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Endormis

von

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Am Rande des Wahnsinns

Protagonist: Sirius Black
 

***
 

Jana klopfte mich ab jetzt fast täglich an. Nachdem sie alle persönlichen Sachen von Lily und James zusammengepackt und sicher eingelagert hatte, war sie in die Kleinstadt gezogen, in der auch Lilys Schwester mit ihrer Familie lebte. Von Harry hatte sie aber noch nicht viel zu sehen bekommen. Er hielt sich wohl meist eher im Haus auf.
 

Dank ihr kehrte auch mein Zeitgefühl zum Teil wieder zurück. Sie hielt mich über alles auf dem Laufenden, was so außerhalb von Askaban so vor sich ging. Es waren selten gute Nachrichten dabei, aber gute Nachrichten hätten hier in Askaban auch keinen Bestand gehabt, da die Dementoren um mich herum jedes glückliche Gefühl sofort wieder aus mir heraussaugten.
 

Abgesehen von den Nachrichten hielt sie mich über ihre Recherchen auf den Laufenden. Sie war bisher noch nicht wirklich vorangekommen. Sie hatte schon alle möglichen Buchläden und Bibliotheken abgeklappert, die ihr bekannt waren, aber ein zweites Exemplar von dem Buch, das sie bei Lily gefunden hatte, hatte sie noch nicht finden können.
 

„Meinst du, ich sollte mal in der Nocturngasse nach dem Buch gucken?“, fragte sie mich nach ein paar Wochen.

„Das gefällt mir nicht“, antwortete ich. „Dort rennen so viele zwielichtige Gestalten rum und wenn du dort alleine hingehst…“

„Aber wo sollte ich denn sonst noch suchen?“

„Ich weiß es nicht. Aber es muss noch andere Bibliotheken geben, in denen du noch nicht gesucht hast. Bitte geh einfach nicht in die Nocturngasse. Ich möchte nicht, dass dir was passiert.“

„OK…“
 

Also suchte sie weiter, aber auch in den nächsten Wochen wurde sie nicht fündig und schließlich wurde ihre Suche auch noch durch ihre Gesundheit unterbrochen.
 

Der Sommer neigte sich langsam dem Ende entgegen und es war offensichtlich ziemlich unangenehmes Wetter draußen. Jedenfalls hatte sie sich eine ordentliche Erkältung eingefangen. Normalerweise war das kein großer Grund zur Sorge gewesen. Aber jetzt, da sie alleine war, war das doch etwas anderes.
 

„Bleib im Bett, OK“, bat ich sie.

„Ich hab‘ schon so lange geschlafen heute und ich muss doch noch weiter nach Informationen suchen, wie ich Lily und James aufwecken kann“, protestierte sie, aber ich sah ihr genau an, dass es ihr absolut nicht gut ging.

„Deine Recherchen müssen warten. Es bringt nichts, wenn du dich kaputt spielst. Was ist, wenn du umkippst? Du brauchst Ruhe. Koch dir ‘nen Tee und geh wieder ins Bett, bitte.“

„Kirbie hat mir vorhin schon Tee gekocht.“

„Du hast Corbie und Kirbie bei dir? Das ist super! Dann können die beiden sich ein wenig um dich kümmern.“

„Naja ich hab‘ ihnen gesagt, sie sollen auf das Haus von Mum und Dad aufpassen. Aber sie kommen immer mal nach mir sehen.“

„… Hmpf… Naja das ist wohl immerhin besser als nichts. Aber trotzdem solltest du dich jetzt wieder ins Bett legen. Du bist jetzt schon so blass und du hast mir versprochen, deine Kräfte zu schonen.“

„Aber, wenn ich mit meinen Recherchen nicht voran komme-“

„Jana, bitte!“

„Na gut…“
 

Etwas widerwillig verschwand sie aus dem Spiegel, nur um ein paar Minuten später wiederaufzutauchen. Ich konnte jetzt im Hintergrund erkennen, dass sie sich jetzt hingelegt hatte.
 

„Sehr gut. Und jetzt ruh dich etwas aus“, bat ich sie.

