihr Aussehen machte. Dumm, dumm, dumm!

„Heiß, Granger. Vor allem, wenn du so wütend dabei schaust“, vernahm sie die, durch seinen eigenen Mundschutz gedämpfte, Stimme von Malfoy und ärgerte sich noch mehr.

„Besser du bist schnell!“, knurrte sie ihm aus zusammengebissenen Zähnen entgegen, während sie mit ihrem Gewehrlauf direkt zwischen seine Augen zielte, doch alles, was er darauf erwiderte, war ein tiefes Lachen und nur einen Augenblick später war er schon zwischen zwei riesigen Heuballen verschwunden. Hermine schüttelte den Kopf. Das war verrückt. Das war absolut und auf jede erdenkliche Art und Weise, wie etwas überhaupt verrückt sein konnte, verrückt. Sie starrte einen kurzen Moment auf das Gewehr in ihrer Hand und musste schmunzeln, denn selbstverständlich hatte sie zu den roten Farbkugeln gegriffen, während Malfoy sich die grünen geschnappt hatte. Sie dachte an ihre gemeinsame Zeit in Hogwarts zurück. Konnte ein Mensch sich so sehr ändern? Hatte sie selbst sich geändert in all den Jahren? Musste wohl so sein, denn sonst würde sie wohl kaum ausgerechnet mit ihm zu einer Verabredung gehen. „AU!“, schrie sie dann plötzlich überrascht auf und blickte in Lichtgeschwindigkeit an sich herab. Ein grüner Farbklecks prangte auf ihrem Oberschenkel und Hermine war sich sicher, dass sie an dieser Stelle spätestens Morgen einen monströsen, blauen Fleck vorfinden würde.

„Willst du da Wurzeln schlagen, Granger?“, hörte sie seine Stimme von weiter weg, doch auch mit zusammengekniffenen Augen konnte sie ihn nirgends ausmachen. Adrenalin rauschte durch ihren Körper und ein vorfreudiges Surren breitete sich in ihrem Inneren aus, während sie sich so vorsichtig und aufmerksam wie nur möglich in Malfoys Richtung schlich. Wenn er Krieg wollte, sollte er ihn bekommen.

 

***
 

Heftig keuchend lag Draco nur eine dreiviertel Stunde später hinter einem Erdwall in dem kleinen Waldstück versteckt und prüfte, ob er noch genug Munition in seiner Waffe hatte. Natürlich hatte er gewusst, dass Granger kein leichter Gegner sein würde, doch die Verbissenheit, mit der sie ihn jagte und mit der sie kämpfte, war beinahe schon beängstigend. Auf jeden Fall aber war es beeindruckend. Zwischenzeitlich waren sie beide übersät mit roten und grünen Farbklecksen und er war sich sicher, dass seine helle Haut morgen in den herrlichsten Blau- und Grüntönen leuchten würde, an den Stellen, wo er keine Schutzkleidung trug, aber diese Schlacht mit Granger war es definitiv wert. Er hatte doch tatsächlich Spaß und das hätte er in seinen kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten.

„Komm raus, Frettchen und stell dich! Du hast keine Chance!“, hallte ihre klare Stimme durch den Wald und Draco gluckste leise, während er seinen Kopf ein paar Zentimeter anhob um über den niedrigen Erdwall zu spähen. Da stand sie, inmitten der nächsten Baumgruppe, mit dem Rücken zu ihm, ihr Gewehr im Anschlag und er fackelte nicht lange, setzte an, zielte und betätigte den Abzug. Gut, es war nicht gerade die feine englische Art, einer Frau in den Rücken zu schießen, aber Granger zählte irgendwie nicht. Er war sich zwar noch nicht ganz sicher, was Granger für ihn war, aber eins war sie definitiv: gnadenlos. Nur Millisekunden, nachdem sein Geschoss sie genau zwischen die Schulterblätter getroffen hatte, wirbelte sie in beinahe unmenschlicher Geschwindigkeit herum und hatte ihn einen Wimpernschlag später auch schon entdeckt.

„Fuck“, flüsterte Draco, als sie sie nun zu einem Sprint ansetzte, geradewegs in seine Richtung und er konnte gar nicht so schnell aufspringen und das Weite suchen, wie Granger mit einem geradezu riesigen Satz über den Erdwall geflogen kam. Sein Vorsprung war lächerlich doch sein Glück war, dass sie zu nah an ihm dran war, um mit dem Gewehr auf ihn zu zielen. Scheinbar sah Granger das ähnlich, denn in eben dieser Sekunde nahm er im Augenwinkel wahr, wie sie es in hohem Bogen davon warf und in der nächsten landete er auch schon, mit dem Gesicht voraus, im Dreck, denn sie hatte ihn mit einem Hechtsprung zu Boden gerissen und thronte nun triumphierend auf seinem Rücken.

