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Vielleicht irgendwann

von

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55. Kapitel, in dem kein Risiko eingegangen wird

„Sie haben es also echt gut aufgenommen“, fasste Takeru Yamatos Erzählungen zusammen. Gerade eben hatte er ihm bei einem gemeinsamen Abendessen in der Mensa darüber berichtet, wie er und Sora seinen Eltern gestern von dem kommenden Nachwuchs erzählt hatten. Hiroaki und Natsuko waren zunächst einmal geschockt gewesen, waren nach einem längeren Gespräch dann aber doch ruhiger geworden. Und sie machten Yamato keine Vorwürfe. Wahrscheinlich lag es daran, dass er in seinem Leben schon so viele Dinge getan hatte, die seine Eltern auf die Palme gebracht hatten, dass sie sich über eine ungeplante Schwangerschaft nicht weiter aufregten. Es hätte schlimmer kommen können.

„Ja, ich war auch überrascht“, meinte Yamato lächelnd. „Hab‘ gedacht, sie würden ausrasten.“

„Hätte ich auch gedacht.“

Eine Woche war es jetzt her, dass Takeru von der Schwangerschaft erfahren hatte. Am liebsten hätte er mit Hikari darüber gesprochen, doch sie hatten noch immer nicht miteinander geredet.

„Wie geht es jetzt weiter? Werdet ihr zusammenziehen?“, fragte Takeru.

„Klar. Ich habe schon angefangen, nach einer Wohnung zu suchen. Und ich werde öfter arbeiten gehen, um ein bisschen Geld anzusparen. Dieser ganze Babykram ist echt verdammt teuer“, antwortete Yamato.

„Wow, Matt“, machte Takeru und hob anerkennend die Augenbrauen. „Hätte mir vor drei Jahren jemand erzählt, dass du bald vernünftig wirst, hätte ich ihn für verrückt erklärt, aber ich erkenne dich kaum wieder.“

Yamato zuckte mit den Schultern. „Alles nur wegen ihr.“

„Wegen ihr?“

„Ja. Ich habe diese Musiksache nicht aufgegeben, weil ich ‚was Vernünftiges‘ machen wollte, sondern weil ich Sora wiederhaben wollte“, erklärte Yamato und schob seinen leeren Teller ein Stück nach oben.

Takeru beobachtete ihn stirnrunzelnd.

„Ich würde einfach alles für sie machen. Alles.“

Takeru glaubte es ihm aufs Wort. Sora war seine große Liebe und er hatte sie vor seinen Traum, Rockstar zu werden, gestellt. Sie war ihm wichtiger als er selbst und deswegen würde ihn die Geburt ihres gemeinsamen Kindes zum glücklichsten Menschen der Welt machen. Er hatte für seine Liebe gekämpft und gewonnen.

„Matt, ich…“, Takeru räusperte sich ein wenig verlegen, „ich wollte mich noch für letzte Woche entschuldigen. Ich habe echt blöd reagiert auf die Nachricht. Ich schätze, ich war neidisch. Aber… ich gönne es dir. Und ich freue mich für dich. Ehrlich.“

Yamato musterte ihn und lächelte leicht. „Schon okay. Nicht der Rede wert.“

„Doch. Das war unangebracht.“

„Du solltest einfach endlich mal mit ihr reden.“

Takeru seufzte. „Bitte nicht schon wieder.“

Abwehrend hob Yamato die Hände. „Ich mein‘ ja nur. Aber okay, lassen wir das. Ich muss eh los.“

„Ja, ich auch. Muss noch ein paar Seiten für das Seminar morgen lesen.“

Sie brachten ihre Tabletts weg, verabschiedeten sich und machten sich auf den Weg nach Hause. Nachdenklich schlenderte Takeru zum Wohnheim. Immer wieder kreisten seine Gedanken um Yamato, Sora und die wahre Liebe. Würde er sie jemals finden, diese wahre Liebe? Oder würde er für immer allein sein müssen?

In seinem Zimmer angekommen warf Takeru sich mit seinen Texten für das Seminar aufs Bett und begann zu lesen. Es war schwer, sich auf den Text zu konzentrieren, wenn seine Gedanken ganz woanders waren. Er erwischte sich dabei, mehrere Stellen zweimal lesen zu müssen.

Nach einer halben Stunde ließ die Türklingel ihn hochschrecken. Kurz überlegte er, das Klingeln zu ignorieren, doch vielleicht war es wichtig. Also rappelte er sich auf und ging mit dem Text in der Hand zur Tür, um sie zu öffnen.

