Zum Inhalt der Seite

SMS für dich...

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

SMS für dich…
 

Ein Muggelsprichwort besagte, dass, wenn das Leben einem Zitronen gab, man sich Salz und Tequila besorgen sollte. Aber was, wenn man überhaupt keinen Tequila mochte? Und was, wenn das Leben einem einen beschissenen Zitronenbaum direkt vor die Nase pflanzte? Sollte man dann Zitronenhändler werden? Oder doch vielleicht lieber Alkoholiker? Und was, wenn man Zitronen eigentlich ganz gerne mochte? Wäre diese Weisheit dann hinfällig? Hermine wusste es nicht. Was sie aber wusste, war, dass sie mit den verdammten Zitronen nichts anfangen konnte, die ihr das Leben schadenfroh lachend vor die Füße geworfen hatte.

Zwei Jahre war es nun her… zwei verdammte Jahre und es fühlte sich nicht einmal im Ansatz so an, als wäre der Schmerz weniger oder vielleicht sogar erträglicher geworden. Im Gegenteil. Jedes Mal, wenn sie sich erlaubte, daran zu denken, griffen eiskalte Klauen nach ihrem Herzen – oder dem, was davon übrig war – und zogen es lautlos in den Abgrund. Zwei Jahre schon, in denen Ron nicht mehr bei ihr war. Er war ihr einfach so genommen worden und mit ihm, all ihre gemeinsamen Träume und Hoffnungen für die Zukunft. Sie dachte oft daran, was gewesen wäre, wenn Ron nicht mit Harry zusammen die Aurorenausbildung gemacht hätte. Wenn er nicht an diesem einen, schicksalhaften Tag zu dieser Razzia gerufen worden wäre und wenn er… nun ja - nicht gestorben wäre. Und sie sich jetzt nicht mit den Zitronen rumärgern müsste.
 

Sie verfluchte den Tag, an dem das Schicksal ihr Leben zerstört hatte, doch sie konnte sich zumindest an den Gedanken klammern, dass er glücklich gewesen war. Sie waren glücklich gewesen. Gemeinsam. In ihrem kleinen Apartment in der Winkelgasse, kurz davor zu heiraten und vielleicht – ja ganz vielleicht hätten sie auch Kinder gehabt. Hermine stellte sich gerne vor, dass es zwei gewesen wären. Ein Mädchen und ein Junge vielleicht. Möglicherweise auch zwei Mädchen…

Hier saß sie nun, in ihrer neuen Wohnung, welche sie gemeinsam mit Luna Lovegood bewohnte und starrte schon seit gefühlten Stunden auf die Kiste vor ihrer Nase. Sie schaffte es einfach nicht, diese verdammte Schachtel zu öffnen. Ihre Hände zitterten und Hermine konnte ihr pochendes Herz fühlen, das wild gegen ihren Brustkorb hämmerte.

„Willst du die Kiste noch eine Weile anschauen, oder sollen wir sie nun doch langsam mal öffnen?“, wollte Luna plötzlich unvermittelt und leichthin wissen, während die Blonde sich beinahe geräuschlos neben sie setzte und ihr eine Dose Muggelcola reichte.

„Ich… weiß es nicht“, schüttelte Hermine den Kopf. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Sie wusste, dass sie damit abschließen musste, doch warum war das nur so verdammt schwer? Auch wenn allgemein behauptet wurde, dass Zeit alle wunden heile, war sie überhaupt nicht davon überzeugt, dass die Zeit auch nur irgendetwas tun würde, außer gegen sie zu arbeiten. Oder sie brauchte einfach noch mehr Zeit? Doch wie viel Zeit war angemessen, für das Hinwegkommen über den Tod seines Verlobten? Gab es hierfür eine Faustregel? Irgendeinen Richtwert? Hermine bezweifelte dies stark, doch Luna war nicht die erste gewesen, die ihr gesagt hatte, dass sie langsam anfangen musste, wieder zu leben. Aber sie war die einzige gewesen, bei der Hermine nicht das Gefühl gehabt hatte, dass sie von ihr mitleidig belächelt wurde. Selbst Harry hatte ihr das Gefühl gegeben, mit seiner Geduld am Ende zu sein, was ihre Trauerzeit anging. Allerdings hatte Harry auch noch Ginny und die beiden hatten sich gegenseitig nach Rons Tod auffangen können. Hermine hingegen fiel immer noch. Sie wusste, dass sie eines Tages wieder am Leben würde teilnehmen müssen, doch sie hatte für sich selbst noch nicht genau definiert, wann ‚eines Tages‘ genau war.
 

