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Sturmwarnung

Wataru/Yuuta
von

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„Wir müssen aber was Weihnachtliches anziehen!“
 

„Ey sorry, aber das mit dem Elchgeweih kannst du knicken. Das verliert man doch beim ersten Salto.“
 

„Wieso nehmen wir nicht einfach die alten Kostüme? Die sind doch weiß und rot“, schlägt Kiyama vor.
 

„Ja, aber da fällt der Glitzer halb ab“, mault Kaneko. „Wir könnten echt mal was Neues anschaffen.“
 

„Für neue Kostüme haben wir kein Geld“, erwidert Mizusawa. „Nicht wahr, Yuuta?“
 

„Ich weiß es nicht. Satoshi, wie ist unser Budget?“
 

„Augenblick, Captain.“ Papier raschelt als Satoshi eilig hin und her blättert.
 

Es ist eine hitzige Diskussion, untermalt von dem nahenden Donnergrollen in der Ferne.

Vermutlich sollte Wataru sich auch mal beteiligen, immerhin geht es hier um ihren Weihnachtsauftritt im… Waisenhaus? Kinderheim? Grundschule? Tierklinik? Irgendwo?

Okay, möglicherweise hat er nicht richtig zugehört. Es ist irgendwie wichtig, und es geht um Weihnachten, und offenbar sind sich alle nicht einig, was sie dabei anziehen sollen.
 

Wataru würde ja zuhören. Er will ja. Ehrlich.

Aber er ist abgelenkt von Yuutas… Gesicht.
 

Davon dass Yuuta eins hat.

Das so aussieht.

An dieser Stelle kann er nur noch wild mit den Armen wedeln und verzweifelt Schnappatmung machen, um das besser zu erklären.

Yuuta hat halt dieses… Gesicht.

Und in letzter Zeit findet Wataru es zunehmend schwieriger sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren, wenn Yuuta und sein Gesicht dabei anwesend sind.

Deswegen sitzt er schweigend auf der Couch und starrt Yuuta an, der vor ihm auf und abläuft.
 

„Wenn noch einmal wer das Wort ‚Flügel‘ erwähnt, hau ich ihm in die Fresse“, droht Ryousuke.
 

„Nein, machst du nicht“, sagt Mizusawa geistesabwesend, während er auf dem Laptop herum tippt.
 

„Okay, mach ich nicht. Aber ich zieh keine Flügel an. So.“ Ryousuke verschränkt die Arme. „Nicht wahr, Wataru?“
 

„Keine Flügel“, wiederholt Wataru gehorsam.

Nicht, dass Yuuta kein schöner Engel wäre.

Lieber Himmel. Er wäre so ein schöner Engel.
 

Yuuta fährt sich nachdenklich durch die Haare. Einzelne Blitze zucken spiegeln sich in den Fensterscheiben des Clubhauses und das bläuliche Licht fällt quer über sein Gesicht. Es glitzert in seinen Haaren wie ein Heiligenschein.

Er kaut nachdenklich auf seiner Unterlippe herum und Wataru seufzt verzweifelt.

Das ist doch nicht okay, oder?

Das ist doch sicher illegal?

Wie kann man denn so hübsch sein und nichts davon mitkriegen?
 

„Was ist mit Weihnachtsmänteln?“ schlägt Kashiwagi vor. „Da sind noch einige im Fundus der Theatergruppe.“
 

„Seh ich aus wie der Weihnachtsmann? Das kommt gar nicht in Frage!“
 

Die Gedanken stecken in seinem Kopf fest und gehen nicht mehr weg. Schon seit einer Weile.

Es ist schlimmer als damals bei Mari-chan, wo er einfach nur weißes Rauschen im Kopf hatte und in ihrer Gegenwart kein ganzes Wort mehr zusammengesetzt bekommen hat.
 

Vermutlich war das besser so, denkt Wataru im Nachhinein.

Denn bei Yuuta hat er Worte im Kopf. Ganze Sätze.

Lauter Sachen, die er nicht aussprechen darf. Und die immer lauter und lauter werden, und immer peinlicher und gefühlsduseliger.
 