„HA!“, stieß sie aus, zu mehr war sie offensichtlich nicht fähig, denn auch ihr Atem ging schwer und keuchend. Es tat ihm beinahe leid, was er nun tun musste. Aber nur beinahe. Rasend schnell hatte er sich unter ihr weggedreht, sie an der Hüfte gepackt und sie zur Seite geworfen. Flink griff er danach wieder zu seiner eigenen Waffe, die er für diese Aktion hatte loslassen müssen und noch ehe Granger die Chance hatte aufzustehen, war er zu ihr herum gerollt und zielte mit dem Lauf seines Gewehrs auf Höhe ihres Brustbeins.

„Selber HA!“, grinste er und schob sich sein Visier samt Mundschutz von seinem verschwitzten Gesicht. Hermine tat es ihm gleich und ließ sich unter einem langgezogenen Seufzen rücklings in das weiche Erdreich fallen.

„Okay, du hast gewonnen“, sah sie kurze Zeit später ein und er legte nun seine Waffe weg und betrachtete sie. Ihr Äußeres hatte in der letzten Stunde mindestens genauso sehr gelitten wie sein eigenes, denn neben den ganzen grünen Farbklecksen war sie über und über voller Erde, ihre wildgelockten Haare wurden von grünen Strähnen durchzogen und auch sonst sah sie recht lädiert aus. Ein auffälliger Kratzer an ihrem Unterarm weckte seine Aufmerksamkeit.

„Vielleicht sollten wir dich erst mal wieder zusammenflicken“, murmelte er, doch sie hatte ihn wohl verstanden und folge seinem Blick, der nach wie vor auf ihrem Arm lag.

„Das ist nichts“, grinste sie nun, während sie sich ihre Kriegsverletzungen besah und lächelte. Und dann sah sie ihn direkt an und ihr Lächeln galt nun voll und ganz seiner Person. Draco schluckte. „Danke, Malfoy. Ich weiß nicht, wann ich mich das letzte Mal so aufgekratzt gefühlt habe. Das war super!“

„Vielleicht solltest du deine Anmerkung von gestern, mit dem aus dem Fenster lehnen nochmals überdenken, hm?“ Er versuchte es. Er versuchte es wirklich, doch es wollte ihm nicht so ganz gelingen. Er schaffte es nicht, seine überhebliche Maske aufzusetzen und wenn ihn nicht alles täuschte, dann hatte Granger ihn so oder so schon durchschaut. Warum sollte er leugnen, dass er dieses Date, oder wie auch immer man diese überraschende Begebenheit zwischen Ihnen auch sonst nennen mochte, genoss? Zum Teufel mit dem ganzen Vergangenheitsquatsch von wegen Reinblut-, Schlammblut-, Slytherin- und Gryffindor-Getue.

„Nein, mir wurde gesagt, ich soll mich nicht für etwas entschuldigen, was ich in dem Moment so gemeint habe. Ich halte mich also an die Regeln, Draco.“ Sein Herz schwoll an. In eben dieser Sekunde wusste er einfach, dass er ein gewaltiges Problem hatte und nichts, aber auch rein gar nichts dagegen tun konnte. Er versuchte schon die ganze Zeit, das Bild dieser Granger, die er durch ihre Nachrichten und nun auch in Person kennengelernt hatte, mit dem nervigen, besserwisserischen Mädchen mit dem Vogelnest auf dem Kopf von früher in Einklang zu bringen, doch es wollte ihm ums Verrecken nicht gelingen. Diese Granger hier war anders. Vielleicht war auch er es, der sich verändert hatte, wer konnte das schon genau wissen?

„Touché“, antwortete er schnell, um sich nicht noch weiter mit seinen Gedanken auseinandersetzen zu müssen. Das war zermürbend und strapazierte nur unnötig seine Nerven. In einer fließenden Bewegung erhob er sich anschließend vom Boden und hielt Hermine seine Hand entgegen, die sie ohne zu zögern ergriff.

„Lass uns verschwinden, ich hab genug davon, dich zu besiegen.“ Und in Wirklichkeit wusste er, dass sie es war, die ihn in die Knie gezwungen hatte.