„Ich denke, dass Ronald wollen würde, dass du ihn loslässt. Und ich denke, heute ist ein guter Tag! Schau, draußen scheint keine Sonne, das bedeutet, dass die Schlickschlupfe weniger aktiv sind und dir so nicht das Hirn vernebeln können. Du kannst dich also voll und ganz auf die Sache konzentrieren.“ Trotz, dass sie alles andere als in der Stimmung war, musste Hermine nach dieser Aussage von Luna lachen. Es tat ihr gut, mit der ehemaligen Ravenclaw zusammen zu wohnen. Luna hatte sie, ohne zu groß Fragen zu stellen, eingeladen bei sich zu wohnen und sie hatte ihre ehemalige Mitschülerin und deren schrill-bunte Wohnung mit all den Räucherstäbchen schnell ins Herz geschlossen. Selbst den Traumfänger, den Luna höchstpersönlich über Hermines Bett installiert hatte, mochte sie mittlerweile. Und Luna ließ ihr jede Freiheit, die sie sich nur wünschen konnte. Sie merkte schnell, wenn Hermine keine Lust auf Gesellschaft hatte und ließ ihr ihre Ruhe, schien aber eine Art Sensor dafür zu haben, wenn Hermine Ablenkung brauchte. Und heute hatte Luna sie dazu ermutigt, endlich diese vermaledeite Kiste aus den Tiefen ihres Kleiderschanks zu ziehen, vor welcher sie nun auf dem Boden in Hermines Schlafzimmer saßen. Sie atmete tief durch und fasste mit zittrigen Fingern nach dem Deckel des braunen Pappkartons, doch schon wenige Sekunden später hätte sie diesen am liebsten wieder über den Rest gestülpt und diese verdammte Zeitkapsel mit einem Tritt zurück in ihren Schrank befördert. Das erste was sie sah, war der Zipfel eines braunen Wollpullovers. Der, mit dem Orangenen ‚R‘ darauf, den Ron jedes Jahr von Molly zu Weihnachten bekommen und über den er sich regelmäßig beschwert hatte. Dennoch hatte er ihn jedes Mal angezogen und Hermine erinnerte sich daran, wie sie an ihrem letzten, gemeinsamen Weihnachtsfest an ihn gekuschelt eingeschlafen war. Sie hatte den Pullover noch nicht einmal komplett aus der Schachtel gezogen, da spürte sie schon wie ihr die Tränen über die Wangen kullerten und ihr Herz zersplitterte in dieser Sekunde ein weiteres Mal in tausend kleine Teile, die keiner jemals wieder würde zusammenbasteln können. So sehr sie auch versuchte ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten, es wollte ihr nicht gelingen. Begleitet von einem leisen Schluchzen presste sie den Pullover auf ihr Gesicht, nur um festzustellen, dass Rons Geruch nicht mehr da war. Erst als sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte, schaffte Hermine es, den Pullover zur Seite zu legen und einen weiteren Blick in die Kiste zu werfen. Luna nickte ihr derweil aufmunternd zu und schielte ihrerseits neugierig ebenfalls in den Karton, in dem sich diverse Bilder, ein Aurorenabzeichen, der Deluminator, den Ron von Dumbledore vermacht bekommen hatte, sowie das Muggelhandy, welches Hermine ihm nur wenige Monate vor seinem Tod geschenkt hatte, stapelten.

„Was ist das?“, wollte Luna wissen, als Hermine das kleine Mobiltelefon lächelnd aus der Kiste zog. Wie viel Zeit war noch gleich vergangen, bis Ron den Sinn und Zweck eines Handys verstanden hatte?

„Das ist ein Handy. Damit bleiben die Muggel in Kontakt. Es ist eigentlich wie ein ganz normales Telefon, aber man kann sich auch Nachrichten schicken, ähnlich wie mit dem Patronuszauber, nur dass die Übermittlung nicht ganz so auffällig ist, wie wenn ein Patronus plötzlich vor einem steht“, erklärte sie ihrer Freundin und ihre Finger glitten zärtlich über die kleinen Tasten des ausgeschalteten Geräts. Es war gut gewesen, dass sie Ron ein Handy geschenkt hatte, denn es war nicht nur einmal vorgekommen, dass er länger im Ministerium hatte bleiben müssen und schnell hatte er die Vorzüge der Textnachrichten zu schätzen gelernt. Meistens hatte Hermine ein „Kwimme spätr, iah liebe dicj“ bekommen – seine Hände waren einfach zu groß für die winzigen Tasten gewesen. Ein bittersüßer Schmerz breitete sich in ihrem Brustkorb aus, bei der Erinnerung an die vielen kleinen Nachrichten, die sie oftmals – einfach so über den Tag verteilt – von ihm bekommen hatte und die sie selbst aus Zeitmangel nicht jedes Mal beantworten hatte können. Seufzend legte sie das Handy zurück in die Kiste und gemeinsam mit Luna schaffte sie es tatsächlich, nach und nach den kompletten Inhalt durchzusehen und dabei auch nur zwei weitere Male in Tränen auszubrechen. Eine halbe Stunde später schloss sie den Karton wieder, doch sie wusste nicht, was sie fühlen sollte. Das taube Gefühl war nach wie vor da, obwohl sie sich so fest eingeredet hatte, dass es besser werden würde, nachdem sie sich der Vergangenheit gestellt hatte. Aber Fehlanzeige. Es tat noch genau so weh wie vorher und ein verzweifeltes Lachen kämpfte sich durch ihre Kehle und ging nahtlos in ein ersticktes Schluchzen über. Wieso konnte sie nicht endlich damit abschließen? Sie wusste, dass es Zeit war. Hermine war sich darüber im Klaren, dass sie endlich wieder am Leben teilnehmen musste, doch wie sollte sie das schaffen?
 

„Du siehst nicht so aus, als würde es dir besser gehen“, brachte Luna die Dinge einmal mehr schonungslos ehrlich auf den Punkt und Hermine nickte bloß. Doch ihre Freundin ließ sich nicht so schnell entmutigen. „Vielleicht solltest du mit ihm sprechen? Ich habe am Anfang viel mit meiner Mutter gesprochen und das hat mir sehr geholfen. Weißt du, nur weil er nicht mehr am Leben ist, heißt das noch lange nicht, dass er nicht mehr an deinem Leben teilnehmen kann.“

Lunas Worte beschäftigen Hermine noch den gesamten Nachmittag und auch am Abend, als sie es sich mit einem Glas Wein in ihrem Bett mit einem Buch gemütlich gemacht hatte, drehten sich ihre kompletten Gedanken um die Aussage ihrer Freundin. Seufzend legte sie ihr Buch auf den kleinen Nachttisch und griff nach ihrem eigenen Handy. Sie wusste nicht, warum sie es immer noch hatte, sie brauchte eigentlich kein Handy. Okay, hin und wieder schrieb sie mit ihren Eltern oder mit Susan, die sie in der Muggelbücherei kennengelernt hatte, doch ansonsten besaßen Ihre Freunde selbst keine eigenen Mobiltelefone. Hermine wusste nicht, warum sie es tat und sie wollte es später auch nicht wirklich analysieren, doch Lunas Worte hatten etwas in ihr ausgelöst. Was genau das war, wusste sie selbst nicht mit hundertprozentiger Sicherheit, doch sie gab ihrer Freundin insgeheim Recht. Warum sollte Ron kein Teil ihres Lebens mehr sein, nur weil er tot war? Es schien alles plötzlich so viel klarer, als noch zuvor und mit klopfendem Herzen öffnete Hermine ihre Nachrichten und die gemeinsame Unterhaltung mit Ron. Auch zwei Jahre später hatte sie es noch nicht über sich gebracht, all seine Nachrichten zu löschen.
 

