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Unangenehme Wahrheiten

Kapitel 14: Unangenehme Wahrheiten


 

„Wow“, sagte Temari, „so muss sich Sarah Hazlett gefühlt haben, als sie nach fünf Jahren endlich mit Johnny Smith geschlafen hat.“
 

Shikamaru sah sie mit hochgezogener Braue an.
 

„Wo hast du denn das her?“, fragte er.
 

Sein Atem streichte ihre Wange und sie unterdrückte den Seufzer der Glückseligkeit, den sie so gerne heraus gelassen hätte.

Vor zweieinhalb Stunden hatte sie sich selbst auf einen Fernsehabend voller Langeweile eingestellt. Und nun lag sie nackt in ihrem Bett und hatte es mit ihrem Ex getan. Was für eine Wendung!
 

„Kennst du The Dead Zone?“

„Im Moment schon.“

Sie lachte. „Eigentlich meinte ich einen Roman, aber gut.“

„Und ich dachte, du redest wieder Blödsinn.“

„Wie wäre es, wenn du mich nicht so durcheinander bringen würdest? Tauchst hier auf, ohne dich vorher anzumelden; küsst mich, damit ich die Klappe halte …“
 

Er drückte ihr einen Kuss auf und sie dachte: Und noch mal.
 

„Genau das meinte ich“, sagte sie. „Aber ohne den Überraschungsmoment bringt es nichts, sorry.“
 

Shikamaru grinste und sie zwickte ihm in die Brust.
 

„Wenigstens bist du wieder die Alte. Dieses Verklemmte passt nicht zu dir.“
 

Das wusste sie selbst am besten. Sie war froh, dass sie diese Eigenschaft so rasch wieder losgeworden war. Sex war als Blockadenlöser nicht zu unterschätzen.
 

Sie strich sich ein paar schweißnasse Strähnen aus dem Gesicht und dachte an das Buch.
 

Ob Sarah ihrem Mann gegenüber ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie ihn mit der verflossenen Liebe betrogen hatte?

Nicht, dass sie die Situation mit ihrer eigenen vergleichen konnte, aber …

Mist, warum hatte sie das betreffende Kapitel erst vor ein paar Tagen gelesen? Zufälle, die ihr ihren Vorsatz, den sie wieder nicht eingehalten hatte, ins Gedächtnis zurückbrachte.

Ja, sie musste es ihm sagen. Auch auf die Gefahr hin, dass es die Stimmung ruinierte.
 

„Vorhin“ – sie zog vor Aufregung an ihrer Unterlippe herum – „als du mich vorhin gefragt hast, ob ich jemanden habe … da hab ich dir nicht die Wahrheit erzählt.“
 

Scheiße!, dachte sie und wünschte sich, dass sie es noch ein wenig länger für sich behalten hätte. Harmonisches Beisammensein nach dem ersten Sex seit über sechzehn Monaten – der perfekte Moment für diese Mitteilung!
 

Temari sah, wie sein Grinsen verschwand und Unverständnis zurückblieb.
 

„Verdammt“, fluchte er, „wenn ich das gewusst hätte, dann –“

„Hättest du mich nicht gevögelt?!“, sagte sie und lachte humorlos. „Schon klar …“
 

Sie wandte den Blick von ihm ab, um seine Enttäuschung nicht sehen zu müssen und musterte den Lichtkreis ihrer Nachttischlampe an der Zimmerdecke. Er bewegte sich nicht und sie wollte nicht, dass dieses Gespräch wie er stillstand.
 

„Ich weiß nicht, ob ich überhaupt mit ihm zusammen bin“, erzählte sie weiter. „Ich hab mich ein paar Wochen lang mit ihm getroffen und als er letzte Woche mit mir schlafen wollte … Na ja, erst wollte ich auch, aber dann konnte ich es doch nicht. Er hat mich nicht verstanden und deshalb hab ich ihn rausgeschmissen.“

„Du konntest nicht?“
 

Sie schüttelte den Kopf, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob er es sah.
 

„Ich kam mir wirklich bescheuert vor“, sagte sie. „Ich meine, da hab ich einen netten Typen, der sich wirklich für mich interessiert, und was ist mit mir? Ich trauere nach fast eineinhalb Jahren immer noch unserer Beziehung nach.“
 

Ihr Magen drehte sich einen Augenblick. Das Klümpchen, das sich dort gebildet hatte, verschwand und hinterließ nach der Erkenntnis, dass sie es ihm gebeichtet hatte, nur Behaglichkeit. Selbstvorwürfe ade!
 

