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Rot

von

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Prolog

Die braunen Augen des Kommandanten lagen ruhig auf dem Schwert, das vor ihm am Tisch lag, Meredith's Schwert. Eine breite, spitz zulaufende Klinge mit massivem, gewickeltem Griff; gespeist von rotem Lyrium. Ein Loch prangte als Zierde an der Stelle einer Hohlkehle in der Schneide der Waffe und ein Knauf, der aussah wie ein verzerrtes Gesicht, befand sich am Ende des Schwertes.

Cullen's ehemalige Vorgesetzte war tot; gestorben durch die Hand des Champions von Kirkwall: Marian Hawke. Sie war eine aufmüpfige Magierin gewesen, abtrünnig, und hatte ihre blutbeschmierte Nase stets in Angelegenheiten hinein gesteckt, die sie nichts angingen. Zuletzt auch in die Katastrophe der Galgenburg, die hunderte Leben dahingerafft hatte.

Cullen fasste sich mit einer Hand an die Schläfe, als er sich in seinem Stuhl zurücklehnte, und er schlug die Augen entnervt nieder. Es war düster in seiner Schreibstube; lediglich die paar abgebrannten Kerzen, die auf seinem Tisch standen, erhellten den spartanisch eingerichteten Raum spärlich. Sie malten tanzende Schatten auf die Tischplatte und Wände und warfen einen warmen Schein auf das abgekämpfte Gesicht des Templers.

Meredith's Tod war nun etwa drei Vollmonde her und mittlerweile kehrte der Alltag wieder in den Zirkel ein. Der Schaden an der Festung war noch nicht zur Gänze wieder beseitigt; noch immer hingen manche Türen schief in ihren Angeln und Löcher im Mauerwerk erzählten von der Tragödie, die hier stattgefunden hatte. Doch die Leichen hatte man schon lange verbrannt und das ganze Blut war aufgewischt worden.

Dennoch sah der neue Kommandant der Galgenburg noch oft die verzerrten Gesichter und Leiber der Toten. Vor seinem geistigen Auge sah er wie Körper am Boden zerschmettert wurden oder in magischen Flammen aufgingen. Noch immer hallte das hysterische Schreien seiner damaligen Vorgesetzten in seinen Ohren wider.

Es waren Dinge, die ihn nachts oft nicht schlafen ließen. Dinge, die ihm fürchterliche Alpträume bescherten und mit spitzen Zähnen an ihm nagten, ihn bissen und ihn zu verschlingen drohten.

Er hatte geholfen die korrumpierte Meredith zu töten. Ja, er hatte das Schwert gegen sie erhoben und seine wenigen Männer hatten es ihm gleich getan, weil sie alle keinen anderen Ausweg mehr gesehen hatten. Doch war das rechtens gewesen?
 

Cullen atmete tief durch, als er seine behandschuhten Finger von seiner Schläfe sinken und schlaff nach unten hingen ließ. Er fühlte sich so kraftlos.

Der Mann aus Ferelden glaubte mittlerweile, der Erbauer meinte es absolut nicht gut mit ihm. Denn sein ganzes Leben lang war es ihm bisher so erschienen, als wolle ihm diese hohe Entität, wenn sie denn überhaupt existierte, eine auswischen.

Zuerst hatte er die Misere in Kinloch Hold, dem Zirkel Fereldens, mit ansehen und erleiden müssen. Man hatte ihn in einem magischen Käfig gefangen gehalten und ihn gequält, ihm Bilder toter Freunde gezeigt und ihm schadenfroh zugeflüstert, dass ihn das selbe Schicksal ereilen würde. Uldred, der dreckige Maleficar, hatte ihn brechen wollen und es beinahe geschafft.

Ja, beinahe. Denn eine Graue Wächterin hatte ihn gerettet; Neria Surana.

Ha. Sie war nicht nur irgendeine Graue gewesen, sondern eine Frau, die er in früheren Zeiten gekannt und nahezu vergöttert hatte. Eine Magierin des Zirkels, auf die er ein Auge gehabt hatte, doch zu schüchtern gewesen war, um sie anzusprechen. Man hatte sie ihm entrissen und ihm erst wieder geschickt, als er am Boden gelegen hatte. Erdrückt von seinem Leid. Er hatte nicht wollen, dass Surana ihn so sieht; eingeschlossen, panisch, gebeutelt, auf allen Vieren weinend wie ein Schlosshund.

