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Das Schicksal der Äußeren Kriegerinnen

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Anlässlich der neuen Folge Sailor Moon Crystal, konnte ich mich nicht länger zurückhalten ;) Komplett anzeigen

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Kapitel 4
 

Schnelle Schritte hallten durch den weiten Korridor. Erst mit größter Mühe war es Uranus gelungen, Venus abzuschütteln, die einen unerschöpflichen Vorrat an Fragen zu verschiedenen Strategien zu haben schien, die sie in den letzten Tagen besprochen hatten. So sehr Uranus den Ehrgeiz der mittlerweile fast Dreizehnjährigen zu schätzen wusste, so nervenaufreibend war manchmal auch deren Hartnäckigkeit. Endlich stand sie vor der Tür, die zu Neptunes Schlafsaal führte. Sie brauchte nicht anzuklopfen. Sie konnte spüren, wie sie von der vertrauten Aura dazu eingeladen wurde, einzutreten. Ebenso, wie sie hatte spüren können, dass die Energie ihrer Partnerin stumm um Hilfe gerufen hatte.

Neptunes gedankenverlorener Blick suchte die Weiten des Alls ab. Sie stützte ihre Ellenbogen auf dem Geländer ihres Balkons und wartete auf die Wärme, die ihr nur ein ganz bestimmter Mensch schenken konnte.

„Du hast es schon wieder versucht?“

Neptune senkte ihren Blick. „Ich wollte. Aber ich habe es aufgegeben. Sie lässt mich sowieso nicht.“ Die Meereskriegerin spürte, wie sich die vertrauten Arme ihrer Gefährtin um sie legten. Uranus war die Einzige, die von ihren häufigen Versuchen, mit Pluto Kontakt aufzunehmen, wusste.

„Du weißt, dass es verboten ist, Michi.“

„Ich verstehe es nur nicht. Wieso muss sie dieses Schicksal allein tragen?“

„Das tut sie doch nicht! Auch wenn du sie nicht sehen darfst, kann sie es fühlen. Sie weiß, dass wir an sie denken und dass wir ein Team sind. Gefährtinnen. Für immer. Selbst wenn Zeit und Raum uns trennen. Und ich bin mir sicher, an ihrem Tor ist es nicht so dunkel, wie du glaubst. Hast du denn unsere Schwüre schon vergessen? Das Licht der kleinen Princess scheint bis zu ihr. Und es wird bald auch für uns zur Quelle von Stolz und Kraft werden, wenn wir endlich unsere Pflicht antreten.“

Neptune drehte sich in der schützenden Umarmung, schmiegte ihr Gesicht an Uranus´ Brust und ließ ihren Tränen freien Lauf. Sie wollte nicht an diesen Tag denken.

Mittlerweile war Venus zu einer starken Anführerin geworden. Mars war im Stande, Flammen aus dem Nichts heraufzubeschwören, die nicht nur jeden Gegner verbrennen konnten, in denen sie zudem Ausschnitte der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erlas. Jupiter beherrschte verschiedenste Kampfkünste beinahe so gut wie Uranus. Die noch so junge Kriegerin des Donners trainierte nahezu Tag und Nacht, um ihrer Lehrmeisterin eines Tages das Wasser reichen zu können. Und Mercury hatte in den letzten fünf Jahren mehr als doppelt so viele Bücher verschlungen, wie Neptune in ihrem ganzen Leben und hatte dabei auch noch jeden Tropfen Wissens in sich aufgenommen. Die Kriegerinnen des Inneren Sonnensystems, die Schutzheiligen der Prinzessin, waren bereit, sich von nun an ohne ihre Lehrmeisterinnen weiterzuentwickeln.
 

Das Tor zum Thronsaal schwang auf. Die zwei erwachsenen Kriegerinnen traten ein und knieten mit gesenkten Blicken vor Königin und Prinzessin nieder. Die kleine Thronerbin zögerte keinen weiteren Augenblick, auf Uranus zuzustürmen, und sprang ihr weinend an den Hals. „Mama sagte mir, ihr müsst gehen! Aber das stimmt nicht, oder?! Wieso wollt ihr weg?! Ihr dürft mich nicht allein lassen!“

Das Herz der Windkriegerin schien auszusetzen. „Wir lassen dich doch nicht allein, Princess“, murmelte sie wehmütig. „Deine Freundinnen bleiben bei dir. Ebenso wie deine Mutter. Aber wir müssen gehen. Wir haben eine Aufgabe.“

