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Let me sail, let me sail, let me crash upon your shore

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey ho,

da wäre nun meine erste Geschichte! Yay!

Ich halte eigentlich nicht sonderlich viel von Dreiecks-Liebesgeschichten, weswegen ich aus mir unerfindlichen Gründen genau sowas geschrieben habe? Wth? Masochist, ich sag's euch...

Es sollen voraussichtlich drei Kapitel werden – jeweils aus der Sicht eines der Hauptcharaktere – und natürlich sind sämtliche Ereignisse sowie die Charaktere selbst von mir frei erfunden.

Viel Spaß! Komplett anzeigen

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Ein Sommertag aus Florians Sicht

„… und dann hat er behauptet, Sauron wäre kein wirklicher Böser“, ereiferte Mara sich mit fliegenden Händen, „Den Herrschern der Kolonialmächte sei er gleich zu setzen und genau wie mein Vater! Mein Vater, Flo!“ Sie schnippte sich eine Mücke vom Arm und rückte ruppig das Oberteil ihres rüschenbesetzten Bikinis zurecht. Florian, der neben ihr auf dem Steg des Sommeranwesens der Hohenstedters saß, spreizte verlegen die Zehen in dem kühlen Wasser unter sich und versuchte erfolglos sein Lächeln zu unterdrückten. Vincent, Maras langjähriger Freund und baldiger Verlobter, war nicht direkt unbekannt für seine etwas anderen Filmtheorien. Und dessen Youtube-Kanal bestand ja auch nicht erst seit gestern aus solchen…
 

„Bist du wirklich überrascht? So unrecht hat Vince da nämlich gar nicht…“, merkte er nach einer kurzen Pause achselzuckend an und rieb sich die rechte Wange, um sein Schmunzeln zu verbergen. Er liebte Vincents Theorien. Und er liebte es, wie er sie erzählte… ruhig und konzentriert, als ob es sich dabei um eine komplizierte mathematische Formel handeln würde, während ein Leuchten in seine blaugrünen Augen trat, das jedes Flutlicht in den Schatten stellte. Seine Stimme war zu tief für sein Alter, schwer wie Honig und so rau, als ob man ihm als Baby statt Muttermilch Whisky gegeben hätte… Wenn Vincent während seiner Monologe rauchte, nahm er vor dem Sprechen einen kurzen tiefen Zug und blies den Qualm anschließend langsam mit gesenktem Blick wieder aus… eine natürliche Sinnlichkeit zur Schau stellend, über die irgendwer dringend eine Ballade verfassen sollte. Mit mindestens achtzehn Strophen, Bitteschön. Und manchmal, manchmal fuhr Vince sich abwesend über die dunklen Bartstoppeln, die er stets an seinem Kinn stehen ließ, und das leise, knisternde Geräusch elektrisierte Flo mit dem Gedanken, wie es wohl wäre, diese gegen seinen Adamsapfel zu spüren…
 

„Mensch, Flo“, beschwerte Mara sich in diesem Moment und holte ihn mit einem geschickt platzierten Ellenbogen in die Realität zurück. Die Realität, in der Vincent strikt hetero und seit fünf Jahren mit ihr zusammen war. „Als mein bester Freund, hast du gefälligst auf meiner Seite zu sein!“ Florian ignorierte die stechenden Schuldgefühle in seiner Brust und schubste Mara spielerisch zurück. „Ich dachte, das war Vincents Aufgabe?“ Sie schnaubte dramatisch und warf nach einem kurzen Blick zu dem gelben Herrenhaus ihren langen Zopf hinter sich. „Das kannst du ihm ja gleich ausrichten.“ Und damit sprang sie elegant wie ein Pfeil, der von der Sehne fliegt, in den See.
 

Flo folgte ihrem Blick und konnte, wie erwartet, Vincent gelassen über den Rasen auf sie zukommen sehen. Ein Lächeln stahl sich unweigerlich auf seine Lippen. Vince war barfuß, aber seine langen Beine steckten trotz der Hitze in einer schwarzen Jeans, die am Knie zerrissen war und nur noch durch guten Willen auf den Hüften zu bleiben schien. Er hatte die Ärmel des ebenso schwarzen Hoodies mit dem Logo irgendeiner Band nach oben geschoben und war gerade dabei sich eine Zigarette zu drehen. Florian blieb an den Bewegungen der großen, schlanken Hände hängen, die die Sehnen von Vincents Unterarmen zum Spielen brachten, und seufzte lautlos in die glühende Sommerluft. Selbst wenn Vince nicht mit Mara zusammen wäre und auf Männer stehen würde, hätte er vermutlich nicht die geringste Chance.
 

