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Projekt Traumfänger

von

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Sequenz 002


 

»No one ever dares to speak

It’s nothing else but Fantasy

It’s make believe, make believe

No one ever dares to speak

It’s nothing else but Fantasy

But one day it all will come to Life«
 

T wandte sich auf der Straße nach links und rechts um. Er sondierte die Umgebung mit scharfen Augen. Er wusste, dass Menschen, die viel in Kontakt mit Sandmann waren, eine Art ganz spezielle Aura umgab. Dabei spielte es keine Rolle, ob diejenigen konsumierten, oder damit handelten. Die Eigene Welt war ein Ort, der Spüren hinterließ an jedem Besucher, der sie betrat. Für geübte Traumfänger, war diese relativ leicht aufzuspüren. In der Ausbildung wurden sie darauf trainiert, wie Spürhunde darauf zu reagieren.
 

Es dauerte nur ein paar Augenblicke, bis er die Fährte gefunden hatte. „Er ist noch nicht weit weg.“ C nickte und folgte ihm mit schnellen Schritten. T eilte voraus, die Waffe im Anschlag. Ein paar Häuser entfernt bog die Fährte in eine kleine Seitengasse ein. Ein kaum wahrnehmbarer beißender Geruch drang an Cs Nase. Sie kannte diesen Geruch und stoppte ihre Schritte. Eine Hand auf seiner Schulter ließ T anhalten. Er wandte sich zu seiner Partnerin um, die seinen Blick wieder nach vorne in die Gasse lenkte.
 

Dort war ein Schatten erschienen. Ein kaum wahrnehmbarer, formloser Schemen aus schwarzem Rauch. Der beißende Geruch, den er verströmte wurde stärker. „Das ist Traumgas.“, stellte C nüchtern fest. Sie griff nach ihrer Atemschutzmaske und setzte sie mit einer eleganten Bewegung auf. Beobachtend näherte sie sich dem Schemen ein paar Schritte. Dieser begann die Form zu ändern und die Gestalt eines Wolfes anzunehmen, der sie tonlos anknurrte.

C zog ihr Jagdmesser und näherte sich langsam. Sie setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, alle Muskeln angespannt und jederzeit darauf vorbereitet anzugreifen. Der Wolf aus schwarzem Rauch duckte sich und machte sich zum Absprung bereit. Mit einer unerwarteten Bewegung schnellte er nach vorne. C reagierte darauf, stockte jedoch mitten in der Bewegung. „Was zur…“, entfuhr es ihr dumpf unter der Atemschutzmaske, während sie den Blick ein wenig ungläubig auf das Bild vor ihr gerichtet hatte.
 

Der Wolf rannte auf sie zu, geifernd und zähnefletschend. Doch er kam nicht von der Stelle, war trotz seiner Bewegungen eingefroren. C näherte sich ihm weiter und als sie direkt vor ihm stand, verharrte er weiter in seinen Laufbewegungen. Sie streckte die Hand nach ihm aus und kaum dass ihre Fingerspitzen seine Nase berührten, begann er sich wie von einem Windhauch getragen aufzulösen. „Das ist seltsam.“, murmelte T, der neben sie trat. Sie würden darüber definitiv Bericht erstatten müssen, denn so eine Erscheinung war ihnen in der Realität zuvor noch nicht begegnet.
 

Weiter vor ihnen in der Gasse lenkte ein Geräusch ihre Aufmerksamkeit auf dessen Verursacher. Es war der flüchtige Unterhändler. T nahm seine Waffe wieder auf und jagte dem Gesuchten mit schnellen Schritten hinterher. Dieser ließ einen kleinen Beutel fallen und begann zu laufen. C sammelte diesen mit einer fließenden Bewegung auf bevor sie ihrem Partner folgte. Sie wusste, was er enthielt und dass er als Beweismittel konfisziert werden musste. In der Bewegung nahm sie auch die Atemschutzmaske wieder ab.
 

T hatte derweil den Gesuchten ein paar Gassen weiter in eine Sackgasse gejagt und stand jetzt mit angelegter Waffe vor ihm. Als C neben ihm auftauchte und ebenfalls die Waffe auf das Zielobjekt richtete, erhob dieses die Stimme. „Lebend kriegt ihr mich nicht, ihr Bastarde.“, blaffte er ihnen entgegen. C erwiderte nichts, sondern fixierte ihn mit einem Blick, der einem das Blut in den Andern gefrieren ließ. Dann drückte sie ab. Es war nicht das Ziel der Mission gewesen Gefangene zu machen.
 