„Ist mir egal! Ich bin die Prinzessin! Und wenn ich nicht will, dass ihr geht, müsst ihr hierbleiben!“

Uranus begann zu schmunzeln. „Das würden wir nur zu gern. Aber es gibt Gesetze, die noch über dir stehen, mein Mondhäschen.“

„Wir sind doch immer bei dir, Princess“, begann Neptune zaghaft. „Du kannst zwar nicht so weit sehen, aber wir sind immer da. Wir wachen über dich. Und nur wenn du fröhlich bist, schafft es dein Licht, zu uns durchzudringen. Also darfst du nicht traurig sein.“

Ohne aufzusehen zog Serenity auch Neptune mit in die Umarmung. Die anderen Senshi waren immer darauf bedacht gewesen, zu lernen, sich zu entwickeln und nahmen ihre Aufgabe, die Prinzessin zu schützen, viel zu ernst. Nur Uranus und Neptune hatten in ihr das einfache Kind gesehen, das sie sein wollte. Wollte Serenity nicht lernen, dann war es eben so. War sie traurig, spielten sie ihr Musikstücke vor. Und konnte sie nicht einschlafen, erzählten sie ihr Geschichten von dem blauen Planeten, den sie immer und immer wieder umkreisten. Manchmal hatten die Beiden auch heimlich bei ihr geschlafen, Neptune hatte sie in den Schlaf gesungen, während Serenity in Uranus´ Armen Geborgenheit gefunden hatte. Und jetzt sollten sie aus ihrem Leben verschwinden? Damit konnte sich die Prinzessin nicht einfach so abfinden!

„Ich will aber nicht, dass ihr geht!“ Serenitys Schluchzer wurden lauter.

„Hör auf zu weinen, Mondhäschen. Mars hat dir doch Mut geschenkt, also sei jetzt tapfer.“ Uranus hatte es nie ertragen können, ihren Schützling weinen zu sehen. Ihre silbergrauen Augen glänzten, aber tiefe Atemzüge halfen dabei, ihre eigenen Tränen herunterzuschlucken.

„Wir werden weiter für dich spielen, Princess. Wenn du uns vermisst, dann sieh in die Ferne. Lausche, und du wirst unsere Melodien hören. Das versprechen wir dir!“, flüsterte Neptune hinzufügend.

Queen Serenity erhob sich. Sie wanderte zu den weiten Fenstern und schenkte ihrer Tochter und den Kriegerinnen noch einen Moment zu dritt. Dass der Abschied umso schwerer fallen würde, je mehr Nähe sie zwischen ihnen gestattete, war ihr von Anfang an bewusst gewesen. Doch Uranus und Neptune würden noch lange genug weit abgeschieden vom Palast und der Prinzessin leben. Und Serenity würde sie nicht vergessen. Sie würde an diesem Schmerz wachsen. Auch das gehörte zum Leben einer Thronerbin dazu.

Nach einer Weile wandte sich Queen wieder an ihre Untergebenen: „Es wird Zeit.“

Venus, Mars, Jupiter und Mercury warteten geduldig im Garten des Palastes. Das Schicksal anzunehmen war ihnen schon von Geburt an beigebracht worden. Trotzdem flossen vor allem Venus die Tränen, als sie erst von Neptune und dann von Uranus umarmt wurde.

„Du wirst uns stolz machen“, flüsterte die Senshi des Windes ihr zu.

Mars schluckte ihre Emotionen tapfer herunter, als sie ihr Gesicht ein letztes Mal in Neptunes türkisfarbene Mähne schmiegte. Jupiter und Mercury versuchten Serenity zu trösten, die ihren Gefühlen freien Lauf ließ. Lächelnd beugte sich Uranus abermals zu ihrer Prinzessin herab und küsste den Halbmond auf ihrer Stirn. „Wir werden uns wiedersehen, mein Mondhäschen. Irgendwann. Und jetzt hör auf zu weinen! Sonst schafft es dein Licht nicht bis zu uns.“

Mit verzerrten Gesichtszügen und verquollenen Augen sah Serenity der Windkriegerin nach, die neben ihrer Gefährtin und vor der Königin niederkniete. Queen Serenity hob ihre Hände, dankte ihren Untergebenen für ihr unbeschreibliches Opfer und versicherte ihnen, dass ihnen das Mondreich immer Kraft schenken würde. Die Luft um Uranus und Neptune begann zu zittern, von innen heraus begannen ihre Körper zu strahlen, blendendes Gold und Türkis.

