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Inside Outbreak

von

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Tag 1

„Ärgert Sie das nicht mittlerweile? Ihnen passiert doch auch sonst nie so was drei Mal im Monat.“ „Wenn so was passiert, dann muss das sein. Ich glaube daran, dass es Schicksal ist wenn man so viel Pech hat. So wie Karma.“ „Wenn Ihnen der Gedanke über die Kosten hinaus hilft...“ Die Dame am Schalter gibt mir meine neue Chipkarte wieder in die Hand, auch wenn sie absolut nicht davon begeistert ist, dass ich anscheinend einen schusseligen Monat habe und diese schon meine dritte Neue ist. Das kostet mich zwar jetzt langsam ganz schön Geld, je öfter man die Karte verliert desto teurer wird die Neuanschaffung zur Strafe, aber wie gesagt, ich glaube daran, dass es wohl irgendwie dazu kommen musste. Sonst bin ich ja auch nicht so zerstreut. Zum Glück bekomme ich als hochgestellte Mitarbeiterin sofort einen Ersatz, sonst würde ich wohl ziemliche Probleme haben mich für den jeweiligen Tag zu versorgen.

Ich stecke die Karte, welche wie ein Personalausweis und eine Geldkarte gleichzeitig gehandhabt wird, in meinen titanweißen Kittel und verlasse die Station, welche für so Dokumentenkram zuständig ist. Die weißen Türen, welche eigentlich kaum zu erkennen sind, da sie genauso blank weiß sind wie die Wände, öffnen sich, indem sie zischend seitlich in die Wand hineinfahren, und ich trete hindurch, zurück in die zentrale Halle.

Es ist viel los, wie organisierte Ameisen laufen Menschen, zum Teil gekleidet wie ich, die auch weißen Treppen herauf und herunter, andere, etwas legerer gekleidet, wechseln von Raum zu Raum, dessen Türen auch zischend auf und zu gehen, sind aber genauso abgehetzt wie jeder andere hier. Nur wenige sind nicht abgehetzt, warten auf Anweisungen ohne die sie einfach in der Zeit nur bereit sein müssen einzuspringen wie Polizisten auf Streife. Genauso ich. Ich gehe einfach durch die Halle um beschäftigt auszusehen, denn wenn man hier herumsteht steht man meistens im Weg. Also beginne ich mit dem Strom zu fließen, setzte eine schwer gestresste Mine auf und werde unsichtbar.

Ich kontrolliere nebenbei die Angaben, welche von außen auf meiner neuen Chipkarte zu sehen sind, da sie beim letzten Mal falsch waren. Gedanklich lese ich laut vor:

„Sia Craft, 24 Years old, Upper“

Dieses Mal scheint alles richtig zu sein. Mein Passbild sieht auch wieder in Ordnung aus. Ich musste meine naturroten Haare ungewohnt offen tragen und in dem Licht leuchten meine Sommersprossen als würde meine Haut nur aus diesen bestehen, aber dafür leuchten meine mischfarbenen, braun grünen Augen. Das ich 1,70m groß bin steht neben dem Passbild. Ansonsten ist die Karte nur weiß. Der Rest der Infos wird durch einen Schnellscanner herausgelesen. Dinge wie genauer Beruf, Verhalten, Auffälligkeiten, Kontostand, Vorstrafen und so weiter. Damit wir für die Menschen transparent sind, die es wissen dürfen. Und müssen.

Da bekomme ich einen leise surrenden Anruf. Durch ein Knopfdruck nehme ich an. Der kleine Einsatz in meinem Ohr beginnt zu Blinken. Kurz rauscht es, dann werde ich verbunden. „Ein 67er. Er muss in Trakt 12.“ „Bin auf dem Weg.“ Ich muss in die andere Richtung. Um nicht den Fluss der um mich herum laufenden zu stören drehe ich mich nicht auf der Stelle, sondern gehe solange mit der Masse, bis ich ohne Gegenverkehr trotzdem in die richtige Abteilung komme. Ich erhöhe leicht mein Tempo, meine Mine ist nun nicht mehr gespielt gestresst. Selbst die kleine Abbiegung die ich gehen muss muss ich mit Elan gehen, sonst würde ich einfach wieder den Weg weiter gerissen werden. Ich muss um einige Ecken gehen, welche man eigentlich nie betritt. Sie sind mit Absicht so gelegt, dass man glaubt, dort würde es einfach weiter gehen, nichts besonderes, aber kaum ein Arbeiter hat diesen Weg zu gehen. Nur das weiß wiederum keiner. Nur Leute wie ich müssen mit Absicht hier durch. Und die Leute, die ich hier antreffe. Auch hier sind die Wände weiß, die Türen in diese unauffällig eingelassen, gerade so erkennbar. Am Ende des immer gut ausgeleuchteten Ganges wird es etwas dunkler. Dort warten zwei Mitarbeiter auf mich. Sie tragen auch weiße Kittel, sind aber älter als ich. Sie empfangen mich mit einem Lächeln, da sie mich schon aus der Ferne erkannt haben. „Frau Craft. Schnell am Ort. Wie immer.“ „Ich war gerade auch in unmittelbarer Nähe.“ Zwischen den Beiden ist eine Trage, wie sie zum Abtransportieren von Verletzten benutzt wird. Nur auf dieser liegt kein Verletzter. Zumindest nicht mehr so wirklich. Die Person ist tot.

