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Sengoku Otogizōshi

Eine mittelalterliche Geschichte
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Da dies eine FF im RP Stil ist, werdet ihr vor jedem Absatz informiert, aus wessen Sicht der Text stammt.
Kikyō wurde geschrieben von Katarah
Inu Yashas Sicht wurde von brainyspecs verfasst

Ihr dürft eure Kommentare gerne auch direkt an einen der beiden Verfasser richten. Komplett anzeigen

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Das Shikon no Tama

Kikyō

Der beißende Gestank des Rauches, welcher sich sofort in der Lunge absetzte und einen unangenehmen Hustenreiz auslöste, drang unaufhaltsam durch das gesamte Dorf. Ein Brand war ausgebrochen, da ein nicht unbekannter Halbdämon angeblich sein Unwesen trieb, auf der Suche nach dem Shikon no Tama.

Bereit, um dieser Sache auf den Grund zu gehen und den Namen des Hanyōs wieder reinzuwaschen, war die Miko Kikyō zu jenem Schrein aufgebrochen, der das kostbare Juwel beherbergte. In ihrer Hand hielt sie, wie immer, fest ihren Bogen umschlossen und konzentrierte sich auf ihre Umwelt, um auch nur die kleinste Bewegung wahrnehmen zu können. Dieser jemand, der all das hier fabriziert hatte, musste recht gut über die Priesterin und den Halbdämon Bescheid wissen. Andernfalls hätte dieser Jemand mit Sicherheit nicht versucht, Inuyashas Namen zu beschmutzen und eine Intrige versucht zu spinnen. Soweit konnte es sich Kikyō zumindest zusammenreimen.

Mit gelassener, kühler Miene wanderte die junge Frau den Pfad zum Schrein entlang, den Körper angespannt, und erwartete bereits jemanden, der sich ihr in den Weg stellen würde. Von Außen schien nichts außergewöhnlich, doch das musste nichts heißen. Nur noch wenige Schritte trennten sie von der Tür, hinter der sie alle, nur nicht ihn, erwartete. Normalerweise zögerte die Schwarzhaarige nicht, doch nun... Hatte sie wirklich Angst, es könnte tatsächlich Inuyasha sein? Immerhin war er trotz allem ein Dämon, aber...

Tief holte Kikyō Luft. Nein, das war ausgeschlossen. Sie kannte ihn. Sie vertraute ihm. Nur deswegen hatte sie sich überhaupt darauf eingelassen, mit ihm gemeinsam das Shikon no Tama zu läutern und endgültig verschwinden zu lassen. Ihre Zweifel waren unberechtigt. Und doch... Auch wenn sie dem Halbdämon so viel zugestand, die Angst, jetzt das rote Gewand zu erblicken, blieb.

Nach wie vor war der Ausdruck der Shintō-Priesterin unverändert. Sie war bereit. Sie würde sich nun die Gewissheit holen, dass es jemanden gab, der sie Täuschen und einen Keil zwischen ihr und Inuyasha treiben wollte.

Langsam trat sie auf die Tür zu und verengte die Augen. Ihr Fokus war auf das, was sich im Inneren befand - oder eben nicht mehr befand - gerichtet. Plötzlich vernahm sie das Rascheln der Blätter neben ihr...
 

Inu Yasha

„Kikyō!“, rief er laut, noch bevor er überhaupt ganz bei ihr angelangt war. Er konnte ihren Geruch stark genug wahrnehmen, dass sie maximal fünfzig Meter weit weg war. Nur noch ein paar Bäume trennten ihn von der Lichtung.
 

Es war mitten in der Nacht als der beissende Geruch ihn geweckt hatte. Feuer war selbst für den Halbdämon alarmierend. Neben dem Geruch von brennendem Holz jedoch nahm er auch Anderes wahr, eine Mischung die nie zu einem Waldbrand passen würde. Das konnte also nur noch bedeuten, dass das Feuer im Dorf war. Bevor er noch weiter darüber nachdenken konnte, war Inuyasha von seinem auserkorenen Schlafplatz gesprungen und auf dem Weg ins Dorf. Das Feuer musste gross sein, so stark wie der Gestank in der Luft lag. Nichts Gutes.

Noch beim Dorfeingang kamen ihm Leute entgegen, Frauen und Kinder retteten sich auf die Wiese, die Männer rannten den Weg entlang zum Fluss. Sie schrien herum, doch das kümmerte ihn wenig, denn der Mensch nach dem er Ausschau hielt, war nicht unter ihnen. Feuer konnte dem Halbdämon zwar schon etwas anhaben, aber nicht so schnell, dank seiner Robe erst recht nicht, also hatte er wenig zu fürchten. In der Siedlung war wirklich die Hölle los, fast jedes Haus hatte Feuer gefangen und die Versuche sie zu löschen waren bedürftig. Inuyasha selber rannte die Wege entlang, noch immer auf der Suche nach einer ganz bestimmten Person. Der Rauch war schon so dicht, dass seine Nase streikte und er gab auf Kopflos herumzurennen. Stattdessen versuchte er einen der Dorfbewohner zu Fragen, doch die Antwort fiel anders aus als erwartet. Beschimpfungen. Und noch mehr Beschimpfungen je mehr Leute er zu fragen versuchte. Beschimpfungen waren alles, was sie für ihn noch übrig hatten. Dabei hatten sie ihn davor doch noch halbwegs akzeptiert. Genug um mit ihm reden zu können…

Verwirrt stand er da und wusste plötzlich nicht mehr weiter. Erst ein Kinderschrei rüttelte ihn wach. Die Stimme war ihm sehr vertraut, doch es war nicht ganz die, die er suchte. Aber vielleicht wusste das Mädchen, wo ihre Kikyō war! Er folgte dem Klang und fand zumindest die eine Schwester. Das Mädchen versuchte jedoch gerade ihren Kessel Wasser gegen ein Haus zu leeren, dass schon dem Ruin verfallen war und einzustürzen drohte. Erschrocken sprang der Halbdämon vor, schnappte sich das Mädchen und flüchtete vor den züngelnden Flammen. Gerade noch rechtzeitig, wie es schien, denn hinter ihnen krachte das Haus zusammen.