„Weihnachtsengel? Entschuldige mal!“
 

„Besser als ein Weihnachtsmann!“
 

„Kinder mögen Weihnachtsmänner! Die setzen sich auf den Schoß von Weihnachtsmännern, du Honk!“
 

Yuuta seufzt. „Was denkst du, Wataru?“
 

Hast du Lust mal Ramen essen zu gehen? Nur wie beide?‘, denkt Wataru.

Du bist so unendlich hübsch, ich halts nicht aus.

Ich mag dich viel mehr als ich dachte und ich hoffe manchmal du magst mich auch.

Und einfach nur: ‚Ich mag dich.
 

Es liegt auf seiner Zunge, bereit es auszusprechen.

Was ihm stattdessen herausplatzt ist: „Ich bin vielleicht nicht der Weihnachtsmann, aber du kannst dich trotzdem jederzeit auf meinen Schoß setzen!“
 

Stille.

Sämtliche Köpfe schießen gleichzeitig in seine Richtung.

Satoshi lässt abrupt den Stift fallen.
 

„Wieso denn?“ erwidert Yuuta geistesabwesend. „Da ist doch noch Platz auf der Couch.“ Es dauert einen Moment, bis er verwirrt den Kopf hebt.
 

Oh shit.

Wataru erstarrt. Hat er das grade laut…?

Oh shit!
 

Nippori und Kaneko haben mitten in der Diskussion aufgehört sich zu beharken. Sogar Hino hat endlich aufgehört gelangweilt auf seinem Handy herum zu tippen, Kiyamas Augenbrauen sind irgendwo unter seinem Haaransatz verschwunden und Ryousuke hat sich so heftig an seinem Kaugummi verschluckt, dass Mizusawa ihm besorgt auf den Rücken klopft, als er beginnt nach Luft zu röcheln.
 

Yuuta…

Yuuta ist direkt vor ihm stehen geblieben.

Er starrt ihn einfach nur an.
 

Wataru starrt zurück, wie ein Kaninchen vor der Schlange und spürt wie ihm kalter Schweiß ausbricht.

Shit, denkt er in einer einzigen langen Endlosschleife. Oh shit.

Oh GOTT.
 

Hastig macht er den Mund auf. Die Entschuldigung liegt schon auf seiner Zunge, bereit daraus jederzeit einen schlechten Scherz oder einen schrecklichen Sprachfehler zu machen, als Yuuta die Stirn runzelt.

„Wir haben noch nicht über den Transport gesprochen“, sagt er.
 

Wataru blinzelt ihn an.
 

„Sensei“, sagt Yuuta abrupt und dreht sich um. „Ich denke wir sollten uns einen Bus mieten.“
 

„Ah…ähm… ja…“, stammelt Kashiwagi. Seine Hände gehen verwirrt auf und zu, als sucht er verzweifelt etwas zum festhalten und sein Blick schnellt unsicher zwischen Wataru und Yuuta hin und her. „Ja. Nein. Ich meine… was?“
 

„Ein Bus“, wiederholt Yuuta ungeduldig. „Wir sollten uns einen mieten. Aber nicht das Unternehmen, mit dem wir zum Trainingscamp gefahren sind. Die Klimaanlage war kaputt. Notierst du das, Satoshi?“ fragt er milde.
 

„J-ja Captain“, stammelt Satoshi. Sein Bleistift kratzt ungewohnt laut in der dröhnenden Stille.
 

Watarus Gesicht glüht.

Es fühlt sich an, als ob sein Kopf gleich explodiert, so heiß ist ihm.

Ryousuke hat aufgehört zu husten und starrt ihn immer noch mit aufgerissenen Augen an. Sein Blick sagt mehr als tausend Worte ‚Alter. Ey Alter. Was war DAS denn?‘ Mizusawas Blick flackert zwischen Wataru und Yuuta hin und her.

Nippori hat den verwirrten Ausdruck eines Kindes, das zum ersten Mal über das Sexleben seiner Eltern nachdenkt.

Hino sieht aus, als würde er sich am liebsten Popcorn besorgen.
 

Wataru wünscht sich der Boden würde sich unter ihm auftun und ihn verschlingen.

Auf den Schoß setz-…

Ugh.

Warum?

Wieso?!?

Das ist von allen dämlichen Sätzen, die er jemals gesagt hat der mit Abstand allerdämlichste.

