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go to hell

karashima / heaven&hell crossover
von

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Taiken

Taiken erwachte mit einem Gähnen, rollte sich auf der Seite zusammen und kuschelte sich nochmal extra gemütlich in seine Decke, um noch einen Moment in der behaglichen Wärme zu schwelgen. Er hatte noch keine Lust, die Augen auf zu machen. Zum Glück musste er das auch nicht. Als Herr der Unterwelt beliebte er so lange zu schlafen wie es ihm in den Kram passte. Wozu unterhielt er schließlich einen Stab von Handlangern und Verantwortlichen? Doch nicht nur, damit er jemanden köpfen konnte, wenn er es für angebracht hielt. Die mussten die Arbeit für ihn erledigen.

Irgendwann blinzelte er aber doch endlich die Augen auf und schaute verschlafen in die Runde. Uhren gab es hier unten nicht, genauso wenig wie Tageslicht, Jahreszeiten oder die psychologisch-zeitliche Dimension eines endlichen Menschenlebens. Das einzige, was dem Dasein hier einen gewissen Rhythmus gab, waren die Schlaf- und Wachphasen. Zeit war in der Unterwelt halbwegs bedeutungslos. Darum war es hier auch meistens recht langweilig. Man musste sich schon was einfallen lassen, um sich die Zeit – die man nicht hatte – zu vertreiben. Am besten konnte man sich bei Laune halten, wenn man irgendwie einen Engel zu fassen bekam.

Ohne Eile bemühte sich Taiken aus seinem großen, bequemen Bett heraus und begann sich anzuziehen. Seinen Kettenbehang, der wie ein viel zu weitmaschiges Netzhemd seinen Oberkörper umbaumelte. Und darüber den Umhang mit dem plüschigen Pelzkragen, ganz klar. Das Tattoo, das sich sonst um seinen rechten Arm wand, war verschwunden. Das hieß, Kira war schon wach und unterwegs. Diese Schlangen-Dämonin hatte eine besondere Verbindung zu ihm. Als seine Schutzpatronin war sie an ihn gebunden. Oft wurde sie zu einem Teil von ihm und wickelte sich als Tattoo um seinen Körper. Aber sie konnte sich auch von ihm lösen und selber auf Achse gehen. Dann nahm sie die Form einer weißen Schlange an. Das war hier in der Unterwelt gar nicht so unüblich. Kurou, einer seiner Jäger, hielt die gefangenen Seelen auf die gleiche Weise fest. Sie zeichneten sich ebenfalls als Tattoos auf seinem Körper ab, bis er sie in der Unterwelt abgeliefert hatte. Eine sehr nützliche Form von Siegel-Bann.
 

Als Taiken zu seiner Zufriedenheit hergerichtet war und auch die rostbraunen Haare perfekt saßen, verließ er seine Privatgemächer und machte sich auf die Suche nach etwas zu essen. Auf dem Weg zur Küche traf er auf seinen Berater.

„Ah, zum Gruß, Mister Taiken“, meinte der Mann mit einer höflichen Verbeugung. Floskeln wie 'Guten Morgen' oder 'Guten Tag' waren in der Unterwelt nicht gebräuchlich, da es hier weder Tag noch Nacht gab.

Taiken zeigte sich etwas salopper. „Hallo“, erwiderte er. Dieses Wort war hier unten eigentlich auch nicht üblich. Ein Souvenir aus der Menschenwelt, die er dann und wann besuchte. Die, die mit Taiken persönlich zu tun hatten, kannten diese Begrüßung inzwischen auch. „Was steht heute an?“, hakte der Herr der Unterwelt gleich mal nach, wenn er seinem Berater schonmal begegnete.

„Die Vorbereitungen sind fast abgeschlossen. Das Henkersfest kann morgen wie geplant stattfinden. Alle werden da sein.“ Mit 'morgen' war 'noch einmal schlafen' gemeint. Das verstand sich von selbst.