„Ich wollte es dir schon die ganze Zeit erzählen, aber als du mich dann direkt danach gefragt hast, wollte ich mir die Chance nicht verbauen, dass das mit uns doch wieder in Ordnung kommt. Ich weiß, es war nicht der richtige Weg damit zu warten, bis –“

„Du redest viel zu viel“, unterbrach Shikamaru sie.
 

Temari fühlte seine Umarmung und wie sich seine Finger zu ihrer Hand vortasteten.
 

„Außerdem“, fuhr er fort, „war ich vorhin auch nicht ehrlich zu dir.“
 

Der Klumpen kehrte zurück. Ihr Griff verstärkte sich und ihre Nägel bohrten sich in seinen Handrücken.
 

„Du hast doch ’ne Freundin, oder?“

„Nein.“
 

Sie ließ locker und versuchte seine Mimik zu deuten. Der altbekannte Gleichmut war weg, aber bevor sie wusste, was sie sah, wandte er seinen Blick ab.
 

„Ich hab meine Leiche im Keller ausgepackt“, meinte sie. „Also?“
 

Seine Augen huschten zur Seite und lagen wieder auf ihr und es beschlich sie das Gefühl – nein, die Gewissheit –, dass es unangenehm wurde.
 

„Du weißt noch“, setzte er an, „damals im Krankenhaus …“
 

Ein Seufzen.

Es reizte sie nicht die Erinnerung daran auszupacken, nachdem sie das Szenario gerade in die hinterste Schublade ihres Gedächtnisses verbannt hatte.
 

„Ich hab gehört, was du gesagt hast. Und Sakura hat es mir tags darauf auch noch mal erzählt.“
 

Sie hatte eine Ahnung, worum es ging. Und es löste Unbehagen in ihr aus.
 

„Und was hast du genau gehört?“, fragte sie forsch, drückte seine Hand fester und merkte, wie sich sein Puls beschleunigte.

Er wich er ihrem Blick ganz aus und sagte: „Dein Verdammt, es geht nicht, weil ich schon schwanger bin, du Idiot! verfolgt mich heute noch.“

„Und das sagst du mir erst jetzt?“ Sie schüttelte seine Geste ab und löste sich aus seiner Umklammerung. „Das ändert alles!“
 

Er zeigte keine Reaktion und das regte sie noch mehr auf.
 

„Ich dachte, ich bin die ganze Zeit die Böse, weil ich es vor dir verheimlich habe! Und jetzt das?!“ Sie fluchte. „Was – verdammt noch mal! – ist denn los mit dir?“

„Sag mir doch, was mit dir los ist!“, gab er zurück. „Hast du ernsthaft geglaubt, dass ich dich verlassen hätte? Und von dem Kerl erzählst du mir erst, als es schon zu spät ist.“

„Was sollte ich auch anderes glauben, wenn du ständig betont hast, dass du noch keine Lust auf Kinder hast?“ Sie malträtierte die Bettdecke zwischen ihren Fingern, um ihm vor Ärger keine Ohrfeige zu verpassen. Und das wollte sie zu gerne. „Hätte ich dir sagen sollen: Pech gehabt, ist schon eins unterwegs!?

„Zum Beispiel!“

„Und was hätte das gebracht? Du wusstest es doch und bist trotzdem erst jetzt hergekommen!“ Der Stoff riss und sie warf ihn weg. Sie wandte sich wieder zu Shikamaru um und ihre Wut machte ihrer Enttäuschung Platz. „Ich versteh nicht, wie du mit dem Wissen, dass ich dein Baby bekomme, überhaupt normal weiterleben konntest.“

„Meinst du wirklich, dass für mich alles beim Alten geblieben ist?“ Sie hörte die Mühe, die er hatte, um seine Fassung zu bewahren.
 

Sein Blick traf ihren und sie fühlte sich schlecht.
 

„Gar nichts ist normal weiter gegangen. Ich hab jeden Tag an dich – an euch beide – gedacht und mich schuldig gefühlt. Ich hätte damals alles stehen und liegen lassen und dir folgen sollen.“
 

Er sah weg und sie hatte das Bedürfnis, ihn zu trösten.
 

„Und was hat dich davon abgehalten?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort kannte. „Dein angekratztes Ego, weil ich dich abserviert habe?!“
 

Temari verfluchte ihre Fragerei. Es tat ihm offensichtlich leid und trotzdem hämmerte sie auf ihn ein. Ein holpriger Start für einen Neuanfang.
 

