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Endormis

von

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In Dumbledores Büro

Protagonist: James Potter
 

***
 

Vor dem Aufgang zu Dumbledores Büro versperrte uns der steinerne Wasserspeier den Weg. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich ja das Passwort zu seinem Büro gar nicht kannte.
 

„Du kennst nicht zufällig das aktuelle Passwort?“, fragte ich Harry.

„Ähm…“, erwiderte er etwas ratlos. „Scherbert Zitrone?“
 

Nichts passierte.
 

„Das zumindest war letztes Jahr das Passwort gewesen“, schloss er etwas ernüchtert.

„Tja… dann ist es das jetzt wohl nicht mehr“, antwortete ich. „Knallbonbon? … Himbeermarmelade? … Siruptorte? … Lakritzzauberstab? ...“
 

Von dem Wasserspeier kam keine Reaktion.
 

„Super!“, gab ich etwas resigniert auf. „Wir stehen hier einfach so rum und warten. Vielleicht kommt er ja irgendwann von selber raus!“
 

Harry hingegen schien sich noch nicht so schnell geschlagen geben zu wollen.
 

„Eulenkeks … Butterbier … Eismäuse …“, riet er weiter, „Getrocknete Kakerlaken …“

„Gummidrops“, warf eine weitere Stimme ein und der Wasserspeier erwachte augenblicklich zum Leben und gab den Weg frei.
 

Ich wandte mich nach der Stimme um. Es dauerte einen Moment, eh ich den Mann, der vor mir stand, erkannte. Er sah schäbig und kränklich aus, seine Kleidung war alt, abgetragen und mit Flicken überseht, seine Haare waren etwas angegraut und er hatte ein paar Narben im Gesicht, in welchem die pure Überraschung geschrieben stand.
 

„James? Lily?“, fragte er nach einer Weile, in der wir uns einfach nur angestarrt hatten.

„Remus?“, erwiderte ich ebenso perplex. Mit ihm hatte ich überhaupt nicht gerechnet. „Was tust du hier?“

„Das fragt gerade der Richtige!“, entgegnete er.

„Bevor du fragst“, fiel ich ihm ins Wort, „ich kann dir nicht beantworten, wie wir aus unserem Grab entsteigen konnten. Wir hatten gerade gehofft, dass Dumbledore vielleicht ein paar Antworten für uns hätte. … Aber ich halte es auch nicht für ausgeschlossen, dass wir auch einfach nur Zombies sein könnten.“

„Ihr seht nicht aus wie Zombies“, versicherte er uns.
 

Einen kurzen Moment schien er mit seiner Fassung zu ringen und brachte keinen Ton hervor.
 

„… Wow!“, setzte er schließlich wieder an. „Ich bin so perplex, ich hab‘ glatt vergessen, was ich eigentlich wollte. Aber ich komme gerne mit hoch und hoffe mit euch, dass Dumbledore Antworten für euch hat.“

„Cool“, antwortete ich knapp und endlich stiegen wir die Treppe zu Dumbledores Büro empor.
 

Oben angekommen klopfte ich an die Tür.
 

„Herein!“, hörten wir Dumbledores freundliche Stimme. Wir traten ein.
 

Dumbledore wirkte nicht überrascht, als er uns sah. Tatsächlich blickte er von seinem Strickmuster-Heft auf, das er gerade gelesen hatte und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als wäre es völlig normal, dass Leute so einfach nach 12 Jahren ihrem Grab entsteigen.
 

„Oh, James! Lily! Remus! Und Harry!“, begrüßte er uns gut gelaunt. „Welch freudige Überraschung, euch zu sehen! Setzt euch doch! Möchtet ihr vielleicht ein Brausebonbon?“
 

Er setzte sich aufrecht hin, bot uns je einen Stuhl an und hielt uns eine kleine Schale mit Bonbons hin. Ich blieb jedoch sehen.
 

„Nein, danke“, antwortete ich, während die anderen nur stumm mit dem Kopf schüttelten.

