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Wege des Schicksals

Oder eine kleine Zusatzstory zu "Schicksalswege"
von

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Fehler

Die Sonne ging rotglühend am Horizont unter, milchige Streifen verfärbten sich in rosige bis violetten Farben und gingen immer mehr in nahtloses dunkel Blau über – die Zeit bis die Nacht einbrach war nicht mehr fern. Dieses Naturschauspiel erinnerte Emilie an gestern – wo sie noch frei war und sich mit ihren Eltern gestritten hatte... Wie gerne hätte sie sie wieder gesehen und sich mit ihnen versöhnt... Ihre Mutter hatte recht: Paris war ein gefährlicher Ort und das verstand sie erst jetzt in ihrer Gefangenschaft. Ein leichtsinniger Fehler ihrerseits und es schien kein Entkommen zu geben. Nicht einmal Philippe sprach mit ihr, als er ihr die Mahlzeiten brachte...

 

Die Sonne verschwand immer weiter hinter dem Horizont und Emilie beobachtete sie mit zerrissenen Gefühlen aus Wut und Hilflosigkeit. Was wollte dieser Girodel von ihr? Warum hielt er sie hier, in einem Zimmer des obersten Stockwerkes gefangen? Mit ihrem Großvater würde er sie nicht mehr bekannt machen oder über ihn erzählen, das wurde ihr noch gestern klar geworden, als sie auf einem fremden Bett aufwachte und er auf ihre viele Fragen nur sagte, dass sie niemand mehr finden würde und sie eine Flucht unterbinden sollte, falls sie leben wollte... Dann verließ er sie und sie hatte getobt, gewütet und geschrien, aber niemand kam... Bis auf Philippe, der ihr erst Stunden später das Essen gebracht hatte und wieder gegangen war, ohne sie eines Blickes zu würdigen... Warum nur? Was stimmte denn hier nicht?!

 

Ein Schlossrasseln riss Emilie aus ihren trüben Gedanken und sie wandte sich vom Fenster ab. Philippe kam mit einem beladenen Tablett herein, wie erwartet und hinter ihm erspähte Emilie drei Wachposten an der Türschwelle.

„Euer Abendessen, Mademoiselle...“, flüsterte er so leise, dass sie Mühe hatte ihn zu verstehen. Und er hielt dabei seinen Blick wieder gesenkt. Seine Hände zitterten leicht, als er das Tablett auf Tisch abstellte und da kam Emilie auf ihn zu. Sie ergriff die Initiative und fasste ihn am Arm. „Bitte...“ Sie spürte wie er förmlich zusammenzuckte, aber fuhr trotzdem fort: „Bitte erklärt mir, was hier vor sich geht? Ich sehe es Euch doch an, dass Ihr es nicht freiwillig macht... Was hat Euer Patenonkel vor?“

 

Zum ersten Mal hob Philippe seinen Blick und sah sie an. Verzweiflung und etwas Unerklärliches las Emilie in seinen kristallgrauen Augen. Ihr Herz flatterte stürmisch bis zum Hals, sie konnte sich seinem Blick nicht entziehen, konnte nicht leugnen, dass er ihr gefiel und suchte deshalb vielleicht einen Verbündeten in ihm.

Philippe schluckte einen dicken Kloß herunter, bangenden Herzens machte er den Mund auf, doch dann schüttelte er mit dem Kopf. „Es tut mir leid...“, war das einzige, was er sagte, als er sich aus ihrer Umklammerung riss und das Zimmer hastig verließ.

 

Emilie starte die Tür an, die der Wachposten hinter ihm wieder verschloss und versuchte zu begreifen. Sie konnte ihm nicht böse sein, auch wenn sie gewollt hätte... Eine innere Stimme sagte ihr, dass er auf ihrer Seite war und das glaubte sie auch in seinem bedauernden Blick gelesen zu haben. Sein Patenonkel war bestimmt der Grund, warum er nicht mit ihr sprach. Sie musste es herausfinden! Aber wie?

 

Emilie nahm ein Stück Brot vom Teller und entdeckte ein herausragendes Stück Papier unter dem Tellerrand hervorlugen. Das machte sie neugierig und ließ sie zu gleich vorsichtig werden.