Bis später…
 

Das waren die letzten Worte, die sie von ihm erhalten hatte und ein sanftes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, als sie die Nachricht las. Schnell nahm sie noch einen Schluck von ihrem Wein, denn sie war sich nicht sicher, ob sie das hier nüchtern überstehen würde. Generell war sie sich nicht sicher, ob sie das ganze überstehen würde, doch betrunken hatte sie womöglich noch die größtmöglichen Chancen darauf.
 

Du fehlst mir…, tippte sie die Worte ein, doch löschte sie sofort wieder. Es war nicht genug. Ron, ich hoffe, dort wo du bist, geht es dir gut… Was? Nein, Bullshit. Ein weiterer Schluck Wein. Hermine atmete tief durch. Sie wollte ihm schreiben. Sie MUSSTE ihm schreiben und er musste wissen, dass sie ohne ihn verloren war und dass sie verdammt nochmal nicht einfach ohne ihn weitermachen konnte. Also tippte sie Wort für Wort, löschte hier und da wieder etwas, bis sie letzten Endes auf „senden“ drückte und erleichtert aufatmen konnte. Luna hatte Recht gehabt. Warum sollte er nicht weiterhin ein Teil ihres Lebens sein? Behutsam strich sie mit ihren Fingerspitzen über das Display des Mobiltelefons und legte es in die Schublade ihres Nachtschränkchens. Zum ersten Mal seit einer langen Zeit, konnte sie endlich wieder mit einem Lächeln auf den Lippen einschlafen.
 

 

***
 

„Bethany, ich habe dir doch gesagt, dass ich mit dem Zeug nichts anfangen kann. Es gibt einen Grund dafür, dass das letzte verloren gegangen ist!“, stöhnte er, als seine treue Seele von einer Sekretärin mit einem neuen Exemplar dieser Muggelerfindung um die Ecke kam. Er mochte seinen Job und er machte ihn außerordentlich gut, zumindest sagte dies sein monatlicher Gehaltsscheck, auch wenn er auf diesen genau genommen nicht angewiesen war, doch er würde sich nie ganz an diesen ganzen Kram gewöhnen. Nur mit Müh und Not hatte er es geschafft, das Programm zu verstehen, mit welchem er hin und wieder am Computer arbeiten musste. Seltsam, wenn man bedachte, dass er mit seinen Videospielen zu Hause wiederum ganz gut klarkam.

„Naja, Sie werden nicht drum herumkommen, immerhin waren SIE es, der beschlossen hat, einen Teil der Produktion in die Muggelwelt zu verlegen, nicht wahr? Und die Muggel sind bekanntlich nicht so erfreut über den Eulenmist im Wohnzimmer“, lachte Bethany und machte sich sofort daran, das kleine mobile Telefon aus der glänzenden Schachtel zu nehmen und daran herumzufummeln, vermutlich um es einsatzbereit zu machen. Er seufzte theatralisch auf und stützte seinen Kopf in die Hände während er beschloss, dass es Zeit für einen Kaffee war. Den er sich selbst würde holen müssen, da seine Sekretärin mit dem Teufelsding zugange war, wie er es insgeheim nannte. Das letzte hatte er einfach auf dem Nachhauseweg verloren, was im Klartext bedeutete, dass er es in der Themse versenkt hatte. Von der Mitte der London Bridge aus. So genervt war er von den ständigen Nachrichten gewesen und davon, dass das Ding ihn immer zu Tode erschreckt hatte, wenn es einfach zu allen unmöglichen Gelegenheiten angefangen hatte zu klingeln. Einer seiner Geschäftspartner hatte es sogar mal geschafft, ihn während einer etwas, nun ja – prekären Situation mit der Blondine die er im Onyx, einer angesagten Londoner Szene-Bar, aufgerissen hatte, zu stören.

„Ich brauch jetzt erst mal einen Kaffee. Es ist gerade kurz nach neun und der Tag ist schon im Eimer“, sagte er leidend, als er sich von seinem Stuhl erhob und in Richtung der kleinen Teeküche ging, in der hoffentlich der ersehnte Wachmacher auf ihn wartete.