Ich kann nur durch den undurchsichtigen Kunststoffsack erahnen, wer sich darunter befindet. Mir wurde ja schon durchgegeben, dass es sich um eine 67 handelt. Damit ist immer das Gewicht gemeint, daher schätze ich auf eine Frau. Ich öffne den Reißverschluss... ich lag richtig. Eine eigentlich hübsche Frau. Sie ist noch nicht sehr blass, noch nicht lange tot. Vielleicht erst seit einer oder zwei Stunden.

Ich übergebe ihnen kurzerhand meine Chipkarte, welche sie zur Bestätigung und Autorisierung durch ein kleines scannendes Gerät ziehen. Sie sehen auf ihren Pads, dass ich die Zuständige für die Aufgabe und Vertrauenswürdig bin, da ich mir bislang keine eingetragenen Fehler erlaubt habe. Dann geben sie sie mir wieder. „Dann gehe ich mal los,“ sage ich, sehe die beiden Kittelträger an und nicke ihnen zu. „Danke.“ Mir wird die Leiche übergeben, den Griff am Kopfende fest packend rolle ich sie mitsamt der Liege durch die abgelegenen Wege und schaue mir die Frau an nachdem ich aus dem Sichtfeld der Anderen gelangt bin. Ich darf das aus meiner Position. Es ist mir nicht verboten die Leichen genauer zu betrachten. Ich habe schon so lange diesen Beruf, da will man manchmal wissen was man da mit sich herumschiebt. Mein Vater sagte auch schon immer, eine gesunde Neugierde ist in Ordnung. Auch er wollte manchmal wissen was mit den Verstorbenen passiert ist. Als ich noch klein war erzählte er mir manchmal Geschichten von den Menschen, die er wegbrachte. Natürlich sagte er damals nicht, dass sie Tot waren. Aber er sagte er bringt sie an einen anderen Ort. Er brachte sie nach draußen. Er war damals einer der einzigen 3 Mitarbeiter, der über die Schwelle nach draußen treten durfte, da er mit mir und meiner Mutter von draußen hier hinein zog als ich 4 Jahre alt war. An der Schwelle also übergab er die Verstorbenen den Lieferanten und diese brachten sie dann weg. Irgendwo hin wo sie dann beerdigt wurden.

Mittlerweile ist die Grenze strenger gezogen. Man begann alles strikter zu trennen. Entweder war man draußen... oder hier. Im Inside.

Ich erinnere mich sehr schlecht, aber mein Vater sagte von außen sähe das Inside aus wie ein gigantischer weißer Würfel. Genauso weiß wie alle Wände und Böden hier drin. Wenn man im Inside ist kann man sich das schwer vorstellen, weil man selten so viel zusehen bekommt, dass man sich wirklich vorstellen kann, dass es die Form eines Würfels hat. Na gut, wenn mein Leben hier so gut und strukturiert bleibt, werde ich das Ganze wahrscheinlich eh nicht mehr von außen sehen. Viele, die hier einmal eingestellt sind und eine tragende Rolle einnehmen, gehen nicht mehr nach draußen. Es würde ganz eigentlich den ganz oberen Positionen auch nicht wirklich draußen gefallen, aber wenn man hier auch einen guten Beruf hat muss man auch nicht mehr nach draußen. Es gibt hier Abteile, welche das Draußen simulieren. Es gibt Erdboden mit Gras und Blumen, 4 Bäume, einen Brunnen und Vogelgezwitscher wird durch kleine Lautsprecher lebensecht wiedergegeben. Soweit ich mich erinnere, sah es draußen gar nicht so schön aus wie wir es hier in der Simulation haben. Daher bin ich mit ihr sehr zufrieden.