„Wo ist deine Schwester?“, herrschte er die erschrockene Kaede an. Gerade wenig in der Laune sich dem Schock eines Überlebenden zu widmen. Als sie nicht antwortete, lehnte er sich vor, direkt in ihr Gesicht und wiederholte seine Frage. Diesmal erhielt er auch eine Antwort, wenn auch nicht ganz so klar, doch klar genug, dass er wusste wohin er musste.

Schlussendlich rüttelte Inuyasha die Schultern des Mädchens – etwas weniger sanft als er normalerweise ein Kind angreifen würde – „Geh! Hier ist nichts mehr zu retten, geh und warte auf der Wiese!“ Dann gab er ihr einen kleinen Schubs in die richtige Richtung und sprang selber in eine andere. Der Schrein.
 

„Kikyō!“, wiederholte er als er den letzten Busch hinter sich liess und endlich die mondbeleuchtete Lichtung betrat. „Was soll das? Warum schreien mich die Leute an!“ Auch wenn er versuchte eher ruppig zu klingen, ein feiner, schmerzender Unterton war dennoch mit dabei. Dann kam er vor ihr zu stehen. „Was ist passiert?“
 

Kikyō

Für einen Moment wendete die Dunkelhaarige ihre Augen vom Schrein ab und richtete sie auf den Ankömmling. Da stand er, ohne das Shikon no Tama. Und definitiv nicht in einer kampfbereiten Haltung. Kikyō behielt ihren Bogen ruhig in ihrer Hand und betrachtete Inuyasha mit ernster Miene.

„Die Bewohner beschuldigen dich, das Feuer im Dorf gelegt zu haben, um so in Ruhe an das Juwel zu kommen.“ Ihre Stimme klang, trotz der Tatsache, dass die Miko nicht glaubte, der Hanyou hätte etwas damit zu tun, kühl und distanziert. Aber sie musste es auch. Schließlich war es gut möglich, dass der wahre Täter hier irgendwo lauerte. Sollte er in seine eigene Falle tappen.
 

Inu Yasha

„Was soll der Scheiss! Wir wollten uns doch morgen treffen!“ Nun wirkte der Halbdämon mehr als nur beleidigt. Diese kühle Distanziertheit legte sie nur an den Tag, wenn Andere in der Nähe waren. Er wertete es als Misstrauen. Und noch dazu war der Inhalt der Worte sehr… beschuldigend. Wieso hätte er Feuer legen sollen? Was hatte ihm das Dorf bitte getan? Und wieso sollte er etwas klauen wollen, was ihm ohnehin versprochen schien? Es war so komplett unsinnig, dass er daran zweifelte, dass sie sich das nicht selber zusammenreimen konnte.

Es schwang auch deutlich Schmerz in den Worten mit, denn damit hatte sie ihn wirklich verletzt. Allerdings blieben ihm Gegenanschuldigungen oder gar Beleidigungen bereits im Hals stecken und so starrte er nur vorwurfsvoll.
 

Kikyō

Die Reaktion war mehr als verständlich, und für Kikyō der beste Beweis, dass Inuyasha mit Sicherheit nicht hinter dem Brand steckte. Allerdings war da noch die Frage, ob das Juwel sich nach wie vor an Ort und Stelle befand. Natürlich stand für die Priesterin jetzt auch außer Frage, ob der Hanyō es an sich gerissen hatte. Irgendwie wunderte es die junge Frau selbst, dass sie, die Zeit ihres Lebens niemandem vertraut hatte, nun all ihre Hoffnung und ihren Glauben in einen Halbdämon legte, der zudem noch Monate zuvor Angriffe auf sie verübt hatte, um an das Juwel zu kommen.

Ein dünnes Lächeln bildete sich auf den Lippen der Miko. „Ich sehe… Dann wirst du mir auch erlauben, mich selbst zu vergewissern, ob du es warst oder…“
 

Nach all der Zeit, die Onigumo in dieser elenden Höhle zugebracht hatte, war das Gefühl, sich wieder frei bewegen zu können, unbeschreiblich. Allerdings war es falsch, ihn als den Räuber zu bezeichnen, als der er sein menschliches Dasein beendet hatte. Der, der aus dem kalten, steinernen Verlies neu geboren war, trug den Namen ‚Naraku‘. Das einzig Menschliche, was dieser von Dämonen gespeiste Hanyō in sich trug, was das Herz Onigumo’s. Der Rest gehörte nicht mehr dem Menschengeschlecht an – und Naraku genoss es in vollsten Zügen. Wie jämmerlich hatte er sich doch empfunden, wie erbärmlich hatte er die letzten Stunden vor sich hinvegetiert und darauf gehofft, diese verfluchte Miko würde ihm endlich den Gnadenstoß verpassen. Nun hatte er aber die Gelegenheit dazu, sich persönlich bei ihr bedanken. Und dies wollte der Halbdämon auch noch in derselben Nacht in die Tat umsetzen.

Getrieben von der Gier nach jenem Juwel, von dem er hörte, es könne in einem das Blut eines Yōkais fließen lassen, machte sich der Naraku auf den Weg, das Shikon no Tama an sich zu reißen. Es dauerte auch nicht lange bis er es fand, schließlich konnte er sich zusammenreimen, dass die Bewohner es in ihrem Schrein bewacht hielten. Lautlos hatte der Halbdämon sich in das Gebäude begeben, ohne jemanden auf sich aufmerksam zu machen. Und da stand es nun – das Juwel der vier Seelen, bereit, von ihm empfangen zu werden. Gierig streckte Naraku die Hand danach aus, lechzte förmlich, es sich endlich einverleiben zu können. Doch – im letzten Moment, bevor er den Kristall berührte, hielt der Hanyō inne. Irgendeine Art von Hemmnis kam plötzlich in ihm auf. Der Gedanke, sich gegen Kikyō zu stellen, blockierte das Unwesen mit einem Mal. Wieso schien das Shikon no Tama, obgleich es vor seinen Augen war, so unendlich weit entfernt wie zuvor, als er sterbend in der Höhle gelegen hatte? War es etwa, weil der menschliche Teil in ihm Gefühle für die Miko entwickelt hatte? Weil diese lächerliche, menschliche Seite gerührt von der Zuneigung, die Onigumo so noch nie zuvor am eigenen Leib erfahren hatte, war? Ha, wie erbärmlich. Doch egal wie sehr Naraku dagegen ankämpfte, sein neuer Körper wollte im partout nicht mehr gehorchen. Auf einmal meldete sich ein Gefühl in ihm, eine Art Stimme, die ihm offenbar einen Weg aufzeigen wollte.