Einen letzten Blick warf Uranus ihrer Prinzessin zu, ein letztes Lächeln. Dann löste sich die Umgebung auf. Der Garten das Palastes und schließlich der Mond selbst verschwanden. Leere umfing sie, tauchte sie in Dunkelheit. Uranus schwebte, kein Licht war zu sehen, nicht einmal Sterne. Hielt die Zeit an? Flog sie nur so vorbei? Bewegte sie sich oder stand sie still? Sie spürte nichts, brauchte nicht zu atmen. War ihr Herz stehengeblieben? Sie schloss ihre Augen. Nichts. Sie war allein. Zu weit weg, um den Mondpalast, ihre Prinzessin, oder die Aura Neptunes wahrzunehmen.

Ein kräftiger Herzschlag. Uranus sah auf. Ein Licht in der Ferne rief nach ihr. Vielleicht sogar eine Stimme? Wieder ein einzelner starker Schlag ihres Herzens. Das Licht wurde greller, blendete sie und hüllte sie schließlich ein. Noch bevor sie Etwas sehen konnte, fühlte Uranus, wie eine starke Kraft auf sie wirkte. Beinahe so mächtig wie die der Erde griff die Anziehungskraft ihres Planeten nach der jungen Kriegerin. Sie schwebte einige Zentimeter über dem königsblauen Marmorboden. Als würde der Planet sie vorsichtig herunterlassen wollen, wurde sie von der mystischen Kraft auf ihm abgesetzt. Uranus sah sich um. Sie stand in einem Palast. Die hohen Wände schienen aus einem einzigen gewaltigen Stein gehauen zu sein, der in unterschiedlichsten Blautönen gemustert war. Die Säulen waren weiß und golden verziert und die deckenhohen Fenster gaben den Blick auf den Eisriesen frei. Das Schloss schwebte über einer tobenden Atmosphäre.

„Princess Uranus!“

Uranus schreckte auf. Direkt vor ihrem Gesicht tauchte es auf, ein Abbild ihrer Selbst. Sie hielt ihre Hände auf und die kleine Gestalt landete auf ihnen. Perplex blinzelte Sailor Uranus. Die gleiche Uniform, die gleiche Frisur, sogar das gleiche Gesicht. Von oben bis unten ein dreidimensionales Spiegelbild. Nur etwas zu kleingeraten.

„Ich freue mich, dass du endlich hier bist! Immerhin warte ich schon seit über 21 Jahren!“

Sailor Uranus hob ihre Brauen. „Du hast auf mich gewartet?“ Denkfalten bildeten sich auf ihrer Stirn. „Kennen wir uns denn?“

Der Zwerg vor ihrer Nase kicherte. „Natürlich nicht! Woher denn auch? Moment… Du weißt nicht, wer ich bin?“

Uranus legte fragend den Kopf schief.

Das kleine Wesen seufzte. „Queen hat dir nicht von mir erzählt? Ich bin Guardian Uranus. Als du geboren wurdest, schuf dir Queen Serenity dieses Schloss hier, das Miranda Castle. Jede Sailor Kriegerin hat so eins. Auch Neptune und Pluto und die kleinen Kriegerinnen des Inneren Kreises. Oh, von denen musst du mir unbedingt erzählen! Allein ist es hier so langweilig gewesen! Ich hätte mir so gewünscht, auch mal den Mondpalast besuchen zu können…“

„Heißt das, mir gehört dieses Schloss?“

„Natürlich gehört es dir! Und ich bin deine treuste Gehilfin. Deine gute Fee, wenn du so willst“, kicherte der Winzling. „Erinnerst du dich? Als du auf der Erde warst, habe ich dir manchmal Kraft geschickt. Die Energie des Miranda Castle kannst nur du allein nutzen. Es ist die Kraft des ganzen Planeten Uranus. Und solltest du eines Tages in den Kampf gerufen werden, bleibe ich hier und schicke sie dir, wenn du sie brauchst.“
 

In den nächsten Tagen ließ sich Sailor Uranus nicht nur das Schloss zeigen. Sie machte sich mit ihrem Planeten vertraut, studierte die Sterne und lernte, wie sie in verschiedenen Notlagen von der Zentrale aus agieren konnte. Nach über einer Woche erschien ihr Guardian und rief sie vor den großen Hauptcomputer. Auf dem Weg dorthin erklärte das elfenähnliche Wesen: „Eigentlich ist es nicht erlaubt. Ihr habt eure Aufgaben, Princess. Das Kommunikationssystem ist nicht für Plaudereien vorgesehen. Also fasse dich kurz!“ Noch bevor Sailor Uranus begriff, was ihre Gehilfin damit meinte, erkannte sie das türkisfarbene Licht, welches vom Bildschirm ausgestrahlt wurde.