„Meinst du wirklich, dass ich mir das leisten kann?“, wollte sie wissen.

„Du musst dich ausruhen! James würde nicht wollen, dass du deine Gesundheit aufs Spiel setzt, nur um ihn und Lily wieder aufzuwecken.“

„Aber wer weiß, wie lange sie noch schlafen werden, wenn ich nicht vorankomme? Und was ist, wenn ich es nie schaffe, sie aufzuwecken.“

„Darüber kannst du dir wieder Gedanken machen, wenn es dir wieder bessergeht. Jetzt brauchst du Ruhe und du solltest etwas schlafen! Bitte! … Ich seh‘ dir doch an, dass es dir nicht gut geht.“

„Aber-“

„Wenn du dir so viele Sorgen machst, dann strapazierst du dich nur noch mehr. Du weißt, dass Stress nicht gut für dich ist. Ruh dich jetzt einfach aus, bitte.“
 

Sie antwortete nicht. Sie blickte nur etwas unglücklich und unzufrieden mit sich selbst drein.
 

„Ich lass dich jetzt schlafen“, erzählte ich ihr. „Und ich möchte, dass du dich wirklich schonst und wieder zu Kräften kommst. Erst dann kannst du weiter nach Informationen über diesen Trank suchen.“
 

Sie nickte nur. Ich wünschte ihr noch eine angenehme Ruhe und verschwand aus ihrem Spiegel. Ich hoffte, dass sie nicht zu schlecht träumen würde. Albträume verschlimmerten meist ihren Zustand nur noch.
 

In den nächsten Tagen klopfte sie gar nicht an und mit jedem Tag, an dem ich nichts von ihr hörte, wurde ich zunehmend nervöser. Was, wenn sie einfach gestorben war? Ich hätte es ja wissen müssen! Es war sinnlos gewesen, sich von ihr versprechen zu lassen, dass sie am Leben bleiben würde. Wie sollte sie dieses Versprechen auch einhalten? Sie hatte ja schließlich kaum einen Einfluss darauf!
 

Und James und Lily würden wahrscheinlich nie wieder aufwachen. Dieser Tatsache musste ich wohl ins Auge sehen. Wer sollte sie auch aufwecken? Jana war vermutlich gerade verstorben und ich saß hier fest und sonst wusste niemand davon, dass die beiden nicht richtig tot waren.
 

Ich glaube, das war jetzt wohl offiziell der Punkt, an dem ich hier drinnen wahnsinnig wurde! Ich hatte keine Chance! Ich konnte nichts tun! Ich konnte nicht raus, um Jana zu helfen. Ich konnte nicht für Harry da sein! Es wäre meine Aufgabe gewesen, mich um ihn zu kümmern. Ich war schließlich sein Pate und jetzt wuchs er bei einer Frau auf, die ihn vermutlich verabscheute.
 

Jana hatte auch so etwas erwähnt gehabt. Sie hatte wohl einmal beobachten können, dass diese Frau sich wohl einen Dreck um Harry scherte und ihren eigenen Bengel dagegen nach Strich und Faden verwöhnte. Und ich saß hier drinnen fest und konnte nichts tun! So viele Dinge, die jetzt eigentlich meine Pflicht gewesen wären und ich konnte einfach nichts machen!
 

Ich stieß einen frustrierten Schrei aus und raufte mir die Haare. Wenn ich hier nur rauskäme. Vielleicht könnte ich Jana dann ja doch noch retten. Oder vermutlich war es auch schon längst zu spät. Sie hatte ja schließlich schon tagelang nichts von sich hören lassen und die Wahrscheinlichkeit war gering, dass ich noch irgendetwas für sie tun könnte, selbst wenn ich hier rauskäme.
 