„Nun, gut“, meinte er. „Ich stelle die Schale also einfach hier hin und wenn ihr wollt, dann greift einfach zu.“
 

Er stellte die Schale in unserer Griffnähe ab, dann lächelte er uns freundlich an.
 

„Ich denke, ihr werdet mir vielleicht verzeihen, wenn ich euch zunächst eine kleine Frage stelle, bevor ihr mir eure sicher spannende Geschichte erzählt?“, fuhr er an Lily und mich gewandt fort. Ich blickte ihn nur abwartend an, was ihm als Zustimmung zu genügen schien. „Was tat Harry, als ich das letzte Mal bei euch zu Besuch war?“
 

Ich legte meine Stirn in Falten und musste erst einmal überlegen. Das letzte Mal, als er uns besucht hatte, hatten wir über den Fidelius-Zauber diskutiert. Er hatte uns angeboten, selber unser Geheimniswahrer zu werden, aber wir hatten abgelehnt. Damals war es auch noch unser fester Plan gewesen, Sirius zu wählen – wären wir doch bloß dabeigeblieben! … Danach hatten wir uns, glaube ich auch noch über den Tarnumhang unterhalten … Aber was hatte Harry in der Zeit gemacht?
 

Lily schien sich jedoch schneller als ich, daran zu erinnern.
 

„Er hat auf dem Fußboden, im Wohnzimmer mit seinen Bauklötzchen gespielt“, antwortete sie. „Dann kam er irgendwann auf meinen Schoß. Und schließlich fand er Ihren Bart so faszinierend, dass er die ganze Zeit nur noch damit gespielt und darauf rumgekaut hat!“
 

Remus unterdrückte einen kurzen Lacher, während Harry ein Gesicht machte, als wisse er nicht so recht, ob ihm diese Geschichte nun peinlich sein oder ob er sich witzig finden sollte.
 

„Ach richtig! Hat er Sie nicht sogar noch gefragt, ob Sie – wie war das - der Weihnachtsmann wären?“, erinnerte ich mich.
 

Jetzt konnte Harry sich einen kurzen Lacher offenbar nicht mehr verkneifen. Dumbledore achtete jedoch nicht auf ihn. Ihm schien diese Antwort zu genügen, denn er nickte und lächelte uns nun noch breiter an.
 

„Nun, dann bin ich doch sehr gespannt darauf zu erfahren, wie ich zu diesem unverhofften Besuch komme“, sagte er mit einer einladenden Geste.
 

Ich wusste nicht so recht, wie ich seine Reaktion interpretieren sollte. Sein Gesichtsausdruck wirkte nach wie vor nicht im mindesten überrascht und doch kam mir seine Formulierung so vor, als ob er diese Überraschung vielleicht nur verborgen hielt. Andererseits hatte er bisher noch immer alles gewusst oder zumindest eine hilfreiche Vermutung parat gehabt. Also begann ich ohne weitere Umschweife.
 

„Also ich weiß, dass das wohl etwas schräg klingt, aber Lily und ich sind letzte Nacht offenbar unserem Grab entstiegen und offensichtlich war es da drin so gemütlich gewesen, dass wir glatt ein paar Jahre verschlafen haben. Wir hatten gehofft, Sie wüssten vielleicht, was passiert sein könnte und hätten ein paar Antworten für uns.“
 

Für einen kurzen Moment blickte er mich nachdenklich an.
 

„Das kommt darauf an, welche Antworten du haben möchtest“, erwiderte er. „Ich werde mein Bestes geben, dir deine Fragen zu beantworten. … Allerdings,“ fügte er nun in einem etwas bedauernden Tonfall hinzu, „fürchte ich, dass ich bereits deine erste Frage nicht beantworten kann. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie es passiert sein könnte, dass ihr beiden eurem Grab entsteigen konntet.“
 

Ich war über diese Antwort so enttäuscht, dass ich mich resigniert auf einen Stuhl sinken ließ und einen Momentlang gar nichts sagen konnte. Also konnte noch nicht einmal Dumbledore uns helfen!
 