„Meinen bitte mit Milch und einem Stück Zucker! Danke Mr Malfoy!“ Draco musste lachen, als er kopfschüttelnd nach seinem Lieblingsbecher kramte. Der, mit dem London Eye und dem roten Doppeldecker darauf. Bethany hatte Glück, dass er sie so gut leiden konnte. Dass dies beinahe schon ein Privileg war, wusste sie natürlich nicht. Er hatte Glück gehabt, dass sein Ruf ihm noch nicht bis hierher vorausgeeilt war, als er sich um diesen Job beworben hatte. Eigentlich hatte Draco nie vorgehabt, in der Immobilienbranche Fuß zu fassen, doch erstaunlicher Weise war das genau der Job, der ihn erfüllte und der ihn glücklich machte. Er war innerhalb kürzester Zeit so erfolgreich geworden, dass er von seinem Chef eine Beförderung, eine Gehaltserhöhung und ein eigenes Büro bekommen hatte, und nun, nach nur fünf Jahren hier im Unternehmen, war er bereits der stellvertretende Geschäftsführer. Aus welchem Grund er auch viele Entscheidungen selbstständig traf und gerade im Moment, als er seine Sekretärin mit dem Muggelgerät in der Hand sah, die ihn freudig anstrahlte als er mit dem Kaffee zurückkam, bereute er, dass er beschlossen hatte, sich für sämtliche Drucksachen wie Visitenkarten, Flyer, Werbegeschenke und Broschüren Partnerfirmen in der Muggelwelt zu suchen. Nicht nur, dass es unheimlich nervig war, jedes Mal nach einem Auftrag deren Gedächtnis zu modifizieren (unerlaubter Weise, versteht sich), nein, diese Handy-Sache nervte ihn ebenso. Leider gab es bei den Zauberern kein brauchbares, vergleichbares Pendant in Sachen Druck und Werbesachen, das seinen Ansprüchen entsprach.

„Danke“, grinste Bethany ihn an, als er ihr den Becher mit dem heißen Wachmacher reichte und sie drückte ihm ihrerseits das Handy in die Hand, dessen Display bereits leuchtete und Draco beäugte es kritisch mit zusammengekniffenen Augenbrauen.

„Das sieht anders aus, als das letzte. Es ist irgendwie kleiner“, merkte er an und begutachtete es von allen Seiten.

„Naja, die Dinger entwickeln sich eben weiter“, zuckte Bethany mit den Schultern. „Übrigens, ich habe Ihre neue Nummer bereits an Mr White geschickt, Sie wissen schon, der wollte sich die Tage wegen dem Layout für den Oktober-Flyer melden.“ Draco stöhnte, nickte jedoch knapp und fragte sich gleichzeitig, wann seine Sekretärin es wohl endlich über sich bringen würde, ihn beim Vornamen zu nennen. Er hatte es ihr bestimmt schon hundert Mal angeboten, doch irgendwie wollte es nicht in ihren Kopf. Es störte ihn nicht, aber es war amüsant.
 

Bethany hatte sich zwischenzeitlich wieder zu ihrem Platz getrollt und Draco wollte sich ebenfalls gerade wieder an die Arbeit machen und dazu das Handy einfach kommentarlos in der Schublade seines dunklen Sekretärs verschwinden lassen, da surrte das dumme Teil auch schon los und er verzog sein Gesicht zu einer leidenden Grimasse. Wenn das White war, der ihm am frühen Montagmorgen auf den Sack gehen wollte, konnte er was erleben. Schnell wurde ihm jedoch klar, dass das auf keinen Fall White sein konnte, als er auf das kleine Briefsymbol mit der blinkenden Ziffer „2“ klickte. Stirnrunzelnd starrte er auf das Display und wenn der Morgen noch dubioser werden konnte, dann war dies wohl gerade eben im Moment passiert.

„Bethany?“, rief er und musste wie immer nicht lange warten, bis sie um die Ecke gestöckelt kam.

„Ja, Mr Malfoy?“

„Sehr witzig“, sagte Draco trocken und hob ihr das Mobiltelefon vor die Nase, doch die blondgelockte Sekretärin wusste offenbar nicht, was er meinte. Also deutlicher. „Warst du das oder vielleicht Mike aus der Buchhaltung? Das sieht für mich nach einer Rache für die letzten zwei Freitage aus, an denen ich euch habe länger arbeiten lassen.“ Sie verstand offensichtlich immer noch nicht und Draco war sich plötzlich nicht mehr so sicher mit seiner Vermutung, dass seine Mitarbeiter ihn hochnehmen wollten. Bethany nahm das Handy nun an sich und ihre Augen weiteten sich verwundert.

„Nein, ich schwöre, damit haben wir nichts zu tun. Das ist… sehr traurig“, schloss sie und gab ihm das Gerät zurück. „Wer immer das geschrieben hat… von uns war das sicher keiner. Vermutlich hat nur jemand die falsche Nummer eingegeben? Ich meine, die Nummer hier ist neu und wurde erst gestern Nachmittag aktiviert, als ich es gekauft habe“, zuckte sie mit den Schultern und Draco nickte nur knapp, woraufhin sie kopfschüttelnd durch die immer offene Türe seines Büros verschwand. Erneut las er die beiden Nachrichten, die sich in seinem Posteingang befanden.
 

Die Leute sagen, es wird besser mit der Zeit. Soll ich dir was sagen? Es wird nicht besser. Oder erträglicher. Oder sonst irgendwas. Es schmerzt von Tag zu Tag mehr. Ich kann nicht akzeptieren, dass du nicht mehr bei mir bist und ich glaube, ich werde es nie können. Es fühlt sich an, als hätte ich nur noch ein halbes Herz in der Brust – nur noch ein halbes Leben, ohne dich.  Komm zurück… ich weiß, du kannst nicht, aber das ist alles, was ich mir wünsche.
 

Diese Mitteilung war von gestern Abend. Die zweite kam vor wenigen Minuten.
 

Ich hatte wirre Träume heute Nacht. Ich hätte den Karton zulassen sollen. Weggesperrt mitsamt den Erinnerungen! Ich glaube es war zu früh. Denkst du, es war zu früh?
 

Was sollte das? Wer war das, der ihm da schrieb? Diese kryptischen Nachrichten waren nicht für ihn bestimmt, so viel war ihm klar und Draco war schon beinahe dabei, eine Antwort zu tippen, da überlegte er es sich, aus einem ihm selbst nicht bekannten Grund, anders. Schnell hatte er das Handy nun doch endlich in der Schublade verstaut und widmete sich wieder seinem Tagesgeschäft. Mal schauen, ob er dieses Teufelsding auch in der Themse versenken konnte bei Gelegenheit.