Wenn das Menschliche dich daran hindert, umgehe es. Lass sie gegeneinander kämpfen. Koste diesen Triumph aus. Und hol dir anschließend das Juwel, um deinen Sieg gebührend zu feiern. Diese Stimme wurde stetig stärker und mächtiger. Und langsam entwickelte sich ein Plan, der, je mehr Naraku ihn durchdachte, immer mehr narrensicher erschien.

Jener Teil im neuen, dämonischen Körper des Halbdämons, war derjenige, der Inuyasha und Kikyō oft beobachtet hatte. Eine Spinne, die unscheinbar wirkte und nie aufgefallen war.

Sie wies nun auch Naraku an, das Erscheinungsbild des Hunde-Halbdämons anzunehmen, um diesen so mit einer großen Schuld zu belasten, die die Shintō-Priesterin letztlich davon überzeugen sollte, dass er tatsächlich der Täter war. Sie sollte von diesem Vertrauensbruch so geschwächt werden, dass sie jegliche Moral vergaß und ihren Geliebten ins Jenseits befördern würde. Bestenfalls würde Inuyasha sie zuvor noch attackieren könne, so dass die Beiden am Ende gemeinsam starben. So würde hoffentlich auch der letzte, verbleibende Teil Onigumos in ihm vernichtet werden.
 

„Ich sehe… Dann wirst du mir auch erlauben, mich selbst zu vergewissern, ob du es warst oder…“, erklang die Stimme der Miko laut und klar. Naraku verengte die Augen. Heimlich hatte er bisher dem Treiben zugesehen und gehofft, endlich das große Finale erleben zu können. Doch der Inu-Hanyō und die Priesterin standen nur da, ohne sich gegenseitig anzugreifen. Verärgert beobachtete das Unwesen die Szene.
 

Kikyō spannte den Bogen in unglaublicher Geschwindigkeit und hielt einen Pfeil direkt auf Inuyasha gerichtet. Mit ihrem kühlen Blick, der trotz des Lächelns geblieben war, fixierte sie den Hunde-Halbdämon. Ihr Lächeln erstarb. „Du kannst mich nicht täuschen!“, rief die Miko und sofort schoss sie einen Pfeil, welcher, umgeben von ihrer spirituellen Aura, in Richtung Baumkrone flog.

„Du wolltest einen Keil zwischen Inuyasha und mich treiben. Du hast das Feuer gelegt und den Dorfbewohnern ihre Existenz geraubt. Und zu allem Überfluss wolltest du das Shikon no Tama an dich reißen, um es mit unlauteren Wünschen zu beschmutzen. Dafür werde ich Rechenschaft ablegen, Dämon.“ Erneut griff Kikyō nach einem Pfeil und spannte ihn in die Bogensehne ein.

„Zeig dich!“
 

Inu Yasha

Ungläubig starrte der Halbdämon die Priesterin an. Das war doch wohl nicht ihr ernst? Ihn durchsuchen? Inuyasha hatte nichts dabei, was ihn auch nur annähernd hätte schuldig aussehen lassen. Doch alleine die Tatsache, dass sie überhaupt nachschauen wollte, verletzte seinen Stolz so sehr, dass jede Faser in ihm danach schrie, ihr die Meinung zu geigen und sie dann einfach links liegen zu lassen. Er hatte wirklich geglaubt, dass sie begonnen hatte ihm zu vertrauen, so sehr, dass er auch ihr komplett vertraute und dadurch sein ganzes Leben verändern wollte. Eins, dass sie augenblicklich wieder zerstören konnte und das in einer endgültigen Form.

Es wirkte als würde gerade alles, was er glaubte zu haben in seinen Händen zerbröckeln und wie Sand durch die Finger rinnen. Und das liess ihn völlig erstarrt stehen bleiben, die Umgebung nahm er kaum noch wahr. Selbst als sie den Pfeil auf ihn richtete, machte er keinen Wank. Das konnte doch nicht sein?
 

„Du kannst mich nicht täuschen!“ Die Worte und der an ihm vorbeipfeifende Pfeil, rüttelten ihn wach. Reflexartig wirbelte auch der Hanyō herum und die Realität kehrte wie ein heftiger Schlag in sein Gesicht zu ihm zurück. Der Geruch des fremden Dämon war so penetrant und faul, dass es ihn beinahe würgte.

„Du wolltest einen Keil zwischen Inuyasha und mich treiben. Du hast das Feuer gelegt und den Dorfbewohnern ihre Existenz geraubt. Und zu allem Überfluss wolltest du das Shikon no Tama an dich reißen, um es mit unlauteren Wünschen zu beschmutzen. Dafür werde ich Rechenschaft ablegen, Dämon. Zeig dich!“ Goldene Augen fixierten nun die Baumkrone, aus der der Geruch kam und schnell konnte er etwas Weisses ausmachen. Würde der Dämon nicht gleich selber herauskommen, würde ihn Inuyasha einfach hervorzerren. Die Muskeln spannten sich an, bereit zum Absprung, mit seiner unmenschlichen Kraft war es ihm ein Leichtes in einem Satz die Baumkronen zu erreichen. Doch das schien nicht notwendig.
 