Ich lief in meiner Zelle auf und ab, fand keine Ruhe. Es war alles meine Schuld! Wenn ich doch einfach nur bei dem Plan geblieben wäre! Warum hatte ich James und Lily nur davon überzeugen müssen, Peter als Geheimniswahrer zu wählen? Warum hatte ich nicht einfach dabeibleiben können? Warum bin ich nicht einfach selbst Geheimniswahrer geworden? Was ich getan hatte, war fast noch schlimmer, als sie verraten zu haben! Und jetzt saß ich hier auch noch fest und konnte mich noch nicht mal um ihren Sohn und James‘ Schwester kümmern! Selbst wenn die beiden irgendwann aufwachen würden; James würde mich köpfen! Ich hätte es verdient.
 

Und so verging die Zeit nur schleppend, bis ich schließlich, nach einer halben Ewigkeit, wieder ein zaghaftes Klopfen aus dem Spiegel vernahm.
 

„Jana!“, rief ich, versehentlich etwas zu laut, aber außerhalb meiner Zelle schien sich niemand darum zu scheren. „Du lebst!“

„Hab‘ ich lange geschlafen?“, wollte sie wissen. Sie lag noch immer im Bett und wirkte ziemlich schwach. Es schien ihr schon schwer zu fallen zu klopfen.

„Ein paar Tage“, antwortete ich und versuchte dabei nicht blicken zu lassen, dass ich in der Zeit die Krise gekriegt hatte.

„Ich sollte jetzt besser aufstehen und wieder weiter recherchieren.“

„Nein! Bleib liegen!“

„Aber-“

„Du bist noch nicht wieder fit. Du musst dich noch immer ausruhen.“
 

Sie machte anstalten, sich aufrichten zu wollen, aber offenbar fehlten ihr die Kräfte. Jedenfalls blieb sie im Bett liegen und ruhte sich weiter aus. Sie klopfte jetzt zwar wieder häufiger an, aber weniger Sorgen machte ich mir deswegen nicht. Und es war nur der Anfang gewesen.
 

Jana wurde nur sehr langsam wieder gesund und als sie schließlich das Bett wieder verlassen konnte, hatte ich das Gefühl, dass sie eigentlich noch etwas mehr Ruhe vertragen konnte, aber sie war zu aufgewühlt, weil sie so viel Zeit vergeudete, die sie eigentlich für ihre Recherchen benötigte. Also ließ sie sich nicht davon abhalten, sich wieder auf die Suche nach Informationen zu machen.
 

Es kam, wie es kommen musste! Sie war noch nicht wieder richtig fit gewesen und nur ein paar Wochen später wurde sie wieder krank. Wieder vergingen Tage, bis sie sich wieder meldete, allerdings hatte ich das Gefühl, dass sie dieses Mal vielleicht nicht ganz so lange bewusstlos gewesen war. Trotzdem war ich in den paar Tagen wieder der Verzweiflung nahe und nur umso erleichterter, als sie schließlich wieder anklopfte.
 

Sie sah verdammt schlecht aus. Ich hatte sie noch nie so erlebt. Ihre Eltern und natürlich auch James hatten sich früher immer so gut um sie gekümmert, dass ihr Anblick jetzt, für mich kaum zu ertragen war. Aber alle Bitten halfen nichts. Sie ruhte sich einfach nicht lange genug aus, um wieder richtig gesund zu werden und so geriet sie in einen Teufelskreis.
 

Ich konnte ihr förmlich dabei zusehen, wie sie von Mal zu Mal immer schlechter aussah. Zwar erzählte sie mir, dass Corbie und Kirbie wohl alle zwei, drei Tage nach ihr sahen und sich um sie kümmerten, aber die beiden Hauselfen hatten leider auch nur begrenzt die Möglichkeit, sich so um Jana zu kümmern, wie es ihre Eltern und James immer getan hatten. Und Jana schien es wichtig zu sein, dass die beiden sich außerdem um ihr Elternhaus kümmerten.
 

Also war Jana größtenteils trotzdem auf sich allein gestellt und wurde immer schwächer. Ich hielt es schon kaum noch für möglich, aber da sie sich nie die Ruhe gönnte, die sie brauchte, wurde sie nur umso schneller wieder krank.
 