Sie warf einen flüchtigen Blick zur Tür, hob den Teller unmerklich an und zog ein gefaltetes Papier raus. Behutsam entfaltete sie den Brief – es war ein Brief von Philippe! Das hatte sie gleich an den ersten Worten erkannt und ihr Herz schlug immer schneller als sie zu lesen begann:

 

Mademoiselle Emilie... Ich bedauere zu tiefst in welche Umstände mein Patenonkel Euch gebracht hatte und bitte demütigst um Verzeihung, dass ich ihn nicht durchschaut habe.

Bitte glaubt mir, ich habe das niemals gewollt und es schmerzt mir zu tiefst, Euch gefangen zu sehen. Leider kann ich mich Monsieur Girodel nicht widersetzen, denn ich schulde ihm einiges. Er hat mich bei sich aufgenommen, als mein Vater in der Revolution starb – meine Mutter war schon nach meiner Geburt verstorben. Ich war damals ein kleines Kind und mein Vater war sein Untergebener in der königlichen Garde, die natürlich zu dem Zeitpunkt keinen guten Ruf besaß, nachdem die königliche Familie in der Gewalt der National Garde war...

Aber ich schweife ab... Was ich sagen wollte ist, dass mein Patenonkel Eure Mutter früher, noch bevor die Revolution ausgebrochen war, heiraten wollte. Aber Lady Oscar hatte ihn abgewiesen und später hieß es, dass sie bei dem Sturm auf die Bastille gefallen sei. Das war ein sehr bittere Schlag für ihn und gestern traff er Euch. Er will Euch an ihrer Stelle zu Frau nehmen, weil Ihr ihr Abbild seid... Ich werde mein Bestes tun, um das zu verhindern und bitte Euch, dieses Schreiben zu vernichten.

Euer treuer Freund, Philippe.

 

Emilie stockte der Atem. Ihre Fragen waren beantwortet. Abscheu gegenüber Girodel keimte in ihr auf, aber mit ihm auch die Hoffnung, dass noch nicht alles verloren war. Sie drückte das Papier an ihre Brust und dachte über alles Mögliche nach.

 

Die Flammen der Kerzen flackerten und spiegelten sich in ihren blauen Augen. Ob sie wollte oder nicht, aber sie musste das Schreiben vernichten. Zögerlich streckte sie ihren Arm und hielt eine Ecke des Papiers an der Flamme. Sofort loderten die Flammen auf und das Papier brannte.

Während sie den Flammen bei ihrem vernichtenden Werk zusah, kam Emilie ein Einfall. Sie nahm schnell den Kerzenständer und trug ihn ans Fenster.

Das brennende Papier legte sie unter den Vorhängen und das obere Teil zündete sie mit der Kerze an. Der Stoff qualmte und fing Feuer.

„Es brennt!“, schrie Emilie panisch und eilte zur Tür. Diese wurde gleich aufgerissen, alle Wachmänner von draußen stürmten herein und versuchten das Feuer zu löschen. Emilie nutzte das aus und hastete aus dem Zimmer.

 

Im langen Korridor suchte sie nach einem Ausgang und blieb an einer Nische stehen. Jemand packte sie von hinten und bevor sie aufschreien konnte, wurde ihr Mund mit der Hand festgehalten. „Bitte schreit nicht, ich bin es, Philippe...“, hörte sie ein vertrautes Flüstern im Ohr und entspannte sich ein wenig. „Ich bin froh, dass Euch die Flucht gelungen ist, aber es ist trotzdem zu gefährlich für Euch hier...“ Er lockerte seinen Griff und Emilie drehte sich um.