„Haru?“ Mit geröteten Wangen und verklarten Augen blinzelte ihr ihre Freundin entgegen. „Haru, Guardian Neptune wollte nicht, dass ich zu dir Kontakt aufnehme, aber ich musste dich einfach sehen!“

Hinter Neptune schwebte deren Miniaturabbild mit verschränkten Armen und misstrauischem Blick.

Sailor Uranus schüttelte verunsichert den Kopf. „Ist etwas passiert? Geht es dir nicht gut?“

„Nein, es ist alles in Ordnung. Das Triton Castle könnte kaum schöner sein. Und der Neptun schenkt mir noch mehr Kräfte, als ich sie damals auf der Erde hatte spüren können. Mein Guardian kümmert sich auch um mich. Trotzdem…“ Die Meereskriegerin senkte ihren Blick. „Von Tag zu Tag wird mir mehr bewusst, dass wir nicht zurückkönnen. Ich kann fühlen, dass sie an uns denkt, aber ihr Licht scheint nur schwach bis zu mir. Ich kann es kaum wahrnehmen… Und du… Du hast mir immer Halt gegeben. Nur bei dir habe ich mich sicher gefühlt, aber auch du bist nicht mehr bei mir.“

Uranus seufzte. Sie legte ihre Hand auf den Bildschirm und wartete darauf, dass ihr Neptune in die Augen sah. „Natürlich bin ich noch bei dir! Es vergeht keine Stunde, in der ich nicht an dich denke. Kannst du es denn nicht spüren?“

Zaghaft legte Neptune ihre Hand gegen die ihrer Mitstreiterin.
 

Jahre vergingen. Tag um Tag beobachteten Uranus und Neptune die Weiten des Alls. Keine Bewegung, kein Meteor, kein Komet blieb ihnen verborgen. Gewissenhaft wurde jede Veränderung analysiert, ausgewertet und archiviert, um den bestmöglichen Schutz für das weit entfernte Königreich des Erdenmondes zu gewährleisten. Nur selten ließen die Guardians ihre Kriegerinnen Kontakt zueinander aufnehmen. Zu groß wäre die Ablenkung, behaupteten sie. Aber vor allem Neptune wurde gelegentlich so sehr von ihrer Einsamkeit zerrissen, dass die kleinen Gehilfen ihre Einwände bald mehr zurückhielten. Schicksal hin oder her, eine gebrochene Kriegerin konnte weder kämpfen noch wachsam sein.

Hatte die Meereskriegerin ihrer Violine zunächst noch oftmals fröhliche Melodien entlockt, die sie ihrer Prinzessin schickte, wenn deren weißes Licht getrübt war, fielen ihre Lieder mit dem Voranschreiten der Zeit immer häufiger in Melancholie. Auch Sailor Uranus konnte es fühlen. Einige Zeit lang dachte die Prinzessin oft wehmütig an ihre Beschützerinnen. Eindeutig hatte Serenity sehnsüchtig in die Ferne geblickt und auf die Melodien gewartet, die sie aufheitern und in Geborgenheit wiegen sollten. Doch mit den Jahren wurde der Ruf nach den Senshi leiser. Uranus war überzeugt, es läge an dem erfüllten Leben der Prinzessin. Sie war einfach glücklich. Und war das nicht alles, was zählte? Nur Neptunes Zweifel wuchsen. Bei ihrer Abreise war Serenity gerade 5 Jahre jung gewesen. War es nicht so, dass Erinnerungen aus diesem Alter schnell verblassten und irgendwann völlig verschwanden? Was, wenn die Prinzessin ihre Kriegerinnen irgendwann ganz vergessen würde?

Blitze durchzuckten die Atmosphäre des Planeten Neptun. Vollkommen egal, wie alt Sailor Neptune mittlerweile war - wurde sie von ihren Emotionen gepackt, schwankte auch der Eisriese, ihre Heimat. Und nun war es wieder soweit. Stunde um Stunde hatte sie versucht, die Aura ihrer Prinzessin zu rufen. Sie konnte das Licht spüren, aber Serenity reagierte nicht auf ihren Schrei. Die Violine verstummte. Hektische Melodien, in denen zum Schluss so viel Verzweiflung mitgeschwungen war, hallten ein letztes Mal durch die Säle das Triton Castle, bevor die stolze Senshi zu Boden sank. Schluchzer brachten ihren Körper zum Beben. So sehr sie sich auch bemüht hatte, war sie nun vergessen worden?