„Es tut mir leid, James“, setzte Dumbledore nach. „Ich kann dir nur sagen, dass kein Zauber die Toten ins Leben zurückholen kann. Ihr jedoch wirkt sehr lebendig auf mich. Die einzige Schlussfolgerung, die sich mir ergibt, ist die, dass ihr offenbar nie wirklich tot wart.“

„Aber er hat den Todesfluch auf uns gerichtet“, widersprach ich. „Und ich jedenfalls hatte keine Chance mich zu verteidigen.“

„Auch Harry hat überlebt, ohne sich zu verteidigen“, entgegnete Dumbledore.

„Aber ganz offensichtlich hat Harry auf eine ganz andere Art und Weise überlebt, als wir“, stellte ich fest. „Er hat jedenfalls keine 12 Jahre verschlafen.“

„Wie hat Harry überlebt?“, fragte Lily, neben mir, zaghaft.
 

Das war eine interessante Frage. Sie schien mir fast ein wenig grob, in Harrys Beisein und auch Lily wirkte etwas unsicher, als hätte sie sich schon eine ganze Weile gefragt, ob sie diese Frage eigentlich stellen sollte. Doch Harry wirkte nicht wütend oder verletzt darüber.
 

„Du hast mich beschützt“, warf er ein. „Er konnte mich nicht töten, weil du ihn nicht an mich ranlassen wolltest.“
 

Lily und ich starrten ihn etwas verwirrt an. Was meinte er damit, Voldemort hatte ihn nicht töten können, weil Lily ihn nicht an ihn ranlassen wollte? Welche Eltern hätten denn so etwas auch zugelassen?
 

„Das Entscheidende hierbei ist die Macht der Liebe“, fügte Dumbledore an Lily gewandt hinzu, „Indem du dich vor Harry gestellt hast, hast du ihn durch deine Liebe beschützt. Die Liebe ist eine Macht, die Voldemort nie verstanden und immer unterschätzt hat. Deswegen konnte er Harry nicht töten.“
 

Lily guckte immer noch geschockt und ziemlich verwirrt. Ich selber war nicht minder irritiert. Was hätte man denn anderes erwarten sollen?
 

„Aber warum konnte ich dann nicht Lily und Harry schützen?“, wollte ich wissen. „Ich habe versucht, Voldemort auf der Türschwelle aufzuhalten. Ich hatte nicht einmal mehr meinen Zauberstab in der Hand. Warum konnte er Lily etwas antun?“

„Leider, jedoch“, erwiderte Dumbledore, „hat Voldemort dir keine Wahl gelassen, zu sterben oder nicht. Er hatte niemals vor dich am Leben zu lassen. Allerdings hätte er Lily nicht getötet, wenn sie zur Seite getreten wäre. Hätte Voldemort dir die gleiche Wahl gelassen, wie ihr, dann hätte er womöglich auch Lily nichts anhaben können.“

„Aber warum hat er mir die Wahl gelassen“, fragte Lily.

„Auf diese Frage habe ich leider keine Antwort“, antwortete Dumbledore. „Ich habe seine Beweggründe dahingehend nie verstehen können. Entscheidend jedoch ist, dass er dir die Wahl gelassen hat.“
 

Er sah Lily lächelnd an. Sie jedoch blickte immer noch etwas verwirrt drein, sagte allerdings nichts mehr dazu.
 

„Aber warum haben wir dann überlebt?“, kehrte ich nun zum eigentlichen Thema zurück. „Ganz offensichtlich ist es doch etwas völlig Anderes, wie Harry überlebt hat. Wieso konnten dann Lily und ich in unserem Grab aufwachen, wenn wir nicht auf dieselbe Art und Weise geschützt wurden?“

„Wie gesagt, habe ich darauf keine Antwort“, entgegnete Dumbledore. „Du müsstest mir ein wenig Zeit geben, es herauszufinden.“
 

Ich nickte resigniert und schwieg einen Moment.
 

