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Ein Tanz zwischen den Sternen

von

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Sternenregen

„Seit einigen Tagen nun beobachten wir einen Partikelregen in den oberen Schichten der Atmosphäre. Unseren Berechnungen nach wird der Schauer in einigen Tagen wieder verschwunden sein“, erklärte eine tiefe, angenehme Stimme.

Der junge Kaiser saß hinter seinem großen Schreibtisch und lauschte ihr interessiert, den Umstand ignorierend, dass er hinter dem Möbelstück zweifelsohne zu verschwinden drohte. Basch musste sich ein Kichern verkneifen. Er stand schräg hinter Larsas Stuhl und blickte dem jungen Lord über die Schulter. Trotz der Tatsache, dass der Junge in den letzten Jahren ordentlich gewachsen war, wirkte er noch immer klein hinter dem Tisch.

„Werden wir mit Einschlägen zu rechnen haben?“, hakte der Kaiser nach.

Der Wissenschaftler, der seit etwa einer halben Stunde über ein astronomisches Ereignis berichtete, schüttelte entschieden den Kopf.

„Die Objekte sind nur von geringer Größe und werden in der Atmosphäre verglühen, sobald sie in sie eintreten. ... Während der Abendstunden sind sie am besten zu beobachten, wenn seine Majestät ihren Blick nach Südosten richten.“

Unter den Wissenschaftlern Archadias war es seit Jahrzehnten bekannt, dass sich das Haus Solidor für allerlei Naturwissenschaften begeistern konnte. So auch Larsa, der jüngste Sohn des verstorbenen Lord Gramis. Dieser seufzte jedoch leise. Ein Kaiser hatte nur sehr selten freie Zeit, die er zu seinem privaten Vergnügen nutzen konnte. An erster Stelle stand immer das Volk, dem zu dienen er verpflichtet war. Basch hatte das schon immer gewusst, doch Larsa war in dieser Hinsicht noch vorbildlicher als alle anderen hohen Herren, denen der Hauptmann bisher gedient hatte. Bedauern war das Gefühl, das Basch am leichtesten für seinen jungen Herrn aufbringen konnte. Bedauern darüber, dass er viel zu früh hat erwachsen werden und die Bürde der Herrschaft übernehmen müssen.

„Nun, wir werden sehen. Einen Meteoritenschauer aus dem All erlebt man nicht jeden Tag. Umso wichtiger ist es, dass Ihr so viele Informationen wie möglich darüber sammelt“, erklärte der Kaiser.

Der Wissenschaftler nickte demutsvoll und entschuldigte sich. Als er das Zimmer, das Larsa für private Audienzen nutzte, verlassen hatte, atmete Basch einmal geräuschvoll tief ein und wieder aus. Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn und liefen ihm über seine Schläfen in den Spitzbart hinab, den er sich seit einiger Zeit wachsen ließ.

„Ich sagte Euch doch, Ihr sollt bei dieser Hitze nicht Eure Rüstung tragen!“, mahnte Larsa gespielt streng.

Schuldbewusst schaute der Hauptmann auf den eisernen Helm, der vor ihm auf dem Boden stand und den ein Besucher nicht sehen würde, wenn er nicht den Schreibtisch umrundete. Zögerlich griff der Blondschopf in einen Schlitz in seiner Rüstung und zog ein weißes Stofftaschentuch heraus, um sich damit über die Stirn zu wischen.

„Diese Hitze ist unbeschreiblich...“, murmelte er.

Larsa seinerseits war aufgestanden, hatte seine Robe geöffnet und hielt sie von seinem Körper weg, ohne sie vollständig auszuziehen. Darunter trug der junge Kaiser nur ein dünnes weißes Hemd mit kurzen Ärmeln, das größtenteils durchgeschwitzt war.

„Ich kann mich nicht erinnern, dass es jemals schon so heiß in der Hauptstadt war.“

„Hah!“, machte Basch.

Waren Kaiser und Hauptmann unter sich, bröckelte die formelle Fassade meist ziemlich schnell. Basch hatte seinen neuen Herrn innerhalb kürzester Zeit schätzen gelernt und Larsa hatte ihm nicht nur einmal zu verstehen gegeben, dass es ihm ebenso erging. Fast wie eine Onkel-Neffe-Beziehung.

„Euer Erinnerungsvermögen reicht bei weitem weniger zurück als meines“, fuhr der Hauptmann fort.

Larsa drehte sich um und sah seinen Berater pikiert an, ohne auf die kleine Finte einzugehen.

„Habt Ihr schon einmal eine solche Hitze erlebt?“, fragte er stattdessen.

Basch senkte den Kopf.

„In Landis hatten wir öfter solche Trockenzeiten. Aber das lag vor allem auch an seiner zentralen Lage. Archadis hingegen liegt viel weiter nördlich. Wenn es hier schon so heiß ist... Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es Dalmasca gerade ergeht“, ließ der Hauptmann wissen.

Der Kaiser nickte verstehend. Nicht nur Basch war an dem Wohlergehen des kleinen Königreichs im Zentrum von Ivalice gelegen, auch Larsa hatte dort viele Freundschaften und Bekanntschaften geschlossen.

„Nun, wir werden es ja später erfahren“, meinte der junge Lord.

Basch stopfte sein Taschentuch zurück in den Schlitz und ging dann zum Fenster. Draußen flirrte die Luft und in den tiefen Schluchten der Stadt sah man nur verschwommene Schemen. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie unangenehm die Atmosphäre dort unten momentan war und war dankbar, seine Zeit im hoch gebauten Kaiserpalast verbringen zu können. Von hoch oben warf die erste kaiserliche Luftschiffflotte um das Schlachtschiff Odin einen dankbaren Schatten hinab. Ansonsten trübte nicht einmal der geringste Wolkenfetzen die sengende Hitze. Larsa hatte sich zu ihm gesellt und schaute nun ebenfalls hinab ins kaiserliche Archadis.

„Bereit, dem Senat auf die Pelle zu rücken?“, fragte der Hauptmann schelmisch.

Der Kaiser zog eine Augenbraue nach oben. Basch hielt vom derzeitigen Senat nicht viel, erkannte ihn aber als notwendiges Übel zur Machtenteilung an. Ständig intrigierend trieben die Senatoren Basch in den Wahnsinn und er verstand nun, warum seinem Zwillingsbruder Noah Larsas Sicherheit so am Herzen gelegen hat. Etwas besser verstand er sich dafür mit den neuen Richtern, die der Kaiser ernannt hatte.

Von den ehemaligen fünf hohen Richtern, die unter Kaiser Gramis und später unter Vayne Solidor gedient hatten, war nur noch Zargabaath übrig. Er zeichnete sich vor allem durch seine Loyalität gegenüber der archadiaischen Führung aus und hatte seinerzeit sowie jetzt das Kommando über das Schlachtschiff Alexander und die zwölfte imperiale Luftschiffflotte inne. Basch hatte zwar einerseits dessen selbstloses Verhalten imponiert, als Zargabaath die Alexander auf Konfrontationskurs mit der Bahamut setzten wollte, um eine Kollision der Luftfeste mit dem königlichen Rabanastre zu verhindern. Andererseits kritisierte er dessen bedingungslose Loyalität und merkte beim Kaiser an, dass ein hoher Richter, der nur blind Befehlen folgte, nicht zu gebrauchen sei.

Noahs früheren Rang als hoher Richter hatte der Hauptmann selbst eingenommen und hatte die Aufsicht über das Wohl des jungen Kaisers an sich gerissen. Direkt nach dem Sturz Vaynes hatten Basch und Larsa alle Hände voll damit zu tun, die ehemaligen Senatoren, die zuvor von Larsas älterem Bruder inhaftiert worden waren und nun ihre Chance witterten, von einer Rebellion abzuhalten. Zargabaath hatte sich zwar auf ihre Seite geschlagen, sich bei der Auseinandersetzung im Senat aber zurückgehalten, als sie nach Archadis zurückgekehrt waren. Der selbsternannte Senatsvorsitzende, Reghamon, hatte versucht, Larsa vor vollendete Tatsachen zu stellen und sich zum neuen Kaiser erklärt. Seine Kollegen hatten ihn in seinem Bestreben nur teilweise unterstützt und Basch sah sich gezwungen, das erste Mal die Klinge für seinen neuen Herrn zu ziehen.