Ich erinnere mich natürlich trotzdem gern an die Zeit mit meinen Eltern, an die ich mich noch erinnern kann. Ob es im Draußen war, oder hier im Inside. Auch wenn wir nicht sehr lange zusammen im Inside lebten. Als ich 17 war verstarben sie auf Grund eines... ich sag mal Amoklaufes. Ein Mitarbeiter verlor die Nerven, warum auch immer, und brachte 4 Mitarbeiter um, darunter mein Mutter und mein Vater. Dieser Mann hatte hier alles, einen sicheren Arbeitsplatz, einen gesicherten Lebensstandart und dann wirft er alles weg und...

Ich wundere mich kurz da sich bereits angekommen bin und schließe den Reißverschluss des Leichensackes wieder.

Ein Fahrstuhl ist nun der Übergabeort. Ich ziehe wieder meine neue Karte durch einen Schlitz zur Autorisierung, drücke den großen blauen Knopf und warte. Dann öffnet sich der Zugang und ein Lieferant steht mir gegenüber. Er lächelt und fragt um was für eine Leiche es sich handelt. Ich erkläre ihm, dass es eine 67 ist, er erscheint erleichtert und übernimmt nun die Verantwortung über die Liege mitsamt der Beladung. Ab dem Moment habe ich nichts mehr mit der Frau zu tun. Mein Job ist erledigt. Ich winke dem Lieferanten noch zu bevor der Fahrstuhl sich wieder komplett schließt und gehe meine Wege.

Ja, ich bringe Leichen von a) nach b). Diese Aufgabe habe ich bekommen, da mein Vater den Beruf hatte und sehr gewissenhaft war. Denn es brauch viel vertrauen. Wir brachten nicht nur Menschen nach draußen, die eines natürlichen Todes starben.

Das erste Mal, dass ich mit einer solchen Leiche konfrontiert wurde war schon schrecklich. Meine Neugierde, wie gesagt, vom Vater vererbt, öffnete den Sack und erschrak. Ich war noch in Weite der Mitarbeiter, die sie mir übergaben, und erklärten mir, was es mit dieser Leiche auf sich hatte. Die verstorbene Person drohte auf bestialische Art und Weise anonym den Führungspositionen im Inside mit Mord und Folter. Er schleuste sich durch ein unglaublich gutes Studium hier ein, hatte noch Kontakt zu Anderen draußen und war gegen das System hier von innen heraus angegangen, wie ein Virus oder ein Tumor. Er war sozusagen ein aggressiver Aktivist. Er warf einfach seinen guten Beruf weg und alles was er hier geboten bekam. Na ja. Als man ihn enttarnte wurde er natürlich sofort neutralisiert, also erschossen. Einer der Schüsse nahm ihm die Kenntlichkeit aus dem Gesicht. Ich wurde mit dem Anblick regelrecht ins kalte Wasser geworfen. Genauso mit der Verantwortung, das für mich zu behalten.

Das Inside brauchte keine Panik, keine Spekulationen und schlechte PR. Und um das zu gewährleisten werden nur wenige mit dem Beruf... ich sage mal gesegnet. Denn dafür, dass man nur wie eine Maschine Tote herum schiebt verdient man gut und hat einen hohen Rang, der einem nicht selten hilft. Man hat direkt ein gewisses Maß an Ansehen und Anerkennung, auch wenn keiner weiß was man eigentlich tut. Ich könnte auch anerkannte Kloputzerin sein. Mein kleiner blauer Stecker an der Brusttasche meines Kittels sagt einfach: Ich stehe oben. Fertig.