„Was denkst du denn?“, gab Shikamaru zurück.

„Diese chauvinistische Einstellung war schon immer dein größtes Problem“, sagte sie und ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln.
 

Sie dachte an ein paar verbale Schlagabtausche, die sie aus dem Grund gehabt hatten. Klar, es war beschissen, dass es daran gescheitert war, aber …
 

Sie gab ihren Abwehrhaltung auf, rückte wieder an seine Seite und hauchte ihm einen Kuss auf.
 

„Bist du nicht mehr wütend?“ Überrascht blickte er sie an.

„Wütend, glücklich, durcheinander …“ – und das war sie, alles auf einmal – „Wen interessiert’s?“
 

Sie küsste ihn erneut.
 

---
 

Temari rieb sich die linke Seite ihrer Stirn. Die Stelle war heiß und puckerte auf ekelhafte Art und Weise.
 

„Tut’s noch weh?“
 

Am liebsten hätte sie ihm für diese Frage eine gescheuert, doch sie konnte nur lachen.
 

„Ja, aber ich werd’s überleben“, sagte sie. „Aber wie zur Hölle kommst du auf die Idee, mir so was zu sagen?“

„Woher sollte ich wissen, dass du dich so erschreckst?“

„Du hast noch nie dabei geredet. Außerdem macht man keine Liebesbekundungen, während man es jemandem besorgt!“

„Sagt wer?“

„Ich!“

„Und was ist so falsch daran?“

„Es ist merkwürdig.“
 

Das tat der Tatsache keinen Abbruch, dass sie sich darüber freute, doch es blieb für sie komisch. Wenn sie das Matsuri erzählte – wovon sie nicht ausging –, lachte sie sich darüber kaputt.
 

„Warum ist es merkwürdig?“, hakte Shikamaru weiter nach.

„Hör auf zu fragen!“ Sie machte sich nicht die Mühe, ihre Erheiterung zu verbergen und setzte nach: „Das letzte Mal ist zwei Jahre her und dann sagst du es ausgerechnet dann? Deine Hormone müssen wegen der langen Durststrecke dein Gehirn ausgeschaltet haben.“

„Du nennst eine halbe Stunde ’ne Durststrecke?“

„Es waren vierzig Minuten“, verbesserte sie ihn. „Und ich meinte die Zeit davor. Wie viel es auch immer gewesen ist …“

„Du willst es wissen, oder?“

„Es interessiert mich schon“, gab sie zu, „aber meine sechzehneinhalb Monate kannst du nur unterbieten.“

„Ich biete genauso viel.“

„Dann ist mit deiner Freundin – oder was auch immer – nichts gelaufen?“

„Nein, es waren nur ein paar Dates“, sagte er. „Du warst dem Ganzen offenbar sehr viel näher als ich.“
 

Koutarou …

Es waren erst ein paar Tage vergangen, aber ihr kam der Zeitraum schon viel länger vor. Seltsam, wenn sie bedachte, dass sie sich heute Morgen noch darüber den Kopf zerbrochen hatte, wie sie das mit ihm geradebiegen konnte.
 

„Was meine Verabredung betrifft, oder wie ich ihn auch immer bezeichnen soll“, begann Temari. „Ich werde ihm so bald wie möglich erklären, was Sache ist.“
 

Er schwieg.
 

„Ich dachte immer, dass es ein echt beschissenes Gefühl sein muss, wenn man jemanden betrogen hat“ – ihre Finger kreisten über seine Brust – „aber jetzt, wo ich Erfahrung damit habe … Ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass ich mich schlecht fühle.“
 

Er strich über ihren Oberarm und in ihrem Inneren breitete sich eine Wärme aus. Ja, sie fühlte sich fantastisch. Nicht grauenvoll und von Schuldgefühlen geplagt.
 

„Findest du wirklich, dass es Betrug ist?“, fragte er.

„Irgendwie ja, irgendwie nein“, antwortete sie. „Es wäre mir einfach wohler, wenn ich ihm vorher gesagt hätte, dass ich nicht die Richtige für ihn bin. Aber stattdessen …“ Sie drehte sich nach rechts und schmiegte sich noch mehr an seine Seite. „Mal ehrlich: Hättest du wirklich die Finger von mir gelassen, wenn ich dir vorher von ihm erzählt hätte?“
 

Egal, wie seine Antwort ausfiel, sie bereute ihre Entscheidung nicht, dass sie es erst für sich behalten hatte. Shikamaru gegenüber nicht.
 