Und so vergingen die Monate und vielleicht auch Jahre. Zwischendurch schaffte sie es dann tatsächlich irgendwann ein Buch zu finden, dass ihr endlich mehr Informationen bieten konnte. Sie hatte Briefpost zwischen Slughorn und Lily gefunden, in denen sie ein paar Kontakte gefunden hatte. Über diese Kontakte war sie schließlich an das Buch gelangt.
 

So fand sie schließlich heraus, dass die beiden nur zu bestimmten Gelegenheiten aufgeweckt werden konnten und es hing mit den Mondphasen zusammen. Hatte man eine Gelegenheit allerdings verpasst, war die nächste Gelegenheit erst etwa 13 Monate später.
 

Also besorgte sie sich eine detaillierte Mondtabelle, und zählte sich den nächsten Termin ab. Nachdem sie sich diesen dann rot im Kalender markiert hatte, ließ sie sich tatsächlich zu einer längeren Ruhepause überreden, in der sie wieder etwas mehr zu Kräften kommen konnte. Mittlerweile sah sie auch schon wirklich furchtbar aus und sie brauchte dringend die Ruhe.
 

Ich versuchte mich in den darauffolgenden Tagen, in denen sie sich nicht meldete, wieder etwas zu beruhigen. Sie hatte immerhin mehrere Monate, vielleicht Jahre – so genau hatte ich es dann doch nicht verfolgt – alleine durchgehalten, obwohl es ihr wirklich schlecht ging. Jetzt würde sie sich ja wieder richtig ausruhen.
 

Und doch nützte es nichts. Ich machte mir noch immer genauso viele Sorgen wie vorher. Jeder Tag, an dem sie sich nicht meldete, war die pure Hölle. Ständig diese Ungewissheit, ob sie nun tot war oder noch lebte! Doch schließlich meldete sie sich auch dieses Mal wieder. Viel besser schien es ihr zwar noch nicht zu gehen, aber sie hatte sich offenbar gut in ihr Bett eingepackt und ruhte sich noch aus.
 

„Wie fühlst du dich?“, wollte ich wissen

„Mir ist bisschen schwindlig“, antwortete sie. „Aber Corbie ist unten.“

„Das ist super! Dann ist sie ja da, um bisschen für dich zu sorgen.“
 

Sie nickte schwach.
 

Wir unterhielten uns noch ein wenig, aber schließlich ließ ich sie dann wieder schlafen und verschwand wieder aus ihrem Spiegel.
 

Tatsächlich gönnte sie sich nun wesentlich länger Ruhe und als sie schließlich – nach so ein oder zwei Monaten – wieder ihr Bett verließ, sah sie auch bei Weitem besser aus als vorher.
 

Harry war jetzt offenbar schon fünf Jahre alt, erzählte sie mir und ab und zu steckte sie ihm wohl ein paar Süßigkeiten zu, wenn er vorbeikam. Außerdem wäre offenbar das Baby-Blau seiner Augen jetzt verschwunden und grün geworden. Ich musste etwas grinsen. James hatte immer gehofft, dass Harry Lilys Augen geerbt haben könnte. Der Kleine war ansonsten ein nahezu perfektes Abbild seines Vaters, aber seine baby-blauen Augen hatten früher noch nicht so wirklich Aufschluss darüber gegeben, wessen Augen er nun geerbt hatte.
 

Ich konnte mir Harry nur zu gut vorstellen, wenn sie mir von ihm erzählte und ich hätte ihn auch nur zu gern selber gesehen und wäre meinen Pflichten als Pate nachgekommen. Aber ich saß ja hier drinnen fest!
 

Das frustrierte mich zunehmend. Ich versuchte es Jana nicht zu zeigen. Ich wollte ja auch, dass sie mir von Harry erzählte. Aber je mehr sie mir von ihm berichtete, desto mehr ärgerte es mich auch, dass ich hier nicht rauskam. Und natürlich konnte Jana das nicht entgehen.
 

„Willst du, dass ich aufhöre, von Harry zu reden?“, fragte sie.