Doch was hätte er schon tun können? Nichts.

Der Erbauer hatte ihn an jenem Tag abfällig ausgelacht.

Surana war wieder verschwunden, um die Verderbnis zu bekämpfen und Cullen hatte ihr, einmal wieder, lange nachgetrauert. Doch er war zu diesem Zeitpunkt nicht einmal mit sich selbst klar gekommen; wie hätte er erwarten können mit jemand anderem, einem Mädchen, zurecht kommen zu können?
 

Der Templer hatte sich zurückgezogen damals. Er hatte sich, in der Hoffnung auf ein neues, schöneres Leben, nach Kirkwall versetzen lassen. Der Fereldener hatte Kinloch Hold und all die schlimmen Erinnerungen daran hinter sich lassen wollen, hatte die grausigen Dinge, die er im besetzten Zirkel gesehen hatte, irgendwo ganz weit in seinen Hinterkopf geschoben.

Und es hatte geklappt.

Er hatte sich in der Stadt der Ketten neu verliebt: in seine Arbeit. Sie hatte ihm Ablenkung geboten, Beschäftigung, einen Sinn. Cullen war zwischen all seinen Kumpanen in der Galgenburg hervorgestochen und hatte sich schnell hochgearbeitet. In nur kürzester Zeit war er zur Rechten Hand und einem Berater von Kommandantin Meredith selbst geworden. Und dieser hohe Rang hatte ihm gefallen; er hatte sich nicht überheblich in seinem Ruhm gesonnt, doch er hatte es genossen als zweitmächtigster Templer Kirkwalls zu gelten.

Und dann war seine Welt einmal mehr zusammen gebrochen.

Meredith war wahnsinnig geworden und er hatte dies zu spät erkannt. Ein verrückter Magier, ein Freund Hawkes namens Anders, hatte die örtliche Kirche in Schutt und Asche gelegt und hunderte Menschen getötet. Der rebellische Blonde, den Cullen aus Ferelden kannte, hatte damit einen Krieg losgetreten; einen Krieg zwischen Templern und Magiebegabten, der seinen fürchterlichen Anfang in Kirkwall's Zirkel gefunden hatte.

Oh.

So viele waren gestorben und Cullen hatte nichts dagegen tun können.

Er biss die Kiefer fest aufeinander und seine glasigen Augen wanderten. Der Templer stöhnte leise gequält und nur der eisige Wind, den man bis hier drin gähnen hörte, antwortete ihm.
 

Cullen hatte, als neu erwählter Kommandant der Templer der Stadt der Ketten, dafür sorgen wollen, dass wieder Ordnung einkehrte. Er hatte sich darum bemüht einen geregelten Ablauf herzustellen, damit alles wieder so würde wie vor der Misere rund um Meredith, Orsino und Hawke.

Für Außenstehende mochte es ja so wirken, als hätte er dieses Ziel erreicht, und vielleicht war es ja auch tatsächlich so: Die, die überlebt hatten, Templer und Magiebegabte, hatten zusammengehalten und sich wieder ihren Schicksalen oder Berufungen gefügt. Etwa siebzig Magier und etwas über hundert Ordensmitglieder behausten die Galgenburg heute; sie gingen hier ihrem Tagwerk nach, studierten, bewachten, reparierten. Es wirkte alles recht idyllisch. So idyllisch es eben sein konnte.

Doch in Cullen's Kopf war nichts in Ordnung. Nichts.

Er fand keine Ruhe, fühlte sich als Kommandant so fremd. Das hier war nicht das, was er wollte. Er wollte kein Leben, in dem er auf einem blutbefleckten Thron saß, der ihn stets daran erinnerte, wie markerschütternd seine ehemalige Vorgesetzte geschrien hatte.

An den Kopf hatte sie sich gefasst, als sie gellend gekreischt hatte. Mit rot glühenden Augen und verzogener Fratze war sie auf die Knie gefallen, hatte sich gewunden und hatte ihre Seele ausgehaucht. Und Cullen war mit schuld daran.