Die lächerlich gekleidete Gestalt zeigte sich selbst und ‚schwebte‘ vor ihnen zu Boden. Inuyasha knurrte leise, aber bedrohlich. Doch das schien den Fremden nicht zu stören.

“Der Hanyō wäre darauf hereingefallen“, entgegnete die Gestalt mit einem hörbaren, selbstgefälligen Grinsen in der Stimme. “Er war kurz davor dich zu zerfleischen.“ Der hässliche Pavianschädel fixierte Inuyasha und löste in ihm Schuldgefühle aus. Denn der Halbdämon war wirklich kurz davor gewesen, verletzt und rachsüchtig. Kikyō hingegen, schien es von Anfang an gewusst zu haben und gaukelte dem Fremden einfach nur vor, dass er es schaffen könnte. Er kam sich dumm vor… dumm und ertappt und er schämte sich. Dennoch, er war kein Schwächling. Das war nicht der Erste, der ihn beleidigte und sicher nicht der Letzte. Selbst wenn er also recht hatte, wieso sollte er sich geschlagen geben. Als Antwort knurrte er nur noch tiefer und liess die Fingerknöchel knacken. Hätte der Dummkopf warten sollen, denn jetzt waren die Zweifel des Hanyō wieder weg.
 

Kikyō

„Dein Vertrauen in ihn muss groß sein. Ich wusste allerdings, dass er nicht einem skrupellosem Wesen wie dir gleicht, das Freude daran findet, anderen Leid zuzufügen, Yōkai.“, antwortete Kikyō kühl und hielt nach wie vor den Pfeil auf die skurrile Gestalt gerichtet. Ein gehässiges Lachen ertönte unter der Maske. „So sicher bist du dir also, Kikyō? Dabei hätte ich schwören können, dass du spürst, welche verdorbenen Züge seine Aura angenommen hat. Du, die mit ihren spirituellen Kräften sogar in der Lage ist, ein solch gefährliches und eigensinniges Juwel zu läutern und es vor dem Einfluss bösartiger Mächte schützen kann. Oder besser: Konnte? Kukukuku!“

Der bisher abweisende, kalte Blick der Miko veränderte sich mit einem Mal. Zorn und Verachtung stieg in ihr auf – Gefühle, die sie besonders in solch einer Situation nicht haben durfte.

Ist es nicht so? Willst du denn auch abstreiten, dass du es ihm nicht letztlich doch zugetraut hast, dass er dich verrät? Dass du Angst hattest, er hätte sich doch dafür entschieden, endlich einen Platz inmitten Seinesgleichen zu finden, anstatt sich mit einem ordinären Menschenweib, was du schließlich und endlich wärst, zusammenzutun und bloß noch ein einziges, sterbliches und erbärmlich schwaches Leben zu führen?“

Die junge Frau schluckte unmerklich schwer. Ja, für eine Sekunde hatte sie ihre Ängste nicht mehr im Zaum halten können und war tatsächlich kurzzeitig ins Schwanken geraten. Denn der Schwarzhaarigen war klar, wie viel Inuyasha für sie letzten Endes aufgeben würde. Dass er sich für sie entschieden hatte, schien ihr so unmöglich, wenngleich es sie zu tiefst berührt und gefreut hatte. Dennoch – die Zweifel folgten rasch auf die Freude und ließen sie nicht zur Ruhe kommen.

Zudem stimmte es, dass sie gespürt hatte, dass die Aura des Inu-Hanyōs anders geworden war. Dem konnte die Miko allerdings kein Gram entgegenbringen. Wenn sie gezweifelt hatte, wieso hätte es der Silberhaarige nicht auch tun dürfen?

Ein leises, verächtliches Lachen erklang. „Ich frage dich, Dämon: War nicht das Shikon no Tama dein einziges Begehr? Was trieb deine schwarze, bemitleidenswerte Seele dazu an, sich zwischen einer Miko und einem Halbdämon zu drängen, die du ohnehin verachtest?“

So gern Kikyō in jenem Moment ihren Pfeil abgeschossen hätte – sie musste ihn vorerst noch in der Sehne gespannt halten. Jetzt war ihre eigene Energie derart negativ, sodass sie im schlimmsten Fall, sofern der Unbekannte im Besitz des Juwels war, dieses noch zusätzlich mit ihrem Hass verunreinigte hätte. Und da die Dunkelhaarige über ausreichend Kraft verfügte, konnten die Auswirkungen fatal sein. War das sogar womöglich das Ziel des Dämons gewesen?
 

Inu Yasha

„Jetzt reicht‘s aber!“ Inuyasha scherte sich nicht, dass er den Fremden unterbrach. Er ging noch ein bisschen tiefer in die Knie um gleich ordentlich springen zu können. Doch es blieb aus. Kikyō sollte ihn verraten haben? Nie an ihn geglaubt haben? Vor allem aber daran gezweifelt haben, dass er wirklich ernst meinte, was er sagte? Nein, das konnte nicht sein. Nicht wenn er davor ein ganzes Dorf in Flammen aufgehen lassen musste in der Hoffnung dadurch Zweifel zu streuen.

Mit einem weiteren Knurren, schob er sich weiter vor die Priesterin, schützend. Einzig auf den Pfeil achtete er noch, zwischen diesem und dem Dämon wollte er nicht stehen. Zu seinem eigenen Schutze, wie auch der Tatsache, dass der Pfeil eine sehr mächtige Waffe war, die keinen Schutz benötigte.
 

„Ich frage dich, Dämon: War nicht das Shikon no Tama dein einziges Begehr? Was trieb deine schwarze, bemitleidenswerte Seele dazu an, sich zwischen eine Miko und einen Halbdämon zu drängen, die du ohnehin verachtest?“ Warum sie überhaupt weitersprach, war dem Hanyō unklar. Doch er hatte gelernt nicht alles sofort zu hinterfragen. Sie würde ihm später schon erklären, warum. Es schien dem Dämon jedenfalls nicht zu gefallen.
 