Taiken bemühte sich, beim Hängenlassen der Schultern nicht gänzlich in sich zusammen zu fallen. Das Henkersfest, stimmt, da war ja was. Das hatte er bisher erfolgreich verdrängt, weil es ihn so furchtbar nervte. Es war langweilig. Ein Stammtisch all der alten, verstaubten Würdenträger der Unterwelt. Und das waren alles närrische Querköpfe, die sich liebevoll gepflegte Fehden und Kleinkriege lieferten, über ihre Situation jammerten, oder völlig realitätsferne Forderungen an ihn als Herrn der Unterwelt stellten. Das Ende vom Lied war in der Regel, daß die eine Fraktion sich bis zur Ohnmacht betrank, die andere sich die Köpfe einschlug und die dritte haltlos auf Taiken herumhackte. Oder gern auch alles zusammen, wenn man wollte. Meistens rollten ein paar Köpfe, weil es immer ein paar Leute übertrieben.

„Ich hätte da übrigens noch ein paar Dinge mit euch abzuklären, Mister Taiken. Die Weinhändler möchten unter anderem ...“

Taiken hob unterbrechend die Hand. „Jetzt nicht, Mann. Ich bin ja noch gar nicht ganz da. Ich hab noch nichtmal was gegessen.“

„Okay“, lenkte sein Berater verstehend ein. „Dann ... äh ... komm ich damit einfach später nochmal vorbei, oder so.“

„Oder so!“, stimmte Taiken zu. Dann verabschiedete er sich und machte schnell wieder Kehrt, bevor dem Kerl noch mehr Hiobsbotschaften einfielen.
 

Zurück in seinen Wohnräumen stand der Herr der Unterwelt wieder vor seinem Spiegel und überlegte. Manchmal war es echt eine Stütze, sich selber beim Denken zuzuschauen. Es war, als würde sich der Einfaltsreichtum dadurch verdoppeln. Als würde noch jemand für einen mitdenken und beim Grübeln mithelfen. Und wenn ein Einfall Grütze war, dann konnte man es auf den anderen schieben, der da im Spiegel gestanden und den Vorschlag gemacht hatte. Henkersfest. Da hatte er ja vielleicht Lust drauf. Konnte man dem nicht entgehen? Entgehen, das war die Lösung. Er verschwand einfach. Die sollten das blöde Fest ohne ihn feiern, fertig. Taiken warf seinen Herrschermantel ab und zog sich um. Sein Ausgeh-Outfit, oder 'aus-der-Hölle-rausgeh-Outfit', wie er es auch liebevoll nannte. Es bestand aus einem Muskelshirt und einer kurzen Hose, dazu hohe Stiefel und ein leichter, halbdurchsichtiger Mantel.

Eine weiße Schlange kam über den Boden angeschlängelt und ringelte sich neben ihm zusammen, um gleichfalls mit in den Spiegel zu schauen.

„Kira, da bist du ja wieder. Ich geh in die irdische Welt. Kommst du mit?“

„Fluchtreflex, was?“, gab sie zurück.

„Wie kommst du darauf?“

„Du drückst dich mal wieder vor der Pflicht, das Henkersfest auszurichten.“

„Das hat gar nichts damit zu tun!“, beharrte Taiken beleidigt. Er hasste es, so durchschaut zu werden. Das war ja nervig. „Ich geh einfach nur mal aus, damit ich hier in dieser diesigen, nebeligen, dunklen Unterwelt keine Zustände kriege. Und das Fest ist eh jedes Mal das selbe. Langsam sollten die das doch auch ohne mich auf die Reihe kriegen. Die organisatorischen Abläufe sind ja wohl hinreichend bekannt.“

Die Schlange grinste. Taiken könnte schwören, daß sie grinste! „Komm nicht zu spät zurück, okay?“

„Als ob mir das möglich wäre. Die Knalltüten warten ja auf mich. Das Fest wird ohne mich leider nicht losgehen.“

„Dann lass sie nicht zu lange warten“, lachte Kira und schlängelte sich wieder davon.

Seufzend blies Taiken seine Wangen zu großen Pausbäckchen auf und sah in den Spiegel. Mist, das alles. Irgendwann zog er sich doch fertig um.
 

Etwas später war er schon wieder bester Laune. Er spazierte fröhlich durch die Straßen von Tokyo. Sicher, als Durchschnitts-Japaner ging er auch hier nicht durch, wohl aber als Visu. Die Kerlchen vom Visual Kei hatten ja fast alle wuschelige, gefärbte Haare und schräge Klamotten. Da konnte Taiken mit seinen rotbraunen Haaren, den kurzen Hosen trotz der Winterkälte und den hohen Stiefeln mithalten. Er wurde auch erstaunlich selten schief angeschaut. Visual Kei war hier offenbar gang und gäbe, daran nahm keiner Anstoß. Im Übrigen mochte Taiken diese Musik auch. Er war schon gelegentlich auf einem Konzert gewesen. Auf so einem sollte er sich jetzt am besten auch gleich mal sehen lassen, wenn er schonmal hier war. Er hatte ja alle Zeit der Welt. Und wenn er sie nicht hatte, dann nahm er sie sich einfach. Pfeif auf dieses mischuggene Henkersfest, das würde ihm sowieso nicht erspart bleiben, selbst wenn er erst in 3 Wochen zurückgekehrt wäre.