„Nein“, erwiderte ich. „Es nervt mich nur, dass ich nicht für ihn da sein kann … oder für dich.“

„Lass mich dir helfen! Du bist unschuldig! Es ist nicht fair, dass du in Askaban sitzen musst!“

„Tu das nicht! Das ist nur gefährlich für dich. Womöglich wird man dir nicht glauben und nur denken, du würdest mit mir unter einer Decke stecken. Ich will nicht, dass sie dich auch verurteilen, nur wegen so etwas.“

„Aber, wenn ich dir nicht helfe, kommst du vielleicht nie raus.“

„Lass das nicht deine Sorge sein.“

„Aber es ist doch auch nicht, wahrscheinlich, dass Peter sich von selber blicken lässt.“

„Jana, du hast keine Ahnung, wie es hier drinnen ist, glaub mir. Und das ist auch gut so. Ich will nicht, dass du hier in Askaban landest.“

„Aber was, wenn sie mir doch glauben würden?“

„Mir ist aber das Risiko zu groß, dass sie dir nicht glauben werden. Bitte riskier es nicht. Lieber verbring ich den Rest meines Lebens hier drinnen, als verantworten zu müssen, dass du hierhergebracht wirst, weil du mir nur helfen wolltest.“
 

Sie wirkte ein wenig verletzt, als ich das sagte und ihr Blick tat mir weh.
 

„Ich weiß, dass du es nur gut meinst“, fuhr ich fort. „Aber bitte versteh doch, wenn es schiefgeht, dann war das alles sinnlos. Dann hast du mir nicht helfen können und die Dementoren würden dir so sehr zusetzen, dass …“
 

Ich brach ab. Daran wollte ich lieber nicht weiterdenken.
 

„Und James und Lily würden auch nicht wieder aufwachen“, wechselte ich daher die Richtung. „Es wäre niemand mehr da, der sie aufwecken könnte. Und du bist die Einzige, die die beiden wecken kann.“
 

Daraufhin nickte sie, aber sie sah immer noch traurig aus deswegen.
 

„Wann ist der nächste Termin?“, wollte ich wissen.

„Nach Weihnachten“, antwortete sie. „In der Nacht vom 26. auf den 27. Dezember.“

„Naja dann ist das doch eine schöne Weihnachtsüberraschung für Harry, findest du nicht? Wenn auch ein klein wenig verspätet.“
 

Sie musste kurz lachen.
 

„Ja, da hast du wohl Recht“, stimmte sie mir zu.

„James wird dann bezeugen können, dass ich nicht sein Geheimniswahrer war“, versicherte ich ihr. „Wenn er und Lily wieder aufwachen, dann wird mir das Ministerium sicherlich auch eher zuhören, wenn die beiden bezeugen werden, dass ich kein Todesser bin.“

„Aber warum kann ich es dann nicht einfach bezeugen?“

„Weil du einfach nicht gut lügen kannst. Selbst wenn du sagst, dass James es dir erzählt hätte, würde dir das keiner glauben. Außerdem sind jetzt schon ein paar Jahre seitdem vergangen und es wäre komisch, wenn du jetzt auf die Idee kämst, ins Ministerium zu gehen. Wenn du es von James erfahren hättest, dann wärst du ja direkt zu Dumbledore gegangen, oder?“
 

Sie senkte den Kopf und errötete etwas. Ich hatte sie ertappt.
 

Wir einigten uns also auf diesen Plan. Wir hatten allerdings nicht bedacht, dass es im Dezember natürlich schnell passieren konnte, dass Jana krank wurde. War ja früher auch immer mal wieder vorgekommen, also hätte es eigentlich keine große Überraschung sein dürfen. Trotzdem traf es mich unvorbereitet.
 

Sie wurde noch vor Weihnachten krank und meldete sich erst am Morgen des 26. Dezember wieder – jedenfalls nahm ich das an, wenn ich richtig mitgezählt hatte. Sie sah wirklich nicht fit aus. So könnte sie auf keinen Fall die beiden aufwecken gehen. Was, wenn sie einfach zusammenbrach, bevor sie die beiden erreichte?
 