Es war Hikari.

„Hika“, sagte er überrascht.

„Sag‘ mir, ob du mich liebst!“, befahl sie ohne eine Begrüßung.

Takeru blieb der Mund offen stehen. Hatte er sich gerade verhört? Er brauchte einen Moment, um sich zu sammeln und seine Sprache wiederzufinden. „W-was?“

„Du musst mir sagen, ob du mich liebst“, beharrte Hikari und sah ihm fest in die Augen. Ihr Blick war wild entschlossen und es sah fast so aus, als würde sie in den nächsten Minuten in einen Kampf ziehen.

Takeru brauchte eine Weile zum Antworten. „Wie kommst du darauf?“

„Weil du es mir gesagt hast. In der Nacht, als du betrunken bei mir aufgetaucht bist“, antwortete sie unbeirrt.

Zuerst wusste er nicht, wovon sie redete, doch dann fiel ihm ein, welche Nacht sie meinte. Nun machte er große Augen. Er hatte was?! Das konnte nicht ihr Ernst sein. Das hatte er nicht getan! „Ähm… komm‘ erst mal rein.“

Stocksteif schritt sie an ihm vorbei und blieb mitten in seinem Zimmer stehen. Eindringlich sah sie ihn an und wartete darauf, dass er die Tür schloss und zu ihr kam. Er kratzte sich am Kopf, als er vor ihr zum Stehen kam. „Ähm… also ich habe was gesagt?“

Hikari seufzte. „In dieser Nacht, als du betrunken bei mir aufgetaucht bist, hast du versucht, mich zu küssen und du hast mir gesagt, dass du mich liebst.“

Takeru biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte ihre Geschichte nicht geändert. Sagte sie tatsächlich die Wahrheit? Hatte er das wirklich getan? „Ich… oh Mann.“ Er rieb sich mit der Hand die Stirn. „Verdammt.“

„Ist es wahr?“, kam sie auf ihre eigentliche Frage zurück.

Einen Augenblick lang sah er ihr beklommen in die Augen, dann nickte er langsam. „Ja, es ist wahr.“

Dann tat Hikari etwas, womit Takeru nicht gerechnet hatte. Schon wieder überraschte sie ihn, denn urplötzlich brach sie in Tränen aus.

„Was zum…“, stammelte Takeru überfordert und starrte sie an.

Sie ließ sich auf sein Bett fallen, vergrub das Gesicht in den Händen und schluchzte, als würde sie nie wieder aufhören. Ganze Sturzbäche schienen sich aus ihren Augen zu lösen, denn nur wenige Sekunden später tropften Tränen auf ihren Schoß.

„Kari!“ Verwirrt setzte Takeru sich neben sie und tätschelte ihr den Rücken. „Ist das wirklich so schlimm?“

Sie schluchzte weiter, doch schüttelte immerhin den Kopf.

„Warum weinst du dann? Was ist denn los?“

„Ich will dich nich‘ verlier’n. Ich gann das nich‘. Alles meine Schuld. Alles falsch gemach‘“, schniefte sie in ihre Hände, sodass Takeru Mühe hatte, alles zu verstehen.

„W-was meinst du denn?“, fragte er perplex, weiter ihren Rücken streichelnd.

Sie wartete einen Augenblick, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte und nicht mehr so hemmungslos schluchzte. Er reichte ihr ein Taschentuch und sie schnäuzte sich geräuschvoll und tupfte sich damit über die Augen. Dann sah sie ihn an. Ihr Gesicht war rot gefleckt, das Weiß in ihren Augen von unzähligen roten Adern durchzogen.

„Wir sollten kein Paar sein, Takeru“, sagte sie mit belegter Stimme. „Ich will unsere Freundschaft nicht riskieren. Auf keinen Fall. Ich habe so viel darüber nachgedacht in den letzten Wochen, aber mir ist das Risiko einfach zu groß, dass es schief geht und wir hinterher nicht mehr befreundet sein können.“ Sie schniefte und erneut rollten Tränen über ihre Wangen.

„Aber… deswegen brauchst du doch nicht zu weinen“, murmelte Takeru und bemühte sich, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Aber was hatte er auch erwartet? Dass sie bei seinem Geständnis vor Freude in die Luft sprang?

„Ich habe aber das Gefühl, dass ich dir das Herz breche“, murmelte sie. „Ich will das nicht. Keru.“ Sie sah ihn eindringlich an.