 

***
 

Es half. Hermine hätte es ja nicht für möglich gehalten, doch seit sie beschlossen hatte, dass sie Ron hin und wieder eine Nachricht schreiben würde um ihn an ihrem Leben teilnehmen zu lassen, hatte sich der Knoten in ihrer Brust ein wenig gelockert. Es war vielleicht nichts Besonderes, doch diese kleinen Botschaften brachten sie einigermaßen passabel durch den Tag. Es ging ihr sogar so gut, dass sie sich heute, an einem Freitagabend, mit Ginny verabredet hatte um einen Mädelsabend zu veranstalten. Auch Luna hatte sich gerne angeschlossen und zu dritt waren sie nun auf dem Weg durch die surrende und leuchtende Londoner Innenstadt auf der Suche nach einem Pub, der noch nicht bis zum Anschlag mit grölenden After-Work-Verfechtern gefüllt war, was um diese Uhrzeit gar nicht so einfach schien. Sie hatte es sogar geschafft, sich seit langer Zeit einmal wieder zu schminken und statt ihrer zu locker gewordenen Jeanshosen, die sie in der Freizeit trug, hatte sie sich in ein hübsches Kleid gezwängt, das sie vor Jahren gekauft und seitdem nicht einmal getragen hatte.

„Was macht Harry denn heute Abend?“, wollte Luna von Ginny wissen, als sie gerade am Ufer der Themse angekommen waren, wo sich eine Bar neben der anderen reihte und Hermine konnte beobachten, wie Ginnys Gesicht sich bei Harrys Namen sofort erhellte, als wäre soeben die Sonne aufgegangen nach einem trüben Regentag. Sie war generell kein eifersüchtiger Mensch und Hermine wollte ihrer Freundin wirklich und von Herzen ihr Glück gönnen, doch nun wandte sie ihren Blick ab und starrte mit aufeinandergepressten Lippen auf den dunklen Fluss. Wie konnte die Welt sich so einfach weiterdrehen, wo Ron doch nicht mehr da war? Wie konnten alle anderen ein unbeschwertes Leben führen und glücklich sein, wo ihr Glück ihr doch genommen wurde? Hermine verstand es bis heute nicht und sie hasste sich für ihre verbitterten Gedanken ihren Freunden gegenüber, doch immerhin schaffte sie es, sich nichts dergleichen anmerken zu lassen.

„Der versucht sich heute im Pokern. Irgend so ein Muggel-Ding mit Karten, keine Ahnung. George und Dad sind auch bei uns zu Hause und dann noch zwei Arbeitskollegen von Harry. Wird wohl ein richtig ausschweifender Männerabend mit zu viel Butterbier und Whisky, vermute ich. Ich hab schon Angst, morgen das Chaos beseitigen zu müssen und gleichzeitig Harry wiederzubeleben.“ Ginnys Lachen hinterließ eine Gänsehaut auf Hermines Körper und sie musste zweimal tief ein und ausatmen, um nicht einfach auf der Stelle in Tränen auszubrechen. Ron hätte auch dabei sein sollen. Er hätte ebenso einen schönen Abend mit den anderen haben sollen und sie selbst sollte diejenige sein, die ihm an nächsten Morgen ein Katerfrühstück zubereitete. Im Moment sah alles jedoch stark danach aus, dass die einzige, die sich heute bis zum Exitus betrinken würde, sie selbst war. Wie von selbst fand ihre Hand den Weg in ihre kleine Handtasche um das Handy heraus zu ziehen, welches sie die letzte Woche konstant bei sich führte. Mit beinahe schon mechanischer Präzision hatte sie das Gerät entsperrt und ihre – zugegebenermaßen einseitige – Konversation mit Ron geöffnet.
 

Ich hasse die Tatsache, dass ich dir kein Frühstück mehr ans Bett bringen kann. Ob es wohl verwerflich ist, wenn ich mich deshalb jetzt betrinke?
 

„Hermine, kommst du?“, wollte Luna auf einmal von ihr wissen und Hermine bemerkte plötzlich, dass die beiden schon weitergegangen waren und sie es vor lauter Tippen nicht bemerkt hatte. Schnell drückte sie auf ‚senden‘ und verfrachtete ihr Handy schleunig zurück in ihre Tasche.

„Ja klar, sorry, musste nur noch schnell was erledigen.“ Der plötzliche Anflug einer ausgewachsenen Panikattacke war verschwunden und sie beschloss, dass sie sich nun einen schönen Abend mit ihren Freundinnen machen würde. Sie wollte nicht ewig die Spaßbremse bleiben, die sie geworden war. Und wenn dazu heute Alkohol notwendig war, dann sollte es ihr ebenso recht sein.

 

***
 

„Was hast du nur mit diesem Muggelteil, Alter? Ich dachte die Dinger gehen dir auf den Sack. Hast du das letzte nicht in die Themse geworfen?“ Draco musste schmunzeln bei den Worten seines besten Freundes. Er war heute seit langem einmal wieder mit Blaise unterwegs, denn der ließ sich, seitdem er einen neuen Job in Manchester angenommen hatte, nur noch selten in London blicken. Und wie es nun einmal der Fall war, wenn man älter wurde, kamen Freundschaften oftmals zu kurz vor lauter Arbeit und sonstigen Verpflichtungen. Seufzend las er die neue Nachricht, die soeben im Display aufgeploppt war und schüttelte den Kopf, ganz, als müsse er einen unliebsamen Gedanken vertreiben. Die unbekannte Nummer hatte ihm schon wieder geschrieben. Das ging nun schon die ganze Woche so und Draco wusste sich keinen Reim darauf zu machen. Die Nachrichten kamen vollkommen zusammenhangslos und erst hatte er angenommen, die Sache würde sich so oder so erledigen, wenn er nicht antwortete, doch mittlerweile glaubte er, der Absender erwartete gar keine Antwort. Allein, wenn man mal vom Inhalt der kurzen Mitteilungen ausging.