Gerade stand die Weihnachtszeit auf dem Plan. Die ganze Stadt war hübsch erleuchtet, auf extra dafür eingerichteten Weihnachtsmärkten wurde man mit heimeligem Kerzenlicht, Gebäck und dem Duft von Zimt- und Pfefferkuchen-Gewürzmischungen geködert, und überall gab es Geschenke. Und an jeder Ecke prangten Poster mit diesem dicken, unrasierten Mann im roten Schlafanzug. Taiken hatte sich schlau gemacht. Der Kerl wurde 'Weihnachtsmann' genannt und brachte dem Volksglauben nach die Geschenke. Um ihm dafür zu danken, stellte man ihm ein Glas Milch und einen Teller Kekse hin. Kein Wunder, daß der so dick war, wenn er sich bei jeder Familie vollstopfte. Taiken fand die volle Glühlämpchen-im-Schnee-Dekoration der Stadt ja ganz hübsch, aber dem Weihnachtsbrauch an sich konnte er absolut nichts abgewinnen.

„Gottes Segen!“, grüßte ihn jemand von der Seite.

Taiken bekam einen akuten Würgereflex und musste aufpassen, sich nicht zu übergeben. Wer in aller Welt wagte es, ihn so zu beschimpfen!? Als er sich umdrehte, stand da ein junger Mann in Firmenkleidung mit einem Einkaufskorb voll faustgroßer Plastikkugeln. Solche, die man in zwei Hälften öffnen konnte wie ein Überraschungs-Ei. Ein Kundenfänger also.

„Möchten Sie eine Weihnachtskugel haben?“, fragte der junge Mann betont freundlich, wie es sich hier in Japan geziemte, und hielt Taiken einladend eine hin.

„Was ist denn da drin?“, wollte er wissen und gab sich Mühe, ihn nicht wegen seiner verfehlten Grußformel anzuzinken. Der Junge konnte es ja nicht besser wissen.

„Oh, das ist unterschiedlich. Meistens nur Schokolade oder Teebeutel. Aber manchmal auch kleine Sachpreise wie Parfüm- oder Creme-Proben, Gutscheine für unsere Drogerie, und wenn sie ganz viel Glück haben, dann der Hauptgewinn.“

„Und was ist der Hauptgewinn?“

„Finden Sie es heraus!“, schlug der Junge vor.

„Deal“, kommentierte Taiken und begann in dem Korb zu ramschen.

Der Kundenfänger schaute irritiert zu, seine angebotene Weihnachtskugel noch in der einen Hand, den Korb in der anderen. Letzteren hielt er nach dem Überwinden seiner Verwirrung dann auch diensteifrig ein Stück höher, damit sein Kunde sich nicht mehr bücken musste.

Die Plastikkugeln waren alle in weihnachtlichem Rot oder Grün gehalten und blickdicht. Man sah von außen nicht, was drin war. Aber Taiken wäre nicht der Herr der Unterwelt gewesen, wenn er dieses Rätsel nicht gemeistert hätte. Natürlich war er in der Lage herauszufinden, welche Kugel den Hauptpreis in sich barg, sofern es einen gab. Konnte ja sein, der war schon von jemand anderem gezogen worden. Eine von den grünen Kugeln erkannte er nach langem Herumgewühle endlich als die gesuchte. Und machte sie auch gleich vor der Nase des jungen Mannes auf. „Hauptgewinn! Bitte melden Sie sich in unserer Filiale“, las er den Zettel laut vor, den er heraus zog.

„Tja ... äh ... Glückwunsch ...“, nuschelte der junge Mann nun endgültig verstört. Ihm war es verständlicherweise schleierhaft, was hier gerade passiert war. Er hatte keinerlei Betrug erkennen können, aber ganz sauber war das doch sicher auch nicht vonstatten gegangen, oder?