Der Schuss zerriss die drückende Stille, die sich auf die Straßen gesenkt hatte. Die Augen des Unterhändlers weiteren sich, als die Kugel seine Brust durchschoss und sein Herz zerfetzte. Ein leises Röcheln entweicht seiner Kehler, als die Kraft aus seinem Körper wich und er in sich zusammensackte. Die beiden Traumfänger traten an ihn heran. Sie beobachtete seine Augen, während er noch immer die Waffe auf ihn gerichtete hatte. Nur zu ihrer Sicherheit, denn erst wenn seine Vitalfunktionen ihren Dienst wirklich eingestellt hatten, stellte er keine Bedrohung mehr da.
 

Der Blick des Unterhändlers wurde trüber. Er röchelte noch einmal, als er den Mund öffnete und heiser murmelte. „Es… wird kommen. Ihr… könnt es nicht… aufhalten.“ Doch kurz bevor der Lebenswille in seinen Augen vollständig erlosch, flackerte er noch einmal auf und ein seltsamer Schleier legte sich darüber. Dann kippte der Kopf leblos zur Seite. C warf T einen skeptischen Blick zu. „Etwas stimmt hier nicht.“
 

Tatsächlich knackte es in dem Moment leise in ihrem Ohr und die Stimme des Operators meldete sich. „Agent C, ich melde eine Änderung der Mission. Das gesuchte Subjekt soll in die Basis gebracht werden. Zustand spielt keine Rolle.“ „Verstanden Operator. Der Leichnam wird mitgenommen.“ T verstaute seine Waffe im Holster und packte den leblosen Körper des Unterhändlers. Mit Leichtigkeit warf er ihn sich über die Schulter und marschierte zurück zu den Maschinen. Dort legte er die Leiche über den Sitz. Sie machten sich zügig auf den Rückweg.
 

Ein paar Stunden später legte C den vollständigen, unterschriebenen Einsatzbericht auf dem Schreibtisch ihres Vorgesetzten ab. Sie trat zwei Schritte von der großen Tischplatte zurück und nahm Haltung an. Der ältere Mann ihr gegenüber griff nach der Akte und blätterte kurz darin. Er überflog den handgeschriebenen Text, bevor er sich der Soldatin und deren Partner, der einige Schritte hinter ihr stand, zuwandte.
 

Der ältere Mann musterte das Team eine Weile, bevor er die Stimme erhob. „Gut, Agent C, Agent T. Damit ist ihr Einsatz beendet. Sie haben bis auf weiteres Freizeit und dürfen sich auf ihre Stuben begeben.“ „Ja, Sir.“ „Wegtreten Soldaten.“ Das Geräusch von aneinander schlagenden Stiefelabsätzen beendete den Dialog und die beiden verließen den Raum.

C begab sich auf direktem Weg zurück in ihre Räumlichkeiten. Dort angekommen legte sie ihre Waffen mitsamt Holster ab, bevor sie sich auf dem Bett niederließ. Sie wusste, dass T vermutlich gerade dasselbe tat, da seine Räume nicht weit von ihren entfernt lagen. Eigentlich hatte die Sektion für Alpträume ihre Quartiere in einem anderen Teil des Geländes. Jede Sektion hatte ihren eigenen Trakt.
 

Da Traumfänger im Normalfall paarweise arbeiteten mussten sie auch schnell gemeinsam am Einsatzort anwesend sein können. Deswegen quartierte man sie nah aneinander ein. C konnte sich ein leichtes Gähnen nicht verkneifen. Trotz ihrer Ausbildung musste sie sich eingestehen, dass mehrere aufeinander folgende Einsätze in der Eigene Welt an die Substanz gingen. Sie legte die Füße hoch und schloss für ein paar Minuten die Augen.
 