 

***
 

„Wo gehen wir hin?“, wollte Hermine einige Zeit später wissen, während sie gemütlich durch die weniger belebten Gassen von London liefen. Sie waren außerhalb des Zentrums und verstohlen beobachtete sie Draco aus dem Augenwinkel heraus und fragte sich, wie ein Mensch es nur schaffen konnte, selbst beim Tragen von ein paar Pappkisten voller Asia-Fastfood und mit Resten roter Farbe im Haar noch so perfekt auszusehen. Der Ratzeputz Zauber hatte zwar sein Übriges getan, aber die ganz hartnäckigen Farbkleckse hatten sie beide nicht komplett entfernt bekommen. Hermine war überrascht, dass ihn das überhaupt nicht zu stören schien. Sie hätte ihn eher pingelig und irgendwie… schmutzallergisch eingeschätzt. Er schaffte es doch tatsächlich am laufenden Band, sie zu überraschen. Wenn sie ganz ehrlich mit sich selbst war, dann hatte sie vermutet, dass Malfoy sie in ein teures Restaurant schleifen würde, eins, wo es vielleicht das beste Steak in ganz London gab oder sonst irgendetwas Abgehobenes, um Eindruck zu schinden. Das wirklich Lustige an der Sache war allerdings, dass er im Moment den größten Eindruck, verdreckt und mit Fastfood in den Händen, bei ihr hinterließ.

„Wir sind schon da“, beantwortete er ihre Frage nicht wirklich und blieb vor einem hübschen viktorianischen Gebäude mit hellblauem Anstrich stehen. Sie liebte diesen Baustil und besonders gefiel ihr diese Ecke von London. Sie war zwar noch nicht oft in Notting Hill gewesen, aber die Gegend war mit Sicherheit eine der schönsten in der ganzen Stadt.

„Hier wohnst du?“ Hermine versuchte nicht einmal, ihre offensichtliche Überraschung zu verbergen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er sie mit zu sich nach Hause nehmen würde und ehrlichgesagt wusste sie auch nicht so recht, was sie davon halten sollte.

„Seit zwei Jahren jetzt.“ Draco zog seinen Zauberstab aus der Innentasche seiner Jacke und tippte damit einmal gegen die Eingangstüre, die auch sogleich, begleitet von einem leisen Klicken, aufsprang, während er die Kartons mit dem Essen umständlich in einer Hand balancierte. Hermine nahm sie ihm ab und ging langsam hinter ihm her, während er sie durch einen schmalen Flur lotste, der direkt in einem großzügig geschnittenen Wohnzimmer endete. „Du kannst das Essen einfach auf den Tisch vor dem Sofa abstellen“, meinte er dann und war auch schon dabei, in einer Schublade der angrenzenden, offenen Küche herum zu kramen. Sie tat wie ihr geheißen und kaum hatte sie die Schachteln abgestellt, begann sie sich interessiert umzusehen. Helle, moderne Möbel in Kombination mit antiken Stücken, minimalistisch eingerichtet aber dennoch gemütlich. Riesiges Sofa, Muggel TV-Gerät in Übergröße, keine Bilder an den Wänden, dafür aber ein großes, silbernes Slytherinwappen an der Wand über dem Sofa, welches Hermine laut auflachen ließ.

„Ist das dein Ernst mit dem Wappen?“, kicherte sie immer noch, als er bereits mit Besteck, Gläsern und einer Flasche Wein wiederkam und alles zu den Schachteln mit dem roten Aufdruck von „Hong Lee“ auf den winzigen Wohnzimmertisch stellte.

„Granger, sowas nennt sich Hausstolz. Nur weil ihr Gryffindors keinen Grund dazu habt… - HEY!“ Empört sah er nun auf Hermine hinunter, die ihm soeben einen gut platzierten Schlag auf den Oberarm verpasst hatte.

„Pass auf, was du sagst!“, sprach sie eine, nur zur Hälfte ernst gemeinte, Warnung aus und zögerte kurz, als Draco sich einfach auf den Boden zwischen Sofa und Tisch sinken ließ.

„Auf Granger, worauf wartest du? Das Essen wir kalt und ich habe die Befürchtung, dass du aggressiv wirst, wenn du Hunger hast“, sagte er beiläufig und hatte sich schon an der Weinflasche zu schaffen gemacht. Einer Weinflasche, die aussah, als hätte sie den Gegenwert von Hermines Monatsmiete, wohlgemerkt, doch dann rief sie sich in Erinnerung, mit wem sie hier gerade ihre Zeit verbrachte und schüttelte den Kopf. Beinahe hatte er es geschafft, sie vergessen zu lassen, wer er war und wie unterschiedlich sie sich eigentlich waren. Eines musste man ihm jedoch neidlos zugestehen, er wusste ganz genau, was er tat. Nicht, dass er übermäßig mit Komplimenten um sich werfen würde oder so, nein, es schien ihr, als hätte er genau gewusst, welche Art von Verabredung ihr gefallen würde und Draco Malfoy ohne die tyrannische, überhebliche Reinblüter-Attitüde, war eine überraschend angenehme Gesellschaft. Mit einem Grinsen kickte Hermine sich die Schuhe von den Füßen und ließ sich nun neben ihn auf den flauschigen, grauen Teppich fallen.