„Doch, aber das verfluchte Ding gibt, seit ich es habe, einfach keine Ruhe. Irgendjemand schreibt mir täglich wirre Nachrichten. Hier, schau!“ Mit diesen Worten hatte er seinem Kumpel das Mobiltelefon über den Tisch geschoben und beobachtete amüsiert, wie Blaise sich durch den einseitigen Nachrichtenverlauf wühlte.

„Das ist… krass! Und verdammt heftig, Draco!“, bekam dieser große Augen und Draco schmunzelte.

„Wie präzise zusammengefasst. Du bist ein Meister, der umschreibenden Worte, Blaise.“

„Nein jetzt mal im Ernst, du hast keine Ahnung, wer dir da schreibt?“

„Nicht den blassesten Schimmer.“ Draco nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Flasche. Sie saßen im Onyx und hatten einen recht abgelegenen Tisch ergattert. Es war brechend voll, doch Draco fühlte sich wohl in der Anonymität der Londoner Partyszene. Nur noch selten verschlug es ihn in die Zauberwelt, wenn er fortging, denn dort kannte man ihn und das war nicht gerade ein großer Vorteil. Hier unter den Muggeln konnte er sein wer er wollte und niemand, der ihn ansah, assoziierte sein Gesicht mit dem eines Todessers und das schwarze Mal ging astrein als lässiges Tattoo durch. Ja, ihm gefiel es, sich nicht ständig bedeckt halten zu müssen und darum war er auch am heutigen Abend mit Blaise hierhergekommen.

„Das ist komplett wirr, was sie da schreibt. Hier in den ersten Nachrichten klingt alles echt traurig und so und dann, am Mittwoch: Wo zur Hölle bekomme ich zu dieser Jahreszeit Spargel her? Oder hier von gestern früh: Scheiße, mein Chef killt mich, wenn ich schon wieder zu spät komme, aber ich hab gestern einfach zu lange gelesen. Wärst du noch da, wäre das nicht passiert, also gebe ich dir die Schuld daran. Und gerade eben schreibt sie irgendwas von Frühstück ans Bett bringen und dass sie sich betrinken möchte?“, zitierte Blaise einige der letzten Nachrichten, die in den vergangenen Tagen angekommen waren und Draco blieb nichts weiter übrig, als lediglich mit den Schultern zu zucken, konnte er sich doch selbst keinen Reim darauf machen.

„Keine Ahnung, ehrlich. Aber warum gehst du davon aus, dass es eine sie ist?“

„Hallo? Weil Männer sowas nicht machen, vielleicht? Oder würdest du auf die Idee kommen deiner Verflossenen irgendwelche Nachrichten zu schicken? Oh, warte mal…“, sagte Blaise und runzelte nachdenklich die Stirn, während er nochmals sämtliche Nachrichten durchscrollte. „Weißt du was ich glaube? Ich glaube, diejenige, die diese Nachrichten schreibt, weiß ganz genau, dass nichts zurückkommen wird. Das liest sich stellenweise so, als würde sie jemandem schreiben, der nicht mehr am Leben ist.“

Draco stutzte aber wenn er es sich genauer überlegte, konnte sein Freund damit Recht haben. Warum sonst sollte die Person am anderen Ende immer und immer wieder schreiben, wenn sie keine Antwort erhielt? Er hatte keine Ahnung von diesen Mobilfunknummern und wollte sich auch nicht damit auseinandersetzen, nach welchem Prinzip das ganze funktionierte, aber konnte es sein, dass er die Nummer bekommen hatte, die schon mal jemandem gehört hatte? Das wäre doch möglich oder nicht? Das machte die ganze Sache allerdings nicht besser, sondern nur noch gruseliger, als ohnehin schon. Er musste dringend am Montag mit Bethany darüber sprechen und das herausfinden.
 

„Du solltest da zurückschreiben und die Sache klarstellen, Alter“, rissen ihn die Worte von seinem Freund aus den Gedanken. Ja, das sollte er wahrscheinlich tatsächlich, aber wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, dann war er schlicht und ergreifend neugierig. Was im Grunde genommen nichts Verwerfliches war, denn er tat ja gar nichts, außer eben Mitteilungen zu empfangen. Was konnte er schon dafür, wenn irgendjemand (und er glaubte im Übrigen auch, dass es eine Frau war) ihm Nachrichten schickte?

„Hmhm…“, machte Draco und nahm nochmals einen kräftigen Schluck aus seiner Flasche. „Damit werde ich mich morgen vielleicht beschäftigen. Jetzt gib mir das verdammte Telefon, ich hole uns noch ein Bier.“ Und mit diesen Worten nahm er Blaise das kleine Gerät aus der Hand und ließ es in seine Hosentasche gleiten und dies mit der Absicht, es heute Abend genau dort zu lassen.