Der letzte Einsatz ging ihr durch den Kopf. Etwas war seltsam gewesen am Tod des Unterhändlers. C hatte genug Menschen sterben sehen um zu wissen, wie ein Körper aussah, wenn das Leben ihn verließ. Aber ausgerechnet bei dem Menschen, der mit verändertem Sandmann in Kontakt gewesen war, musste sie Abweichungen außerhalb der Norm feststellen. Der Schleier, der sich über seine Augen gelegt hatte, war ihr nur zu bekannt. Normalerweise waren die Augen eines Menschen der sich unter dem Einfluss von Sandmann befand trüb und milchig. Bei dem Unterhändler war es genauso gewesen, nur nicht so stark wie es hätte sein sollen.
 

Die Worte, die er ihnen entgegnet hatte kurz vor seinem Tod ließen sie ebenfalls grübeln. Sie konnte beim besten Willen keine Schlüsse darauf ziehen, was er damit gemeint hatte. Plante man in Level Vier eine groß angelegte Revolte gegen das System? Handelte es sich um ein aufkommendes, organisiertes Netzwerk an Herstellern und Händlern für verändertes Sandmann? C schüttelte leicht den Kopf um die Gedanken fortzuscheuchen. Sie hätte in den Akten sicher Antworten auf ihre Fragen gefunden, doch sie hatte keine offizielle Berechtigung zur Einsicht. Sie wusste zwar einiges, aber um Antworten zu finden wusste sie zu wenig.
 

Die größten Sorgen bereitete ihr aber die Kreatur, die ihnen in der Gasse begegnet war. Sie hatte aus Traumgas bestanden. Zumindest hatte der Geruch darauf schließen lassen. Doch eigentlich war es unmöglich dass dieser Stoff hier in der Realität erscheinen konnte. Traumgas war nur in der Eigene Welt vorhanden und wurde meistens von Traumgefangenen, die sich gegen eine Rückführung wehrten genutzt um Verteidigungsmöglichkeiten zu schaffen.

Der beißende Geruch war ein eindeutiges Indiz dafür, dass das normalerweise neutrale Gas mit negativen Emotionen aufgeladen worden war. Denn erst dann entwickelte es den typischen Geruch, der einem die Nase von innen verätzte. Bisher hatte es keinen Weg gegeben es in die Realität zu übertragen. Sollte das tatsächlich möglich werden stünde dem System eine Katastrophe ungekannten Ausmaßes bevor.
 

C wurde durch ein lautes Sirenengeräusch aus ihren Gedanken gerissen. Über ihrer Tür blinkt eine Lampe hektisch. Routiniert schnellte sie hoch und legte die Waffen wieder an. Mit schnellen Schritten machte sie sich auf den Weg in die medizinische Abteilung. Nach wenigen Metern stellte sie fest, dass T sich neben ihr befand. Es konnte sich also nur um einen Einsatz in der Eigene Welt handeln. Sie kamen beide nach wenigen Minuten vor den Türen der medizinischen Abteilung an. Dort erwartete ihr Vorgesetzter sie bereits, sodass sie umgehend Haltung annahmen.
 

„Soldaten, wir haben einen Einsatz für Sie. Der Leichnam des gesuchten Unterhändlers wurde obduziert. Dabei hat man festgestellt, dass der Mann es geschafft hat, sich kurz vor seinem Tod in den Einfluss von verändertem Sandmann zu stellen. Seine Seele existiert weiterhin in der Eigene Welt. Sie werden ihm umgehend dorthin folgen und ihn vollständig eliminieren. Waffen- und Wandlungsfreigabe wurden erteilt. Die Vernichtung der Seele hat oberste Priorität.“ „Ja, Sir.“
 

C hatte gespürt, dass etwas mit dem Tod des Mannes nicht gestimmt hatte, aber das überraschte sie dennoch. Sie hatte nicht gewusst, dass es möglich war, die Seele in der Eigene Welt überleben zu lassen. Der Unterhändler musste mit seinem veränderten Sandmann einen Weg dazu gefunden haben. Über das wie verlor ihr Vorgesetzter jedoch kein Wort. Sie konnte also nicht mit Sicherheit sagen, ob ihre Theorie der Wahrheit entsprach.
 