Nach dem Vorfall war es Larsa gelungen, das Vertrauen in das Haus Solidor langsam wieder zurückzugewinnen und sah sich mit der schwierigen Aufgabe vertraut, drei weitere Richterposten besetzen zu müssen. Üblicherweise schlug der Senat potentielle Kandidaten vor, wohingegen die offizielle Ernennung durch den Kaiser erfolgte. Die nächste Konfrontation war daher abzusehen, da die Senatoren auf eine Änderung des Prozedere pochten.

„Mittlerweile haben sie sich wenigstens daran gewöhnt, dass Ihr bei Sitzungen ebenfalls jedes Mal anwesend seid“, kommentierte Larsa lahm.

„Hah! Daran werden die sich nie gewöhnen.“

„Immerhin setzt Ihr Euren Helm nicht auf zu der Besprechung.“

Basch warf Larsa einen abschätzigen Blick zu.

„Wie sollte ich sonst böse schauen, wenn einer der Senatoren mal wieder nicht den nötigen Respekt vor Euch zeigt?“

Nun war es an dem Kaiser, zu kichern.

„Mittlerweile komme ich auch gut alleine mit ihnen zurecht.“

Der Hauptmann nickte, kehrte geräuschvoll zum Schreibtisch zurück und hob seinen Helm auf.

„Dann lasst uns keine Zeit verlieren. Je eher wir es hinter und bringen, desto lieber ist es mir.“

Larsa holte einige Unterlagen, die er sich zuvor auf dem Tisch parat gelegt hatte und verließ mit seinem Leibwächter sodann das Audienzzimmer, um zu den Senatoren im Plenarsaal zu stoßen. Auf dem Weg einige Etagen nach unten wurde es merklich kühler, was zweifelsohne auch an den dicken Wänden des Palastes lag. Trotzdem wischte sich Basch immer wieder mit seinem Tuch über die Stirn. Bedienstete kamen ihnen nur sehr spärlich entgegen und wenn, machten sie denselben geplagten Eindruck.

Als die beiden den Plenarsaal erreichten, schoben zwei imperiale Ritter die Türen vor ihnen auseinander. Im Raum selbst standen die Senatoren in einzelnen Grüppchen zusammen oder saßen bereits an ihren Plätzen und gingen Papiere durch. Die meisten fächelten sich im Akkord Luft zu.

„Nun denn, meine Damen und Herren“, begann der Kaiser, während er zu seinem Platz eilte, „Ich denke, ich spreche uns allen aus der Seele, wenn ich vorschlage, diese Ratssitzung so schnell wie möglich hinter uns bringen.“

Larsa nahm auf seinem Stuhl Platz, während Basch seinen gewohnten Platz links hinter dem jungen Kaiser einnahm. Abschätzig musterte er die Senatoren, während diese auf ihre Plätze schlurften. Ein Stuhl blieb leer.

„Senator Brigan hat sich noch immer nicht erholt?“, fragte Larsa.

„Nein, Eure Majestät“, antwortete Senatorin Zenyah.

Sie saß rechts vom Kaiser und war vom Volk neu gewählt worden, nachdem Basch Reghamon zum Rücktritt gezwungen hatte. Ihre braunen Haare waren mit grauen Strähnen durchwirkt und zu einem strengen Dutt zusammengebunden. Basch erinnerte sie immer ein bisschen an eine Gouvernante, aber die Adlige hatte sich als weise und bedacht herausgestellt.

„Ärgerlich...“, kommentierte der Kaiser.

Basch beobachtete, wie er sich eine kleine Notiz machte. Vermutlich würde er nachher einen kurzen Brief mit Genesungswünschen aufsetzen. Als Larsa seine Aufmerksamkeit wieder den anderen Teilnehmern zugewandt hatte, fuhr Zenyah fort:

„Heute steht die Gesetzesänderung bezüglich der Rekrutierung in die imperiale Armee auf dem Tagesplan. Wie seine Majestät vor einiger Zeit angeregt hatte, erfolgte eine Neubewertung der Ausgaben für das Militär. ... Die genauen Zahlen sind aus der Zusammenfassung ersichtlich, die ein jeder von Ihnen vor einigen Tagen zum Studium erhalten hat.“

Der Kaiser nahm das entsprechende Blatt Papier zur Hand und überflog es kurz.

„Wie aus dem Dokument hervorgeht“, fuhr die Senatorin fort, „sind die Ausgaben seit Monaten überdurchschnittlich hoch.“

Genervtes Grummeln erfüllte den Saal. Vayne hatte durch seine Taten den Staatshaushalt stark in Mitleidenschaft gezogen und Larsa durfte nun zusehen, wie er die vielen Löcher in den Finanzen stopfte.

„Was ist mit den Planungen zur Wiederherstellung der achten imperialen Flotte?“, fragte der Kaiser.

„Sind so gut wie abgeschlossen, Eure Majestät“, antwortete Zenyah.

„Gut. Die verantwortlichen Minister sollen die Planungen beenden, wir werden das Projekt vorerst nicht weiterverfolgen.“

„Das ist nicht Euer Ernst!“, rief eine aufgebrachte Stimme.

Basch warf einen Blick auf den Schreihals und seufzte innerlich. Mambosa gehörte noch zur alten Senatorenriege und war einer derjenigen, die Reghamons Putschversuch am vehementesten unterstützt hatten. Larsa hatte ihm, gnädig und friedfertig wie er ist, vergeben.

„Herr Senator“, versuchte der Kaiser zu beschwichtigen, wurde aber wieder unterbrochen.

„Da steckt Ihr dahinter!“

Mambosa war aufgestanden und deutete nun anklagend mit seinem zusammengefalteten Fächer auf Basch. Dieser starrte perplex zurück und wusste erst nicht, worauf der Senator sich bezog.

„Was zum... Wieso denn ich?“, murmelte er leise.

„Senator!“, mahnte Larsa, „Ich versichere Ihnen, dass Hauptmann Basch rein gar nichts mit dieser Entscheidung zu tun hat!“

Es war jedes Mal dasselbe. Der Senator versuchte seit der gescheiterten Rebellion, Larsas persönlichen Leibwächter zu diskreditieren und ihn der Einflussnahme zu bezichtigen. Der Beschuldigte hatte es irgendwann aufgegeben, den Vorwürfen zu widersprechen.

„Wir werden für Ihren Sohn eine andere verantwortungsvolle Aufgabe finden, die ihm ebenso viel Ansehen einbringen wird wie der Posten als Kommandant einer imperialen Luftschiffflotte.“

Mambosa klappte seinen Fächer wieder auf und wedelte sich wild Luft zu, ohne etwas zu sagen. In seiner knallbunten Robe sah er aus wie ein Pfau.

„Setzt Euch. Wir haben bei weitem wichtigere Themen zu besprechen“, meinte ein anderer Senator.

Basch beobachtete, wie der Gescholtene sich wieder auf seinen Stuhl setzte und an irgendeinen Punkt an der Decke starrte.

„Ihr sagtet doch letzte Woche noch selbst, dass wir zu hohe Ausgaben haben. An irgendeiner Stelle müssen wir sparen“, meinte Larsa.

Mambosa ignorierte ihn und die Sitzung wurde fortgesetzt.

„Senatorin Ishia, haben Sie neue Informationen aus Rozarria?“

„Sehr wohl. Die dortige Führung scheint unser Ersuchen um bessere Handelsbeziehungen wohlwollend zur Kenntnis genommen zu haben. Sie schlagen die Aufnahme von Verhandlungen vor und erbitten die Erlaubnis, eine Gesandtschaft unter Al-Cid Margrace in das kaiserliche Archadis einfliegen zu dürfen.“

Ein kurzes Lächeln huschte über Baschs Gesicht.

„Das sind in der Tat erfreuliche Nachrichten“, meinte Larsa, ebenfalls erfreut, „Senatorin, da Ihr den Kontakt zu den Rozarriern hergestellt habt, übertrage ich Euch die Leitung der Verhandlungen.“

„Vielen Dank, Eure Majestät.“

„Senator Mambosa, erscheint Euch die Aufsicht über die Sicherheit unserer zukünftigen Gäste als Aufgabe für Euren Sohn respektabel genug?“

Der Angesprochene reckte den Kopf und fächelte sich noch immer Luft zu. Er schien zu überlegen, was er auf das Angebot des Kaisers erwidern sollte.