Was zum Teufel stimmt nicht mit ihm?
 

„Yuuta…“, stammelt er.
 

„War‘s das?“ fragt Yuuta kühl. Sein wunderschönes Gesicht ist vollkommen unbewegt. „Hat noch jemand Fragen, Anmerkungen, Vorschläge?“
 

„Äh…“, macht Kaneko und hebt eine Hand.
 

Yuuta wirft ihm einen Blick zu, der die Wüste Gobi gefrieren lassen könnte.
 

Abrupt lässt Kaneko die Hand sinken und schüttelt hastig den Kopf. „Nein, Captain.“
 

„Gut“, sagt Yuuta. „Wir treffen uns morgen wieder und diskutieren den Rest. Mizusawa, hast du bis dahin eine Preisliste fertig?“
 

Mizusawas Augenbrauen zucken, während er sich offensichtlich Mühe gibt, seine Gesichtsmuskeln unter Kontrolle zu behalten. „Ja.“ Er nickt. Einen Moment lang ruht sein Blick auf Yuuta. Und dann auf Wataru.

„Hey“, sagt er abrupt und greift nach Ryousukes Arm. „Haben wir nicht noch… dieses Ding?“
 

Ryousuke lässt sich verwirrt von seinem Platz hochzerren. „Ding? Welches D-… ja. Ach ja. Das… Ding.“
 

„Genau.“ Mizusawa verstaut eilig seinen Laptop. „Wir müssen weg. Bye.“
 

Ryousukes folgt ihm gehorsam die Treppe hinauf. Er schneidet einen Haufen wortloser Grimassen in Watarus Richtung, die sich im wesentlich auf ‚Alter, was WAR das? Es tut mir so leid. Aber die Suppe musst du alleine auslöffeln. Bist du total durchgeknallt? Ich liebe dich trotzdem!‘ reduzieren. Oder so.

Wataru ist ziemlich gut darin Ryousukes Gesichtsausdrücke zu interpretieren.

Nicht, dass das grade eine Rolle spielt.

Yuutas Gesicht ist nämlich immer noch vollkommen unlesbar.
 

„Äh ja“, macht Kashiwagi unentschlossen. „Ich sollte dann wohl auch mal… das Training ist ja vorbei. Ihr solltet alle… beeilt euch. Denkt an die Sturmwarnung. Kommt gut nach Hause. Und…“
 

„Ich verpass meinen Bus“, schreit Nippori. „Bye Aniki!“ Er sprintet zur Tür.
 

„Warte auf mich!“ Kaneko rast hinterher.
 

Kiyama schnaubt. Wortlos steht er auf, verdreht die Augen und greift nach Satoshis Sporttasche, die fast genauso groß ist wie er selbst, um sie sich selbst über die Schulter zu hängen. „Komm mit, ich bring dich nachhause.“
 

Satoshi verbeugt sich artig und piepst: „Danke.“
 

Wataru sitzt wie festgewurzelt auf seinem Platz. Er kann sich nicht bewegen. Sogar wenn er es gewollt hätte, seine Gliedmaßen verweigern jede Kooperation zur Mitarbeit.

Es ist wie ein Autounfall in Zeitlupe.
 

Yuuta hat ihm den Rücken zugewandt und verstaut langsam und methodisch Dinge in seiner Sporttasche. Er würdigt ihn keines einzigen Blickes.
 

„Ich bin ja auch gleich weg“, sagt Hino in die Stille hinein. Er sieht immer noch so aus, als sei das hier alles spannender als Kino, und Wataru möchte ihn am liebsten im Nacken packen und durchschütteln. „Ich muss mich aber noch umziehen, okay? Ich renne jetzt nicht im Regen raus ohne Jacke.“
 

Wortlos sieht Wataru ihm dabei zu wie er die Treppe hochläuft und zu seinem Spind marschiert.
 

Es hat tatsächlich angefangen zu regnen. Es prasselt von oben gegen die Scheibe und die bläulich zuckenden Blitzlichter tauchen das Clubhaus in ein unwirkliches Theaterlicht.
 