Taiken zeigte auf den Ladeneingang hinter dem Kundenanimator. „Ich bin mal eben meinen Gewinn abholen. Ich sag dir dann Bescheid, was es war.“
 

Der Herr der Unterwelt schlenderte in die Drogerie hinein, angekündigt von einem Tür-Gong, und wuschelte sich zuerst die Haare zurecht und richtete sich den Mantel. Eine Verkäuferin rief ihm das übliche „Irasshaimase – Willkommen!“ zu.

„Zum Gruße!“, gab Taiken feierlich, fast theatralisch, zurück und verwirrte die arme Frau damit gehörig. So hatte ihr hier noch kein Kunde geantwortet.

„Wie ... wie kann ich Ihnen denn helfen?“, fragte sie unsicher nach.

„Ich suche Oster-Dekoration.“

„Ostern? Es ist doch Weihnachten.“

„Na und? Den Weihnachts-Kram habt ihr doch auch schon 4 Monate vorher in den Läden. Ostern ist bald!“, beharrte Taiken.

„Das ... also ... ich fürchte, da kann ich Ihnen nicht helfen“, meinte sie überfordert.

„Dann will ich den Geschäftsführer sprechen und mich beschweren!“

„W-Wie bitte!?“

„Ja! Ich will mich beschweren! Das kann ja wohl nicht sein, daß ihr um diese Zeit noch keinen Oster-Krempel in den Regalen habt! Geh schon und hol den Chef her! Los, ein bisschen zügig! Wo nicht glatt ist, darf gerannt werden!“

Die Verkäuferin schaute ihn noch eine halbe Ewigkeit fassungslos an, dann ging sie tatsächlich langsam los und verschwand.

Taiken beherrschte sich gerade noch, bis sie außer Sicht- und Hörweite war, bevor er belustigt losfeixte und ein leises Lachen nicht mehr unterdrücken konnte. Die hatte ihm das ernsthaft abgekauft. Ein Spaß.

Etwas später kam sie in der Tat mit einem untersetzten, älteren Mann in Anzug und Krawatte zurück, der ihn mit einem „Frohe Weihnachten, der Herr“ empfing. „Ich bedauere, daß es offenbar Probleme gab. Für welches Anliegen darf ich Ihnen denn zur Verfügung stehen?“

Taiken grinste sich immer noch einen. „Nein-nein, 'Probleme' ist vielleicht etwas übertrieben“, versicherte er. „Aber euer Kamerad da draußen vor der Tür hat mir das in die Hand gedrückt.“ Er hielt dem Filialleiter seinen Hauptgewinn-Zettel vor die Nase.

„Oh! ... Ah! ... ähm ...“ Der Anzugträger ruderte kurz mit den Händen, weil er bei einem mutmaßlichen Beschwerde-Kunden damit nicht gerechnet hatte und erstmal überlegen musste, was jetzt zu tun war. „Da ... also Glückwunsch, wollte ich sagen! Na, kommen Sie doch erstmal mit! Hier entlang bitte.“

Der Chef führte Taiken unter viel TamTam, Verbeugungen und Freudebekundungen in sein Büro und bat ihn, Platz zu nehmen. Taiken rechneten schon fast damit, mit Konfetti und Luftschlangen überschüttet zu werden, so wie der Mann sich aufführte.

„Was habe ich denn nun so super-tolles gewonnen?“, brachte der Unterweltler es gleich etwas schnippisch auf den Punkt.

„Einen high quality mp3-player! Das neueste Model! Der kommt erst nächstes Jahr auf den Markt, aber Sie bekommen jetzt schon eine Promo-Version davon! Das ist wirklich ein ganz fetziges Ding, mit dem neuesten Schnickschnack und auf dem aktuellsten Stand der Technik!“

Na super, dachte Taiken etwas ernüchtert. Es war zwar nett, sich seine ganze Lieblingsmusik da drauf packen und anhören zu können. Aber in der Unterwelt hatte er keine Steckdosen, um bei diesem Ding den Akku aufzuladen. Naja, mal sehen. Vielleicht fand er bei seinen Rundgängen im Diesseits eine Möglichkeit, irgendwo Strom-Piraterie zu betreiben ...


Nachwort zu diesem Kapitel:
... so, und Zan wird euch dann in den Kommis verraten, was richtig und was falsch war. :D Komplett anzeigen

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