Wie bei jedem Einsatz wurden sie und T mit dem Körper des Traumgefangenen verbunden, auch wenn dieser hier keinen Körper im eigentlichen Sinne mehr hatte in den er zurückehren konnte. Es kam wirklich selten vor, dass man den Auftrag erteilte eine Seele vollständig zu eliminieren. Sie spürte die Präsenz ihres Partners, als sie ihre Augen schloss und sich darauf vorbereitete, in die Eigene Welt einzutauchen. Langsam erschienen die vertrauten bunten Farben vor ihrem inneren Auge.
 

Aus dem Wirbel und Strudel der Farben bildet sich ein immer stärkeres Spektrum aus Schwarz und Grün ab. Sie sind auf einer Lichtung in einem so genannten Wald. Wald, war wohl das richtige Wort. Vor Jahrzehnten sollen die letzten Wälder von der Erdoberfläche verschwunden sein. Nun waren sie durch Kunstbäume aus Silizium-Germanium und noch einem ihr unbekannten Stoff ersetzt worden. Sie können kaum den Rand der Lichtung sehen, denn die einzige Lichtquelle stellen ihre Auren dar. Rücken an Rücken sondieren sie geübt die Lage. Der Wind rauscht leise durch die Blätter und entlockt einigen älteren Blattträgern ein tiefes, grummelndes Knarren.
 

„Licht?“ fragt C leise. „Nein. Das würde zuviel Aufmerksamkeit auf uns lenken.“ Die Antwort ist nur ein Flüstern. „Wohin? Ich spüre keine Seelenenergie“, wispert C ihm zu. „Immer in die Schwärze“. Er geht einfach los.
 

Hastig, aber lautlos folgt C ihm. Das Gras ist feucht vom Tau und raschelt hauchzart unter ihren Schritten. Keine Sterne am Himmel und kein Mond, mit seinen wundervoll leuchtenden Überwachungsstationen. „Tritt im Wald auf nichts. Berühre nichts!“ „Und was wenn doch?“, fragt C herausfordernd. „Gibt nur unnötigen Stress.“ Ts kühle Antwort ärgert sie leicht. Sie bewegen sich vorsichtig an alten mächtigen Eichen vorbei, deren Wurzeln dicker als Mannesarme in die Erde ragen. Eine kleine Buche huscht hinter ihnen vorbei, der Boden ist Trocken, erdig. Als wäre hier seit Ewigkeiten kein Wasser mehr hingekommen. Sie haben das Gefühl nicht allein zu sein.
 

Ein Baum mit dicker Rinde, die einer Fratze des Majores ähnelt ist in just dem Moment der Meinung sterben zu müssen und zusammenzufallen, als sie direkt an ihm vorbeigehen. Nur ihre trainierten Reflexe lassen die beiden gerade noch so ausweichen. Mit einem mächtigen Krachen schlägt der Stamm auf und wirbelt viel Staub von dem trockenen Boden auch. Beide schauen sich erstaunt über den Stamm an. Ts schwarze Aura liegt ruhig um ihn, so als wäre nichts Ungewöhnliches an dem eben Geschehenen. Er ist von der Alptraumabteilung, diese Soldaten sind an die ungewöhnlichsten Traumverflechtungen gewöhnt. Ihre hingegen flackert vor Adrenalin und unterdrücktem Tatendrang.
 

Etwas weißes, wässriges, Fadenähnliches berührt C an der Schulter. Instinktiv greift sie an die Stelle um es wegzuwischen und hört das entsetzte „Nicht!“ ihres Kollegen nicht mehr. Der Faden klebt an ihrer Hand und Schulter und sie wird mit einem so kräftigen Ruck, dass er nicht einmal Überraschung zulässt nach oben gerissen. Sie versucht sich instinktiv in Messer zu verwandeln doch es klappt nicht.
 

Abrupt endet ihr Flug und ihre Bewegungsfähigkeiten sind auf ein Zucken eingeschränkt. Sie klebt in einem Netz. T kommt schon hinterher gesprungen und mit mehreren rotierenden schwarzen Aurascheiben schießt er auf das Netz, welches an den Einschlagstellen aufreißt. Nur um sich dann kurz darauf aus dem Nebel wieder neu zu formen.
 