Ich wagte es vorsichtshalber gar nicht erst, das Thema überhaupt anzusprechen. Als sie mich fragte, welcher Tag es war, log ich sie lieber an, sie hätte offenbar verschlafen. In ihrem Zustand wollte ich sie einfach nicht losschicken. Natürlich war sie am Boden zerstört und brach in Tränen aus.
 

„Beruhig dich, Jana, bitte“, flehte ich sie an. „Es ist ärgerlich, ich weiß. Aber ruh dich lieber aus und werd' wieder gesund. Wann ist die nächste Gelegenheit, die beiden aufzuwecken?“

„Erst wieder im Januar 1987“, antwortete sie, immer noch in Tränen aufgelöst.
 

Ich musste schlucken. Sie hatte zwar gesagt, dass man die beiden nur alle 13 Vollmonde wecken könne, aber so richtig begriff ich es wohl jetzt erst. Aber ich blieb bei meiner Lüge. Lieber sollte sie ausgeruht und einigermaßen bei Kräften sein, wenn sie die beiden wecken ging, als dass sie dabei ihr eigenes Leben riskierte.
 

„Das ist lang“, gab ich zu. „Aber es nützt ja nichts. So hast du wenigstens Zeit, wieder richtig zu Kräften zu kommen.“

„Aber was, wenn ich dann wieder krank werde?“, fragte sie frustriert.
 

Da hatte sie Recht. Januar war kaum besser als Dezember, wenn es darum ging, dass sie einigermaßen gesund bleiben sollte.
 

„Du musst einfach genügend deine Kräfte schonen“, sagte ich ihr. „Das wird schon! Jetzt werd‘ du erstmal wieder gesund!“
 

Aber sie war zu außer sich. Hätte ich vorher gewusst, dass sie so extrem auf die Lüge reagierte, hätte ich mir das wohl besser zweimal überlegt. Aber nun war es zu spät und ich musste mit ansehen, wie es mit ihrer Gesundheit von da an nur noch bergab ging.
 

Sie fing an, ihren Zustand regelrecht zu hassen und redete sich ein, sie wäre schwach, wenn sie krank würde. Also versuchte sie gegen Krankheiten anzukämpfen und stresste sich damit nur noch mehr.
 

Alle meine Argumente halfen nichts. Ich hätte genauso gut mit der Wand in Askaban dieses Gespräch führen können. Und so kam es, wie es kommen musste; sie wurde auch vor der nächsten Gelegenheit wieder krank und es sollte nicht die letzte Gelegenheit gewesen sein, die sie auf diese Art und Weise verpasste.
 

Jahre vergingen. Ich hatte mittlerweile sieben verpasste Gelegenheiten gezählt, seit wir wussten, wie James und Lily aufgeweckt werden könnten. Jana sah wirklich schrecklich aus und es war noch eine gnadenlose Untertreibung. Jedes Mal, wenn sie eine Gelegenheit verpasste, brach sie hinterher furchtbar in Tränen aus und ich hatte Mühe, sie wieder zu beruhigen. Für ihre Gesundheit war das überhaupt nicht gut und genau genommen, war es wohl ein Wunder, dass sie nicht schon längst gestorben war.
 

Es war noch einen Monat Zeit, bis sie die nächste Gelegenheit wahrnehmen konnte und aktuell schien sie gerade wieder etwas auf dem Weg der Besserung zu sein – sofern man es denn so ausdrücken konnte.
 

„Wie fühlst du dich?“, fragte ich sie, aber diese Frage war mittlerweile fast schon unnütz geworden. Wenn ich sie ansah, hätte ich sie mir eigentlich selber mit ‚tot‘ beantworten müssen.

„Es geht so“, erwiderte sie und ich nahm diese offenkundige Lüge so hin.

„Bis zur nächsten Gelegenheit ist es noch etwa einen Monat hin, richtig?“
 

Ich wollte einfach absolut sichergehen. Sie nickte bloß.
 

„Dann ist noch genügend Zeit, dich gut auszuruhen“, schloss ich daraus.