Die einzigen Überbleibsel Merediths waren heute eine grässliche Statue im Hof der Galgenburg und ihr Zweihandschwert, dass der aufgewühlte Cullen nach dem erbitterten Kampf mit fahrigen Fingern aufgehoben hatte. Er hatte den Griff der Waffe so fest umfasst, dass seine Knöchel unter den Plattenhandschuhen weiß hervorgetreten waren. Er hatte das rötlich leuchtende Schwert wegsperren wollen, verstecken, damit es niemand jemals mehr zu Gesicht bekäme; damit es keinen weiteren Schaden anrichten konnte.

Und er hatte getrauert, hatte zugelassen, dass Hawke floh.

Was hätte er denn sonst auch tun sollen? Den Champion einfangen und ihn in den zerstörten Zellentrakt pferchen? Irgendwo in eine Ecke, vor der das Schloss in der schief hängenden Gittertür noch funktionierte?

Blödsinn.

Es war schon gut so, wie es gekommen war. Denn seit der Katastrophe hatte der Kommandant nichts mehr von der kurzhaarigen Magierin mit dem Blutstreifen im Gesicht gehört. Womöglich hatte sie Kirkwall verlassen und ihren Terroristen Anders mit sich genommen.

Die besagte Frau war gewitzt, man würde sie nur mit Mühe und Not finden können.

Doch wollte Cullen das überhaupt? Er wollte ja nicht einmal seinen Posten als Kommandant der Templer. Es war ihm alles zu viel. Viel zu viel. All die schlimmen Erinnerungen, die an jeder Ecke des Zirkels auf ihn lauerten; die Verantwortung, die ihm schwer auf den Schultern lastete und ihn in die Knie zwingen wollte... ach, er konnte einfach nicht mehr.
 

Sich in seinem Stuhl wieder nach vorne lehnend, stützte der Kurzhaarige die Ellbogen am Tisch ab und legte seine Stirn gegen seine gefalteten Hände. Er schloss die braunen Augen, als er tief durch die Nase ausatmete und lauschte.

Ein leises Sirren drang an seine Ohren heran. Es war zu einem gewohnten Laut für ihn geworden und gehörte dem Schwert, das vor ihm lag. Leise flüsterte es schon seit Wochen zu ihm und lullte ihn ein. Es war schleichend gekommen und Cullen hatte anfangs geglaubt er fantasiere. Doch der Gesang der großen Waffe war nicht geschwunden, im Gegenteil: Er war immer präsenter, drängender geworden. Und der wankelmütige Krieger hatte Gefallen daran gefunden; die Melodie war so schön. Es schien so, als wolle die Waffe damit sein rasendes Gemüt und seine wirren Gedanken besänftigen. Der Mann hatte sich gar schon dabei ertappt schneller und besser einschlafen zu können, wenn das Schwert bei ihm im Schlafgemach lag. Und daher trug er es seit Meredith's Tod ständig bei sich; er hatte sein Schild und Langschwert damit ersetzt und es fiel ihm überraschend leicht die wispernde Klinge zu schwingen. Es war ihm, als wiege sie kaum so viel wie einer seiner Plattenhandschuhe.

Es war großartig.

Cullen würde das Zweihandschwert, sein Schwert, nicht mehr aus den rauen Händen geben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Phinxie
2015-01-15T18:39:10+00:00 15.01.2015 19:39
Wie du das Schwert beschrieben hast *Gänsehaut haben* Vor allem die Vorstellung des verzerrten Gesicht am Schwertknauf... Wundervoll *A*

Uuuuuuund ich freue mich schon richtig auf die nächsten Kapitel <3
Die werden klasse <3
Antwort von:  Crevan
15.01.2015 20:46
Das "Gesicht" des Schwertknaufs wird dich in deinen Albträumen verfolgen! D; *gruselmusik*
Antwort von:  Phinxie
15.01.2015 20:49
*bibber*
Und dabei bin ich so schreckhaft :O
Hab die Melodie von "The Call" als Klingelton und rate mal, was passiert ist, als ein Kumpel auf die witzige Idee gekommen ist, mich um Mitternacht anzurufen... Man, ich hab einen halben Herzinfarkt bekommen x'D

Wird Cullen das Gesicht auch verfolgen? Das wäre richtig gut, solche scheußlichen Albträume mit diesem Gesicht... *Licht ausmach und Gruselmusik weiter aufdreh*
Antwort von:  Crevan
15.01.2015 21:53
Uh... o:
DAS is ne super Idee! Auf die wär ich garnicht gekommen... aber ja, ich glaube, ich werd die Fratze mal in nen Traum von unserem Biest einbauen! :D


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