Vincent hob den Kopf von seinem Tabakkunstwerk erst, als er den Steg bereits erreicht hatte, und als sich ihre Blicke trafen, leckte er grinsend längs über das Papier. Ein Schauer huschte Flo über den Rücken und er spürte eine vertraute Wärme in der Magengegend, schaffte es jedoch halbwegs seine ungerührte Miene beizubehalten. Wofür er – ganz ehrlich – mindestens eine Schauspielkarriere in Hollywood sicher haben sollte, wenn nicht gar eine als Spion.
 

„Ich hoffe, du bist hier, um dich wieder mit Mara zu versöhnen? Der Film geht in zwei Stunden los und ich will im Kino nur ungern zwischen euch sitzen müssen…“ Vincent zuckte desinteressiert mit den Schultern, schob sich die Kippe zwischen die Lippen und zog sich seine verrutschte Jeans auf eine Weise wieder nach oben, die kurz seinen Bauch entblößte und Florian unangenehm daran erinnerte, dass er nur mit Shorts bekleidet war. Nervös strich er sich Strähnen seines braunen Mopps aus dem Gesicht und blickte zu Mara herüber, die sich demonstrativ in der Mitte des Sees auf einer Luftmatratze sonnte. Vielleicht sollte er ebenfalls eine Runde schwimmen…
 

„Bambi“, murmelte Vince feierlich, während er sich so dicht neben ihn setzte, dass sich ihre Oberschenkel berührten, „du kannst mir nicht erzählen, dass du in diesen Film willst.“ Sein Feuerzeug erwachte klickend zum Leben und nach einem tiefen Zug von der glühenden Zigarette, ließ Vince sich rücklings auf den Steg sinken. Flo folgte jeder seiner Bewegungen, während die Worte nach dem albernen Kosenamen nur peinlich langsam in sein Bewusstsein sickerten. Was. Nach einigen Minuten der Stille, tippte er ungläubig gegen Vincents Knie und holte dessen Aufmerksamkeit damit schlagartig von den Wolken auf sich zurück.
 

„Du hast sie mit Absicht auf die Palme gebracht? Und mit Absicht ihre Familie – deine zukünftigen Schwiegereltern, wenn ich dich erinnern darf – fundamental beleidigt?“ Vincents linke Augenbraue, die seit dem Unfall von einer Narbe unterbrochen wurde, hob sich fragend, so als ob ihm nicht ganz klar war, worauf Florian hinaus wollte. „Na, das nenne ich mal perfekte Voraussetzungen für eine Verlobung…“
 

Auch wenn es Flo noch immer einen Stein in den Magen legte daran zu denken, dass Vincent und Mara höchstwahrscheinlich für immer zusammenbleiben würden, hatte er Vince vor drei Monaten auf der Suche nach passenden Verlobungsringen begleitet. Der geplante kurze Bummel in Berlin hatte schließlich zu einem verlängerten Wochenende in Prag geführt, über welchen sie beinahe den ursprünglichen Grund ihres Ausflugs vergessen hätten. Ein bisschen war Flo darüber überrascht, dass Vincent noch immer nicht die Frage aller Fragen gestellt hatte, schien er sich doch sonst immer in allem so sicher zu sein. Und ein kleiner, sehr fieser Teil in ihm hoffte, dass er der Grund für dessen Zögern war… Florian schämte sich für diesen Gedanken fast noch mehr, als für seine verfluchten Gefühle für Vincent selbst. Wer verschenkte sein Herz schon auf den ersten Blick an eine offensichtlich unerreichbare Person? Und wer war so blöd auch nach fünf verdammten Jahren nicht über diese hinweg zu sein? Er, natürlich. Florian Arthur König. Auch bekannt unter dem Namen Wer-braucht-schon-ein-Happy-End von und zu Liebeskummer, schön sie kennen zu lernen.
 

„Aquila“, durchbrach Vincent plötzlich völlig zusammenhanglos seine zynischen Gedankengänge, während er sich auf den Ellenbogen aufrichtete. Flo blinzelte überrascht und stützte sich dann Vince entgegen auf seiner rechten Hand ab, um ihn besser mit einem flachen Blick fixieren zu können.
 