„Ich hätte es versucht“, sagte er. „Eigentlich hab ich keine Lust, in so komplizierte Dinge hineinzugeraten.“

„Und uneigentlich hatten wir beide es verdammt nötig“, bemerkte sie mit einem Schmunzeln. „Weißt du, ich hätte wahrscheinlich jeden abserviert, wenn es die Hoffnung gegeben hätte, dass wir wieder zusammen sein könnten.“

„Meinst du?“

„Ja“, erwiderte sie. „Abgesehen von meinen Gefühlen für dich sind diese neumodischen Familienmodelle auch nicht unbedingt das, was ich mir vorgestellt habe.“ Sie lachte.

„Und wenn ich demnächst draufgehe?“

„Dann bleibt mir keine andere Wahl, außer für den Rest meines Lebens alleine zu bleiben. Und darum reiße ich mich nicht.“
 

Er legte seinen Arm fester um sie und sie spürte seine Lippen an ihrer Schläfe.

Mit einem Seufzen schloss sie die Augen. Sein Geruch stieg ihr in die Nase. Das Gemisch aus Schweiß und Sex war noch dasselbe wie damals.

Ihr Daumen und Zeigefinger wanderte zu ihrer Wange und sie drückte zu. Es war kein Traum. Nach wie vor.
 

„Soll ich es noch mal sagen?“, fragte er in die Stille hinein. „Oder wäre es in diesem Moment auch merkwürdig?“

„Nein“, sagte sie, „jetzt wär’s okay – zwar mit Ankündigung, aber okay.“

„Nur okay?“
 

Temari antwortete mit einem Auflachen und fuhr sich über die Schramme an ihrer Stirn. Sie pochte im Gleichklang mit ihrem Herzschlag und sie überlegte, wie sie den Bluterguss, der sich morgen dort auf jeden Fall abzeichnete, kaschieren sollte. Pony schneiden und dann einen Seitenscheitel tragen? Oder sollte sie die Geschichte dahinter erzählen, wenn Fragen kamen? Nein, das Letztere behielt sie für sich. Mit einer Ausnahme vielleicht.
 

„Mehr als ein Okay bekomme ich wohl nicht“, meinte Shikamaru amüsiert und verkreuzte die Finger mit der ihrer freien Hand. Ein paar Sekunden Schweigen, dann sagte er: „Ich liebe dich!“
 

Sie drehte sich noch ein Stück und bettete ihr Kinn auf ihrem Unterarm, der auf seinem Oberkörper ruhte und schaute ihn an.
 

„Ich liebe dich auch“, sagte sie mit einem Lächeln.
 

Er zog die Augenbrauen nach oben und tat überrascht.
 

„Dann war’s diesmal nicht seltsam?“

Sie schnaubte vor Belustigung. „Überhaupt nicht.“
 

---
 

Sein Atem streifte ihren Hals und ihr Herz, das vorm Zusammenbruch stand, machte einen zusätzlichen Sprung.
 

„Dreimal?“, keuchte sie und stieß ein unterdrücktes Kichern aus. „Was ist denn in dich gefahren?“

„Keine Ahnung“, sagte er atemlos. „Aber wenigstens kannst du drüber lachen.“

„Ich musste nur gerade daran denken, dass dir sonst ein zweites Mal schon zu anstrengend ist“, erwiderte sie. „Und ja, im Vergleich ist es irgendwie witzig.“
 

Temari fuhr ihm durch die verschwitzen Haare im Nacken zu seinem Rücken. Mit sanftem Druck massierte sie seine feuchte Haut. Sie vernahm ein Seufzen.
 

„Falls du es noch ein viertes Mal vorhast“ – sie schloss ihre Finger um sein Handgelenk, das auf ihrem Oberschenkel lag – „Ich klinke mich aus!“

Shikamaru seufzte erneut und sagte: „Dann solltest du besser damit aufhören.“

Sie hielt inne. „Ist das dein Ernst?“
 

Diesmal stieß er ein Lachen aus.
 

„Ich bin doch nicht verrückt!“
 

Sein Lächeln erleichterte sie ungemein. Sie erwiderte es und setzte ihre Massage fort.
 

„Jetzt weiß ich zumindest, warum du mich vorhin schneller ausgezogen hast, als ich bis fünf zählen konnte.“
 

Ein Schulterzucken.
 