„Was ist so amüsant?“, wollte Draco wissen, während er ihr eine der Schachteln vor die Nase schob und ihr eine Gabel reichte.

„Alles, irgendwie. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass du mich zum Paintball mitnimmst und ich anschließend auf deinem Fußboden sitze und Fastfood esse“, schmunzelte sie. „Du hast übrigens eine schöne Wohnung.“ Scheinbar hatte sie ihre letzten Wörter mit zu viel Verwunderung in der Stimme ausgesprochen, denn Draco zog nun eine Augenbraue in die Höhe und sah sie tadelnd an.

„Was dachtest du, wie ich wohne? In einem feuchten Kerker mit ein paar Fackeln an den Wänden?“

„Nein, natürlich nicht“, beeilte sie sich schnell zu sagen, doch um ehrlich zu sein, flackerte im Moment ein nur zu deutliches Bild von Malfoy Manor vor ihrem geistigen Auge auf. Er schien ihre Gedanken erraten zu können und schnaubte amüsiert auf.

„Guten Appetit, Granger.“

 

***
 

„Ich bekomm keinen Bissen mehr runter!“, stöhnte Hermine und schloss die Augen, während sie sich nach hinten gegen die Sitzfläche des Sofas fallen ließ. Draco beobachtete sie einen Moment eingehend und dachte sich nicht zum ersten Mal an diesem denkwürdigen Tag, dass Granger sich verändert hatte. Damals, in Hogwarts, hatte sie immer einen beinahe gehetzten Eindruck auf ihn gemacht. Heute jedoch sah sie geradezu entspannt aus und er fragte sich, woran das wohl liegen mochte. Hatte sie sich so sehr gewandelt? Oder war er es tatsächlich selbst, der mittlerweile eine andere Sicht auf die Dinge hatte? Gut möglich, denn woher sonst kamen diese seltsamen Gedanken, die er hatte, wenn er Granger ansah?

„Was ist?“, riss sie ihn aus seinen Gedanken und sah ihn argwöhnisch an. Er wünschte sich, sie würde ihn anders ansehen. Wie genau musste er allerdings selbst noch herausfinden.

„Nichts. Du siehst entspannt aus“, sprach er seinen Gedanken von zuvor aus und mit diesen Worten erhob er sich und sammelte die halbleeren Pappschachteln und das Besteck vom Tisch um es hinüber in die Küche zu tragen, in der er um ehrlich zu sein, noch nicht ein einziges Mal selbst gekocht hatte. Er konnte ihren Blick auf sich ruhen spüren und machte den Fehler, ihr direkt in die Augen zu sehen, die ihn nachdenklich anfunkelten.

„Ja, seltsamer Weise fühle ich mich auch so. Danke für den Tag, Malfoy. Ich hatte wirklich Spaß… seit langem einmal wieder.“

Scheiße. Er war ja sowas von geliefert. Draco wusste, dass es eine dumme Idee gewesen war, Hermine Granger zu daten. Er hatte schon viele Dummheiten in seinem Leben begangen, das konnte er nicht abstreiten, doch keine hatte sich bisher gleichzeitig so richtig angefühlt. Er war überfordert mit alldem. Genauso gut konnte er es sich jedoch auch eingestehen, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte, denn es änderte ja nichts an der Tatsache. Und er hatte keine Ahnung, warum dem so war. Bei all seinen wirren Gedanken hatte er scheinbar verpasst, ihr zu antworten und räusperte sich nun, während er langsam zu ihr zurückging und da sie immer noch auf dem Boden, eingequetscht zwischen Tisch und Sofa, dasaß, sah er auf sie herab.

„Also ab sofort liegt es in deinem Ermessen Granger, ob ich dich nach Hause bringen soll oder ob du hierbleibst, damit wir noch mehr Spaß haben können.“ Er konnte einfach nicht anders, als ein dreckiges Grinsen aufzusetzen und anzüglich mit den Augenbrauen zu wackeln, was den gewünschten Effekt hatte, denn sofort entgleiste ihr Gesicht auf herrlichste Art und Weise und Draco lachte über ihr empörtes „Was?“, während er die zwei Meter zum Fernseher hinüberging, eine der Schubladen des Schranks öffnete auf dem dieser stand und zwei Controller seiner Spielekonsole herauszog. Zugegeben, er hatte so einiges aus der Muggelwelt schätzen und lieben gelernt in den letzten Jahren. Auch wenn Mobiltelefone eindeutig nicht dazu gehörten. Wobei er das vielleicht doch nochmal überdenken sollte, wenn er es sich genauer überlegte.