„Nun, das ist natürlich nicht zu vergleichen mit einem richtigen Kommando...“, antwortete Mambosa zögerlich.

„Aber eine mindestens ebenso wichtige Aufgabe. Schließlich würde der Erfolg der Verhandlungen auch maßgeblich von der Arbeit Eures Sohnes abhängen. Eine unzufriedene Delegation ist weniger zu Zugeständnissen bereit als eine zufriedene“, stellte Larsa fest.

„Intern wird alles Euch und dem Senat offenbart, nehme ich an?“

Der Kaiser nickte. Mambosa war kein dummer Mann. Er wusste sehr wohl, dass Larsa jemanden in der Nähe von Al-Cid und seinen Leuten brauchte, um über mögliche Auffälligkeiten informiert zu sein. Schließlich konnte man eine Gesandtschaft aus einem anderen Reich nicht einfach so im Palast herumspazieren lassen, selbst wenn der Kaiser sich mit ihrem Botschafter bestens verstand.

„Mein Sohn wird hocherfreut sein.“

„Dann wäre das geklärt. ... Kommen wir zu den Abbaurechten in den Lhusu-Minen...“
 

* * *
 

„Ihr wart viel zu gnädig zu Mambosa...“, meinte Basch nach der Sitzung vorwurfsvoll.

Larsa hatte nur noch ein wichtiges Thema mit dem Senat besprochen und die Versammlung dann aufgrund der äußeren Umstände für beendet erklärt. Anders als üblich hatten sich nur die wenigsten Senatoren an der Debatte über neue Minenerschließungen beteiligt, einem Thema, das sonst immer heiß diskutiert wurde. Heute dagegen wirkten sie aufgrund der Hitze jedoch ziemlich ausgelaugt.

„Mag sein“, kam es aus dem Nebenzimmer.

Basch stellte sich ans Fenster des Vorzimmers und blickte hinaus, während der Kaiser sich neu einkleidete. Die Sonne sank ganz langsam dem Horizont entgegen und der Hauptmann sehnte den Augenblick herbei, zu dem er seine Rüstung würde ablegen können.

„Man muss nur wissen, wie man mit ihm umgehen muss. Dann ist er eigentlich recht umgänglich.“

„Aufsicht über das Wohl der Rozarrier?“, hakte der Blondschopf nach.

„Was soll Mambosas Sohn denn da groß anstellen? Nein, das Kommando wird ihm gut tun, zumal er sich dabei keine Fehler erlauben kann.“

„Der Alte wird auch in Zukunft für allerhand Querschläger sorgen, das könnt Ihr mir glauben!“

„Möglich. Allerdings ist es wohl nicht verkehrt, den Sohn genau im Auge zu behalten. Bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen ich mit ihm zu tun hatte, machte er auf mich einen recht ambitionierten Eindruck. Vielleicht können wir das zu unserem Vorteil nutzen?“

Stoffrascheln erklang aus dem Nebenzimmer. Basch seufzte vernehmlich. Larsa hatte schon früh angefangen, am Spiel um die Macht teilzunehmen. Doch die Lektion, dass er manchmal auch zwielichtig handeln musste, um seine Ziele zu erreichen, hatte er erst in den letzten paar Monaten gelernt.

„Dann ist es wohl besser, wenn er keine Luftschiffflotte unterstellt bekommt“, kommentierte Basch.

„Wollt Ihr wirklich in Eurer Rüstung zum Terminal?“, fragte Larsa, als er seine Privaträume verließ.

Der Hauptmann drehte sich um.

„Warum denn nicht?“

Der Kaiser hatte seine offizielle Robe gegen leichte Leinenbekleidung eingewechselt und sah jetzt aus wie frisch aus dem Ei gepellt.

„Wie soll ich sonst mögliche Verbrecher auf Abstand halten?“

„Basch, ich bitte Euch. Wir fliegen mit einem Shuttle zum Luftschiffterminal, holen sie ab und fliegen mit dem Shuttle wieder zurück. Außerdem haben wir einen Trupp imperialer Soldaten als Eskorte dabei, wer würde es denn bitte wagen, einen Anschlag auf mich zu verüben?“

„Man kann nie wissen“, meinte der Hauptmann trotzig.

Larsa schüttelte nur ungläubig den Kopf ob der Sturheit seiner persönlichen Leibwache. Wenn Basch sich in dieser Hinsicht etwas in den Kopf gesetzt hatte, war er meist nur schwer wieder davon abzubringen.

„Aber wenn wir wieder zurück sind, zieht Ihr die Rüstung aus“, mahnte der Kaiser, „Ich möchte Euch nicht aufgrund eines Hitzschlags beurlauben müssen.“

„Hah! ... Wozu habt Ihr zwei Fächer?“

„... Vielleicht möchte sie auch einen.“

„Verstehe...“

Larsa sah verlegen zur Seite.

„Können wir dann los?“, fragte er.

Der Hauptmann brummte nur irgendetwas Unverständliches und die beiden setzten sich in Bewegung nach unten. Nachdem wieder Frieden in Ivalice eingekehrt war, brauchte das Volk ein neues Thema, über das es ausgiebig diskutieren konnte. Und was war da besser geeignet als die Tatsache, dass der letzte noch lebende Spross aus dem Hause Solidor Junggeselle war? Basch murmelte erneut etwas in seinen Bart hinein. Mit seinen 14 Jahren war er jetzt noch viel zu jung, aber der Hochadel von Archadis würde sich nicht lange bitten lassen, wenn es darum ging, eine geeignete Braut für den Kaiser zu finden. Aus Sicht des Senats hingegen würde es vermutlich mehr Sinn machen, wenn er eine Angehörige der Herrscherfamilie Rozarrias zur Frau nahm, um den momentan herrschenden Frieden zu festigen. Der Junge konnte einem leidtun.

„Was flüstert Ihr da immer?“, fragte der Kaiser.

Basch kratzte sich ertappt am Hinterkopf.

„Ich habe mir nur Gedanken über die Zukunft gemacht...“

„Aha. Über wessen Zukunft?“

„Nun ja...“

Larsa warf seinem Begleiter einen misstrauischen Blick zu.

„Keine Sorge, Hauptmann. Ich werde mich zu nichts drängen lassen, was mir selbst suboptimal erscheint.“

Dass er auch immer haargenau wissen musste, was Basch dachte!

„Wie gut, dass Ihr Euch selber schon Gedanken darüber macht.“

„Dann müsst Ihr Euch keine mehr darüber machen?“

„So habe ich das nicht gemeint. Ich hoffe lediglich, mich nur am Rande mit Eurer Brautschau befassen zu müssen.“

Der Kaiser blieb stehen und sah seinen Hauptmann nachdenklich an. Sein Gegenüber erwiderte den Blick.

„Wie kommt Ihr darauf?“

„Häh?“

„Je nachdem, wen ich wähle, werden ihre Angehörigen möglicherweise auf eine persönliche Leibwache für meine zukünftige Gattin bestehen“, erklärte Larsa, „Und Ihr könnt Euch ja denken, wer die ausbilden wird.“

„Damit komme ich zurecht“, meinte Basch, „Aber ich möchte nicht Euren Heiratsvermittler spielen müssen.“

Larsa kicherte.

„Das mache ich schon selbst.“

Die beiden setzten den Weg fort. Mittlerweile hatten sie die Privaträume des Kaisers weit hinter sich gelassen und die Regierungsräume passiert, die wie verwaist gewirkt hatten. Einige Bedienstete kamen ihnen mit Gießkannen entgegen und hier und da verrichtete ein imperialer Soldat seinen Wachdienst. Ansonsten regte sich nichts im kaiserlichen Palast. Larsas Fächer lagen unbenutzt in seiner Hand. Sie bogen um eine Ecke und befanden sich dann in dem Gang, der zum kleinen Privatterminal des Kaisers führte und den auch die Senatoren nutzten, wenn sie für Sitzungen anreisten. Am Ende des Ganges konnte Basch schon den Trupp Imperialer ausmachen, die lose zusammenstanden und sich unterhielten. Als sie sich näherten, nahmen die Soldaten Haltung an und der Truppführer salutierte.

„Eskorte zum Luftschiffterminal unter Leitung von Unteroffizier Krakku vollzählig anwesend, Eure Majestät.“

Larsa nickte huldvoll, wie er es immer tat gegenüber Personal und Militär.