Der Bogen rutschte aus ihrer Hand und landete klackend auf den meeresblauen Marmorfliesen. Unverständliche Schreie entglitten der Kriegerin. Guardian Neptune fand keinen Weg ihre Herrin zu beruhigen. Zu tief war die Senshi in ihre Depression gefallen.

„Princess, ich…“, begann das Wesen, doch ein weiteres Schluchzen brachte es zum Schweigen. Sailor Neptune legte sich zitternd die Arme um ihren Oberkörper. Sie begann zu frieren. Lange hatte sie sich gegen ihre Verzweiflung gewehrt. Jetzt hatte sie keine Kraft mehr. Wie konnte Sailor Pluto diese Qual nur vollkommen allein ertragen? Sie hatte wirklich niemanden, der sich um sie kümmerte. Die Wächterin war nicht zu ihrem Planeten in ihr Schloss geschickt worden, wo ihr Guardian auf sie wartete. Und Pluto ließ es nicht einmal zu, dass ihre Gefährtinnen nach ihr riefen. Woher nahm sie nur die Stärke, diese Einsamkeit zu überstehen?

Tränen tropften unaufhörlich auf die Schleife über Sailor Neptunes Brust. Zittrig hob sie ihre Hände. Sie fing einige der Tropfen auf. Sie liefen in ihrer Handfläche zusammen, formten sich, wuchsen, begannen zu strahlen und bildeten schließlich den magischen Talisman. Verweinte Augen starrten aus den Tiefen des Spiegels heraus. Allmählich beruhigte sich Neptunes Atmung. Sie fuhr die goldenen Verzierungen nach, die die funkelnde Scheibe umspielten.

Guardian Neptune beschlich eine ungute Vorahnung. Ganz plötzlich erkannte sie Entschlossenheit in dem Blick ihrer Herrin. „Princess, du weißt, dass du das nicht darfst! Du darfst deinen Posten nicht verlassen, das ist ein Gesetz!“

Doch die Kriegerin ignorierte ihren Schutzengel. Ihre Tränen versiegten. Sie beugte sich vor, um ihren Talisman vorsichtig zu küssen. Dann flüsterte sie ihm zu: „Meine Welt zerbricht, mein Herz versteinert. Ich kann nicht länger bleiben. Meine Kraft ist aufgebraucht. Bring mich zu ihr. Nur sie kann mich retten.“

Die gläserne Oberfläche des Talisman reagierte augenblicklich. Gleißendes Licht strömte von ihm aus und legte sich um seine Gebieterin. Sailor Neptune wurde in Wärme gehüllt und endlich spürte sie einen beständigen Windzug. Ihr Körper löste sich auf und ließ sich in den Spiegel ziehen. Kaum fühlte sie das Zentrum der mystischen Energie, war Neptune auch schon an ihm vorbeigezogen. Ihr Leib wurde wieder greifbarer und schwerer. Sie blinzelte. Immer noch sahen ihr ihre eigenen Augen aus dem Inneren des Talisman entgegen. Aber der zu lang vermisste Geruch, der sie nach und nach umfing, verriet ihr, dass sie nicht länger im Triton Castle war.

Sie spürte sie, stärker als je zuvor; die geliebte Aura. So dicht bei ihr. Neptune schlug sich eine Hand vor ihr Gesicht. Hatte sie es geschafft? Sie war wirklich hier, oder? Sie wagte es nicht, sich umzusehen. Zu groß wäre die Enttäuschung, würde sie sich irren. Doch langsame Schritte näherten sich ihr. Nun stand sie direkt hinter ihr, sie kniete nieder, beugte sich vor, legte ihre Arme um den sehnlichst vermissten Körper: Sailor Uranus.