 

***
 

Hermine hatte Spaß. Kaum zu glauben, aber es ging ihr hervorragend und ja, vielleicht war das zum Teil ihrem leichten Schwips geschuldet, den sie bereits nach dem zweiten Sekt mittlerweile hatte (sie vertrug einfach keinen Alkohol, das war jedoch nichts Neues), doch auch diese Tatsache war ihr schlichtweg egal. Es fühlte sich gut an, endlich mal wieder unter Menschen zu sein, die nicht ihre Geschäftskollegen waren. Klar mochte sie ihren Job und ihre Kollegen im St. Mungos, doch auch dort wurde sie oftmals mit mitleidigen Blicken bedacht, wenn sie hin und wieder für ein paar Minuten abwesend war. Dazu reichte oftmals schon ein Patient mit rotem Haar und Sommersprossen, wegen dem sie fluchtartig das Zimmer verließ und einen anderen Heiler schickte. Das Schlimme war, dass diese Anwandlungen von ihr schlichtweg akzeptiert wurden und manchmal fühlte sie sich dabei, wie ein rohes Ei. Aber nun ja, sie war immer noch Hermine Granger, die Kriegsheldin die auf tragische Weise ihren Verlobten verloren hatte. Die Leute hatten einfach nicht genug Schneid, ihr ins Gesicht zu sagen, dass ihr Verhalten manchmal mehr als nur grenzwertig war und Hermine hatte ihrerseits einfach nicht die Kraft dazu, an dieser Tatsache zu arbeiten. Noch nicht. Doch heute – ja heute fühlte sie sich seit langer Zeit einmal wieder gut.
 

Hier in Muggellondon war sie eine Unbekannte. Keine Berühmtheit. Ihre Vergangenheit hing hier nicht wie ein Damoklesschwert leuchtend über ihrem lockigen Kopf und genau das war es, was ihr gefiel. Gerade hatte sie ein recht attraktiver Kerl auf einen Drink eingeladen und das passte ihr ziemlich gut in den Kram. Der Drink, wohlgemerkt, nicht der Kerl. Dem hatte sie soeben mit einem hoffentlich charmanten Lächeln den Rücken gekehrt, um wieder zu Ginny und Luna zurück an den Tisch zu gehen. Sie war gerade einen Schritt weit gekommen, da wurde sie auch schon von der Seite her angerempelt und es war lediglich ihren guten Reflexen zu verdanken, dass nur eine kleine Menge ihres Cocktails aus dem Glas schwappte und sie diese nicht komplett über den Typen schüttete, der sie ganz offensichtlich übersehen hatte.

„Oh, entschuldige, ich hab dich nicht gesehen“, vernahm sie die Stimme von ihrer Linken, während sie ihr Glas in die andere Hand nahm und sich die, nun vom Alkohol feuchte, linke am Saum ihres Kleides abwischte.

„Kein Problem“, antwortete Hermine prompt und blickte auf, um den Typ anzusehen, mit dem sie da gerade zusammengestoßen war, doch der weitere Kommentar, den sie gerade noch auf den Lippen gehabt hatte, blieb ihr im Hals stecken und stattdessen starrte sie ungläubig auf den jungen Mann vor sich.

„Granger?“

„Malfoy!“, entkam es ihr dann schließlich doch noch, nach einigen Sekunden. Träumte sie gerade, oder stand da allen Ernstes Draco Malfoy vor ihr, groß, blond und mit einem mehr als nur überraschten Ausdruck im Gesicht? Er schien ebenso nicht genau zu wissen, was er sagen sollte, denn seine Augenbraue wanderte in ungeahnte Höhen, als er von ihr zu dem Glas in ihrer Hand und wieder zurück in ihr Gesicht blickte. Verdammt, die Sache wurde langsam peinlich, wenn keiner von ihnen etwas sagte. Nicht, dass sie das Verlangen danach gehabt hätte, sich mit Draco Großkotz Malfoy zu unterhalten. Eigentlich hatte sie seit Jahren nicht mehr an den Slytherin gedacht. Das letzte, was sie von Malfoy gehört hatte, war, dass er freigesprochen worden und nach dem Krieg plötzlich von der Bildfläche verschwunden war, worüber keiner so richtig traurig gewesen zu sein schien. Soweit sie wusste, arbeitete er mittlerweile bei ‚A wizzards home‘, einem renommierten Immobilienmakler in London. Diese Information hatte sie jedoch nur einmal von einem Patienten aufgeschnappt, der sich mit seinem Bettnachbarn darüber unterhalten hatte und bis zum heutigen Tag war ihr diese auch komplett entfallen gewesen.

 

Ihr Blick wanderte über Malfoys Gesicht, welches sich in all den Jahren nicht wirklich verändert hatte, außer, dass es markanter geworden war. Er hatte immer noch die stechenden, grauen Augen und die harten Gesichtszüge, doch er trug sein Haar ein wenig anders als noch zu Schulzeiten. War damals wohl Haargel sein bester Freund gewesen (oder ein adäquater Zauber, wer konnte das schon genau wissen), verzichtete er nun komplett darauf, und die mittellangen, blonden Strähnen, fielen ihm elegant ins Gesicht. Und er war männlich geworden. Sehr. Das schlichte, schwarze Button-Down Hemd schmiegte sich wie eine zweite Haut an seinen Oberkörper und Hermine betrachtete mit wachsender Faszination seine Oberarme, deren Muskeln sich deutlich unter dem dünnen Stoff abzeichneten. Verdammt, was tat sie da? Sie war doch nicht im Ernst gerade dabei, Malfoy anzuschmachten, nur, weil er zufällig unverschämt gutaussehend vor ihr stand? Schnell verpasste sie sich eine imaginäre Ohrfeige und kratzte ihren letzten Rest Selbstachtung zusammen, während sie ihm nun fest in die Augen sah.

„Mit dir hätte ich allerdings nicht gerechnet“, versuchte sie, etwas Unverfängliches zu sagen. So wie er sie jedoch ansah, war ihm wohl bewusst, dass sie ihn gerade angestarrt hatte und der eingebildete Schnösel setzte nun ein wissendes Lächeln auf, welches absolut nicht förderlich für Hermines allgemeines Befinden war.

„Und du, Granger? Fleißig am Feiern wie es scheint?“

„Ja, wir haben heut Mädelsabend. Ohne Männer.“ Okay, es war amtlich, sie war eine Idiotin und absolut nicht geboren für sämtlichen Smalltalk. Das wurde ihr auch gerade von dem süffisanten Blick des ehemaligen Slytherins bestätigt.