„Hier!“ Grinsend warf er ihr einen davon entgegen und Hermine fing ihn perplex auf. „Natürlich nur, wenn du dich traust, wieder gegen mich zu verlieren.“

„Dein Ernst? Du besitzt eine Playstation? Was zur Hölle hast du mit Malfoy dem Muggelhasser gemacht?“

„Den gibt’s schon lange nicht mehr. Manche Dinge sind wirklich ganz praktisch“, zuckte er lediglich mit den Schultern und warf den Fernseher an.

 

***
 

„Das gibt’s doch einfach nicht! ICH bin bei Muggeln aufgewachsen und sollte dich hierbei platt machen, nicht umgekehrt!“, rief Hermine einige Zeit später genervt aus. Mittlerweile saßen sie gemütlich auf dem Sofa, die Weinflasche war bis zum letzten Tropfen geleert und Hermine fühlte sich angenehm beschwingt. Sie hatten die letzten zwei Stunden damit zugebracht, sich durch diverse Videospiele zu spielen und in ausnahmslos jedem hatte Malfoy sie geschlagen. Ihr Weltbild war komplett im Eimer und womöglich würde es sich auch nie wieder rekonstruieren lassen. Gut, vielleicht lag es zu einem großen Teil auch daran, dass sie sich einfach auch nicht genug konzentrieren konnte, denn Malfoy brachte sie, alleine durch seine bloße Anwesenheit, komplett aus dem Konzept. Er war zu nah. Viel zu nah! Nach dem letzten Schubs, den sie ihm verpasst hatte, weil er sie mit seinem Auto von der Rennstrecke gerammt hatte, war er einfach noch dichter zu ihr aufgerückt und nun berührten sich ihre Oberschenkel. Auch, wenn das eigentlich keine große Sache sein sollte, es brachte sie beinahe um den restlichen Verstand. Den, der ihr immer wieder versuchte einzuflüstern, dass es Draco Malfoy war, der hier neben ihr saß, doch es war erstaunlich einfach, diese nervige Stimme in ihrem Kopf zu ignorieren. Ihr Bein kribbelte an der Stelle, an dem seines sie berührte und sie konnte auch dieses nervöse Flattern in ihrem Magen nicht leugnen, das sich meist dann meldete, wenn sie ihn einmal mehr verstohlen von der Seite her ansah. Der Drang, sich an ihn zu lehnen und seinen Duft zu inhalieren wuchs von Minute zu Minute zu einem unstillbaren Bedürfnis in ihrem Inneren heran und Hermine hoffte inständig, dass er ihr nichts anmerken würde.  

„Du bist einfach kein Gegner, Granger“, seufzte er theatralisch und warf seinen Controller neben sich auf die Sitzfläche, während das Bild auf dem Fernseher Hermines kaputten Wagen zeigte, der gerade dabei war, abzufackeln.

„Gibt es denn irgendwas, was du nicht kannst? Ich könnte ein Erfolgserlebnis gebrauchen“, grinste Hermine, während sie ihren Controller ebenfalls zur Seite legte und ihn ansah. Was ein Fehler war, wie sie auch sofort feststellen musste, denn sein Blick zog sie sofort in seinen Bann und wieder stellte sie mit klopfendem Herzen fest, dass er viel zu nah war und doch nicht nah genug.

„Ich bin ein ganz miserabler Küsser“, gab Malfoy nun zur Antwort und seine Augen funkelten bei diesen Worten belustigt. Ihr Herz setzte für einen Schlag aus, nur um danach stolpernd davon zu rennen.

„Wirklich? Warum kann ich dir das nicht so recht glauben?“, hauchte sie und versuchte gleichzeitig, das Chaos in ihrem Inneren unter Kontrolle zu halten, doch vergeblich.