„Das kaiserliche Shuttle ist fertig und bereit, Eure Majestät“, erklärte Krakku.

Seine Soldaten und er nahmen ihre jeweiligen Positionen ein, jeweils zwei vor und hinter dem Kaiser und Basch und begleiteten sie nach draußen. Die Gruppe lief in eine Hitzewand und unmerklich beschleunigte Larsa seine Schritte, um so schnell wie möglich in das temperierten Shuttle zu kommen, auch zum Wohl seiner Begleiter. Mittlerweile war es später Nachmittag und die Wolkenkratzer der Stadt warfen große Schatten in ihre Tiefen. Jedoch lag die Anlegestelle noch weit über den Wolkenkratzern und damit nach wie vor in prallem Sonnenschein.

„Willkommen, Eure Majestät“, begrüßte der Pilot Larsa.

„Guten Nachmittag.“

Der Kaiser nahm seinen gewohnten Sitzplatz ein, während ihm eine Stewardess Erfrischungen anbot. Der Pilot seinerseits, ein junger Mann von schlaksiger Figur und schwarzen, kurz geschorenen Haaren, flitzte in sein Cockpit. Ein kleines Ruckeln des Shuttles verriet den Passagieren, dass er die Bremsen gelöst hatte und sanft glitten sie nun in die übliche Reisegeschwindigkeit, die innerhalb der Stadt galt. Selbst für den Kaiser gab es keine Ausnahmen. Basch sah aus dem Fenster hinab in die Häuserschlucht, soweit es ihm möglich war. Nur sehr schlecht ließen sich Einzelheiten erkennen, aber er glaubte, fast keine Menschenseele in den Straßen auszumachen.

Wer es sich leisten kann, bleibt im Haus ‘, dachte er.

Larsa unterhielt sich leise mit dem Unteroffizier. Dieser sowie die anderen drei Soldaten hatten ebenfalls Platz genommen, als der Kaiser sie dazu aufgefordert hatte und wirkten verräterisch entspannt. Der Hauptmann gluckste innerlich. Vermutlich trauten sie der Nettigkeit des Kaisers noch nicht so recht und warteten darauf, dass er gleich irgendeine Anweisung erteilen würde, die sie zum Aufstehen veranlassen würde. Aber nichts dergleichen geschah.

„... letzte Woche“, schnappte Basch auf.

„Das freut mich für Sie. Haben sich Ihre Gattin und Sie schon für einen Namen entschieden?“, fragte Larsa.

„Wir haben an Tyra gedacht, Eure Majestät“, erzählte Krakku stolz.

„Ein schöner Name.“

Basch malte sich das Gesicht des Unteroffiziers innerlich aus. Vermutlich war es eine Mischung aus misstrauischer Wachsamkeit und erfreutem Unglauben darüber, dass sich der Kaiser für sein Privatleben zu interessieren schien. Die anderen Soldaten verfolgten die Unterhaltung stumm.

„Ich glaube, wir sind gleich da“, meinte der Hauptmann.

Sie flogen gerade einen Schlenker und der Pilot drosselte dann ihre Geschwindigkeit. Die Anlegestelle für kaiserliche Shuttles lag innerhalb des Terminals. Als sie ihren Steg erreicht hatten und die Luke sich öffnete, stand Basch mit den anderen auf. Der Pilot kam in den Passagierraum.

„Lasst die Maschinen bitte laufen, wir werden nicht lange brauchen.“

Der Angesprochene nickte. Krakku und seine Leute nahmen nun deutlich näher am Kaiser ihre Position ein als zuvor. Eine gesunde Portion Misstrauen, wenn sich der zu Schützende in der Öffentlichkeit bewegte und man für seine Sicherheit verantwortlich war, war nie verkehrt. Die Gruppe verließ das Shuttle und wandte sich dann nach rechts, dorthin, wo der Schalter für private Luftschiffe war. Entgegen Baschs Vermutung herrschte im Terminal Hochbetrieb. Trotz der widrigen Temperaturen ließen es sich die Bewohner Archadias nicht nehmen, auf Reisen zu gehen. Sie waren nur ein paar Schritte gegangen, schon hatte jemand den Kaiser erkannt und das Getuschel fing an. Vereinzelt zeigten Kinder mit ihren Fingern auf die Gruppe. Die Mitarbeiterin am Schalter schien ihren Augen nicht recht zu trauen, als der Kaiser höchstpersönlich auf sie zumarschiert kam und sie ansprach. Die Soldaten nahmen diskret Aufstellung, während Basch Larsas Rücken abschirmte.

„Wir erwarten Gäste, die mit ihrem eigenen Luftschiff anreisen. Sagen Sie, ist die Reks bereits gelandet?“

Erst im zweiten Moment reagierte sie und sah auf ihren Bildschirm.

„Die Reks ist vor etwa fünf Minuten gelandet... Eure Majestät. Momentan wird die Hangaraufsicht noch die Formalitäten mit dem Kapitän klären. Ich werde jemanden kommen lassen, der seine Majestät zur Reks begleitet“, stammelte sie.

„Danke, wir kennen den Weg“, meinte Basch stattdessen.

Larsa bedankte sich und die Gruppe setzte sich erneut in Bewegung.

„‚Wir kennen den Weg‘?“

„Ja.“

„Seit wann?“, fragte der Kaiser.

„Ich habe meine Quellen...“, erzählte Basch geheimnisvoll, „Außerdem habt Ihr mir zu verstehen gegeben, dass ich mich auf meine neue Heimat einlassen muss und die Stadt kennenlernen soll.“

Die Gruppe hielt auf einen Gang etwas weiter hinten im Terminal zu, der von zwei Mitarbeitern des Personals beaufsichtigt wurde. Sie wichen respektvoll zurück und ließen Larsa und sein Gefolge passieren. Nach mehreren Metern hatten sie den Privathangar erreicht, der von kleineren und größeren Maschinen frequentiert wurde. Die Reks stand an einem Ende. Basch kannte das neue Luftschiff seines einstigen Weggefährten noch nicht. Es wirkte filigran, aber dabei kraftvoll und wendig. Pilot und Copilotin sahen sich einem massigen Seek gegenüber, der ein Klemmbrett in seinen Händen hielt und wild mit seinen Armen gestikulierte, als würde er sich über irgendetwas aufregen.

„Warten Sie bitte hier“, bat Larsa die Soldaten.

Die schauten unsicher zu Basch, aber dieser nickte nur.

Hauptmann und Kaiser schlenderten gemächlich zu ihren Besuchern und dem Seek. Letzterer merkte allerdings trotz der klappernden Geräusche, die Baschs Rüstung bei jeder seiner Bewegungen von sich gab, nichts davon.

„... könnt hier nicht einfach so irgendeinen Stellplatz nehmen! Wo soll ich denn das Luftschiff parken, welches diesen Platz reserviert hat?! Unglaublich, diese Piloten von heute!“, ereiferte sich der Chef des Hangars gerade erbost.

Unschuldig grinste Vaan an dem Gesicht des Seek vorbei zu Basch und Larsa. Penelo ihrerseits sah weit weniger belustigt aus. Wahrscheinlich pflichtete sie dem Hangarchef bei, hielt aber aus reiner Loyalität gegenüber dem Piloten und ihrem langjährigen Freund aus Kindertagen den Mund. Als sie Baschs und Larsas Anwesenheit bemerkte, hellte sich ihr Gesicht auf. Weder Vaan noch Penelo antworteten dem Seek und er folgte erstaunt ihren Gesichtern, nur um dann den Mund einmal auf und zuzuklappen, ohne ein Wort hervorzubringen. Stand da tatsächlich der Kaiser vor ihm, nur begleitet von einem einzelnen Leibwächter?

„Ich bin mir sicher, ein kompetenter Mann wie Ihr es seid, wird für das Problem eine adäquate Lösung finden“, meinte Larsa freundlich, als sonst niemand etwas sagte.

Sprach der Kaiser etwa tatsächlich mit ihm, einem einfachen Seek aus noch einfacheren Verhältnissen, der nur allein aufgrund harter Arbeit zum Chef des Privathangars des Terminals ernannt worden war? Der junge Herrscher ließ sich zu einem kurzen Grinsen hinreißen, als er noch immer keine Antwort erhielt, während Basch nur verschmitzt auf das arme Schwein sah. Beide wandten sich nun an ihre Besucher.