„Da wäre noch etwas Anderes, was ich gerne klären würde“, wechselte ich schließlich das Thema.

„Dann schieß los“, forderte mich Dumbledore freundlich auf.

„Ich habe gehört, dass Sirius in Askaban war und nun allerdings ausgebrochen ist“, begann ich.

„Das ist richtig“, bestätigte er mir mit einem ernsten Nicken.

„Es ist sehr wahrscheinlich, dass er sich irgendwo auf dem Gelände befindet“, warf Remus ein, der bisher lediglich zugehört hatte. „Leider versteckt er sich bisher sehr erfolgreich. Er hat es zweimal geschafft ins Schloss einzubrechen, aber es ist uns leider noch nicht gelungen, ihn zu fassen.“

„Aber er ist unschuldig!“, widersprach ich und Remus wirkte mehr als nur überrascht. Ich jedoch wandte mich wieder an Dumbledore. „Professor, er war nicht unser Geheimniswahrer. Er hat uns selber davon überzeugt, dass wir lieber Peter wählen sollten und wir haben auf ihn gehört. Ich muss offensichtlich völlig vergessen haben, Ihnen das zu schreiben, aber es war geplant, dass Sirius trotzdem weiterhin so tut, als wäre er unser Geheimniswahrer. Er wollte damit Voldemorts Aufmerksamkeit auf sich lenken.“
 

Dumbledore sah mich einen Augenblick nachdenklich an, während Remus unterdessen offensichtlich sprachlos war.
 

„Das wirft in der Tat ein anderes Licht auf ihn, als bisher vermutet“, stimmte er mir zu. „Allerdings erschließt sich mir nicht wirklich, aus welchen Gründen er dann schließlich aus Askaban ausbrechen und hierher nach Hogwarts kommen sollte.“

„Ich weiß es nicht“, erwiderte ich. „Ich habe gehört, alle vermuten, er hätte es auf Harry abgesehen. Aber das kann nicht sein. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Er ist immerhin Harrys Pate und wieso sollte er ihm etwas antun wollen?“
 

Unterdessen schien Remus ein bisschen seiner Fassung wiedererlangt zu haben.
 

„Warum er das tun sollte, kann ich dir nicht sagen“, mischte er sich ein. „Aber die Anzeichen sprechen bisher deutlich dafür, dass er offensichtlich tatsächlich hinter Harry her ist. Beide Male, in denen er ins Schloss gelangt ist, wollte er in den Gryffindorturm. Das eine Mal war er dabei sogar mit einem Messer bewaffnet und ist bis in Harrys Schlafsaal gelangt.“
 

Ich starrte ihn entsetzt an, dann zu Harry, der nur ein leichtes Nicken erwiderte. Aber das konnte nicht sein! Das ergab überhaupt keinen Sinn! Er war mein bester Freund, er war wie der Bruder für mich, den ich nie hatte. Ausgerechnet er…? … Nein, das konnte nicht sein. Es musste einfach eine andere Erklärung für alles geben! Womöglich hatte Askaban ihn schlicht um den Verstand gebracht!
 

„Er saß immerhin 12 Jahre in Askaban“, beharrte ich. „Er ist mit Sicherheit nicht ganz bei sich. Vielleicht wollte er Harry das Messer ja schenken!“
 

Dumbledore und Remus blickten mich mit einer seltsamen Mischung aus Unglauben und Mitleid an, während Harry offenbar versuchte ein Lachen zu unterdrücken.
 

„Er war offensichtlich bei klarem Verstand genug, um aus Askaban zu entkommen und hier in Hogwarts einzudringen“, entgegnete Remus. „Selbst jetzt versteckt er sich immer noch erfolgreich. Wäre er nicht ganz bei Verstand, dann hätte man ihn längst fassen müssen.“
 

Allmählich gingen mir die Ideen aus.
 