„Man sieht sich“, sagt Hino und bleibt noch einmal extra lange in der Tür stehen. „Wow, schüttet das draußen. Vergesst eure Regenmäntel nicht. Bis morgen.“
 

Die Tür fällt hinter ihm ins Schloss und hinterlässt ohrenbetäubende Stille. Watarus Herz klopft so laut, dass es ihm in den Ohren dröhnt.

Er starrt Yuuta an.
 

Yuuta zieht den Reisverschluss seiner Sporttasche zu. Es hört sich seltsam endgültig an.

Wortlos richtet er sich auf und macht Anstalten an Wataru vorbeizulaufen.
 

„Warte!“ platzt es aus Wataru heraus und er greift nach seinem Handgelenk. „Yuuta, warte. Bitte.“
 

Yuuta bleibt stehen. „Was?“
 

„Es… es regnet“, sagt Wataru verzweifelt.
 

„Ist mir aufgefallen.“
 

„Du… du hast nicht mal einen Schirm mit!“
 

„Falls du noch etwas zu unserer Weihnachtsaufführung sagen möchtest…“
 

„Scheiß auf die Weihachtsaufführung!“
 

Yuuta schnaubt. „Ja, danke, dein Desinteresse war nicht zu übersehen.“
 

Wataru seufzt und lässt Yuutas Hand los. „Es war nicht so gemeint.“
 

„Doch, war es.“
 

„Okay, vielleicht. Aber nicht weil ich es blöd finde, dass wir es tun. Mir ist es nur völlig egal, was wir dabei anhaben und ob wir eine Choreografie zu Jingle Bells hinkriegen oder nicht.“ Er zuckt mit den Schultern.

„Ich find alle Auftritte von uns toll. Immer. Weil sie mit euch sind. Und weil es nichts gibt, was ich lieber mache als mit euch zusammen zu sein.“ Er atmet tief aus. „Weil ich euch lieb habe. Und…“ Er stockt und schluckt. Seine Kehle fühlt sich mit einem Mal sehr eng an. „Und dich besonders“, bringt er schließlich hervor.
 

Da.

Bitte.

Er hat es gesagt.

Irgendwie.
 

Angstvoll starrt er Yuuta an.

Aber Yuuta ist damit beschäftigt verbissen auf den Boden zu starren, als ob der ihn persönlich beleidigt hätte.

Es arbeitet in seinem Gesicht.
 

„Okay“, sagt er schließlich langsam.
 

„Okay?“ wiederholt Wataru fragend. Er ist nicht ganz sicher worauf sich das bezieht. Er ist nicht mal sicher, ob das ein gutes oder ein schlechtes ‚okay‘ ist.
 

Yuuta zuckt mit den Schultern. „Es war ein… ein Scherz, ja?“
 

Wataru blinzelt. „Was…? Warte…!“
 

„Ich bin nicht immer… Manchmal kriege ich nicht mit, wenn…“ Yuuta räuspert sich umständlich. „Mir wäre es lieber wenn du keine Scherze machst“, sagt er schließlich steif. „Nicht… solche. Auch wenn es nicht böse gemeint war.“

Er hat den Träger seiner Sporttasche mit beiden Händen umklammert als ob er sich daran festhält.

„Wir sehen uns dann morgen.“
 

Ein Blitz zuckt über den Himmel, so grell, dass er sekundenlang das ganze Clubhaus in scharfes Licht taucht. Unmittelbar danach explodiert ein Donner.
 

„Yuuta, warte!“ Wataru springt auf. „Jetzt warte doch.“
 

„Was?“ Es klingt ungeduldig, als ob Yuuta gar nicht abwarten kann so schnell wie möglich hier rauszukommen.
 

„Es war kein Scherz“, sprudelt Wataru atemlos hervor. Das kann er einfach nicht so stehen lassen. Nicht das.

Er hat kein Problem damit, wenn Yuuta ihn für einen dämlichen Vollpfosten hält. Aber er hat ein riesiges Problem damit, wenn Yuuta annimmt, er wäre herzlos genug Scherze über so was zu machen.

Nicht wenn Yuuta so… aussieht.

So zornig.

Und so verletzt.