„Die Frage, ob ihr gut hergefunden habt, erübrigt sich wohl“, meinte Larsa zu den beiden.

Er schüttelte ihnen nur höflich die Hand, schließlich waren sie noch in der Öffentlichkeit. Basch seinerseits schlug Vaan ordentlich auf den Rücken, was diesen aus dem Gleichgewicht brachte.

„Ihr habt euch kaum verändert seit dem letzten Mal“, meinte Penelo.

Der Kaiser und sein Leibwächter warfen sich kurz einen Blick zu.

„Ihr seid bestimmt müde vom Flug?“, fragte Basch und griff nach Penelos Reisetasche, die auf dem Boden neben ihr lag.

„Oh, lass mich das lieber selber tragen!“, meinte sie schnell.

„Hah!“

Larsa grinste noch mal kurz.

„Ihr müsst ihm seine Sturheit verzeihen.“

„Stur?“, fragte nun Vaan.

Er hatte eine bei weitem kleinere Tasche als Penelo gepackt. Männer schienen grundsätzlich nur einen Bruchteil der Menge an Gepäck zu brauchen, die eine Frau üblicherweise mitschleppte. Der Kaiser nickte dem Seek noch einmal nett zu und die vier setzten sich in Bewegung. Der Trupp Soldaten nahm wieder Haltung an und Krakku salutierte einmal zackig. Dann deutete er schüchtern auf die Besucher, genauer genommen auf die Waffen, die sie bei sich hatten.

„Ist schon in Ordnung“, meinte Larsa.

Basch nickte zur Bestätigung.

Krakku schien noch kurz unschlüssig zu sein, zuckte dann aber mit den Schultern. Die Imperialen nahmen wieder ihre Positionen ein und geleiteten die Gruppe nach draußen in den für die Öffentlichkeit zugänglichen Bereich des Luftschiffhafens.

„Ist der Aufwand echt nötig?“, flüsterte der Pilot zum Hauptmann.

„Ja. Darauf bestehe ich“, erwiderte Basch, „Außerdem würde es nicht mal der Senat zulassen, dass sich der Kaiser mit nur einer Leibwache als Begleitung in die Stadt begibt.“

„Aha.“

Vaan klang etwas verunsichert.

„Und im Palast läufst du auch immer in Rüstung herum?“

„Natürlich!“

„Auch bei dieser Affenhitze?“

Basch antwortete nicht. Nachher, wenn sie unter sich waren, würde er sie vermutlich doch ausziehen. Und das nicht nur wegen Larsas Aufforderung dazu. Mittlerweile stand der Hauptmann im Saft und die Rüstung machte es noch schlimmer.

„Sag, Vaan. Wie steht es in Rabanastre? Ist das Wetter dort auch so extrem?“, fragte er stattdessen.

„Noch schlimmer.“

Die Laune der beiden war nach der Wiedersehensfreude nun wieder in den Keller gerutscht. Dass nicht nur Archadia mit diesem Wetter zu kämpfen hatte, sondern auch Dalmasca und vermutlich auch Rozarria, bereitete ihnen Sorgen. Sie schwiegen, bis sie den kaiserlichen Palast erreicht hatten, während Penelo sich angeregt mit Larsa unterhielt.

„Drinnen ist es angenehmer“, meinte Basch, als das Shuttle an der Anlegestelle Halt machte. Die Imperialen begleiteten sie noch bis in den Palast hinein. Dort wollte sich Krakku mit seinen Leuten zurückziehen, aber der Kaiser hatte noch einen weiteren Auftrag für sie.

„Offizier Krakku, Hauptmann Basch möchte sich seiner Rüstung entledigen. Da ich sein Pflichtbewusstsein kenne, würdet Ihr ihm einen großen Dienst erweisen, wenn Ihr und Eure Männer uns noch zu meinen privaten Räumlichkeiten begleiten und dort für unsere Sicherheit und die unserer Gäste garantieren würden“, erzählte er.

Der Blondschopf sah nicht glücklich aus, während Vaan und Penelo sich das Lachen verkneifen mussten.

„Selbstverständlich, Eure Majestät!“

Der Unteroffizier schien erfreut darüber zu sein, dass der Kaiser seine Dienste noch weiter beanspruchen wollte. Einer der Imperialen nahm Penelos Tasche vom Hauptmann entgegen und folgte dann der kleinen Gruppe, während Basch zurück blieb.

„‚Sich seiner Rüstung entledigen‘... Hah!“

Aber genau das war es, was er jetzt tun wollte. Und dazu am liebsten noch ein ausgiebiges Bad nehmen, aber das würde zu lange dauern. Auch er war brennend daran interessiert, was sich in Ivalice so zutrug. Zwar war Basch durch seine Nähe zu Larsa immer bestens informiert, aber Freunde von früheren Abenteuern hatten noch einmal eine andere Sicht auf Vorgänge als politische Berater, Senatoren oder das Militär.

Der Hauptmann schlug einen anderen Weg ein, der ihn aber nichtsdestotrotz in die Nähe der kaiserlichen Gemächer führte, wo er ebenfalls einige Zimmer bewohnte.

Wenigstens Hände und Gesicht waschen‘, dachte er.

Als Basch in seinem Vorzimmer ankam, hatte er sich in Windeseile aus seiner Rüstung geschält. Eher schlecht als recht legte er die einzelnen Teile auf dem Rüstungshalter ab, lediglich sein Schwert, die Königinnenwache von damals, hängte er sorgfältig an einen Haken an der Wand. Die Rüstung würde er morgen wohl einer schnellen Reinigung unterziehen müssen.

Obwohl, wenn das Wetter morgen wieder so wird wie heute, erübrigt sich das.

Er ging in sein Badezimmer. Als sein Blick kurz in den Spiegel fiel, trat er irritiert näher.

„Was zum... Das war doch heute wirklich nicht lange“, brabbelte er verdrossen.

Basch zuckte mit den Schultern und stellte den Wasserhahn an. Das Nass war angenehm kühl, als er die Hände hinein tauchte. Der Hauptmann beschloss, die Wäsche doch etwas ausgiebiger als geplant ausfallen zu lassen und entledigte sich seiner Tunika. Einige Stellen seines Oberkörpers waren wundgescheuert von Schweiß und Rüstung und erzog scharf die Luft ein.

Naja, es hilft ja doch nichts.

Basch wusch sich vorsichtig aber gründlich den Oberkörper und tauchte zum Abschluss einmal den Kopf unter den Wasserstrahl. Danach trocknete er sich ab und ging in sein Schlafzimmer hinüber, um frische Kleidung aus dem Schrank zu holen. Er wählte ein ärmelloses, naturfarbenes Hemd und eine knielange Tunika mit weiten Ärmeln in braun mit goldenen Stickereien am Saum. Eine dunkelbraune Lederhose komplettierte das Bild.

„Soll ich oder soll ich nicht?“, fragte er sich.

Sein Blick war auf die Königinnenwache geheftet. Sollte Basch wirklich mit dem Riesenschwert zu dieser kleinen Wiedersehensfeier gehen? Larsa würde ihm vermutlich wieder Vorwürfe machen, wenn er damit anrückte und Vaan und Penelo würden sich ihrerseits wohl mulmig fühlen. Aber völlig unbewaffnet wollte er auch nicht gehen. Rein zufällig glitt sein Blick auf den Platindolch, der auf einer Kommode seinen Platz gefunden hatte. Anders als die üblichen Modelle, die man in Archadis kaufen konnte, war dieser eine Sonderanfertigung und reich mit Juwelen besetzt. Er stammte aus Noahs Erbe, das er seinem Bruder hinterlassen hatte. Trotzdem konnte auch dieser Dolch tödlich sein, wenn sein Träger mit ihm umzugehen wusste. Dennoch zögerte Basch. Er hatte die Waffe nie im Kampf benutzt, da sie für ihn viel zu wertvoll war, um sie dem Verschleiß preiszugeben.

Andererseits... Wir sind im Kaiserpalast. Und Vaan und Penelo sind auch nicht unbewaffnet. Sie werden schon selber wissen, dass Larsa im Notfall um jeden Preis beschützt werden muss.