„Oh doch, du wärst überrascht…“ Auch seine Stimme war nicht mehr ganz so fest wie noch einige Sekunden zuvor und dann, ohne sie nochmal zu Wort kommen zu lassen, legte er seine Lippen auf ihre. Hermine starb in diesem Moment tausend Tode, nur um daraufhin aus der Asche zu steigen und davon zu fliegen. Eine Sehnsucht, von der sie bis eben nicht gewusst hatte, dass diese tief in ihr verankert zu sein schien, wurde von Malfoys Mund auf ihrem an die Oberfläche gezogen und schwappte über Hermine hinweg wie eine mächtige Welle, von der sie sich, ohne weiter darüber nachzudenken, mitreißen ließ. Sämtliches Denken war plötzlich unwichtig. Ein Ruck ging durch ihren Körper, als er seine rechte Hand in Ihren Nacken führte um sie noch dichter zu sich zu ziehen und mit einer Heftigkeit, die sie sich selbst nie zugetraut hätte, erwiderte sie seinen Kuss. Das ungezügelte Verlangen, das sich durch ihre Eingeweide fraß wie flüssige Lava, war ihr gänzlich unbekannt und sie war mehr als nur überrascht über das Gefühl, das dieser Kuss in ihr hervorrief. Sie konnte nicht mehr klar denken. Weder in dem Moment, in dem sie aufbegehrte und sich geradezu auf ihn stürzte, noch in dem Moment, in dem er sie auf seinen Schoß zog und den Kuss vertiefte. Hermine verlor sich in dem Gefühl seiner Hände auf ihrem Rücken, in seinem Geruch und ihr ganzes Universum fiel krachend in sich zusammen nur um Sekunden später von neuem zu explodieren. Jegliches Zeitgefühl war ihr abhandengekommen, doch es scherte sie nicht, ob Sekunden, Minuten oder gar Jahrzehnte vergangen waren. Alles was zählte, war, dass sie hier war, bei ihm. Sie fühlte sich ganz. Nicht mehr verloren, nicht mehr unvollständig und in diesem Moment keuchte sie überrascht auf, denn ihr wurde bewusst, dass sie sich seit zwei Jahren nicht mehr so lebendig gefühlt hatte. Es war beinahe zu viel für sie.
 

Vor lauter sich überschlagenden Emotionen bemerkte sie kaum, dass Malfoy sich von ihr löste und ihr Gesicht mit seinen Händen umfangen hielt. Erst nach einigen Sekunden, in denen er sie mit großen, fragenden Augen anblickte, registrierte sie, dass irgendetwas nicht stimmte.

„Granger…“ Seine Stimme war tief und durchdringend und nur langsam bekam sie mit, was Sache war, nämlich in dem Moment, in dem er mit dem Daumen seiner linken Hand über ihre Wange fuhr und sie selbst die Tränen spürte, die er ihr aus dem Gesicht wischte. Er schien ebenso wie sie um Fassung zu ringen. Verdammt, sie weinte und wusste nicht mal warum oder wie das passieren konnte. Sie war überfordert und das, auf jede nur erdenkliche Art und Weise. „Ich sagte zwar, dass ich ein miserabler Küsser bin, aber so schlimm kann es nun auch nicht gewesen sein“, scherzte er, während er nicht müde wurde, ihr die salzige Flüssigkeit aus dem Gesicht zu streichen. Trotz seiner Worte lag etwas Verständnisvolles in seinem Blick, so, als ob er genau wusste, wie es in ihrem Inneren aussah und genau das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Sie musste sich die Hand vor den Mund halten, um nicht laut aufzuschluchzen.

Ihre Augen brannten und sie versuchte vergeblich, die Tränen zurück zu halten, was ein sinnloses Unterfangen war. Umständlich kletterte Hermine nun von seinem Schoß herunter und wankte an das Ende des Sofas, wo sie ihre Tasche abgelegt hatte, und die sie nun wie einen rettenden Anker vor ihren Körper presste.

„Ich… also...“, fand sie keine erklärenden Worte für diese Situation und dass Malfoy einfach abwartend an Ort und Stelle sitzen blieb, machte die Sache nicht besser „…entschuldige mich kurz“, brachte sie dann letztendlich noch mit zittriger Stimme hervor und flüchtete auf direktem Weg in sein Badezimmer, obwohl es ihr im Moment viel eher danach gewesen wäre, komplett davon zu rennen.
 

Hier saß sie nun, auf dem Rand von Malfoys Badewanne, und starrte auf den schwarz gefliesten Boden zu ihren Füßen. Ihre Tränen wollten und wollten nicht versiegen und nach nur wenigen Minuten war sie im höchsten Maße genervt von sich selbst. Sie konnte sich ihren emotionalen Ausbruch selbst nicht erklären und schalt sich eine Idiotin, weil sie es nicht schaffte, sich unter Kontrolle zu bringen. Sie hatte alles vermasselt. Noch während sie sich energisch mit der Hand über die Augen fuhr, fischte sie mit der anderen nach ihrem Handy in der Handtasche und atmete einmal zitternd ein und wieder aus. Den ganzen Tag hatte sie nicht einen Gedanken daran verschwendet und war nun, da ihr das bewusstwurde, noch viel verwirrter deshalb. Nur, was sollte sie ihm schreiben? Wie konnte sie ihre konfusen Gedanken und Worte packen? Seufzend entsperrte Hermine das Display und hoffte, ihr würde etwas einfallen.