Naraku lachte lediglich auf, wohl würde er sich auch nie die Blösse geben, selbst wenn da eine wäre. „Ich hätte gern gewusst wie stark sich der Hass in Seelen entfaltet, die noch viel mehr abzugeben hätten als ein einfacher Mensch.“
 

Selbst für Inyasha klang dies einfach nur abgrundtief verabscheuenswert. Er kannte viele Dämonen, sie waren skrupellos, brutal und schamlos, doch keiner von ihnen besass so einen Hass. Anders konnte man es nicht nennen. Nicht einmal sein Bruder würde so sinnlos handeln und einfach aus einer Laune heraus Intrigen spinnen. Dämonen waren kontrollierter. Ein weiteres tiefes Grollen direkt aus der Kehle folgte und der Inumimi schnüffelte noch einmal. An Widerlichkeit war dieses Exemplar wirklich kaum zu übertreffen, er roch wie eine Ansammlung von niederen, dreckigen Würmern aus der Unterwelt. Geboren aus dem Hass und den verlorenen Wünschen von Seelen, die dann nur existierten um zu fressen und verschlingen, was ihnen unter kam. Aber unter all dem faulen Gestank... da war noch etwas. Da war ein Geruch, der an Menschen erinnerte. Mensch und Blut, süsslich, angebrannt, kalte Asche. Es würgte ihn beinahe. Das war nichts, was der Wind vom Dorf her brachte. Es war nicht frisch. Und es würde zu der widerlichen Sinnlosikeit seiner Worte passen. Das war etwas, was der Hanyō von Menschen kannte. Menschen, die sich nicht vor ihm gefürchtet hatten, weil er bloss ein kleines Kind war und niemandem etwas hatte tun können, selbst wenn er gewollt hätte. Menschen, die ihn trotzdem verachtet hatten, es ihn spüren liessen, einfach weil, weil er nicht genau so war wie sie.
 

Ein Schauder lief ihm den Rücken hinunter, für Kikyō vermutlich sogar sichtbar. Das was da vor ihnen stand war kein Yōkai... es war... das Ding war wie er... Es hatte Yōkai Kräfte, konnte rational denken, aber es hatte auch Gefühle über die es kaum Kontrolle besass. Es war ein Monster.

Der Wunsch es auf der Stelle zu zerfleischen und zu vernichten, überwältigten Inuyasha beinahe. Keiner wusste besser, wie unkontrollierbar diese Mischung war, als ein Hanyō selbst. Und mit dem Wunsch, der diese Erkenntnis weckte, bewies er sich gleich selbst, dass er nicht anders war.
 

"Er verfolgt kein Ziel." Die Stimme des Halbdämons war fast ruhig, nur das unterschwellige Knurren, das mitschwang, verriet, wie sehr er sich gerade beherrschen musste. "Er ist kein richtiger Yōkai." Nun starrte er den weissen Affen direkt an. "Er ist ein erbärmlicher Hanyō."
 

Kikyō

„Ich hätte gern gewusst wie stark sich der Hass in Seelen entfaltet, die noch viel mehr abzugeben hätten als ein einfacher Mensch.“

Die Antwort erschien durchaus logisch und kaum überraschend, wenngleich Kikyō sie nicht als minder verabscheuungswert empfand. Doch nach wie vor hatte die Miko Mühe, ihren Pfeil auf den Unbekannten zu schießen. Die Wut darüber, dass dieser widerliche Yōkai versucht hatte, das Band, welches sie und Inuyasha zusammenhielt, mit so viel Skrupellosigkeit zu zerreißen, wollte nicht verebben. Vermutlich hatte das dieses von Grund auf bösartige Wesen miteinkalkuliert und wog sich in größter Sicherheit.

Was ist dieses Wesen? Ich habe noch nie eine so starke, negative Aura bei einem Dämon vernehmen können. Wortlos fixierte die Schwarzhaarige ihr Gegenüber. Eine tiefe Falte über der Nase zeugte von der Anstrengung, mit welcher die Miko sich ihren Kopf darüber zerbrach, wer sich hinter der Maske verborgen hatte.
 

Mittlerweile hatte sich Inuyasha ein kleines Stück vor die Priesterin gestellt und ebenso stumm dagestanden, um zu hören, was der Fremde zu sagen hatte.

"Er verfolgt kein Ziel.", gab der Hanyou plötzlich von sich und klang ungewöhnlich ruhig. Die junge Frau presste ihren Kiefer zusammen. Diese Tonlage beunruhigte sie sehr, immerhin kannte sie die sonst so aufbrausende, temperamentvolle Art des Silberhaarigen. Sogleich fuhr der Halbdämon fort, der nun auch wesentlich angespannter wirkte.

"Er ist kein richtiger Yōkai." Für eine Sekunde lang wanderten Kikyōs geweitete Augen zu Inuyasha, ehe sie sich darauf besinnte, den Fokus auf ihr Ziel zu behalten. Egal wie sehr sie emotional in all dies hier verwickelt war, nun musste sie sich auf ihre Kräfte konzentrieren und durfte nicht nachlässig handeln. Die Folgen hätten verheerend sein können.

An den Pavianartigen Unbekannten gewandt, konkludierte der Inu-Halbdämon nun.

"Er ist ein erbärmlicher Hanyō."

Ein leises, bösartiges Lachen durchbrach die kurzzeitige Stille erneut. Kukuku! Es amüsiert mich, dass du uns beide auf ein und dieselbe Stufe stellst. Du hast dabei an dich gedacht, als du ‚erbärmlicher Hanyō‘ sagtest, nicht wahr?“ – „Schweig!“, erwiderte Kikyō plötzlich laut und mit Bestimmtheit. Sie wusste um den Schmerz, den dieser Begriff in Inuyasha auslöste, und war nun sicherer denn je, dieses bösartige Wesen dorthin zu schicken, wo es keinen Schaden mehr anrichten konnte. „Was auch immer du sein magst, deine Reise endet hier.“ Endlich begann die Miko wieder die Energie in sich zu spüren, die sie dazu befähigte, einen heiligen Pfeil abzufeuern. Denn je mehr sie sich darauf besinnte, den zu schützen, den sie liebte, desto heller begann ihre Aura zu leuchten.