Basch nahm den Dolch von seiner Halterung und betrachtete ihn andächtig. Kurz nachdem er Noahs Posten eingenommen und von Larsa dessen Vermächtnis erhalten hatte, hatte er versucht, die Herkunft der Waffe zu erforschen. Aber weder der Kaiser, noch eine der anderen hochrangigen Personen, mit denen sein Zwillingsbruder in Archadis zu tun gehabt hatte, konnten ihm darauf eine Antwort geben. Es schien, als hätte er gar keine sozialen Kontakte in Archadis geknüpft. Einerseits bedauerte Basch dies, andererseits konnte er es aber auch nachvollziehen. Man musste schon sehr tief in Archadis‘ Gesellschaft buddeln, um jemanden zu finden, bei dem es sich nicht um einen Speichellecker handelte. Mittlerweile vermutete der Hauptmann, dass der Dolch ein Geschenk eines seiner Vorgesetzten an Noah gewesen sein muss, doch ob es sich dabei um Imperator Gramis höchstpersönlich oder jemand anderen gehandelt hatte, blieb im Verborgenen.

Er zuckte mit den Schultern und öffnete die oberste Schublade der Kommode. Darin kam eine zu dem Dolch passende Scheide zum Vorschein, die ebenfalls aus Noahs Besitz stammte und die nur wenige Gebrauchsspuren aufwies. Basch band sie sich mit einem Gürtel um die Tunika und steckte dann den Dolch hinein.

Na dann kann es losgehen.

Der Blondschopf verließ seine Räumlichkeiten und machte sich auf dem Weg zu den kaiserlichen Gemächern, die nur einen Gang und eine kurze Treppe entfernt lagen. Als er bei der entsprechenden Tür ankam, grüßten ihn zwei der Imperialen, die sie am Nachmittag zum Terminal begleitet hatten. Sie hatten die Helme abgesetzt und sahen ihm freundlich schüchtern entgegen. Der Rechte öffnete seinen Flügel der Tür, um Basch einzulassen. Unteroffizier Krakku und der vierte Soldat taten im kaiserlichen Vorzimmer ihren Dienst, hatten sich aber ebenfalls der Helme entledigt. Sie machten einen eher entspannten Eindruck. Vier benutzte Gläser und eine Karaffe auf einem Beistelltischchen zeugten davon, dass Larsa für das leibliche Wohl der Soldaten gesorgt hatte.

„Sir!“

Krakku nahm wieder Haltung an und der andere folgte.

„Schon gut“, meinte Basch, „Irgendwelche Vorkommnisse?“

„Nein, Sir! Alles ist ruhig.“

„Gut. Sie können sich mit Ihren Männern zurückziehen, ich übernehme ab hier. ... Machen Sie eine Pause und erholen Sie sich von der Hitze.“

„Ja Sir! Das werden wir, Sir!“

Die beiden wandten sich zur Tür.

„Noch was...“

Krakku hielt verunsichert an.

„Gute Arbeit!“, lobte Basch.

„Vielen Dank, Sir!“

Der Unteroffizier verließ hocherfreut das Vorzimmer und schloss die Tür hinter sich.

Dann hätten wir das auch erledigt.

Basch drehte sich nach links, wo er gerade Penelo lachen hörte. Er ging zu der Tür und trat leise ein.

„... immer so formell?“, fragte die junge Frau gerade.

„In der Öffentlichkeit ja.“, antwortete Larsa.

„Mensch Penelo. Er ist doch der Kaiser“, ereiferte sich Vaan, „Da muss man auf seine Manieren achten.“

Penelo fächelte sich Luft zu.

Hat er ihn ihr doch noch gegeben...‘, dachte Basch.

„Früher war er aber nicht so ...“

„Abweisend?“, schlug Larsa vor.

„Ich wollte ‚distanziert‘ sagen.“

„Keine Sorge, Penelo“, schaltete sich der Hauptmann nun in das Gespräch ein, „Unser Larsa ist immer noch der Gleiche wie früher. Größtenteils.“

„Was heißt hier ‚größtenteils‘?“, ereiferte sich der Kaiser gespielt beleidigt.

„Nun“, setzte Basch an, „seit letztem Jahr seid Ihr mindestens wieder um einen halben Kopf gewachsen.“

Larsa schwieg verblüfft, während die anderen beiden nur grinsten. Damit hatte er nun nicht gerechnet. Statt seiner Leibwache zu antworten, begnügte er sich damit, Baschs Aufmachung einmal von Kopf bis Fuß zu betrachten.

„Das ist ein Anblick, den sieht man auch nicht alle Tage“, konterte er dann.

Basch verschränkte die Arme und sah genervt zur Seite.

„Ihr habt einen Sonnenbrand!“

Nun klang der Kaiser ehrlich betroffen.

„Das kommt vor“, antwortete Basch.

„Sollte es aber nicht...“, murmelte Larsa verdrossen.

„Man kann es nun nicht mehr ändern. Außerdem ist die Rötung nicht so schlimm, sie wird in ein paar Tagen wieder vergangen sein.“

Seine Scheuermale erwähnte er lieber nicht. Wenn der Kaiser davon erfuhr, dass Schweiß und Rüstung ihm die Haut wund gerieben hatten, würde er schnell eins und eins zusammenzählen und vermuten, dass es den anderen imperialen Soldaten ebenso ergehen musste. Nicht auszudenken, auf welche Ideen Larsa dann kommen würde. Soldaten würden dazu angehalten werden, ohne Rüstung herumzulaufen.

„Wie geht es euch sonst so?“, fragte Penelo, um vom Thema abzulenken, „Macht das Regieren noch immer Spaß?“

„Na ja...“

Basch ging zu dem Tisch hinüber, auf dem während ihrer Abwesenheit Erfrischungen und kleine Snacks vorbereitet worden waren und schenkte sich ein Glas Wasser ein, welches mit Zitronensaft versetzt war. Danach gesellte er sich zu den jungen Leuten, die es sich in der Sitzecke bequem gemacht hatten, die auf einen kleinen versteckten Garten mit Teich hinausblickte.

„Wenn das Regieren Spaß macht, dann läuft etwas schief“, sprang Basch Larsa zur Seite, „Als Herrscher steht das Wohl des eigenen Volkes an erster Stelle. Erst danach kommen seine eigenen Bedürfnisse. Das solltest du besser wissen, Penelo.“

„Ich weiß.“

Sie nickte beschämt.

„Ich mache mir nur Sorgen.“

„Das ist sehr nett von dir“, meinte Larsa leise.

Die beiden warfen sich einen Blick zu, der etwas länger hielt. Basch seinerseits zog eine Augenbraue nach oben.

„Dann schreib ihm weiterhin fleißig Briefe, Penelo“, meinte Vaan, „Damit er auch mal auf andere Gedanken kommt. Und unser Basch hier wird auch dafür sorgen, dass er sich nicht überarbeitet, stimmt’s?“

„Worauf du Gift nehmen kannst“, erwiderte der Hauptmann, „Aber jetzt sagt doch mal, wie ernst ist die Lage in Dalmasca wirklich? Habt ihr etwas von Ashe gehört?“

Die beiden Besucher sahen sich besorgt an und Basch konnte förmlich riechen, dass ihre Nachrichten keine positiven sein würden.

„Rabanastre hat einen Sandsturm hinter sich...“, erzählte der Luftschiffpilot leise.

„WAS?!“, rief Basch geschockt.

Vorbei war es mit guter Laune und der Selbstbeherrschung von Kaiser und Hauptmann. Der Blondschopf war aufgesprungen, während Larsa sich mehr unter Kontrolle hatte, sich aber ebenfalls entsetzt nach vorn gebeugt hatte.

„Erst einen Tag ist es her, da raste eine riesige, finstere Wand auf uns zu. Ashe hatte vorsorglich den Notstand in der Stadt ausrufen lassen, woraufhin die Soldaten dafür gesorgt haben, dass die Bewohner ihre Häuser verbarrikadierten. Selbst die Nomaden samt Cockatrice hat sie aus ihrer Siedlung in der Giza-Ebene in die Stadt schaffen lassen...“

„Die haben es gerade noch so in die Unterstadt geschafft“, murmelte Penelo verstört.