Eine lauernde Aura nähert sich ihm von hinten und er feuert ohne zu zielen einen Tentakel dahin ab. Ein tonloses, schmerzerfülltes Kreischen erfüllt den Traumwald. Er dreht sich um und sieht eine riesige Spinne, welche ihren verwundeten Körper gerade aus dem Nebel wieder herstellt. „Niemand jagt in diesem Wald, außer mir, meine Apettithäppchen.“ C und T verdrehen synchron die Augen. Eine Seele mit Sinn für Theatralik. ‚Das kann ja heiter werden.‘
 

„T! FEUER!“ bellt C ihm eine Anweisung entgegen. Dieser fackelt nicht lange und entzündet seine Aura und weitet sie bis zu C aus. Sie hatte Recht mit ihrer Vermutung, das Netz verdampft. Sie ist frei und schießt mehrere Flammenstöße aus ihren Armen auf die theatralische Spinne. Diese faucht tonlos, weicht zugleich aus und spinnt im Flug T in ein Netz ein, das ihn an einen Baum fesselt. Seine Feueraura verlischt. Er kann sich nicht mehr rühren. Die Spinne ist über ihm und holt aus. Cs Augen weiten sich entsetzt, aber sie kann nichts tun. Sie befindet sich ein Tick zu weit weg.
 

Die Bestie rammt ihre Giftzähne in Ts Körper. Dieser löst sich augenblicklich in Staub auf. Acht Spinnenaugen blicken rasch um sich, beginnen vor Zorn zu Glühen. Zwei zischende Geräusche löschen das Glühen zweier Augen aus. Sechs schattenhafte Tentakel lösen den Rest aus und fahren weiter durch den Leib. Sie zersetzen ihn Stück, für Stück, Lebensteil um Lebensteil, bis nur noch der sich langsam in Rauch auflösende Leib der Spinne zu Boden fällt. Beide landen neben ihm am Waldboden. „Was war das für eine Technik mit der du sie getäuscht hast?“ „Schattendouble.“ Ist die einsilbige Antwort, er rückt sich seinen Umhang und sein Hemd wieder zurecht, auch damit sie nicht sieht, welchen Tribut das Double gefordert hat und sein Blut verdeckt. „Nett. Wie weit ist es noch?“ „Sind gleich da.“
 

Sein Atem geht schwerer, raucht grauen Nebel in die Schwärze hinaus, und so geht er voran und führt sie an die dunkelste Stelle des Traumes. Ein Mensch mit einem Wolfskopf kommt schnaufend auf sie zugestürmt, das Maul geifernd aufgerissen. „Keine Zeit für dich.“ T pfählt ihn mit einem Tentakel und schleudert ihn achtlos in den Wald hinein. Sie treten aus dem Wald hinaus. „Hier sind wir.“ „Die gleiche Lichtung?“ „Nein siehst du das blubbernde Moor dort? Das war eben nicht da.“ C kann auch leicht das faulige Gefühl jener Seele wahrnehmen, das von dieser Lichtung ausgeht.
 

Sie will einen Schritt weiter vorgehen doch T hält sie mit dem ausgestreckten Arm auf. Seine Augen sind schmal und beäugen das Moor skeptisch. Unter einem tiefen, dunklen, lang widerhallenden Seufzen erhebt es sich zu einer unförmigen Masse aus Torf. Schlammig-grüne Augen öffnen sich und richten sich auf die beiden Traumfänger. Sie schwimmen auf der Oberfläche unbestimmt hin und her, haben sie aber trotzdem fixiert.
 

Eine Mulde öffnet sich, dort wo der Mund sein sollte. Sie wird größer und das Moor beugt sich vor und beide Soldaten hechten schnell in Deckung bevor es mit einem platschenden Geräusch an exakt der Stelle landet wo die beiden Traumfänger Bruchteile zuvor noch standen. Ts Tentakel zischen vor und halten mit schnellen präzisen Schlägen die wabbelnde Masse etwas im Zaum, während C zeitgleich, mit den Händen in den Traumweltboden versunken, Fontänen aus Salz auf das Monster rieseln lässt.
 