Ohne noch weitere Worte zu vergeuden, atmete sie kurz tief ein und – schoss den Pfeil zielsicher auf den Affen-Halbdämon. Das Fell mitsamt der Maske ging zu Boden. Kikyō richtete ihren Blick zu Inuyasha. Sie hatte verfehlt.

Kukuku! Aber, aber, schöne Maid! Ich hatte mir mehr erwartet von der mächtigen Miko Kikyō, die jeden ihrer Pfeile mit so viel Exaktheit abfeuern soll! Oder ist dein Herz verwirrt, weil du es von einem Hanyō beschmutzen hast lassen? Diese niedere Kreatur weiß doch gar nicht, was sie damit anfangen soll, außer es dir aus dem Leib zu reißen und es zu verspeisen! Kukuku!“

Ein abfälliges „Hm.“, gab die Schwarzhaarige als Antwort und wandte sich in jene Richtung um, aus der die gehässige Stimme erklang. Noch in der Drehung zog sie mit gekonnter Manier einen Pfeil aus ihrem Köcher und spannte ihn sicher in die Sehne ein. Für eine Sekunde suchten ihre Augen die Gestalt, die offenbar erneut in einem weißen Pelz gewandet war und ihr Gesicht mit einem Affenschädel bedeckt hatte. Doch zu ihrer Überraschung standen nun mehrere Abbildungen des Fremden vor ihnen. Soso, das bedeutete, dieser Dämon bediente sich einer Vervielfältigungstechnik.

Die Miko schloss ihre Augen, um zu erfühlen, welcher der Richtige war. Denn auch wenn es im ersten Moment scheinen mochte, dass man Kopie und Original nicht unterscheiden konnte, so strahlte nur einer eine bösartige Aura aus - die anderen Abbilder waren bloße Hüllen.
 

Inu Yasha

Das Lachen überraschte Inuyasha nun nicht einmal. Er hatte damit gerechnet. Für den Inu-Halbdämon war mittlerweile klar, dass die Gestalt vor ihnen komplett irre war. Irre und unberechenbar, gefährlicher konnte es kaum werden. Die Anspannung in ihm stieg.

„Du hast dabei an dich gedacht, als du ‚erbärmlicher Hanyō‘ sagtest, nicht wahr?“ Erstaunlicherweise trafen ihn die Worte weniger hart, als er selber erwartete. Denn er… hatte sie erwartet. Inuyasha war ein Hanyō, er hasste es so genannt zu werden, aber… Er wusste dennoch, was er war und wie er war und das waren keine Neuigkeiten für ihn. Das Wesen vor ihnen hatte es auf Beleidigungen angelegt und so kam es nicht überraschend, dass er so eine verbale Attacke einfach zurückschleuderte. Es wurde ihm auch klar, dass sogar er selbst kein gutes Bild über Halbdämon zu haben schien, obwohl er einer war, weil er einer war… Weil er sich selbst verabscheute, so wie er war. Nicht mehr so sehr wie auch schon allerdings… Und das hatte er einem Menschen zu verdanken, nicht einem Dämon. Der Form, die er immer angestrebt hatte…
 

Während der Hanyō mit seiner eigenen Erkenntnis beschäftigt war, reagierte jedoch Kikyō. Die Worte der lächerlichen Gestalt trafen sie auf einmal mehr als ihn und er war überrascht so eine Reaktion zu hören. Der Pfeil schnellte nach vorne, sauste nur knapp an seinem Ohr vorbei und traf sein Ziel. Allerdings schwebte nur die komische Verkleidung zu Boden. Und wenn Inuyasha eins wusste, so war es, dass eine Vernichtung anders aussah.

Augenblicklich konzentrierte sich der Halbdämon auf all seine Sinne um die wahre Gestalt des Feindes wahrzunehmen.

„Kukuku! Aber, aber, schöne Maid! Ich hatte mir mehr erwartet von der mächtigen Miko Kikyō, die jeden ihrer Pfeile mit so viel Exaktheit abfeuern soll! Oder ist dein Herz verwirrt, weil du es von einem Hanyō beschmutzen hast lassen? Diese niedere Kreatur weiß doch gar nicht, was sie damit anfangen soll, außer es dir aus dem Leib zu reißen und es zu verspeisen! Kukuku!“ Der Inu-Halbdämon wirbelte herum, sobald er das Lachen hörte und starrte erneut in eine hässliche, blaue Pavianmaske. Diesmal liessen ihn die Worte auch nicht kalt.

Inuyasha knurrte so laut auf, dass sich der Laut beinahe in einen Schrei verwandelte und griff an. Es war ihm egal, dass es auf einmal mehrere Affengesichter waren. Dem Trick konnte man sich schnell entledigen. Seine Krallen glitten Mühelos durch die Trugbilder und lösten sie auf. Bereits nach zwei Schwüngen stand nur noch einer da.

Sankontessou!“ Ohne zu zögern, schnellte sein Arm auch nach dem letzten Wesen. Doch bevor er es traf, spürte er, wie etwas gegen seine Brust schlug und ihn mit einer gewaltigen Kraft nach hinten beförderte. Schlimm war es nicht und der Hanyō bereitete sich lediglich darauf vor, eher unsanft zu landen. Mit einem dumpfen Laut, kam er schliesslich auf dem Boden auf, einige Meter entfernt, und rutschte noch ein kleines Stück weiter. Sobald die Wucht jedoch nicht mehr spürbar war, stand er wieder auf den Beinen.
 