„Dann denkt er vielleicht, dass irgendjemand anderes hinter Harry her sein könnte“, schlug ich vor. „Harry hat vorhin erzählt, er wäre hier Voldemort bereits zweimal begegnet. Vielleicht hat Sirius ja davon gehört und will Harry vor ihm schützen.“

„Ich bitte dich, dich zu beruhigen, James“, versuchte mich Dumbledore zu besänftigen. Aber ich wollte mich nicht beruhigen. Ich spürte, dass er mir offenbar nicht glaubte und ich spürte, dass Sirius hier gerade zu Unrecht verdächtigt wurde.

„Nennen Sie mir nur einen handfesten Beweis dafür, dass er wirklich bei klarem Verstand ist“, forderte ich ihn auf und erhob mich wieder von dem Stuhl. „Es ist pure Spekulation, dass er Harry etwas antun will und das kann einfach nicht sein. Ich weiß es!“

„Auch du weißt es nicht, James“, widersprach Dumbledore mir. „Auch du kannst nur Vermutungen anstellen. Der einzige, der uns sagen könnte, was er wirklich vorhat, ist er selbst und im Augenblick wissen wir nicht, wo er sich genau versteckt hält.“

„Dann werde ich ihn eben finden!“, versicherte ich.

„Das habe selbst ich noch nicht geschafft“, warf Remus ein.
 

Ich wandte meinen Blick wieder ihm zu.
 

„Dann hast du’s anscheinend noch nicht wirklich versucht“, warf ich ihm etwas aufgebracht vor. „Erzähl mir nicht, dass du das Schloss und dieses Gelände nicht gut genug kennst, um die Verstecke zu kennen, die Sirius wahrscheinlich wählen könnte.“

„Ich habe sie alle abgesucht“, versicherte er mir ruhig.
 

Wie konnte er nur so ruhig bleiben und so felsenfest von Sirius Schuld überzeugt?
 

„Ganz ehrlich, Remus“, fuhr ich ihn an. „Ich habe damals nicht verstehen können, wie Sirius eigentlich dich verdächtigen konnte, ein Spion zu sein. Wie kannst du glauben, dass Sirius ein Spion gewesen sein könnte?“

„Hättest du Peter verdächtigt?“, fragte er mich prompt. „Hätte ich ahnen sollen, dass ausgerechnet Peter euch tatsächlich verraten würde?“

„Ich konnte keinen von euch verdächtigen“, gestand ich, doch in diesem Moment wünschte ich mir, ich hätte Peter damals verdächtigt.

„Tatsächlich hätte ich ebenfalls niemals vermutet, dass auch nur einer von uns ein Verräter sein könnte“, gestand Remus bitter. „Aber nach dem, was passiert war, sprach doch alles dafür, dass Sirius ein Spion gewesen sein musste.“

„Er-ist-kein-Spion!“, widersprach ich. „Warum sollte er mich denn davon überzeugen, dass es besser sei, Peter zum Geheimniswahrer zu wählen, wenn er insgeheim selber der Spion war?“

„Er könnte mit Peter unter einer Decke gesteckt haben“, antwortete Remus vorsichtig.

„Und warum sollte er dann Peter anschließend umbringen, nur um dann selber in Askaban zu landen?“

„Vielleicht sind die beiden in Streit geraten.“

„ICH WEIGERE MICH, ZU GLAUBEN, DASS SIRIUS AUCH NUR IM ENTFERNTESTEN GEAHNT HABEN KÖNNTE, DASS PETER UNS VERRATEN WÜRDE!“
 

Remus verstummte augenblicklich. Dumbledore dagegen war nun von seinem Stuhl aufgestanden und um das Pult herumgekommen.
 

„Ich bitte dich noch einmal darum, dich zu beruhigen, James“, sagte er und legte mir beschwichtigend die Hände auf meine Schultern. „Versteh, dass es im Augenblick keinen Beweis dafür gibt, dass Sirius tatsächlich unschuldig ist.“
 

Ich wollte widersprechen, doch er brachte mich mit einer Handbewegung zum Schweigen.
 