„Ja, aber deswegen konnte der Schild der Stadt nicht mehr rechtzeitig geschlossen werden. Rabanastre versinkt im wahrsten Sinne des Wortes im Sand.“

„Das darf nicht wahr sein!“, rief Basch alarmiert, „Weiß man, woher...“

„Aus der Westwüste“, antwortete Vaan, „Dort gibt es ja häufiger Sandstürme, aber nur sehr selten sind sie von der Stadt aus zu sehen. ... Dieses Mal jedoch... Bevor wir Kurs auf Archadis gesetzt haben, sind wir eine Runde über Dalmasca geflogen. Selbst in der Ozmone-Ebene ist ein bisschen von dem Sand angekommen!“

Larsa stand auf.

„Ich werde einen Unterstützungstrupp losschicken“, meinte er entschlossen, „Ashe steht mit dieser Katastrophe nicht allein.“

Die Hände des Kaisers bebten. Ihm schien das Schicksal des kleinen Königreiches ziemlich nahe zu gehen.

„Beruhigt Euch“, mahnte Basch, „Weiß man, wie viele Todesopfer es gegeben hat?“

„Vor unserem Abflug hatten wir versucht, Ashe zu erreichen. Aber sie hat alle Hände voll zu tun, weshalb wir sie nur zwischen Tür und Angel zu Gesicht bekommen haben. ... Sie meinte auch, wir sollen dich in jedem Fall davon abhalten, Hilfe zu schicken.“

Larsa starrte Penelo perplex an.

“Was? Warum?”, fragte er.

Basch seinerseits ließ die Schultern hängen. Auch Ashe konnte stur sein, wenn sie wollte.

„Sie möchte das Schlamassel selber regeln. Zeigen, dass Dalmasca mit solchen Krisen auch alleine klarkommt.“

„Aber das ist... verantwortungslos. Sie muss doch wissen, dass sie in einer solchen Situation jede Hilfe gebrauchen kann.“

Vaan und Penelo sagten nichts dazu. Aus der Politik hielten sie sich lieber raus.

„Schickt ihr lieber ein Schreiben, in dem Ihr Eure Hilfe anbietet. Dann kann sie selber entscheiden, wie sie vorgehen möchte. ... Aber was mich mehr interessiert, wieso seid ihr beide überhaupt hier?“

Pilot und Copilotin warfen sich wieder einen Blick zu.

„Na ja“, meinte Vaan verlegen, „Als wir Ashe aufgesucht hatten, wollten wir gerade fragen, wo sie unsere Hilfe am dringendsten brauchte. Stattdessen meinte sie nur, wir sollen es uns nicht erlauben, den Besuch beim archadischen Kaiser ausfallen zu lassen, nachdem wir es schon so lange geplant hatten.“

„Verdammt noch mal!“, schimpfte Basch.

Diese Frau konnte einen zur Weißglut treiben, seit sie das Zepter in Dalmasca wieder in der Hand hatte.

„Ich werde trotzdem morgen zurückkehren und versuchen zu helfen. Sie kann mich schließlich nicht dazu zwingen, weg zu bleiben“, fügte Vaan an, „Es reicht, wenn Penelo hier die Stellung hält.“

„Das ist wohl das Beste“, sagte sie.

Die junge Frau machte dabei aber keinen besonders glücklichen Eindruck. Basch schätzte, dass sie auch gerne in ihre Heimatstadt zurückkehren und beim Aufräumen helfen würde.

„Vaan, du würdest mir einen großen Dienst erweisen, wenn du mein Angebot von Hilfstruppen der Königin persönlich überbringen würdest“, bat Larsa.

„Kein Problem.“

„Vielen Dank. Ich hoffe, es bereitet dir keine Umstände, wenn ich es erst morgen Vormittag aufsetze?“

„So lange werde ich warten.“

Der Hauptmann seinerseits war aufgestanden und hatte angefangen, hinter der Sitzgruppe auf- und abzulaufen. Er hörte schon gar nicht mehr richtig hin, als Larsa fragte, ob seine beiden Besucher etwas von Balthier oder Fran gehört hätten.

Die stecken sonst wo‘, dachte der Hauptmann verdrießlich.

Nach Lemurés hatten sie von dem Luftpiraten und seiner Viera-Komplizin vorerst nichts mehr gehört. Später wurden dem Kaiser Berichte über Diebstähle in antiken Stätten zugetragen, die ganz die Handschrift ihrer alten Freunde getragen hatte.

Erst dieses brütend heiße Wetter in Archadis seit einigen Tagen, dann der Sandsturm in Dalmasca... Ich frage mich, wo das alles hinführt... Welche schlechten Nachrichten wohl Al-Cid aus Rozarria mitbringen wird?

„Basch! Ihr macht einen ja ganz nervös“, mahnte Larsa.

Der Gescholtene blieb stehen, wo er war und sah entschuldigend zu den dreien hinüber.

„Setzt Euch lieber hin und beratet mit uns, wie man Ashe am besten dazu bringen kann, Hilfe anzunehmen.“

„Ashe ist nicht dumm“, meinte der Hauptmann, „Sie mag zwar in vielen Dingen stur sein, wird aber zweifelsohne den Zeitpunkt erkennen, zu dem sie tatsächlich Hilfe annehmen muss.“

„Meint Ihr?“

„Ja, Eure Majestät. Ich kenne sie mittlerweile lange genug und so war sie schon früher. ... Gebt ihr nur die Zusicherung, sie in der Not zu unterstützen und sie wird die helfende Hand ergreifen, auch wenn es ihr selber gegen den Strich geht.“

„Euer Wort in ihrem Ohr.“

„Hätte sie nur unsere Hilfe angenommen, als wir kamen...“, meinte Penelo betrübt, „Die vielen Freunde in Rabanastre, von denen wir nicht wissen, wie es ihnen geht...“

Basch kratzte sich betroffen am Bart.

„Keine Sorge! Ich werde Kytes und die anderen als erstes aufstöbern, wenn ich zurück bin“, versicherte ihr Vaan, „Denen ist bestimmt nichts passiert.“

„Du bist ja der Optimismus in Person“, stellte der Kaiser fasziniert fest.

Der Blondschopf sah verlegen zur Seite.

„Ich kann die Situation eh nicht mehr ändern, also versuche ich, das Beste aus ihr zu machen. Außerdem war Kytes schon immer ein Weltmeister im Weglaufen. ... Aber wo wir gerade dabei sind, wir waren damals ja nicht für lange in deiner Hauptstadt. Ist es hier immer so heiß um diese Jahreszeit?“

„Üblicherweise nicht“, erzählte Larsa, „Der Frühling ist ja noch nicht vorbei. Von daher sind diese heißen Temperaturen in der Tat etwas, das man im Auge behalten muss.“

„Dann habe ich definitiv die falsche Garderobe eingepackt“, stellte Penelo fest.

Vaan lachte und auch Basch ließ sich zu einem Kichern hinreißen. Trotzdem war die Stimmung ob der Probleme in Ivalice nach wie vor gedrückt.

„Du kannst dich ja neu einkleiden, solange du in Archadis bist. Die hiesige Mode steht dir bestimmt“, meinte Larsa höflich.

Bei dem Kommentar verschluckte sich der Pilot fast an seinem Lachen.

„Dieser olle Charmeur!“, warf er dem Kaiser vor.

„Larsa hat in seinem Alter schon sehr viel mehr Manieren, als du sie je haben wirst, Vaan!“, schimpfte Penelo.

Basch stellte belustigt fest, dass sich die beiden trotz allem nicht allzu sehr verändert haben. Sie feixten wie früher.

„Na und? Es gibt auch wichtigeres für einen Mann als Frauenkleidung!“

„Es ist auf jeden Fall galanter, wenn ein Mann sich auch damit auskennt. Das zeugt davon, dass er Interesse für die Themen einer Frau aufbringen kann.“

Der Kaiser machte ein höchst amüsiertes Gesicht.

Solange er nur für ein paar Stunden die tägliche Last vergessen kann...‘, dachte dessen Leibwache.

„Wieso sollte er das?“

„Oh man, Vaan. Natürlich um eine Frau zu beeindrucken.“

Penelo schüttelte ungläubig den Kopf, während Larsa vergnüglich lachte.

„Das hat ja bei ihm noch etwas Zeit...“, meinte der Pilot.

Nach einem kurzen Moment schauten die drei jungen Leute interessiert auf Basch. Er hörte auf zu lachen und verschränkte die Arme.

„Was?“, fragte er nach einer Minute Starrens gereizt.

„Na ja... Larsa hat noch Zeit. ... Aber was ist eigentlich mit dir?“, fragte Vaan rundheraus.