„Nochmal auf Deutsch?“ Vincents Zeigefinger berührte zur Antwort irgendeinen Punkt auf seiner Wirbelsäule und Flo schluckte.
 

„Das ist Tarazed…“, erklärte Vincent fasziniert ohne tatsächlich irgendwas zu erklären, ehe seine Fingerspitze einer unsichtbaren Linie über Flos Rücken folgte. Was? Florian erstarrte in seinen Bewegungen und hielt unbewusst den Atem an, während seine Augen nach einer besseren Erläuterung über Vincents Gesicht huschten.
 

„Hier liegt Alschain, was aus dem Arabischen für Wanderfalke abgeleitet wurde… und zwischen den beiden, Altair“, fuhr Vincent unbeirrt mit seiner rauen Stimme fort, nahm dann einen letzten Zug seiner Zigarette, wofür er den Hautkontakt unterbrechen musste und Florian nutzte den Moment, um seinen rasenden Herzschlag zu beruhigen, als Vince die Kippe ausdrückte. Was zum Kuckuck tat er da? Benannte er gerade tatsächlich seine Sommersprossen?
 

Als Vincent sich ihm wieder zu wandte und sich in derselben Bewegung richtig aufsetzte, registrierte Flo plötzlich, wie nah sie einander waren. Vincents linkes, angewinkeltes Knie ruhte halb auf seinem Oberschenkel und schien ihn selbst durch den Jeansstoff wie Lava zu verglühen. Er konnte Vincents Atem auf seinem Gesicht spüren und wäre dazu in der Lage jede einzelne seiner schwarzen Wimpern zu zählen. Sein Blick rutschte nervös zu dessen Lippen, blieb an der schmalen Narbe hängen, die sich senkrecht über diese bis zur scharfen Linie seines Unterkiefers zog, und flatterte dann über dessen gepiercte Nase zurück zu diesen intensiven Augen, mit ihrer abstrakten Mischung aus grün und blau. Shit.
 

„Wovon“ Flo stockte, um sich die Lippen zu befeuchten. „Wovon redest du, Vince?“
 

„Die drei Sterne bilden den Kopf von Aquila… Du trägst das Sternbild des Adlers auf dem Rücken, Bambi. Hat dir das nie einer gesagt?“
 

Gott, dieser Typ würde ihn noch ins Grab bringen. Flo schüttelte amüsiert den Kopf. „Ich bezweifle, dass das außer dir auch nur irgendwem hätte auffallen können. Ich meine, die meisten Leute sind wahrscheinlich froh, wenn sie in einer wolkenlosen Nacht den Mond finden können, also…“
 

Vincent feixte leise zwischen sie und fuhr sich abwesend mit dem Daumen über die schwarzen Stoppeln an seinem Kinn. „Es ist jedenfalls sehr hübsch… “
 

Heilige Mutter Gottes. Würde ihn bitte jemand erschießen? Hoffentlich fiel Vincent nicht die Röte in seinem Gesicht auf oder schob sie auf die Hitze des Sommers…
 

„Das war übrigens meine letzte“, wechselte Vince dann unerwartet wieder das Thema und Flo brauchte einige Sekunden, um den Zusammenhang zu dessen Zigarette zu erkennen. War der Junge irgendwie gegen Kontinuität allergisch?
 

„Okay? Nicht, dass ich das nicht befürworten würde – ich bin ein großer Fan funktionierender Lungen, ehrlich –, aber wie kommt’s?“
 

„Ich weiß nicht, aber nach dem Unfall letztes Jahr – du erinnerst dich?“
 

„Unfall? Was? Hast du mir davon schon mal erzählt? Oh, nein, Vincent Gaius von Siemens! Du kannst unmöglich die paar Wochen meinen, in denen ich beinahe einen der wichtigsten Menschen meines gesamten Lebens verloren hätte, während mein Herz irgendwie in nem Mixer stecken geblieben war… Hm, welchen Unfall kannst du nur meinen?“
 

„Okay, okay“, kicherte Vincent dazwischen und hob abwehrend die Hände. „Meine Frage war dämlich.“
 

„Dämlich? Jaa… das oder vollkommen gehirnamputiert, wenn dir diese Bezeichnung besser gefallen sollte.“ Sie grinsten einander einen Augenblick lang dümmlich an, bis Flo befürchtete, dass der schmachtende Ausdruck in seinen goldbraunen Augen ihn eventuell verraten könnte, und er sich mit einem abrupten Räuspern dem See zudrehte.
 