Die Welt erzittert und erbebt unter dem tiefen Urschrei des Ungetüms. C reißt die Druckwelle von den Füßen, während Ts Tentakel keine Wirkung mehr zeigen. Er muss sich mehr konzentrieren auf den Beinen zu bleiben. Aus den getrockneten Krümeln des Moors erstehen schwarze Feen auf, sammeln sich in dunkel summenden Schwärmen, welche fast unsichtbar durch die Traumnacht huschen. Sie umschwirren T und reißen beim Vorbeiflug kleine Stückchen seiner Haut und Kleidung in Fetzen und je heftiger seine Korona leuchtet und je heftiger seine Tentakeln nach den Biestern schlagen, desto schneller und gieriger reißen sie ihm Stücke aus seinem Fleisch. Doch er schreit nur stumm und versucht sich zu konzentrieren, was kläglich scheitert. Aber ein Soldat gibt nie auf!
 

Er sieht zu C rüber, doch sie hängt schwebend in der Luft, getragen von vielen der kleinen Biester mit Flügeln, welche sie durch das Saugen an ihren Adern und ihre schiere Menge in der Luft halten. Sie stöhnt laut auf vor Schmerzen und aus ihren Händen erstrahlt langsam ein helles, weißes Licht, welches sich zu einer Kugel um sie formiert und sich langsam ausdehnt. Seelenlicht. Die Feen schweben wie Motten auf die Lichtkugel zu, begierig die Energie aufzusaugen, doch verbrennen sie nur bei Berührung zu einer kleinen dunklen Rauchwolke. Die Lichtkugel dehnt sich weiter aus, bis auch die letzte von den Feen welche T attackierten zu Asche verbrannt worden ist.
 

Ts Seele schreit und zerrt in seinem Körper. Die Bestie in ihm verlangt den Tribut für die Schmerzen, die sie einstecken musste. So ersteht aus seinem Körper eine unbestimmte dunkle, schimmernde Masse mit unzähligen Mäulern und Augen, die sich blindlings auf das langsam trocknende Moormonster stürzt und Teile aus ihm herausreißt. Die Mäuler geifern vor Gier, die Augen glühen rot, während sie Fetzen um Fetzen aus dem Corpus reißen. C springt hoch und feuert aus ihrer Waffe Kugeln aus eben jenem Licht ab, aus dem auch ihre Sphäre vorher bestand.
 

Die Erde grollt, die Welt bebt. Bäume brechen vergleichsweiße leise in dem Getöse zusammen. Splitter und Lärm, Krach und Staub. Ein sich stark bewegender Boden und ein Gegner auf den sich die beiden Traumfänger gerade einschießen. Ein auf C fallender Baum lenkt sie kurz ab, doch das reicht der unter Beschuss stehenden Seele ihr eine schwarze Kugel entgegen zu schleudern, die die junge Soldatin in den zusammenfallenden Wald wirft. T schaut ihr kurz hinterher und verstärkt seine Anstrengungen noch um nur knapp ebenfalls so einer Kugel auszuweichen.
 

Die Rage seiner Bestie regt sich weiter in Wahnsinn und zerfetzt das Ziel förmlich mit tausenden Mäulern, die beißen, geifern, schlucken, zertrennen und dabei dunkle kehlige Laute von sich geben. Er genießt die Ekstase. Fünf Mäuler reißen auf einmal die allerletzte Schicht Schlamm weg und schwach dunkelrot leuchtend kommt die Seele zum Vorschein, die er nicht eines Blickes würdigt, sondern sie zwischen seine Hände nimmt und einfach unter unendlichen Qualen verbrennt. „Kein Nirvana für dich, Arschloch.“
 

Die schütternde und schreiende Welt kommt nach einem letzen Aufbäumen zur Ruhe. Nur Ts schwergängiger Atem ist noch zu hören. Seine Wunden machen ihn zum schaffen, die Bestie zieht sich zurück, ein Bein knickt ein, doch er zwingt sich wieder hoch um nach C zu suchen. Er darf sie nicht zurücklassen.
 

Sein Verstand arbeitet durch den Nebel des Vergessens. Dem schwarzen wohligen Nichts der Ohnmacht. Mit Blitzschritten bewegt er sich in die Richtung in die C geflogen ist und hinterlässt auf dem gebrochenen Gehölz eine lang Spur von Blut. Er findet sie von der schwarzen Teerkugel bedeckt an einen Baum geheftet. Gerade als er sich ihr so schnell es ihm in seinem Zustand möglich ist, fängt der Klumpen Dreck an sich zu bewegen. Er dringt C in den Mund, die Nase, die Augen, die Ohren und in den Unterleib ein.
 