„Die einzige Chance diesen Fall zu klären, ist es, ihn zu finden und ihn selbst zu befragen“, fuhr er ungeachtet fort. „Und ich fürchte, dass wenn du ihn tatsächlich fragen willst, du damit den Dementoren zuvorkommen musst. Das Ministerium hat ihnen vor zwei Monaten die Erlaubnis erteilt, Sirius zu küssen, sollten sie ihn in die Finger bekommen.“
 

Jedes Bisschen Farbe wich aus meinem Gesicht.
 

„Das dürfen Sie nicht zulassen!“, forderte ich. „Er ist unschuldig!“

„Im Augenblick haben wir keinen Beweis dafür“, wiederholte Dumbledore mit etwas mehr Nachdruck in der Stimme. „Bisher versteckt sich Sirius ausgesprochen erfolgreich, selbst vor den Dementoren. Vielleicht gelingt es dir also, ihn vor ihnen zu finden. Dann kannst du ihn vielleicht vor diesem Schicksal bewahren.“
 

Ich konnte darauf nichts mehr antworten. Ich war nur noch entsetzt, sprachlos und fassungslos und eine Weile lang sprach niemand ein Wort. Ich spürte, wie Lily sachte meine Hand nahm, wie um mich zu beruhigen und langsam setzte ich mich wieder.
 

„Vielleicht möchtet ihr jetzt erst einmal ein bisschen für euch sein“, schlug Dumbledore vor, während auch er wieder hinter seinem Pult Platz nahm. „Ich kann euch fürs Erste eine kleine Gästewohnung hier im Schloss anbieten.“
 

Lily nickte kaum merklich.
 

„Das wäre wirklich sehr freundlich von Ihnen“, antwortete sie leise.
 

Ich dagegen reagierte nicht sofort. Es war nicht meine Absicht gewesen, Dumbledores Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen, doch dann erinnerte ich mich wieder daran, dass unser Haus ja zerstört worden war und wir somit anderenfalls obdachlos wären. Also blieb uns wohl keine andere Wahl.
 

„Danke“, antwortete ich, immer noch etwas tonlos.

„Ich schlage außerdem vor, dass wir wohl erst einmal geheim halten sollten, dass ihr beiden lebt“, fuhr Dumbledore fort. „Wenigstens erst einmal solange, wie wir noch nicht wissen, was genau passiert ist. Danach können wir weitersehen, denke ich.“

„Meinetwegen“, stimmte ich zu. Dann jedoch kam mir noch etwas Anderes wieder in den Sinn. „Professor, können Sie mir vielleicht sagen, was aus Jana geworden ist?“
 

Er schwieg einen Moment und sah mich wieder nur ernst an.
 

„Leider, nein, James“, antwortete er. „Seit sie Hogwarts verlassen hat, hat sie sich völlig zurückgezogen.“

„Aber warum haben Sie sie alleine gehen lassen?“, wollte ich wissen. „Warum haben Sie nicht dafür gesorgt, dass sie jemanden hat?“

„Ich habe es ihr angeboten“, versicherte er. „Ich konnte ihr leider nicht erlauben, sich um Harry zu kümmern. Aber ich habe ihr angeboten, ihr dabei zu helfen, ein Zuhause zu finden, wo sie nicht alleine bleiben würde. Doch sie hat es abgelehnt.“

„Wissen Sie dann wenigstens, wo sie sich zuletzt aufgehalten haben muss?“, fragte ich verzweifelt weiter.

„Nein, es tut mir leid“, erwiderte Dumbledore. „Ich weiß, dass Pomona versucht hat, Kontakt mit ihr zu halten. Allerdings scheint dieser Kontakt wohl schon wenige Monate, nachdem Jana Hogwarts verlassen hatte abgebrochen zu sein.“
 

Also hatte sie nicht mal so lange überlebt, schloss ich daraus und mir sackte das Herz in die Hose. Und wenn er jetzt noch nicht mal wusste, wo sie sich zuletzt aufgehalten hatte, wie sollte ich mich dann jemals von ihr verabschieden?
 

Wieder spürte ich Lilys Hand auf meiner. Ich war ihr dankbar dafür, doch mir steckte ein Kloß im Hals und ich konnte einfach nicht antworten.
 