 

***
 

Draco saß unterdessen immer noch an Ort und Stelle und fuhr sich erschlagen mit der Hand durch die Haare. Das war nicht ganz so gelaufen, wie er sich das vorgestellt hatte, wobei er, wenn er ehrlich zu sich selbst war, sich überhaupt nichts vorgestellt hatte. Im Grunde genommen war der Plan gewesen, einfach einen Tag mit Granger zu verbringen und das wars. Dass alles irgendwie aus dem Ruder gelaufen war und dass er seine Pläne, sie noch zum Essen in irgendein Restaurant auszuführen kurzerhand über den Haufen geworfen und sie stattdessen zu sich nach Hause gebracht hatte, war so eigentlich nicht geplant gewesen, doch es war ihm richtiger erschienen. Und seit langem hatte er nicht mehr so einen entspannten und lustigen Tag verbracht, denn eins musste man Granger lassen, sie war eine gute Gesellschaft… zumindest so lange man sie nicht küsste und damit zum Weinen brachte. Draco seufzte tief, während er sich erhob und die leere Weinflasche, sowie die Gläser vom Wohnzimmertisch in die Küche räumte. Ihm war schon klar, dass ihr Ausbruch nichts mit ihm zu tun hatte, zumindest hoffte er das wirklich inständig, doch er war auch kein Idiot. Er hatte sehr wohl ihre Blicke bemerkt und auch ihn hatte ihre körperliche Nähe nicht kalt gelassen. Auch wenn er es sich noch nicht so ganz erklären konnte warum dem so war, wusste er doch, dass er von ihr angezogen wurde, und das nicht nur auf einfache, körperliche Art und Weise. Und das machte ihm zugegebener Maßen eine Scheiß Angst, aber auf der anderen Seite auch wieder überhaupt nicht. Es war zum verrückt werden.
 

Langsam ging er den Flur entlang und blieb vor der Tür seines Badezimmers stehen, doch er hörte nicht den leisesten Ton und kurz fragte er sich, ob er sich wohl Sorgen machen sollte, doch dann ging er kopfschüttelnd weiter in Richtung seines Schlafzimmers. Nur um irgendetwas zu tun zu haben, fischte er eine Jogginghose aus seinem Kleiderschank und tauschte diese mit seiner Jeans, die ihm, seit Granger auf seinem Schoß gesessen hatte, eindeutig zu eng vorkam.

Sein Blick fiel auf sein Handy, das dort nutzlos auf seinem Nachttisch lag und er zögerte einen langen Moment, ehe er es an sich nahm. Er wusste einfach, dass Granger schreiben würde. Wenn er mittlerweile eine Gewissheit in irgendetwas hatte, dann darin, dass sie hauptsächlich dann schrieb, wenn sie etwas aus der Bahn warf. Zwar nicht nur, aber überwiegend. Und er brauchte auch gar nicht lange warten, denn er war gerade wieder im Wohnzimmer angekommen und hatte es sich auf seinem Sofa gemütlich gemacht, da surrte auch schon der Vibrationsalarm für eine neue Nachricht und für einen kurzen Moment überkam ihn eine seltsame Art von Eifersucht. Eifersucht darauf, dass sie ihrem toten Freund etwas anvertraute, was sie ihm nicht sagen konnte. Etwas, was vielleicht sogar mit ihm selbst zu tun hatte. Mit gemischten Gefühlen öffnete er seinen Nachrichtenverlauf und war er bisher verwirrt gewesen, so gab es keine wirklichen Wörter mehr für das Gefühl, dass sich in ihm breitmachte, nachdem er Grangers Nachricht gelesen hatte.
 

Ich bin seit langem wieder glücklich. Kannst du dir das vorstellen? Nein? Ich auch nicht, aber es ist so. Seit zwei Jahren war das heute der erste Tag, an dem ich nicht ununterbrochen an dich gedacht habe. Und weißt du was? Ich habe nicht einmal wirklich ein schlechtes Gewissen deswegen. Seltsam, nicht wahr?
 

Draco runzelte die Stirn, als bereits schon die nächsten Nachrichten eingingen.
 