„C!“ Sein Schrei gellt über die Lichtung. Doch als seine Hand sie erreicht, ist das ganze schwarze Zeug schon in ihren Körper verschwunden. Sie stöhnt rau auf. Schmerzerfüllt. Ihre Augen öffnen sich halb und sind weiß. Anders als normal. Sie zittert. Er umfängt sie mit seinen Armen, bevor die zu Boden fallen kann. Sein Blut färbt sie langsam rot. Ts Sinne drohen zu schwinden. Nach einem heftigen lauten Aufstöhnen öffnet C ihre Augen. Sie legt ihre Hand an seine Wange. Unbewusst. Ihr Flüstern ist schwach „Mission erfüllt?“ „Ja.“ Er schwankt, fängt sich aber, um sie weiter festzuhalten. Er darf dem Verlangen einfach aufzugeben jetzt nicht nachgeben.
 

Sie hustet schwer, schüttelt sich wie im Fieberwahn. „Können wir…“ Sie schafft es nicht den Satz zu beenden. „Ja. Wollen wir aufwachen, Partnerin?“ „Ja, Partner, ich… ich hab... genug von dieser Welt.“ Während sie spricht, wird sie von Hustenanfällen unterbrochen, die ihren Körper schütteln.
 

Und wieder geht das Zucken durch ihre Seelen. Diesmal ist es stärker.
 

Die Farben beginnen zu verblassen und mit einem warmen Windhauch werden sie aus dem Traum des gereinigten toten Körpers direkt in ihre Nicht-Traumkörper zurückgeweht.
 

Mit einem erstickten Schrei riss die junge Frau die Augen auf. Ihr Körper krümmte sich unter Schmerzen und ihre Sicht war verschwommen. Keuchend rang sie nach Luft, die ihre Lungen nicht so recht füllen wollte. In ihrem Kopf setzte sich das schrille Alarmgeräusch der Überwachungsgeräte fest und verursachte dort ein unerträgliches Pochen. In ihrem Körper breitete sich ein Brennen aus, das ihr das Gefühl verlieh in Flammen zu stehen. Etwas schien sich tief in ihr Fleisch zu fressen. Zusätzlich merkte sie, wie warmes Blut über ihre Haut lief. Sie wusste, dass ein Teil davon nicht ihres war.
 

Fast direkt nach ihrem Erwachen wurde die Tür des Raums aufgestoßen. Mehrere medizinische Angestellte stürmten in den Raum. C nahm kaum wahr, wie sie von mehreren kräftigen Händen zurück auf die Liege gedrückt wurde. Einer der Männer griff nach ihrem Arm und der kurze Stich, der unmittelbar darauf folgte verriet ihr, dass man ihr ein Narkotikum injiziert hatte. Sie wusste, dass man sie zur Regeneration in einen Zustand versetzte der sich Koma nannte. Sie würde schlafen, ohne zu träumen. Schlafen ohne Zugang zur Eigenen Welt zu haben.
 

Während der Schmerz in ihrem Körper nachließ und ihr Bewusstsein langsam vernebelte, bekam sie noch mit, wie man ihr einen Schlauch in die Luftröhre einführte und dieser an ein Beatmungsgerät angeschlossen wurde. Eine durchsichtige Maske aus Plastik wurde ihr zum Schutz über Mund und Nase gestülpt. Für einen kurzen Moment klärte sich ihr Blick und ihr Kopf sank erschöpft zur Seite weg. Das letzte was sie wahrnahm, bevor es endgültig schwarz vor ihren Augen wurde, war der leicht abwesende Blick ihres Kameraden, um den ebenfalls und deutlich mehr medizinisches Personal herum arbeitete und die Worte des Oberarztes. „Notoperation. Sofort.“
 

Elegante Schritte durchschnitten die Stille des dunklen, tiefschwarzen Raums, doch die Geräusche der Schuhe auf den Boden breiteten sich nur schwerfällig aus, als müsste sich der Schall seinen Weg durch eine zähe Masse bahnen. Dennoch bewegte sich der Körper des Mannes völlig normal. Die stahlgrauen Augen in dem schmalen, blassen Gesicht waren fest auf einen leicht schimmernden Punkt auf weit vor sich gerichtet. Er wusste, dass man seine Anwesenheit längst bemerkt hatte. Nach ein paar weiteren Schritten begann der Raum um ihn herum sich zu verändern.
 