„Ja?“

„Du bedeutest mir einfach alles. Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben. Ich würde es nicht ertragen, dich zu verlieren.“

Er öffnete den Mund, wollte ihr sagen, dass er das Gleiche für sie empfand und dass das doch ein Grund wäre, zusammen zu sein und einer festen Beziehung eine Chance zu geben. Aber nein, er ließ es bleiben. Er wollte sie nicht unter Druck setzen. Sie war ja ohnehin schon mit den Nerven am Ende.

„Ich will dich doch auch nicht verlieren“, murmelte er.

„Aber es ist alles so seltsam“, redete Hikari mit ihrer verschnupften, kratzigen Stimme weiter. „Es war so schön, mit dir… zu schlafen. Es hat sich richtig angefühlt und… es tut mir so leid, dass ich mich am nächsten Tag so komisch benommen habe. Ich habe da auch gewisse Gefühle für dich.“ Er horchte auf. „Ich merke, dass da irgendwas ist. Etwas in mir will mehr als Freundschaft. Aber… ich habe einfach zu viel Angst, dass wir das, was wir jetzt haben, zerstören könnten.“

„Mhm“, machte er langsam und nickte wissend.

„Gott, das ist alles so kompliziert. Ergibt das irgendeinen Sinn, was ich hier rede?“

„Ja, ich verstehe das.“

„Es tut mir leid, dass ich jetzt hier so reingeplatzt bin. Ich wollte dich eigentlich nicht darauf ansprechen. Ich wollte warten, bis du es mir von allein sagst, aber ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten. Ich musste wissen, ob es stimmt und irgendwie… ich habe gehofft, es würde nicht stimmen.“

Mit finsterer Miene runzelte er die Stirn, während sie sich mit dem Ärmel über die nassen Wangen wischte.

„Können wir jetzt einfach so weiter befreundet bleiben? Geht das?“, fragte sie und sah ihn mit hoffnungsvollem Blick an.

Ein dumpfer Schmerz breitete sich in seiner Brust aus und schien ihm die Kehle zuzuschnüren. „Klar. Warum sollte das nicht gehen?“

Sie ließ den Kopf gegen seine Schulter sinken und weinte in sein Sweatshirt. „Es tut mir so leid“, nuschelte sie gegen den Stoff.

„Das braucht dir doch nicht leidzutun. Niemand kann etwas für seine Gefühle.“

„Wann ist das bloß passiert? Wann hat das angefangen, dass sich etwas verändert zwischen uns?“, fragte sie verzweifelt.

Vor einer gefühlten Ewigkeit… „Keine Ahnung.“

„Warum muss man nur erwachsen werden? Kann man nicht einfach für immer ein Kind bleiben und sorglos weiterleben? Immer das Gleiche fühlen? Es sollte doch eigentlich gar nicht möglich sein, etwas für seinen besten Freund zu empfinden“, sagte sie, ohne den Kopf zu heben, sodass ihre Worte dumpf klangen.

„Keine Ahnung“, wiederholte Takeru nur düster, noch immer ihren Rücken streichelnd. Ihre Nähe war im Moment Qual und Wonne zugleich. Warum wollte sie es denn nicht versuchen? Wie sollte denn etwas zwischen ihnen schief gehen? Sie waren doch so ein eingespieltes Team, von kleinauf aneinander gewöhnt, unzertrennlich wie Pech und Schwefel, wie Licht und Schatten, wie… Freundschaft und Liebe.