Kikyō

Falten bildeten sich auf der Stirn der Dunkelhaarigen. Falten, die zeigten, dass es sie gerade viel Energie und Konzentration kostete, die Augen geschlossen zu halten, um das Original zu treffen, und nicht ihren Blick auf Inuyasha zu richten, der laut zu knurren begann. Inständig hoffte Kikyō, der Inu-Halbdämon würde nicht zu einem überstürzten Manöver greifen, doch – er tat es. Augenblicklich riss die junge Frau die Augen auf und verfolgte die Attacken des Silberhaarigen. Noch ehe er aber das offensichtliche Original erwischen konnte, sah die Miko etwas durch die Schatten schnellen. „…Pass auf, Inuyasha!“ Doch es war zu spät. Eine Art Tentakel hatte den Inu-Hanyō erfasst und zu Boden gebracht. Ohne noch länger zu zögern, schoss die Shintō-Priesterin ihren Pfeil auf das Ding und griff sogleich nach einem weiteren. Erschrocken stellte sie aber in jenem Moment fest, dass sie nur noch einen Einzigen besaß. Und bisher hatten sie noch nicht ausfindig machen können, ob das Shikon no Tama in der Gewalt des Affen-Halbdämons war oder sich noch im Schrein befand. Leider musste man von Ersterem ausgehen.
 

Kukuku! Nun, der Abschied naht. Bei unserem nächsten Wiedersehen werdet ihr um euer kümmerliches Leben betteln!“ Es kam plötzlich und mit einem Mal schlug das Herz der Miko fester gegen ihre Brust als zuvor. Sie sah es. Sie sah, wie der Halbdämon im weißen Pelz das Shikon no Tama in seiner Hand hielt, um ihr noch einmal unter die Nase zu reiben, wie jämmerlich sie doch versagt hatte. Doch der Hohn war Kikyō in diesem Moment egal. Viel wichtiger war es, dem Dämon das Juwel abzunehmen, bevor er fliehen konnte. Den Pfeil mit seiner spirituellen Kraft im Bogen gespannt, zielte die Schwarzhaarige erneut auf den Fremden, doch just in dem Augenblick erschienen wieder neue Kopien, die dem Maskierten zur Flucht verhelfen sollten.

So leicht kommst du mir nicht davon…, ging es der Priesterin durch den Kopf, ehe sich die Lider senkten und sich die Maid auf die bösartige Energiequelle konzentrierte, die sich vor ihrem geistigen Auge auftat. Die Kopien bewegten sich hier am Boden, doch der Ursprung dieser Kraft befand sich woanders – nämlich in der Luft! Mit geschlossenen Augen drehte sich Kikyō um knapp 90 Grad und verfolgte instinktiv das Wesen, das jetzt lautlos durch die Lüfte gleitete, ehe sie die Lider wieder öffnete und treffsicher den Pfeil abfeuerte. Das Herz klopfte heftig gegen ihre Brust und atemlos beobachtete sie nun, was geschah. Sie war sich sicher, den Hanyō erwischt zu haben, als…
 

Ein gleißendes Licht erhellte die Nacht, ehe es sich sofort in sich zusammenzog und mit einem Mal kurze, strahlende Schweife am Firmament ihren Weg durch den Himmel zogen. Es wirkte fast, als würde es Sternschnuppen regen, und der Anblick war wirklich wunderschön. Doch Kikyō erstarrte und fühlte sich, als ob man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen hätte. Sie hatte nicht den Dämon getroffen. Sie hatte mit ihrem Pfeil das Juwel in Splitter, die sich nun im Land verteilten, gebrochen.

Durchzogen von diesem Schock, fiel die Miko auf die Knie, während sie unterdessen den Himmel ungläubig anstarrte. Der Dunkelhaarigen wurde bewusst: Sie hatte etwas Grauenhaftes getan! Das Juwel konnte nun in tausende Teile zersprungen sein, und jedes noch so kleine Stück konnte ein jeder Dämon missbrauchen und für Unheil sorgen. Wie sollte sie das nur jemals verantworten? Was sollte sie jetzt nur tun?
 

Naraku unterdessen, der es vorgezogen hatte, sich schnell zurückzuziehen, hatte sich in einer Baumkrone im Wald versteckt. Der Angriff des verdammten Inu-Halbdämons und auch der Pfeil der Miko hatten seinen ohnehin angegriffenen Körper um ein weiteres geschwächt. Allerdings war dies nicht der einzige Grund, weshalb der Dämon erschöpft ein vorübergehendes Versteck gesucht hatte. Auch Naraku hatte einen Schock erhalten, denn auch wenn er damit gerechnet hatte, dass Kikyō einen Pfeil auf ihn schießen würde, so hatte er nie im Traum daran gedacht, dass sie es schaffen würde, das Juwel zu zersplittern. Allerdings konnte sich der Hanyō kaum vorstellen, dass es sich hierbei um eine beabsichtigte Handlung gehandelt hatte. Leider war der neue Körper des ehemaligen Räubers noch nicht wirklich stark genug, um sich gleich auf die Suche nach den Fragmenten zu machen. Aber immerhin hatte er ein doch anständiges Stück des Shikon no Tama übrig, was gut ein Drittel ausmachte. Es würde vorläufig genügen, doch um seine volle Kraft ausschöpfen zu können, bedurfte es, alle Splitter einzusammeln.
 

Inu Yasha

„…Pass auf, Inuyasha!“ Die Warnung kam, als er bereits den Aufprall spürte und so war der Rückschlag nicht mehr zu verhindern. Doch dies entsprach Inuyashas üblichem Kampfstil, er konnte Schläge meist sehr gut wegstecken und es bedurfte besonderen Kräften um ihm wirklich etwas anzuhaben. Womit er allerdings nicht gerechnet hatte, war, dass der Fremde so schnell schon die Flucht ergriff.

Gerade wieder auf die Beine gesprungen hörte er nur noch die höhnische Verabschiedung. Was zum…? Der Kopf des Inu-Halbdämons hob sich rasch an, als das Wesen in die Lüfte sprang und er folgte ihm mit den Augen. Dann flog der Pfeil und wie immer traf er direkt ins Ziel doch.