Neptuns Spiegel glitt aus ihrer Hand. Sie konnte es nicht glauben, verbrannte beinahe in der Wärme, die ihr Uranus schenkte, als diese flüsterte: „Was tust du nur, Michi? Du weißt, dass du nicht hier sein darfst!“ Die Umarmung zog sich fester. Uranus schmiegte sich in die türkisfarbene, wohlduftende Haarpracht. „Ich habe dich so vermisst, Michi!“

Ein frischer Strom heißer Tränen fand seinen Weg über Neptunes Gesicht. Vorsichtig, als hätte sie Angst, ihre Gefährtin erneut zu verlieren, drehte sie sich um. Uranus´ silberblaue Augen glänzten wässrig. Die Gesichtszüge, anmutig und ehrfurchterregend, waren in den letzten Jahren nicht gealtert, nur gereift. Die sanften Lippen hatten keinen Funken ihrer Anziehungskraft verloren. Und endlich wollte Neptune dem Verlangen nachgeben. Sie strich ein paar verirrte Strähnen aus Uranus´ Stirn und legte ihre Hand anschießend auf einer der schmalen Wangen ab. Dann streckte sie sich, um ihrer Geliebten die ersehnte Wärme zu entlocken.

Uranus wich keinen Zentimeter zurück. Zu lange hatte sie von Neptunes Lippen geträumt. Keine Pflicht könnte sie jetzt davon abhalten, den Kuss zu erwidern und die Verzweiflung ihrer Partnerin zu vertreiben. „Ich liebe dich, Michi“, hauchte sie ergeben, als sich Neptune von ihr löste, um das vermisste Lächeln zu betrachten.

Neptunes Mimik verzog sich. „Lass mich nie mehr so lange allein!“, wimmerte die Meereskriegerin. Ein Schluchzen löste abermals Tränen aus. Doch Uranus zog den zitternden Körper an sich.

Guardian Uranus konnte ihren Unmut über den überraschenden Besuch Neptunes nicht verbergen. Jedoch kümmerte dies keine der Senshi. Die Guardians hatten über Jahre hinweg allein für den Schutz des Sonnensystems gesorgt. Da würden sie das nun auch für ein paar Stunden schaffen.

Fürs Erste…
 

Obwohl Sailor Uranus´ Glaube an die Prinzessin ungebrochen war, konnte sie Neptunes Argumenten kaum etwas entgegenbringen. Natürlich hatte auch die Windkriegerin bemerkt, dass Serenity immer seltener nach ihr gerufen hatte. Sie konnte nur den Unmut ihrer Gefährtin niederkämpfen. Selbst wenn Princess Serenity ihre Beschützerinnen vergessen würde, ihr Licht war immer noch da. Ihnen blieb die Erinnerung an ihr Lachen, das Gefühl von Liebe in ihrer Brust, Hoffnung, die selbst in dieser unwirklichen Entfernung noch für sie lebte.

„Unser Schwur bleibt bestehen. Auch wenn sie uns nicht sehen kann, wachen wir aus der Ferne über sie. Sie ist unsere Prinzessin, der Mittelpunkt unserer Existenz.“ Voller Entschlossenheit blickte Sailor Uranus von dem Balkon ihres Thronsaals aus in Richtung des so weit entfernten Mondes. Selbst die Sonne war von hieraus gesehen nur ein kleiner heller Punkt, aber das Wissen um das Dasein der Thronerbin reichte ihr.

Sailor Neptune näherte sich ihr auf leisen Sohlen. Nachdem die Hüterin des Spiegels des Meeres ihren Talisman zum ersten Mal genutzt hatte, um ihre geliebte Gefährtin zu erreichen, redete sich ihr Guardian regelmäßig um Kopf und Kragen. Viele Male schon hatte Neptune ihren Weg zum Planeten Uranus gefunden. Und bisher gab es auch keinen Grund, ihre Besuche einzuschränken.

Ihr eigener folgte dem Blick ihrer Partnerin. Uranus schenkte ihr genug Kraft, um die Trennung vom Reich des Mondes auszuhalten. „Vielleicht wird sie sich ja doch irgendwann an uns erinnern, meinst du nicht?“

Uranus schwieg. Irgendwann wandte sie sich ab. Wie viele Stunden hatte sie schon hier gestanden und gewartet? Sie seufzte. Ihr Blick wanderte durch den weiten Saal, erfasste ihren schweren Flügel, dem sie seit Jahren keinen Ton hatte entlocken wollen. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie Neptun zunickte: „Spielst du mit mir?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  GothicVampir
2016-05-17T19:38:31+00:00 17.05.2016 21:38
Danke, das du uns, nicht noch länger zappeln lässt ;)
Dieses Kapitel ist mein absolutes Lieblingskapitel, denn genau nach so einer Geschichte, habe ich schon so lange gesucht und endlich habe ich sie gefunden =D <3
Deshalb, bin ich dir auch unendlich dankbar, dass ich die Ehre hatte, dir ein Cover, zu dieser Geschichte zu zeichnen :D



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