„Wissen Sie, ob Professor Sprout vielleicht etwas über ihren Aufenthaltsort damals erfahren hat?“, ergriff Lily nun für mich das Wort und ich merkte etwas hoffnungsvoll auf.

„Soweit ich weiß, hat Jana nicht viel darüber geschrieben“, antwortete Dumbledore. „Doch ich kann Pomona gerne fragen, ob sie die Briefe von damals noch hat.“

„Das wäre sehr nett von Ihnen.“
 

Ein weiteres Mal trat Stille ein. Ich versuchte diese ganze Unterhaltung zu verdauen. Sirius würde von den Dementoren geküsst werden, falls ich es nicht schaffen sollte, ihn vorher zu finden, Jana war immer noch verschwunden und vermutlich schon nach wenigen Monaten nach ihrem Abschluss verstorben und wir hatten immer noch keine Antwort auf die Frage, warum wir eigentlich lebten. Enttäuschender hätte das Gespräch kaum verlaufen können.
 

„Professor“, meldete sich jetzt Harry zu Wort, „wenn meine Mum und mein Dad jetzt wieder leben, muss ich dann noch zu den Dursleys zurück?“
 

Dumbledore lächelte ihn an.
 

„Ich denke nicht, Harry“, versprach er ihm und Harry grinste.

„Warum musste er überhaupt bei ihr aufwachsen?“, warf Lily ein, noch bevor Harry die Zeit hatte zu antworten. „Ich sehe ja ein, warum Sirius und Jana nicht infrage kamen, aber gab es wirklich keine andere Möglichkeit? Was wäre zum Beispiel mit Frank und Alice gewesen? Harry ist doch genauso alt wie Neville. Wieso hätte er nicht bei ihnen aufwachsen können?“

„Ihr wart mit Nevilles Eltern befreundet?“, fragte Harry neugierig, dann wandte er sich ebenfalls an Dumbledore. „Aber er lebt doch bei seiner Großmutter, oder? Was ist mit seinen Eltern eigentlich passiert?“
 

Lily und ich guckten ihn etwas verdutzt und geschockt zugleich an. Was sollte das heißen, Neville lebte bei seiner Großmutter? Remus schien sich etwas unwohl zu fühlen und nicht zu wissen, was er sagen sollte. Dumbledore dagegen sah Harry mit einem scharfen Blick an.
 

„Ich schließe daraus, dass Neville dir offenbar nie erzählt hat, warum er bei seiner Großmutter aufgewachsen ist“, sagte er ruhig. Harry schüttelte den Kopf.
 

Dumbledore ließ einen leisen Seufzer hören, bevor er antwortete.
 

„Nevilles Vater, Frank Longbottom, war ein Auror, ein Angestellter des Ministeriums, der schwarze Magier jagte. Er und seine Frau wurden gefoltert, um ihnen abzupressen, wo sich Voldemort nach seinem Sturz aufhielt.“
 

Lily und ich saßen wie versteinert da, vor Schreck.
 

„Also sind sie tot?“, fragte Harry leise.

„Nein“, erwiderte Dumbledore mit Bitterkeit in seiner Stimme. „Sie sind geistig zerrüttet. Beide sind im St.-Mungo-Hospital für Magische Krankheiten und Verletzungen. Ich glaube, Neville besucht sie immer, während der Ferien, zusammen mit seiner Großmutter. Sie erkennen ihn nicht.“
 

Lily schlug erneut die Hand vor den Mund und auch Harry war starr vor Entsetzen. Ich wusste so langsam nicht mehr, wie viele Schreckensnachrichten ich heute eigentlich noch zu hören bekommen würde.
 