„Was soll mit mir sein?“

Der Schwarzhaarige kicherte fröhlich vor sich hin, jetzt, wo Basch noch unwilliger aussah als gerade eben. Zusammen mit seinem Sonnenbrand gab der Hauptmann gerade ein Bild für Götter ab.

„Gibt es denn niemanden in deinem Leben? Ich meine, Larsa ist ja noch jung, aber...“

„Hah! Willst du damit etwa sagen, dass ich alt werde?“, konterte Basch.

Vaan redete sich um Kopf und Kragen, während Penelo nur daneben saß und immer wieder ungläubig den Kopf schüttelte.

„So hab ich das nicht gemeint...“

„Ihr müsst ihm verzeihen, Hauptmann Basch ist ein viel beschäftigter Mann“, kam ihm der Kaiser zu Hilfe.

Trotzdem war die momentane Situation zum Erbarmen. Auf der einen Seite ein Mann, der kurz vor den 40 stand und in seiner Vergangenheit nicht wirklich Zeit und Muße gehabt hatte, sich mit dem anderen Geschlecht zu befassen. Auf der anderen Seite drei junge Leute, die versuchten, ihn diesbezüglich zu Zugeständnissen zu bewegen.

„Wieso bin ich eigentlich jetzt der Mittelpunkt eures Interesses?“, fragte Basch beleidigt.

„Wir wollen dich doch nicht ärgern“, versicherte Vaan, „Wir sind nur neugierig.“

„Hah!“

„Läufst du eigentlich häufig in deiner Rüstung herum?“, fragte Penelo beiläufig.

„... Warum fragst du das?“

Misstrauen pur, während Larsa und Vaan wieder zu gackern anfingen.

„Nun ja, ich könnte mir vorstellen, dass das bei Frauen ziemlich Eindruck schindet“, erklärte die einzige Frau in der Runde verlegen.

„Aha... Wenigstens eine Person hier, die ehrlich ist.“

Die vier beruhigten sich wieder etwas und schwiegen eine Weile. Grillen konnte man aus dem kleinen Garten zirpen hören. Mittlerweile war es Nacht geworden, doch noch immer herrschte drückende Wärme in dem großzügigen Raum.

„Was willst du morgen machen?“, fragte der Kaiser.

„Weiß nicht. Ich möchte dich ungern von deiner Arbeit abhalten“, erklärte Penelo, „Vielleicht werde ich deinen Vorschlag, neue Kleidung zu kaufen, in die Tat umsetzen.“

„Tu das! Wir werden sicher jemanden finden, der dich durch die Stadt begleitet.“

Die Blicke richteten sich wieder auf Basch. Erschöpft ließ dieser den Kopf sinken.

„Aber nur, wenn wir jetzt alle brav ins Bett gehen“, meinte der Hauptmann, „Es ist schon spät und der Kaiser muss morgen wieder früh aus den Federn.“

Kollektive Enttäuschung schwappte ihm entgegen, aber Basch blieb streng. Vaan und Penelo konnte er zwar schlecht vorschreiben, wann sie zu schlafen hatten, schließlich waren sie schon volljährig. Aber bei Larsa achtete er genau darauf, dass dieser genügend Erholung bekam.

„Ich werde euch noch zu euren Zimmern begleiten“, bot der Hauptmann an, als sie aufstanden.

Die beiden Besucher verabschiedeten sich vom Kaiser, wünschten ihm noch eine gute Nacht und folgten Basch dann auf den Gang hinaus. Nachdem sie ihm eine Weile durch die Gänge gefolgt waren, seufzte Penelo.

„Hier würde ich mich nie alleine zurecht finden...“, meinte sie.

„Man gewöhnt sich dran“, verriet der Hauptmann, „Ich werde euch morgen zum Frühstück abholen.“

„Oh.“

Wieder Schweigen.

„Wie geht es ihm denn wirklich?“, fragte Vaan dann.

„Wem? Larsa?“

„Ja. ... Ich habe ihn gefragt und er meinte nur blendend. Aber er machte einen abgekämpften Eindruck auf mich.“

„Tja. Das ist die Bürde der Herrschaft. ... Macht Ashe auf euch einen anderen Eindruck?“

Die beiden überlegten kurz.

„Eigentlich nicht“, antwortete Penelo dann, „Nur kann sie es scheinbar besser verbergen.“

„Mach dir keine Sorgen. Larsa ist noch jung und hat bei weitem nicht so viel durchgemacht wie unsere liebe Königin. In ein paar Jahren wird man ihm die Last der Verantwortung auch nicht mehr ansehen.“

Vaan brummelte etwas Undeutliches, als sie ihre Gästeräumlichkeiten betraten.

„Hört mal her ihr beiden“, fing der Hauptmann autoritär an, „Larsa hat sich seit Wochen auf euren Besuch gefreut. ... Ich mich ebenso. Achtet bitte darauf, dass er in der Zeit, die er mit euch verbringt, seine Sorgen etwas vergessen kann. Der Kaiser wirkt durch sein Verhalten zwar furchtbar erwachsen, trotz allem ist er aber immer noch erst 14 Jahre alt.“

„Was erwartest du eigentlich von uns?“, fragte Vaan leicht verunsichert.

„Versteh das bitte nicht falsch. Ich weiß, dass ihr beide keine bösen Absichten hegt. Trotz allem war nicht jeder davon begeistert, dass ihr keine Wache vor euer Gästezimmer gestellt bekommt, so wie es der Kaiser gewünscht hatte. Tut mir also den Gefallen und schleicht nicht nachts im Palast herum.“

Dabei blickte er besonders Vaan länger an, als nötig.

„Ich werde schon auf ihn Acht geben“, versicherte Penelo schnell.

„Meint ihr, ihr seid morgen um 7:30 Uhr fertig?“, fragte Basch dann.

„So früh schon?“

Der Pilot schien entsetzt.

„Larsa frühstückt sonst eigentlich noch eher am Tag...“

„Ich denke, wir werden es hinkriegen.“

Die junge Frau war wie immer die Vernünftigere der beiden. Vaan seinerseits sah nicht glücklich aus, nickte dann aber nur ergeben.

„Schlaft gut, ihr beiden.“

„Gute Nacht!“

„Nacht...“

Basch ließ die beiden allein und kehrte in seine eigenen Räume zurück, um sich schlafen zu legen.
 

* * *
 

„Meintest du das eigentlich ernst?“, flüsterte Vaan, als die beiden in ihren Gästebetten lagen.

„Was?“

„Dass Basch in seiner Rüstung Eindruck schindet?“

Penelo wälzte sich in ihrem Bett herum, um ihren langjährigen Freund auf der anderen Seite sehen zu können.

„Er sieht ja nicht schlecht aus mit seinem Spitzbärtchen und so... Aus rein weiblicher und objektiver Sicht gesprochen...“

„Aha.“

„Was ‚aha‘?“

„Na ich wusste ja schließlich nicht, dass dein Geschmack in diese Richtung geht.“

„Um Himmels Willen, Vaan! Was denkst du denn?“

Ihr Gesprächspartner setzte sich im Bett auf und schaute dahin, von wo er Penelos Stimme hörte. In der Dunkelheit der Nacht konnte er zum Glück nicht sehen, dass sie etwas rot geworden war im Gesicht.

„Dass du vorhin ziemlich direkt zu ihm warst?“

„Irgendeiner musste ihm ja gegen deine lästige Fragerei beistehen. ... Was ist eigentlich in dich gefahren? Baschs Privatleben geht uns nicht mal was an.“

„Wieso? Man wird sich doch wohl noch erkundigen dürfen. Aber jetzt lenkst du vom Thema ab! ... Findest du Rüstungen wirklich so toll?“

„Herrje, Vaan. Das einzige, was ich damit sagen wollte ist, dass Frauen in Baschs Alter ihn in der Aufmachung interessant finden könnten. Nur deshalb habe ich gefragt.“

„... Mit anderen Worten, du hast dich genauso für das Thema interessiert wie ich!“

Jetzt klang der Pilot beleidigt. Penelo ihrerseits hatte genug. Sie drehte sich wieder um und starrte an die Wand.

„Oh Mann. Lass morgen die Fragerei einfach sein, okay?“, grummelte sie.

Vaan murmelte nur ein ‚ja‘ und nahm bald darauf Penelos gleichmäßige Atemgeräusche wahr. Sie war eingeschlafen.



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