„Kam mir gleich komisch vor. Ich hätte wissen müssen, dass es nicht bei dem einen Mal bleibt.“ Sie belächelte sich selbst. „Ich quassle schon wieder Unsinn. Dreimal Sex in zwei Stunden bekommt mir nicht.“

„Offensichtlich“, flachste er.

Sie zwickte ihm in den Nacken und sagte: „Dir offensichtlich auch nicht.“
 

Sie warf einen Blick auf die Uhr.

Ihr blieben keine fünfeinhalb Stunden, bis Kairi aufwachte.
 

„Ich geh dann schlafen“, meinte sie. „Dein Kind schmeißt mich jeden Morgen um sechs aus dem Bett und die paar Stunden bis dahin kann ich echt gebrauchen.“

„So früh schon?“

„Mir wäre es auch lieber, wenn sie dafür tagsüber weniger schlafen würde, aber da kann man nichts machen.“ Sie schaltete die Lampe aus und legte sich zurück. „Von mir hat sie das jedenfalls nicht.“

„Von mir auch nicht“, erwiderte er und sie lachte.

„Am Tage kommt es hin, aber ihr nächtliches Schlafverhalten muss wohl eine Generation übersprungen haben.“ Sie lehnte sich an seine Schulter und schlang ihren rechten Arm um seinen Oberkörper. „Schlaf gut.“
 

Als Antwort küsste er ihre Stirn.
 

Temari quittierte es mit einem Seufzen und schloss die Augen.

Anstatt zu schlafen ließ sie den Tag noch einmal Revue passieren. Es war beängstigend, wie viel sich in so kurzer Zeit ändern konnte und doch machte es sie – mit winzigen Abstrichen – glücklich. Eine Sache musste sie erledigen – eine unangenehme –, aber dann …

Ja, was dann?
 

Sie wusste nicht, wie sie die Frage formulieren sollte und gab den Versuch auf. Geistig war sie um diese Uhrzeit ohnehin nicht mehr aufnahmefähig und so war es das Beste, es die Nacht zu überschlafen und –
 

„Möchtest du nicht wieder mit zurück nach Konoha kommen?“
 

Sie zuckte zusammen.

Warum musste er ihr zuvorkommen? Ausgerechnet jetzt, wo sie todmüde und zu einer vernünftigen Diskussion nicht mehr fähig war?

Sollte sie so tun, als wäre sie eingeschlafen?

Nein, darauf fiel er nicht herein.
 

„Ich weiß nicht“, antwortete sie, öffnete die Augen und starrte in die Dunkelheit. Sie war unglaublich froh, dass sie ihn jetzt nicht sehen konnte. „Ich weiß nicht“, wiederholte sie, „ob es so eine gute Idee ist, Kairi aus ihrem gewohnten Umfeld zu reißen.“
 

Ein brillanter vorgeschobener Grund.

Es hieß ja, dass Kinder in dem Alter Veränderungen besser verkrafteten – warum sollte das bei ihrer Tochter anders sein? –, aber ihren Brüdern so den Umgang mit ihr zu nehmen war keine schöne Vorstellung. Den Tritt konnte sie Kankurou nicht verpassen, nachdem er sich von Geburt an so um Kairi gekümmert hatte. Und für Gaara war es emotional ein Rückschlag, wenn sich nicht nur seine Schwester aus dem Staub machte, sondern auch seine Nichte mitnahm, die ihm inzwischen so sehr ans Herz gewachsen war.

Und der egoistische Hauptgrund: Sie selbst wollte unter keinen Umständen zurück nach Konoha. Als sie das Dorf nach der Trennung verlassen hatte, hatte sie dieses Kapitel zugeschlagen und dabei blieb es. Zwar war sie dort immer von den Menschen herzlich aufgenommen worden, aber sie hatte sich trotzdem wie eine Fremde gefühlt. Ihr verklärter Wunsch nach einem normalen Familienleben, den sie vor ein paar Tagen in einem Gespräch mit Matsuri geäußert hatte, änderte nichts daran.

Auch wenn sie sich noch so oft einrede, dass es anders war – nein, anders sein musste: Sie gehörte nach Sunagakure. Die Wüste mit ihren heißen Tagen und eiskalten Nächten, brennendem Sonnenschein und zehrender Trockenheit war ihr Zuhause, nicht das blühende Feuerreich.
 