„Es nützt ja doch nichts“, antwortete sie frustriert und den Tränen nahe.

„Doch und du hast in den nächsten Wochen auch nichts zu tun, weswegen du dir irgendeinen Stress machen müsstest. Ruh dich einfach aus. Verlass dein Bett nicht und lass dich von Corbie und Kirbie versorgen. Selbst wenn du denkst, dass es dir wieder bessergeht; du verlässt erst dann wieder dein Bett, wenn du James und Lily wecken gehst, hörst du?“

„Und du meinst, das funktioniert?“

„Wenn du dich zur Abwechslung mal wirklich ausruhst und dich nicht so unter Druck setzt, dann ja. Hast du dich eigentlich mal im Spiegel gesehen? Du siehst aus, wie …“
 

Nein, das konnte ich ihr dann doch nicht ins Gesicht sagen.
 

„Ich meine, James kriegt doch einen Schock, wenn er aufwacht und dich so sieht“, fuhr ich fort.
 

Sie senkte nur ihren Blick, ohne zu antworten. Ich wusste, dass es sie traurig machte, das zu hören und ich konnte mir vorstellen, wie sehr sie James vermisste. Umso mehr frustrierte es sie nur, es bisher noch nicht geschafft zu haben, ihn aufzuwecken.
 

Mir ging es ja nicht anders und doch konnte ich nicht wütend auf sie sein. Sie war schon immer kränklich gewesen und für die Tatsache, dass sie bis jetzt durchgehalten hatte, sollte ich wohl schon dankbar genug sein. Eher war ich auf mich selbst wütend, dass ich hier immer noch in Askaban festsaß und mich somit darauf verlassen musste, dass es Jana irgendwann gut genug ging, um die beiden zu wecken.
 

Aber nun ruhte sie sich tatsächlich aus und ich begann mir tatsächlich wieder ernsthaft Hoffnungen zu machen. Am Abend des 5. Mai unterhielten wir uns noch miteinander. Sie sah auch schon ein bisschen besser aus und sie war wohl auch fit genug, um lange genug durchzuhalten. James würde immer noch einen Schock kriegen, wenn er sie so sah. Aber sie hatte sich einfach zu lange so kaputt gespielt, dass ein Monat Ruhe wohl kaum ausreichte, um die Spuren davon rückgängig zu machen.
 

Ich verabschiedete mich von ihr und verschwand aus ihrem Spiegel, kurz bevor sie loswollte und endlich hatte ich das Gefühl, dass es tatsächlich funktionieren würde. Nur etwa zwei Stunden später klopfte sie wieder an. Sie war in Tränen aufgelöst und fast fürchtete ich, sie wäre in Godrics Hollow zusammengebrochen und hätte die Zeit verpasst. Aber es war etwas Anderes. Es war schlimmer!
 

Es hatte nicht funktioniert. Die beiden waren nicht aufgewacht und diese Nachricht war fast noch schlimmer als der Moment damals, als ich James im Eingangsbereich seines Hauses liegen gesehen hatte.
 

Jana war in Tränen aufgelöst und mir fiel kaum etwas ein, was ich ihr sagen konnte, um sie zu trösten. Vielleicht hatte sie sich ja im Datum verzählt, überlegte ich und teilte ihr vorsichtig diese Vermutung mit.
 

„Aber ich hab‘ doch mehrfach nachgezählt“, schluchzte sie.

„Bleib einfach ruhig“, erwiderte ich. „Geh jetzt schlafen und beruhig dich etwas. Morgen früh gehst du einfach nochmal in Ruhe alles durch, was wir haben. Dann sehen wir weiter, OK?“
 

Sie war zu aufgewühlt, um zu antworten und als ich mich wieder von ihr verabschiedete, hatte ich das Gefühl, dass die Dementoren dieses Mal mit aller Macht ihre Wirkung auf mich einprügelten. Der schwache Hoffnungsschimmer, Jana könne sich einfach nur verzählt haben, war nichts im Vergleich zu der Furcht, dass James und Lily vielleicht wirklich tot sein könnten.



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