In meinen Gedanken versunken bin ich bereits wieder im mehr belebten Teil des Insides angekommen und fließe wieder mit dem Strom. Wie Bahnen auf Schienen laufen sie hintereinander her, lassen gerade genug Abstand das sie nicht kollidieren wenn Gegenverkehr kommt und gehen im ziemlich gleichen Schritttempo. Da ich bis gerade an mein eigenes, blaues Schildchen dachte, welches ich als Zeichen meiner Position trug, senkte ich meinen Blick etwas um eine Übersicht zu bekommen, wer gerade alles um mich herum war. Die Rangfolge war so farblich gekennzeichnet wie die Stärke, die Intensität der Farben nach ihrer Wellenlänge, also wortwörtlich: Nach Stärke. Rote Schildchen stehen zum Beispiel für Reinigungskräfte, Mülltransporteure und anlernende Aushilfen mit schlechten Abschlüssen, Gelbe Schildchen für Laufburschen und Aushilfen mit ausreichenden Abschlüssen, grüne für ziemlich alle Forscher, Laboranten und Aushilfen mit Aussicht auf Zukunft im Inside, blau für Vertrauenspersonen, zum Teil also auch mit unbenannten und unbekannten Berufen wie bei mir, violett für Führungspositionen. Und weiß ist das Inside. Die höchste und stärkste Position. Gut, das hab ich mir ausgedacht, aber irgendwie ergibt es doch Sinn.

Um mich herum laufen viele Forscher und Laboranten, gar nicht schauend wo sie hinlaufen, nur ihre Zettel und Berichte vor den Nasen. Wer kein Papier vor sich hatte, hatte elektronische Pads zum Lesen vor sich. Keiner von ihnen hat einen Atemzug Zeit woanders hinzuschauen. Und ich schaue mich um, kategorisiere die Menschen und warte wieder auf einen Anruf. Mehr nicht.
 

Dieser erwartete Anruf erreichte mich gen Nachmittag. Es war wieder eine Frau, welche ich transportieren musste. Ich musste selber mit einem anderen Fahrstuhl die Etage wechseln und sie dort wieder an einen Lieferanten übergeben. Für den heutigen Tag war es dann schon. Ich betrat mein Wohnraum.
 

In gleichen Moment, in welchem ich meinen Wohnraum betrete, erleuchten die flachen Deckenlampen und die zischende Tür schirmt mich vom restlichen Geschehen dort im Inside ab.
 

Alles an Hektik, an Aktion fällt von mir ab, genauso wie mein Kittel. Auch in der Kleidung unter dem Kittel will ich nicht mehr lange bleiben, gehe in den Raum, welcher als Bad funktioniert, ziehe mich aus und stelle mich unter den heißen Wasserstrahl. Verhältnismäßig war der heutige Tag sehr ruhig, es sind schon verrücktere Dinge passiert. Ob es das Notfalltransportieren eines Keim-Züchtungs-Kühlschrankes war oder das Mittagsmenü für die Führungspositionen, was auch ab und an mal vorkommt. Ich transportiere alles, wenn die Anweisungen von weit genug oben kommen.

Ich drehe das Wasser auf, nachdem ich kurz den Knopf berühre der meine Temperatur aufnimmt und die Temperatur des Wassers anpasst. Alles an Stress, den ich mit dem Kittel nicht schon vorher abgelegt habe wasche ich mir jetzt als Schweiß von meinem Körper. Manchmal habe ich das Gefühl man müsste sich sogar die Luft abwaschen die einfach um einen herum ist wenn man arbeitet. So als würde man im Staub arbeiten oder im Dreck. Nur halt mit stressgesättigter Luft. Sie klebt an einem.

Ich dusche solange wie meine Wasserreserven es für den Tag zulassen. Da ich ja Upper Class bin habe ich Bad und Küche getrennte Reserven, also kann ich zum Duschen abend alles aufbrauchen was hier zu holen ist. Danach bereite ich mir noch meine Ration zu, welche mir über den Tag ins Zimmer gebracht wird während auch kontrolliert wurde, ob es bei mir ungewöhnliches zu sehen gibt. Aber meinen Rang habe ich zurecht. Bei mir gibt’s nichts was nicht sein darf. Ich halte mich sogar in allem was sein darf so zurück, dass sich die Kontrolle denken muss, dass ich ein Beispiel für andere sein muss, die alles bis zur Grenze ausnutzen müssen, denn die machen ihre Arbeit langwierig und nervig. Meine Klimaanlage ist immer nur halb stark eingestellt, und das den ganzen Tag. Ich habe wenig in den Schränken, man sieht, dass ich keine Chancen hätte etwas zu verstecken. Außer im Bad wenn mein Tag zu ende ist lasse ich immer genug Reserven übrig, sowohl Strom als auch Wasser. Ja man könnte sich an mir ein Vorbild nehmen.

Ich lasse den Tag ausklinken bevor das Licht über die Zentralsteuerung bei jedem gedimmt wird. Ich liege im Bett und schlafe ein, im schützenden Schatten des Inside.



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