„Also…“, brachte er sie wieder zum Thema zurück, „Du wolltest über den Unfall reden, durch den ich einen gesunden Respekt vor nassen Straßen entwickelt hab?“
 

„Jup. Uhm, also damals beschloss ich einige Dinge zu ändern… Ich, mir sind ein paar Sachen klar geworden, die…“ Er brach ab und fuhr sich frustriert über seinen schwarzen Hahnenkamm. „Kennst du das Gefühl, dass dein Leben nur eine verzerrte Realität ist? Dass du es gar nicht wirklich lebst, sondern nur als Außenseiter durch ein Kaleidoskop betrachtest? Die Aussicht zwar genießend, aber emotional nicht wirklich… da.“ Vincent machte eine verdeutlichende Geste, die rein gar nichts verdeutlichte, und Flo fing reflexartig etwas besorgt sein Handgelenk ab. Er war sich nicht ganz sicher, ob er Vince richtig verstand, begriff aber sofort wie schwer die Sache für ihn wog.
 

„Fühlst du das?“, verlangte er betont ruhig zu wissen und verstärkte den Druck auf Vincents Handgelenk, bis seine Knöchel weiß hervortraten. Der andere nickte nach einem kurzen Zögern.
 

„Was hat das mit-“
 

„Solange du fühlst, bist du da. Du schläfst nicht und du bist auch kein bloßer Zuschauer. Es ist dein Leben. Du hast die Kontrolle. Was fühlst du?“
 

Dieses Mal musste Vincent schlucken. „Deine Finger… meinen Pulsschlag unter ihnen… Ihre Wärme und die Sonnencreme, die du wahrscheinlich trotzdem aufgetragen hast, obwohl du noch nie einen Sonnenbrand in deinem Leben gehabt hast.“
 

„Ich frage mich warum. Weiter? Was fühlst du noch?“
 

Vincent atmete tief durch und schloss die Augen. „Das Sonnenlicht… wie stickig die Luft ist und wie hart die Planken des Stegs… Schweiß. Und wie meine Klamotten inzwischen an mir kleben… und dass selbst kurze Fingernägel demnächst blaue Flecken hinterlassen werden.“
 

Flo lockerte seinen Griff etwas und Vincent öffnete seine Augen wieder.
 

„Solange du fühlst, bist du nicht tot, Vince. Du lebst. Du bist hier und du hast die Kontrolle. Der Unfall war nicht deine Schuld und auch nicht, was dieser Frau dabei passiert ist. Sie ist tot, nicht du.“
 

Gott. Manchmal jagte Florian ihm Angst ein. Es würde ihn kein bisschen überraschen, zu erfahren, dass der schlanke Junge mit den rotbraunen Locken in Wahrheit ein Medium war.
 

„Danke, Bambi.“ Vincent entwand sich langsam Flos Griff und fuhr ihm kurz mit dem Daumen über die Wange. Es war fast absurd, wie viel leichter die Welt in Florians Nähe anmutete, ohne dass sie auch nur einen Funken an Bedeutung verlor. „Das hab ich gebraucht.“
 

„Kein Problem“, erwiderte Flo ehrlich, während besorgte Gedanken sich in seinem Kopf zu überschlagen begannen und Vincent sich mit neuem Schwung erhob. Wie lange mochte er diese dunklen Gefühle schon mit sich rumgeschleppt haben? Kamen sie oft? Was hatte er sonst gegen sie getan?
 

„Weiß Mara davon…?“, fragte er leise, nachdem er sich vergewissert hatte, dass diese noch immer außer Hörweite auf ihrer Luftmatratze die Unbeschwertheit der Semesterferien genoss, und Vincent hielt in seinem Schritt inne. „Bisher gab’s keinen Grund mit ihr darüber zu reden…“ Flos Innerstes Widersprach dem sofort, aber er behielt die Einwände für sich. Das war nicht der richtige Zeitpunkt oder Ort dafür.
 

„Und jetzt?“, fuhr Vincent schmunzelnd fort, als ob er seine Gedanken gelesen hätte, und hob verdeutlichend den rechten Unterarm, auf dem sich sichtbar Florians Fingerabdrücke rot abzeichneten. „Jetzt erst recht nicht mehr.“



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