Oh Gott, er denkt bestimmt, ich hab nicht mehr alle Tassen im Schrank. Ich weiß ja selbst nicht was mit mir los ist. Werde ich in Zukunft immer heulen müssen, wenn ich eigentlich glücklich bin? Heißt das, dass ich vielleicht nie wieder glücklich sein darf?
 

Ich hab’s total vermasselt… keine Ahnung wie ich ihm jemals wieder unter die Augen treten soll. Ich bin kurz davor, meine Schuhe zurück zu lassen und aus dem Badezimmerfenster zu klettern. Aber im Ernst… was mach ich jetzt? Scheiße ich bin echt eine Idiotin. :(
 

Ok, genug davon. Entschlossen warf er das Handy auf die Ablage unter dem kleinen Tisch und erhob sich vom Sofa um mit energischen Schritten zum Badezimmer hinüber zu gehen. Vorsichtig klopfte er mit den Fingerknöcheln gegen das weiß lackierte Holz und zählte langsam auf fünf, doch von der anderen Seite kam keinerlei Reaktion.

„Granger, du kannst da nicht ewig drin bleiben, das weißt du, oder?“ Er rechnete eigentlich nicht wirklich mit einer Antwort und schon dreimal nicht damit, dass das Türschloss nun ein klickendes Geräusch von sich gab, was er als Zeichen wertete, eintreten zu können. Langsam öffnete er die Tür und sah Granger auch direkt wie ein Häufchen Elend auf dem Rand seiner Badewanne sitzen, ihren Zauberstab zwischen den Fingern drehend und seinem Blick ausweichend. „Komm raus da, das sieht nicht sonderlich bequem aus“, sagte er und hatte nun endlich ihre Aufmerksamkeit. Sie nahm einen tiefen Atemzug, packte ihren Zauberstab in ihre Handtasche und erhob sich langsam, ehe sie sich an ihm vorbeidrängte, während er ihr die Badezimmertüre aufhielt.

„Ich gehe dann mal besser. Also danke für den schönen Tag Malfoy und -“

„Willst du mich verarschen?“

„Wie bitte?“, fragte Hermine perplex, während sie innehielt und sich zu ihm umwandte.

Draco schüttelte den Kopf. „Du denkst doch wohl nicht, dass ich dich jetzt irgendwo hingehen lasse“, antwortete er ihr resolut und noch ehe sie protestieren konnte hatte er sie an der Hand geschnappt, ihr ihre Tasche abgenommen und sie erneut aufs Sofa verfrachtet. Mit großen Augen sah sie ihm dabei zu, wie er sich nun ebenfalls zu ihr setzte und sich die Fernbedienung schnappte. Wenige Augenblicke später hatte er schon einen Film gefunden, der ihm zwar komplett am Allerwertesten vorbeiging, doch ein wenig Ablenkung konnte ihr sicherlich nicht schaden. Und ihm ehrlich gesagt auch nicht.

„Es tut mir wirklich leid, ich weiß nicht, was los war und irgendwie… also…“, setzte sie an und knetete währenddessen nervös ihre Hände. Sie wich seinem Blick immer noch aus und Draco tat in diesem Moment das, was ihm als einziges richtig erschien.

„Komm her, Granger.“ Mit diesen Worten hob er seinen Arm und da sie keine Anstalten machte, seiner Aufforderung zu folgen, zog er Hermine nun bestimmt zu sich und ließ sich mit ihr tief in die Sofakissen sinken. Er merkte genau, wie sich ihr ganzer Körper auf einmal anspannte und seufzte, denn er selbst war nicht gerade ein Experte in zwischenmenschlichen Beziehungen. „Es ist alles gut.“ Doch irgendetwas sagte ihm, dass gut vielleicht nicht ganz das passende Wort war, mit dem man all das hier zusammenfassen konnte.

„Du hast dich verändert“, sagte Hermine nach einer Weile, in der sie beide stumm auf die bewegten Bilder im Fernseher gestarrt hatten und in der Draco dazu übergegangen war, mit seiner Hand kreisende Muster auf ihrem Oberarm zu malen. Grangers Kopf lag auf seinem Brustkorb und er bedauerte ein wenig, dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte.

„Ich glaube, jeder verändert sich. Irgendwie. Wir sind erwachsen geworden, das ist alles.“

„Erwachsen werden ist anstrengend“, seufzte sie und Draco gab ihr insgeheim Recht.

 

***



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Omama63
2018-03-29T18:41:42+00:00 29.03.2018 20:41
Ein super Kapitel.
Es ist gut, dass Draco die SMS gelesen hat, da er dadurch weiß, was sie denkt und fühlt.
Ich finde deinen Draco super.

LG
Omama63



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