„Argh!“ Der Hanyō schützte seine Augen indem er einen Arm hochriss und sich abwandte. Dass helle, pure Licht war regelrecht schmerzhaft. Nach einer Sekunde schien es aber bereits wieder schwächer zu werden und er wagte es die Augen einen Spalt weit wieder zu öffnen. Streifen des Lichts zogen sich nun quer über den Himmel und in alle Richtungen davon. Was zur Hölle ist das? Verwundert wagte er es den Arm wieder zu senken und starrte das kuriose Spektakel vor sich an.
 

Erst als die Streifen langsam zu verblassen begannen, drehte er sich wieder um.

„Kikyō!“ So schnell wie möglich rannte er zu der Gestalt der Miko, die am Boden kauerte. Besorgt suchte er mit den Augen ihr Gesicht und ihren Körper nach Wunden ab, obwohl er kein Blut roch. Doch er fand keine. „Kikyō, bist du in Ordnung? Was ist passiert?“
 

Der Hanyō fühlte sich komplett hilflos, er verstand nicht, was gerade passiert war. Er konnte nur erahnen, dass es nichts Gutes war. Er konnte auch nicht sehen, was der Priesterin fehlte. Weder erschnüffeln noch sehen, konnte er Wunden, also war es wohl nicht körperlich, was ihr zugestossen war und dann war er machtlos. Er besass keine spirituellen Kräfte, schon gar keine Guten. Wie auch, in ihm floss schliesslich Dämonenblut.
 

Kikyō

„Kikyō, bist du in Ordnung? Was ist passiert?“ Die Schwarzhaarige starrte nur weiter fassungslos in den Himmel und blieb stumm. Sie hatte das Shikon no Tama gebrochen. Sie war dafür verantwortlich, dass nun im ganzen Land starke Dämonen auftauchen und die Menschen ins Chaos stürzen würden. Sie und nur sie allein hatte versagt, wo doch schon allein ihr Dorf unter ihrer Nachlässigkeit gelitten hatte. War es denn wirklich ein so großer Fehler, wenn sie liebte? Musste sie sich, zum Schutze aller, wirklich einem einsamen Leben hingeben, vor dem sie in Wahrheit doch so große Angst hatte?

Die Miko atmete einmal tief ein und aus, ehe sie wieder aufstand und Inuyasha einen bedrückten Blick zuwarf. „… Ich habe das Juwel getroffen und nicht den Dieb. Und nun haben sich die Splitter überall hin verteilt.“ Ein leises, verächtliches Lachen drang aus Kikyōs Kehle. Plötzlich fühlte die Priesterin eine Leere in sich und mit einem Mal füllten sich ihre Augen mit Tränen. Es kostete sie viel Kraft, diese zurückzuhalten, denn am liebsten wäre sie nun am Boden zusammengebrochen und hätte sich der Angst, die in ihr aufkam, hingegeben. Jedoch durfte sie das nicht. Und besonders nicht vor dem Hanyō. Diese Blöße wollte sie ihnen beide nicht geben.

„Ich… Ich dachte, ich…“ Kikyō spürte, wie dieses bedrückende Gefühl ihre Kehle zuschnürte und es der jungen Frau dadurch unmöglich machte, weiterzusprechen, ohne nicht dabei Tränen zu vergießen. Ihr wurde bewusst, dass es sich jetzt auch nichts mehr brachte, eine starke und entschlossene Person zu spielen, deren Rolle sie in diesem Moment nicht gewachsen war. „Ich habe etwas Schreckliches getan, Inuyasha… Wegen meiner Nachlässigkeit sind nun so viele Unschuldige in Gefahr…“ Beschämt wandte sich die Miko ab und starrte auf den Boden, wo nun einzelne Tropfen lautlos auf den Grund fielen. Den Bogen in ihrer linken Hand, presste die Dunkelhaarige sie diese so fest zusammen, dass es zu schmerzen begann. „Wir müssen zurück ins Dorf, Inuyasha.“, brachte sie mit gepresster Stimme hervor und holte einmal tief Luft, ehe sie wieder aufsah und versuchte, ihren Kummer mit einer entschlossenen, nicht allzu deprimierten Miene zu überspielen.
 

Inu Yasha

Abwartend beobachtete Inuyasha die Miko. Es blieb ihm schliesslich auch nichts anderes übrig. Er war erleichtert, als sie endlich aufstand und dadurch weiterhin bewies, dass sie nicht verletzt war. Aber der Blick sprach eher das Gegenteil. Das was Schmerzte war wohl nicht ihr Körper, soweit verstand der Halbdämon nun. Allerdings liess das in ihm ebenso ein unangenehmes Gefühl wachsen. Er konnte damit nicht umgehen, er wusste nicht, was man in diesem Falle tat. Er wusste nur wie man blöd dastand in der Hinsicht.

„Wie die Splitter verteilt?“, fragte er direkt nach. Das wollte ihm nun nicht ganz einleuchten. Die Unruhe machte sich immer mehr in ihm breit, je mehr Kikyō sprach. Der Grund dafür war allerdings kein zersplittertes Juwel, das sich verteilt hatte. Es war seine Unfähigkeit mit ihr umzugehen. Er wollte etwas tun, helfen, trösten, was auch immer, aber er hatte wirklich keine Ahnung wie das gehen sollte. Sie wirkte nicht als ob sie in den Arm genommen werden wollte, sie wirkte eher als sollte es tunlichst vermieden werden… und mehr fiel ihm ohnehin nicht ein, er kannte nur Umarmungen von seiner Mutter… und in diese war er damals immer bereitwillig gelaufen, er stand nie abgedreht da. Er war so hilflos und unruhig, dass er beinahe zu fuchteln begann.
 

„Wir müssen zurück ins Dorf, Inuyasha.“ Auch wenn das genauso wenig glücklich klang… mit dem Satz konnte er wenigstens etwas anfangen. So wandelten sich auch seine weit geöffneten, grossen, hilflosen Augen, mit der er sie angesehen hatte, als sie den Kopf hob, wieder zu einem normalen Blick. Und ohne grosse Reden zu schwingen, nickte der Hanyō einfach mit dem Kopf. Er hatte verstanden.



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