Takeru seufzte. Wie gern er sie einfach küssen würde, ihr sagen würde, dass nichts schief gehen konnte, dass sie trotz allem immer beste Freunde sein würden, auch als Paar. Für immer und ewig. Aber es würde ja doch nichts bringen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Wenn zwei Feiglinge aufeinandertreffen...
Hikari will das Risiko nicht eingehen und Takeru hat einfach nicht die Eier in der Hose, zu sagen, was er denkt und fühlt. Wenn er doch nur ein bisschen hartnäckiger wäre... und Hikari ein bisschen risikofreudiger... Die beiden könnten es so einfach haben, aber warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? :D Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  UrrSharrador
2018-07-11T14:31:25+00:00 11.07.2018 16:31
Mensch, wie viele Kapitel hab ich eigentlich gestern gelesen? O.o Dachte, es wären weniger. Wollte wohl nicht schlafen gehen^^
Matt hat seinen Eltern also berichtet, dass sie bald Großeltern werden. Gut, dass sie es so gut aufgenommen haben. Ich erinnere mich da an eine gewisse andere Story ... xD Aber Sora und Matt passen halt auch einfach zusammen, und ich kann mir vorstellen, dass sie sehr gute Eltern werden.
Und Kari überfält T.K. einfach mal so. Erzwungene Aussprache nennt man das wohl xD Mich hätten sehr ihre Gedanken interessiert, die sie zu diesem Entschluss getrieben haben. Sie hat ihn ja wirklich überrumpelt und auch noch diese alte Sache ausgegraben, von der er gar nichts mehr weiß. Aaaber die Aussprache bringt nicht die erhofften Früchte. Für T.K. muss das alles richtig schlimm sein :( Jetzt haben sie die Sache dahingehend geklärt, dass sei einfach als Freunde weitermachen. Aber du hast wohl recht im Nachwort, er hätte einfach mal sagen sollen, was Sache ist. Ich schätze, er hat auch befürchtet, sie damit zu verlieren.
Ich sehe gerade mit Schrecken, dass Hikari demnächst einen Freund hat? Das kannst du ihnen nicht antun :( Ich stell es mir gerade vor, Hikari so: Danke Takeru, du hast mich von meinem Trauma geheilt, jetzt hab ich mir einen Freund angeschafft und werde mit ihm glücklich. Tja.
Was ich positiverweise bemerkt habe, ich die Anzahl der Kapitel, die es noch gibt. Es ist unglaublich, wie viele es im Verhältnis noch sind. Ich denke mir die ganze Zeit, dass das mit ihnen ja schon fast geklärt ist und da nur noch ein bisschen fehlt für ein Happy End ... aber sieht so aus, als wäre da noch eine Menge Drama im Busch :D
So ... das war es einstweilen von mir. Ich habe kurz nachgesehen und festgestellt, dass es zum nächsten Kapitel wieder einen Zeitsprung gibt. Wahnsinn, was T.K. und Kari da mit ihrer Fast-schon-aber-doch-lieber-nicht-aber-doch-ein-wenig-und-dann-eher-doch-nicht-Beziehung über so einen Zeitraum mitmachen müssen^^
Von:  dattelpalme11
2016-08-26T15:28:44+00:00 26.08.2016 17:28
Spinati -.- -.- -.-
Das ist nicht dein Ernst? Ich hoffe du machst Witze?
Ahhh die beiden machen mich echt noch aggro -.-
Sie könnten es so einfach haben, aber Kari hat Schiss die Freundschaft zu riskieren und TK hat seine Eier wohl an den Osterhasen verschenkt...ahh!
Okay, immerhin läuft es bei Matt einigermaßen rund und er konnte die Schwangerschaft seiner Familie schonend beibringen :D
Aber trd mäh! Wo ist mein verdammtes Schaf -.- Auf der einen Seite kann ich Kari ja verstehen. Ich hätte auch Angst eine jahrelange Freundschaft zu riskieren, aber man sagt doch immer "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt". Und die beiden sind auch schon zu weit gegangen, um wieder zurückzugehen.
Und dann gibt sie auch noch zu, dass sie Gefühle für TK hat und was macht er?? Ahh! Männer -.- Er müsste echt mal kämpfen! Gerade jetzt!
Du machst mich echt fertig :'(
Aber ich bin echt mal gespannt, wie es jetzt zwischen ihnen weitergeht.
Irgendwie wird ja immer etwas zwischen ihnen stehen :O

Soo ich warte gespannt aufs Nächste :D
<3 <3
Von:  Kayara
2016-08-22T08:09:15+00:00 22.08.2016 10:09
Ach ja das ewige und ziemlich leidige Thema von besten Freunden die mehr von einander wollen :D
Schönes Kapitel!
Von:  Soralai
2016-08-22T07:15:33+00:00 22.08.2016 09:15
So wird das nie was.
Mensch Juju wieso hast du ihn den so kastriert?
kriegt er im nächsten Kapitel den Mund auf und küsst sie so wie sie ist nieder aufs Sofa und erzählt ihr das er mehr will?!
Von:  Leucan
2016-08-21T20:22:48+00:00 21.08.2016 22:22
Wuaaahh Oh Gott...sie wurden direkt aneinander vorbei geschubst *schreismiley*
Takeru hätte Nein sagen müssen und hätte sie einfach küssen sollen. Oder sonst was...*Kissen ins Gesicht drück* ich würde sie gern zurück Schübsen.

Spannend :D

LG KC


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