„Na dann wünsche ich euch viel Spaß. Und versuch unbedingt den Planters Punch, der ist hier unschlagbar.“ Und mit dieser Drink-Empfehlung wandte er sich von ihr ab und war nur wenige Augenblicke später schon wieder in der Menge verschwunden.

„Heilige Scheiße“, keuchte Hermine, nachdem sie mit einem großen Zug den kompletten Inhalt ihres Drinks geleert hatte. Was war das denn gewesen? Sie musste sich erst mal sammeln, denn nicht nur, dass Malfoy sie mit seiner Anwesenheit eiskalt erwischt hatte, nein, auch seine komplette Präsenz hatte sie für einen Moment ganz schwummrig werden lassen und das erste Mal seit zwei Jahren war etwas in ihr erwacht, was sie schon längst vergessen hatte. „Heilige Scheiße!“, flüsterte sie erneut, ehe sie sich einen Planters Punch beim Barkeeper orderte.

 

***
 

Zugegeben, die Begegnung mit Granger kam auch für Draco recht überraschend und er fragte sich, wie ausgerechnet Hermine Granger, die Oberstreberin, dazu kam, sich im Onyx herumzutreiben. Und dies zu allem Überfluss auch noch in einem wirklich ansehnlichen Fummel. Er wusste natürlich, dass sie zwischenzeitlich eine bekannte Heilerin im St. Mungos war und auch, dass sie irgendeine neuartige Heilmethode für Vergiftungen erfunden hat, immerhin hat der Tagesprophet sich beinahe täglich mit News zu ihrer Person überschlagen. Und auch als ihr Verlobter ins Gras gebissen hatte, war die Zeitung voll von Berichten gewesen. Es wunderte Draco nicht wirklich, dass Ron Weasley auf einem Einsatz ums Leben gekommen war, für ihn war schon immer klar gewesen, dass der rothaarige Sidekick von Potter es früher oder später schaffen würde, sich umlegen zu lassen. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit gewesen. Ja, man konnte wohl sagen, dass er, auch nach all den Jahren, immer noch keinerlei Sympathien für das goldene Trio aufbringen konnte. Wobei, wenn er sich gerade das Bild von Granger in ihrem knappen Cocktailkleid ins Gedächtnis rief, dann musste er seinen letzten Gedankengang wohl ein wenig revidieren.
 

Genervt spuckte er die Reste seiner Zahnpasta ins Waschbecken und machte sich nun daran, seine Klamotten abzulegen. Er gehörte eindeutig ins Bett, wenn er sich schon Gedanken über Granger machte. Aber es war auch zu lustig gewesen, war ihm doch nicht entgangen, wie eindringlich sie ihn gemustert hatte und wie sie ihren Blick prüfend und verwundert über seinen Körper hatte gleiten lassen… Er müsste lügen, würde er sagen, dass ihm das nicht gefallen hat. Auch wenn es Granger war. Vielleicht auch gerade, weil es Granger war. Mit hundertprozentiger Sicherheit konnte er das nicht eindeutig sagen.

Als er seine Hose nun ordentlich über den Herrendiener in seinem Schlafzimmer hängte, fiel ihm sein Handy wieder ein, welches nach wie vor in der Hosentasche steckte. Nur widerwillig zog er es heraus und haderte mit sich, denn natürlich hatte Blaise recht gehabt mit seinen Worten. Draco sollte auf jeden Fall zurückschreiben und die Sache klarstellen, doch an dieser Sache gab es noch einen Haken: Er wollte das gar nicht klarstellen. So komisch sich das anhören musste, doch Draco hatte in der letzten Woche Gefallen daran gefunden, jeden Tag diese kleinen Nachrichten zu erhalten und es war spannend, nicht zu wissen, was als nächstes kommen würde. Und wann.

Seufzend entsperrte er das Display und zog verwundert eine Augenbraue in die Höhe. Er hätte nicht damit gerechnet, dass jetzt, mitten in der Nacht, tatsächlich noch eine Nachricht eintreffen würde, doch das kleine Nachrichtensymbol blinkte ihm wie verrückt mit der Ziffer „3“ entgegen. Gespannt öffnete er den Verlauf.
 

Ich hatte einen schönen Abend und fühle mich nun schlecht deswegen…, stand in der ersten Nachricht und Draco schüttelte den Kopf. Er wurde einfach nicht so recht schlau daraus. Auch die zwei weiteren Nachrichten waren eher kryptischer Natur.
 

Vielleicht sollte ich auf die Anderen hören. Was meinst du? Wir haben nie darüber gesprochen, natürlich, aber vielleicht wäre es ja okay für dich?
 

Und dann, eine halbe Stunde später:
 

Weißt du was? Ich werde es einfach versuchen.
 

Langsam legte er sein Handy auf das kleine Kästchen neben seinem Bett und betrachtete es einen kurzen Moment mit gemischten Gefühlen. Sollte er sich vielleicht nicht doch besser um eine neue Nummer bemühen? Immerhin ging das ganze schon ziemlich weit in die Privatsphäre einer anderen Person hinein und auch, wenn er sich einzureden versuchte, dass er im Grunde nichts Verbotenes tat, so hatte das ganze doch einen leicht bitteren Beigeschmack. Auf der anderen Seite… Solange er nicht zurück schrieb, würde auch niemals jemand davon erfahren, also verwarf er den ersten Gedanken wieder und entschied, dass es eindeutig Zeit fürs Bett war.

 

***



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Omama63
2018-03-28T11:57:13+00:00 28.03.2018 13:57
Ein super Anfang.
Es ist traurig, wenn man Hermines SMS liest.
Bin schon gespannt, wann Draco darauf kommt, dass ihm Hermine schreibt.

LG
Omama63


Zurück