„Es tut mir leid, dass es so rauskam und es tut mir leid, dass es der blödeste Spruch aller Zeiten war. Weil eigentlich hatte ich tausend bessere im Kopf, ehrlich. Und nur die Hälfte davon waren Zitate aus Crows Zero. Es tut mir auch leid, dass es vor allen andere war. Es tut mir leid, wenn es dir unangenehm war. Aber es tut mir nicht leid, dass ich es gesagt habe. Es war wirklich kein Scherz.“
 

Langsam dreht Yuuta sich um. Er sieht unbehaglich aus und seine Wimpern flackern hastig auf und ab. „Ich weiß nicht, was das bedeutet“, sagt er schließlich. „Das mit dem Weihnachtsmann.“ Er klingt, als sei es ein Geheimcode für etwas.

Der Adler ist gelandet.

Setz dich auf den Schoß des Weihnachtsmannes.

Sowas in der Art.
 

„Es war ein dämlicher Versuch zu flirten“, murmelt Wataru. Er ist rot bis zu den Ohrenspitzen, was sich bestimmt ganz furchtbar mit seinen Haaren beißt.
 

„Mit mir?
 

Wataru nickt.
 

„Aber… wieso?“ Yuuta klingt so unsicher, so überfordert, dass es Wataru beinah das Herz bricht.

Er vergisst manchmal, dass Yuuta selber gar nicht mitbekommt wie unendlich fabelhaft er ist, wie entzückend und wie besonders und wie wunderschön.
 

Er würde jetzt gerne mit den Schultern zucken, zurückrudern und das ganze mit einem lässigen Spruch abtun. Aber ganz offensichtlich ist dieser Zug sowas von abgefahren.

Er ist sowieso nicht gut im lässig zurückrudern.
 

„Weil ich dich mag.“
 

„Ich mag dich auch“, erwidert Yuuta.
 

Wataru lächelt. Er kann nicht anders.

Yuuta ist manchmal so Yuuta, dass er gar nicht weiß, wie er das aushalten soll.
 

„Oh“, sagt Yuuta verlegen. „Du meinst… anders.“
 

Wataru nickt. „Ja. Anders.
 

„Oh.“
 

„Es tut mir leid“, sagt Wataru und lässt sich seufzend auf die Couch zurücksinken. „Es war nicht so geplant. Es ist einfach so passiert. Ich denke einfach ständig dumme Sachen in deiner Gegenwart. Ich wollte dich gar nicht groß damit belästigen. Aber ich bin offensichtlich nicht besonders gut darin… irgendwelche Gefühle NICHT zu haben.“
 

Sekundenlang ist Yuuta ganz still.

Er sieht vollkommen überfahren und nachdenklich zugleich aus.
 

Aber immerhin hat er Wataru noch nicht wütend angeblafft und ihm die Freundschaft gekündigt.

Das ist auch schon mal was, richtig?

Richtig?

Wataru klammert sich an diesen Gedanken.
 

Als Yuuta sich schließlich vorsichtig neben ihm auf die Couch setzt, lässt er genug Platz zwischen ihnen, dass ein Kleinwagen, Ostasien und ´ne Kuhherde dazwischen passen würden.

Er sieht nachdenklich und ein bisschen erschrocken aus.
 

„Tut mir leid“, wiederholt Wataru kleinlaut.

Sie sind eine ganze Weile still. Der Regen trommelt über ihnen an die Fenster und der Wind pfeift laut um die Hausecken. Es ist beinah ein bisschen idyllisch.
 

Es ist Yuuta, der zuerst anfängt zu sprechen.

„Ich…“ Er fährt sich mit der Zunge über die Unterlippe und blickt beschämt zur Seite. „Ich denke auch manchmal dumme Sachen in deiner Gegenwart.“
 

Überrascht hebt Wataru den Kopf. „Was?“
 

Yuuta errötet.
 

Wataru rutscht ein winziges Stück näher zu ihm. „Ehrlich?“
 

„Ich dachte vorhin, dass ich dich gerne in Flügeln sehen würde“, gesteht Yuuta und senkt verlegen den Blick. „Dabei sind die so unhandlich. Und viel zu teuer. Und es hätte gar keinen praktischen Nutzen für die Choreografie.“
 

„Hätte es definitiv nicht“, erwidert Wataru mit weit aufgerissenen Augen.

Versucht Yuuta damit anzudeuten, dass…?