„Der Angriff auf die Longbottoms geschah erst nach Voldemorts Sturz, als alle glaubten, nun sicher zu sein“, fuhr Dumbledore fort. „Das hat natürlich eine Welle des Entsetzens ausgelöst. Allerdings konnte ich das natürlich nicht vorhersehen, als es darum ging, wo Harry nun aufwachsen sollte. Der Grund, warum ich Harry zu deiner Schwester schickte, Lily, war also ein anderer. Indem du dich Voldemort in den Weg gestellt hast, um Harry zu retten, hast du Harry nicht nur für diesen Moment geschützt. Dieser Schutz fließt bis heute in seinen Adern und wird ihn immer ein wenig schützen. Ich setzte mein Vertrauen in dein Blut und brachte Harry zu deiner Schwester, deiner einzigen noch lebenden Blutsverwandten.“

„Aber sie liebt mich nicht“, warf Harry ein. „Ich bin ihr egal!“

„Doch sie hat dich aufgenommen“, erwiderte Dumbledore. „Egal wie widerwillig und verbittert sie dies auch getan haben mag, sie hat dich bei sich aufgenommen und damit den Schutzzauber besiegelt. Solange du den Ort, an dem das Blut deiner Mutter fließt, dein Zuhause nennen kannst, kann Voldemort dich dort nicht anrühren.“
 

Das war nicht wirklich die Antwort gewesen, die ich mir erhofft hatte und auch Lily schien nicht wirklich zufrieden damit. Sie blickte immer noch sehr entsetzt drein. Und doch gab es dem nichts wirklich entgegenzusetzen.
 

„Aber dann“, schloss ich daraus, „gibt es ja nun keinen Grund mehr, Harry zu dieser Frau zurück zu schicken.“

„Nein, den gibt es nicht mehr“, stimmte Dumbledore mir zu.
 

Ein weiterer Moment verging, in dem niemand etwas sagte. Ich fühlte mich ausgelaugt nach diesem Gespräch. Im Grunde hatte ich so gut wie nichts Gutes zu hören bekommen. Die einzig positiven Nachrichten bisher waren gewesen, dass Harry noch lebte und dass Sirius Peter getötet hatte. Allerdings konnte ich mich über beides noch nicht so wirklich freuen. Immerhin hatten wir 12 Jahre von Harrys Kindheit einfach so verschlafen und Sirius war nicht hier. Er versteckte sich irgendwo auf dem Gelände vor den Dementoren. Wenigstens jedoch war Remus hier.
 

„Wenn ihr möchtet, würde ich euch nun eure Gästewohnung zeigen“, schlug Dumbledore vor. Lily und ich nickten bloß. „Sicherlich möchtet ihr einen Moment für euch alleine. … Ach und Harry“, wandte er sich noch einmal an ihn. „Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich dich bitten mit niemanden über Nevilles Eltern zu sprechen. Wenn Neville bisher noch nicht über sie gesprochen hat, dann wird das seinen Grund haben und den sollten wir beherzigen.“

„Ja, Sir“, versprach Harry.
 

Wir erhoben uns und Dumbledore führte uns nun in eine kleine Wohnung, die unserer alten Schulsprecherwohnung damals sehr ähnlich war.
 

„Wenn du willst, kann ich dir übrigens die Karte des Rumtreibers geben, James“, erzählte mir Remus, nachdem Dumbledore uns alleine gelassen hatte.
 

Ich starrte ihn entgeistert an.
 

„Du hast die Karte?“, fragte ich.

„Ja, und ich dachte, du willst sie vielleicht nutzen, um Sirius zu finden.“

„Und du erzählst mir, du hättest ihn nicht schon längst gefunden?!?“

„Wahrscheinlich hält er sich außerhalb des Kartenbereichs auf und ich habe bisher immer verpasst, ihn dabei zu erwischen, wenn er ihn betritt. Aber ich bin hier Lehrer. Ich habe nicht die Zeit, die Karte ständig zu überwachen. Deswegen nützt sie dir vielleicht mehr.“
 

Das wirkte etwas wie eine Ausrede auf mich, doch ich verkniff mir den Kommentar und nahm sein Angebot an. Das verschaffte mir wenigstens eine realistische Chance, Sirius zu finden, bevor ihn die Dementoren in die Hände bekommen könnten.
 

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