Kapitel 10: Niemals wieder
Ihm war dieses Kind absolut nicht geheuer. Sein Gesicht war ihm unheimlich. Es war, ganz offensichtlich, mit Sakura verwand. Aber da war noch etwas. Etwas, das ihm vertraut vorkam, und dann wieder nicht. Aber woher?
Dieses kleine Mädchen sah so emotionslos aus, wie Sakura selbst. Und sein Chakra war absolut nicht zu spüren. Es schien keinerlei Präsens auszustrahlen, und das schaffte selbst der erfahrenste Ninja erst nach Jahren des harten Trainings. Jetzt wo er darüber nachdachte, Sakura strahlte auch absolut nichts aus. Man, war das gruselig.
Kakashi sah sich erneut in der Höhle um. Hier gab es wirklich nichts, was ihm weiterhelfen könnte. Und Chakra aufbauen konnte er auch nicht.
Seit wann war Sakura nur so gefährlich? Er hatte ihr nie etwas angemerkt.
Obwohl, einmal hatte er Zweifel an Sakuras Verhalten gehabt. Einmal. Und danach dachte er, sie nie wiedersehen zu können.
***
Die Mission lautet:
Beschafft eine Schriftrolle, die aus dem Lager entwendet wurde.
Kakashi, Sakura, Sai und Naruto sind nun schon seit Jahren ein Team. Eingespielt, jeder vertraut dem jeweils Anderen und ziemlich erfolgreich in Allem, was sie tun. Nach einem Tag, an dem sie durchlaufen, machen sie im Wald Rast. Sie wollen dort auch die Nacht verbringen und schlagen ihr Lager auf. Sakura lehnt an einem Stamm, ihr Katana an die Schulter gelehnt. Sie schläft schon seit Jahren nur noch sitzend, bereit, jederzeit aufzuspringen. Ihre MedicNin-Tasche liegt griffbereit neben ihr.
Sie ist inzwischen, nach Tsunade, die beste MedicNin in ganz Konoha. Ausserhalb ihrer Missionen ist sie Oberärztin im Krankenhaus und hilft nebenbei auch an der Akademie. Sie bringt den Genin medizinische Jutsus, zur Erstversorgung, bei.
Sie hatte sich inzwischen in Geduld geübt und ist auch lang nichtmehr so brutal, zumindest Naruto gegenüber. Sie scheint zur Ruhe gekommen zu sein. Auch redet sie kaum noch von Sasuke. Kakashi muss zugeben, sie hat sich wirklich weiterentwickelt. Von dem kleinen, schwachen Mädchen, dass Naruto und Sasuke hinterher eiferte, ist nicht viel übrig. Sie ist eben erwachsen geworden. Eine schöne, taletierte und durchaus interessante, junge Frau. Wäre sie etwas älter, würde Kakashi sie vielleicht sogar einladen. Sie ist keine anstrengende Person. Er genießt die ernsten Gespräche mit ihr, merkt aber doch ihre Distanz zu Allem. Sie scheint wohl nicht mehr alles an sich heranzulassen. Aber das ist in Ordnung, so sollte sich ein Shinobi schließlich auch verhalten.
Kakashi driftet langsam ab, fällt in den wohlverdienten Schlaf. Kurz bevor seine Augen zu schwer werden, schaut er noch einmal in Sakuras Gesicht. Sie schaut ihn mit leicht zusammengekniffenen Augen an. Wieso beobachtet sie ihn denn? Er dachte, sie würde längst schlafen. Sie sieht aus, als würde sie auf etwas warten. Ihn überkommt ein ungutes Gefühl, aber da ist er schon eingeschlafen. Der Tag war einfach zu anstrengend und er ist ja auch nicht mehr der Jüngste.
In der Nacht wacht Kakashi auf, fühlt sich zunehmend unwohl. Er schaut auf sein Team, welches vor sich hin träumt. Naruto schnarcht, Sai gibt keinen Ton von sich. Alles wie immer. Kakashi weitet sein unbedecktes Auge. Naruto sollte doch Wache halten! Nun bemerkt er auch Sakuras leeren Platz. Seit wann ist sie fort? Geht es ihr gut? Sofort weckt er die anderen Beiden und macht sich mit ihnen auf die Suche. Etwa einen Kilometer vom Platz ihres Lagers entfernt finden sie Sakuras Stirnband, welches ziemlich mitgenommen und mit Blut befleckt ist. Sie werden panisch, besonders Naruto, und suchen alles nach ihr ab. Aber Sakura ist verschwunden.
***
War er wirklich so unaufmerksam? Er dachte wirklich, er wäre über Alles im Bilde gewesen. Aber nun wurde ihm bewusst, wie viel größer Manches ist. Und wie wenig er eigentlich wusste. Er wusste auch bis vor einigen Jahren nichts von Itachis wahren Beweggründen, die ihn damals zu dieser grauenvollen Tat trieben.
Er war ein schlechter Shinobi und Teamleiter, dass er niemals Sakura hinterfragt hat, einfach weil sie schon immer so war.
Aber diese Sakura war wirklich komplett anders. So kalt, so fies und bei ihrer Art, etwas zu erklären, lief es ihm kalt den Rücken herunter.
„Da hast du uns alle ziemlich an der Nase herumgeführt.“ Sagte er. „Ich möchte dir eine Frage stellen, Sakura.“ Kakashi war um eine ruhige Stimme bemüht, doch innerlich kochte er vor Wut. Sakura sah von dem Mädchen, dem vorher ihre ganze Aufmerksamkeit zu Teil wurde, auf und blickte zu Kakashi. „Was möchtest du denn wissen?“ Fragte sie mit reinem Zucker in der Stimme und hob Ame hoch. Kakashi schauderte es wieder. „Wirst du mit uns nach Konoha zurückkehren?“ Sasukes und Itachis Blicke richteten sich erst auf Kakashi, dann auf Sakura. Diese Frage war berechtigt. Ihre Antwort darauf entschied über ihr weiteres Vorgehen.
Sakura ließ ihr Lächeln verschwinden und kam, langsamen Schrittes, auf Kakashi zu. Sie blieb einen Meter vor ihm stehen und sah ihn aus eisigen Augen an.
„In der Nacht, in der ich Ames Vater traf und er mir eine Chance bot, entschied ich, nicht in diesen Käfig zurückzukehren. Niemals wieder.“