Er ist nicht sicher, was Yuuta versucht damit anzudeuten. Aber wenn Yuuta jemals etwas denkt, was unpraktisch und unhandlich ist, ist das auf jeden Fall besonders.
 

„Ich sollte vielleicht gehen“, murmelt Yuuta ohne sich vom Fleck zu bewegen.
 

„Aber der Sturm“, sagt Wataru.
 

Es donnert wie auf Kommando. Der Blitz der parallel durch das Zimmer zuckt ist so grell, dass Watarus Augen tränen. Er blinzelt heftig.

Das Gewitter muss jetzt direkt über ihnen sein.

Das ist nicht mal mehr eine Ausrede, er möchte da jetzt wirklich nicht rausgehen.

Und er will auf keinen Fall, dass Yuuta da jetzt rausgeht.
 

„Ich…ähm…“ Wataru zupft schüchtern an der Couch. „Ich kann ja mal Flügel aus dem Theaterfundus klauen“, schlägt er leise vor. „Und anziehen.“
 

Überrascht hebt Yuuta den Kopf. „Für mich?“
 

„Na ja, definitiv nur für dich. Nicht in der Öffentlichkeit.“
 

„Oh.“ Vielleicht täuscht es, aber Wataru hat den Eindruck Yuuta sitzt nicht mehr ganz so weit am äußersten Rand der Couch wie eben noch.
 

„Nur wenn du willst“, murmelt Wataru.
 

Yuuta kaut auf seiner Unterlippe. „Ich wäre auch nicht… ich meine, ich hätte keine prinzipiellen Einwände dagegen irgendwann auf deinem Schoß zu sitzen“, sagt er leise. „Auch dann wenn sich genügend Stühle im Raum befinden. Und eine Couch. Und es…“
 

„…keinen praktischen Nutzen hätte“, vervollständigt Wataru mit pochendem Herzen und glühenden Ohren. Er rutscht noch etwas weiter in die Mitte. „Yuuta, ich würde auch ein Weihnachtsmannkostüm für dich anziehen.“
 

Yuuta lächelt scheu. Und ja. Er sitzt definitiv nicht mehr so weit am Rand wie eben noch. „Tu’s nicht. Ich hasse Weihnachtsmänner.“
 

„Ich würde auch kein Weihnachtsmannkostüm für dich anziehen“, korrigiert Wataru atemlos. „Was immer du willst.“
 

Sie sitzen so dicht beieinander, dass ihre Hände sich berühren.

Draußen ergießt sich ein Unwetter über ihren Köpfen. aber Wataru bekommt kaum noch etwas davon mit.

Yuutas Gesicht ist plötzlich so nah und Wataru hat möglicherweise vergessen wie Atmen funktioniert.
 

Verlegen senkt Yuuta den Blick.

„Können wir noch ein bisschen hier sitzen?“ fragt er schließlich. „Ich bin nicht sicher… ich weiß nicht was ich will, aber… Können wir noch eine Weile hier sitzen?“ Es klingt zaghaft und unsicher, und Wataru würde praktisch alles, alles für ihn tun in diesem Moment. Inklusive Flügeln und ohne Weihnachtsmannkostüm.
 

„Ja. Natürlich.“
 

„Wegen dem Sturm und so.“
 

„Was du willst“, wiederholt Wataru.
 

Schüchtern greift Yuuta nach seiner Hand.

Es fühlt sich an wie eine Frage. Als ob er immer noch unsicher ist, dass das ganze kein großer kosmischer Scherz auf seine Kosten ist. Und als ob er immer noch nicht ganz heraus hat, wieso er so ungewohnt irrationale Gedanken in Bezug auf Sitzmöbel und Engelsflügel und Wataru hat.
 

Wataru hat ihn so lieb, dass es ihn fast zerlegt.

Behutsam er verschränkt ihre Finger miteinander.

„Okay?“ fragt er leise.
 

Yuuta nickt.
 

Und Wataru denkt, dass das vielleicht doch nicht der allerdümmste Satz gewesen ist, den er je in seinem Leben gesagt hat.

Und dass dieser Sturm wegen ihm gerne noch die nächsten zwei Wochen andauernd dürfte.
 

Ende



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