Sie sah ihm von Angesicht zu Angesicht und konnte nicht verhindern zu lächeln. „Ich danke Euch für den Brief...“, weiter kam sie nicht. Philippe packte sie und schob sie nicht gerade sanft in die Nische. Er verdeckte sie mit seinem Rücken und dann hörte sie viele Schritte. „Monsieur Philippe!“, erscholl schon eine tiefe Stimme: „Die Gefangene ist fort!“

 

„Wie bitte?“ Philippe tat entsetzt. „Dann sucht sie und findet sie noch bevor mein Onkel heimkehrt!“

 

„Jawohl!“ Die Schritte entfernten sich und Philippe sah sich über die Schulter. „Ist alles in Ordnung?“

 

„Ja...“

 

„Wir müssen in eine andere Richtung. Kommt...“ Er nahm sie bei der Hand und wurde gleich verlegen. „Wenn Ihr erlaubt?“

 

„Ich vertraue Euch.“ Ohne es zu wissen, schoss Emilie die Röte in die Wangen.

 

Philippe hätte sie am liebsten noch länger so angesehen, aber dafür war jetzt keine Zeit. „Wir müssen uns beeilen.“ Er führte sie bis ans Ende des Ganges, nahm eine Seitentreppe und hielt vor einer Hintertür an. „Hier kommt Ihr zum Garten. Folgt dem schmalen Pfand bis ans Ende und nehmt den Weg durch den Wald, der wird Euch geradewegs zu Eurem Großvater führen. Aber meidet bitte die große Straße und bleibt immer im Schutz der Bäume.“

 

„Und Ihr?“

 

„Ich bleibe hier und lenke die Männer auf eine falsche Fährte, um Euch Zeit zu verschaffen.“

 

„Ich weiß nicht, wie ich Euch danken soll...“ Emilie sah ihm zu tief in die Augen und reckte ihren schlanken Hals zu ihm. Sachte berührten ihre Lippen die seine, aber Philippe entfernte sie von sich. „Es tut mir leid, aber Ihr müsst so schnell wie möglich fort...“

 

„Ihr habt recht... Entschuldigt...“

 

„Wartet!“ Er griff sachte nach ihrer Hand, als sie sich schon abwandte. „Wenn... wenn das hier alles vorbei ist, werdet... werdet Ihr meine Frau werden wollen?“

 

Emilie huschte ein Lächeln über die Lippen. „Ja...“, hauchte sie und rannte durch die Hintertür. Sie folgte seinen Anweisungen und lief durch Garten, bis zum Wald. Dann nahm sie den Weg geradeaus und lief schon bald auf die Straße. Eine Kutsche kam ihr entgegen und sie rannte auf sie zu. „Haltet ein!“, schrie sie. „Bitte helft mir!“

 

Die Kutsche bleib stehen und ein Mann stieg aus. „Ich helfe Euch gerne...“

 

„Nein!“ Emilie wollte rückwärts laufen, aber stieß gegen den Kutscher.

 

„Halt sie fest!“, befahl Girodel. „Sie soll mir nicht noch einmal entkommen!“, dann schlug er sie mit einem Hieb in den Nacken bewusstlos.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  YngvartheViking86
2016-05-08T14:11:23+00:00 08.05.2016 16:11
Der Antrag war ja mehr als süß und meine Meinung über Girodel bestätigt sich mal wieder.
Ich kann den nich leiden. Hoffentlich geht das slles gut aus.
LG Chris
Antwort von:  Saph_ira
08.05.2016 21:42
Dankeschön! :-) Ich hoffe nur, dass der Antrag nicht zu schnell war. ^^ Und mal sehen, ob alles gut ausgeht. ;-)
Liebe Grüße,
Ira
Von:  chrizzly
2016-05-07T13:20:04+00:00 07.05.2016 15:20
Oh meine Güte. Das Glück ist aber wirklich nicht mit der armen Emilie. Erst die recht clevere Flucht und nun läuft sie ihm doch wieder direkt in die Arme....
ey ey ey. Aber der Antrag, süß, also kann man sagen war es Liebe auf den ersten Blick. Herrlich.
War wieder echt schön. Bin gespannt wie ein Flitzebogen auf das nächste kapitel. Küsseli :-D
Antwort von:  Saph_ira
07.05.2016 22:48
Irgendwann wird sich das Blatt bestimmt wenden. ;-) Aber wenigstens hat sie einen Verbündeten und es freut mich, dass der Antrag dir gefällt. :-) Dankeschön für deinen lieben Kommentar und das nächste Kapitel wird am Montag erscheinen. ;-) Liebe Grüße und Küsschen zurück. ;D


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