Innerhalb weniger Sekunden kam der Schimmer an ihn heran. Vor ihm materialisierte sich eine Gestalt, die keinem Geschlecht, keiner Herkunft wirklich zuzuordnen war. Ihr Aussehen war alles und nichts. Sie war umgeben von zarten, leicht schimmernden Fäden, die zäh um sie herum zu wabern schienen. Der Mann blieb stehen. Er wartete einen Moment, bevor er die Stimme erhob, die sich in seinen eigenen Ohren fremd und ungewohnt anhörte.
 

„Das Seelenlicht ist erloschen, Vater.“
 

Die Gestalt schien sich ihm zuzuwenden. Vor ihm erschien das Hologramm einer jungen Frau, angeschlossen an medizinische Geräte. „Das sind gute Neuigkeiten. Dann ist der Köder ausgeworfen. Jetzt müssen wir nur abwarten.“ Der Mann warf ebenfalls den Blick auf das Bild. Es war so realistisch, dass er den Drang unterdrücken musste, die Hand auszustrecken um der Frau über die Wange zu streichen. Man sah ihr an, dass sie litt. Er konnte nicht anders, als Mitleid für sie zu empfinden.
 

„Wird sie es überleben, Vater?“ Auch wenn er es versuchte, gelang es ihm nicht, seine Sorge vollständig zu verbergen. Die Gestalt flackerte kurz auf. „Wenn sie stark genug ist, ja mein Sohn. Wenn sie wirklich die Richtige ist, dann wird sie überleben.“ Ein zweites Bild manifestierte sich zwischen den beiden. Ein junger Mann, ebenfalls in einem Krankenbett liegend. „Und er, Vater?“ Der Mann konnte nicht verhindern, dass sein Tonfall einen bitteren Zug annahm. „Wird er ihr folgen?“ Der Gestalt entfloh ein Geräusch, das wie ein seufzender Windhauch klang. „Wir werden es zu verhindern wissen, mein Sohn. Hab keine Sorgen, am Ende wird sie dir gehören.“
 

Der Mann nickte. Er wusste, dass die Unterhaltung damit beendet war und wartete respektvoll, bis die Gestalt sich wieder auf ein entferntes Schimmern reduziert hatte. Dann erst wandte sich um und begab sich durch das Dunkel auf den Rückweg.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Salix
2015-09-06T21:54:40+00:00 06.09.2015 23:54
Die Geschichte ist echt spannend. Auch die Idee gefällt mir, obwohl ich Soldaten nicht so sehr mag.
Bis jetzt ist der Gruselfaktor für mich in Ordnung, sollte es zu gruselig werden, höre ich mit lesen auf, werde aber mitteilen, ab welchem abschnitt und eventuell warum. Allerdings hab ich eine ziemlich niedrige Gruseltoleranzschwelle.
Ich mag C. und bin gespannt, wie sich das Ganze weiterentwickelt. Auch der kurze Blick auf den Bösewicht war interessant und macht neugierig.
Etwas, das mich irritiert hat ist der Wechsel der Erzählzeiten innerhalb der Geschichte, das Switchen von Präteritum zu Präsenz. Und ich auf ich denke es ging um Spuren und nicht Spüren, ganz zu Anfang, dieses Kapitels.
Ich lese jetzt erst mal mit Interesse das nächste Kapitel.

LG
Antwort von:  KleineEidechse
07.09.2015 01:11
Hallo du,
ganz vielen lieben Dank für die warmen Worte, das motiviert wirklich weiter zu arbeiten und alleine bin ich ja auch nicht. Also als Schreiberling. Das mit den Soldaten kann ich dir schon erklären, aber dann würde ich den weiter geplanten Verlauf spoilern und das mag ich nicht.
Ich freu mir grade einen Keks, dass so viel Atmosphäre rüber kommt und das Konzept funktionniert :3 danke danke danke <3
Antwort von:  KleineEidechse
07.09.2015 01:13
Ach so, das mit dem Zeitenwechsel hat stilistische Gründe, weil wir damit die Traumebene noch stärker von der Realität abgrenzen wollten ;)


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