„Sie ist doch noch so klein“, sagte er. „Das wird schon irgendwie.“
 

Temari seufzte.
 

„Daran zweifle ich nicht“, erwiderte sie. „Aber ich glaube, du verstehst mich nicht. Ich möchte nicht zurück.“

„Und warum?“, fragte Shikamaru. „Wärst du vor eineinhalb Jahren etwa nicht geblieben?“

„Ungern, aber dir zuliebe vielleicht …“

„Vielleicht?“
 

Sie hatte keine Lust, dieses Thema ausgerechnet jetzt auszudiskutieren. Sie wollte darüber schlafen und –

Eine Kurzschlussreaktion.
 

„Warum bleibst du nicht einfach hier?“
 

Ihre Hand, die auf seiner Brust lag, spürte, wie sein Atem einen Zug aussetzte. Ernüchterung überkam sie, ihr wurde kalt und die Haare an ihren Armen stellten sich auf.
 

„Versteh schon“, flüsterte sie mit belegter Stimme. „Die selbstauferlegten Pflichten rufen.“
 

Sie verfluchte sie allesamt. Sein Versprechen, das er Asuma gegeben hatte und das an Naruto, seine Drecksarbeit zu machen, falls er es jemals zum Hokage schaffte. Diese dämliche Wille-des-Feuers-Mentalität …

Und sie verfluchte sich selbst, weil sie sich trotz des Wissens dieser Dinge in ihn verliebt und auf eine Beziehung eingelassen hatte. Eine Fernbeziehung, in der sie sich zwei Drittel des Jahres nicht gesehen hatten und aus der ein wundervolles Kind entstanden war. Ein Kind, das die Sache kompliziert machte.
 

„Du musst dich ja nicht sofort entscheiden“, sagte er. „Es wäre nur einfacher, wenn du mitkommen würdest.“

„Die einfachste Lösung wäre, wenn du bleiben würdest“, gab sie zurück und setzte etwas ruhiger nach: „Ich meine, Wille des Feuers hin oder her: Dein König ist hier.“
 

Diesmal war er es, der zusammenzuckte. Sie hatte den Trumpf gegen ihn ausgespielt, den er sonst so gerne ins Spiel brachte.

Ein Gedanke kam ihr. Er tat ihr leid – wahnsinnig leid –, doch sie sprach ihn aus.
 

„Ich liebe dich und es tut weh, das zu sagen“ – ihre Kehle schnürte sich zusammen –„aber vielleicht wäre es besser gewesen, wenn du nicht hergekommen wärst.“
 

Er drückte ihr einen Kuss auf und umarmte sie fester.
 

„Wir reden morgen, okay?“

Sie blinzelte eine einsame Träne weg. „Okay, morgen.“
 

Es gab kein morgen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Normalerweise kann ich Foreshadowing nichts abgewinnen (das ist so ein Punkt, der mich an Stephen King tierisch nervt), aber hier musste es sein. Außerdem kann man den Schlusssatz ja in so viele Richtungen interpretieren.
The Dead Zone ist natürlich ein Roman von Stephen King. Johnny Smith ist der Hauptcharakter und Sarah (damals noch Bracknell) war seine Freundin, bevor er in ein jahrelanges Koma gefallen ist. Empfehlenswerte Geschichte. :)
Ansonsten bin ich mir nicht sicher, ob ich’s mit dem Sex nicht ein bisschen übertrieben habe, aber wenn es die Charaktere so lange nicht hatten, warum nicht? :D
Da ich ab Montag (mit Glück ist dieses Kapitel dann freigeschaltet) Besuch habe, wird das nächste Kapitel ein paar Tage länger auf sich warten lassen. Aber bei den raschen Updates hier dürfte das mal zu verschmerzen sein. :D

Ich danke fürs Lesen! =)
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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Stef_Luthien
2015-03-21T21:31:38+00:00 21.03.2015 22:31
Waaah, das Ende ist so .... abrupt (ich hoffe das wird so geschrieben '^-^ )
Das ganze Kaputel hat so cool angefangen und dann wurde es immer trauriger, wie ich fand. Es lag daran, dass die beiden wieder darüber geredet haben wer nun in welches Dorf ziehen soll.
Ich bin gespannt wies weiter geht und hab iwie ein bissl Angst davor. ;)
Antwort von:  Rabenkralle
22.03.2015 13:28
Dankeschön für deinen Kommentar! :)
Ich würde das Ende weniger als abrupt (ja, du hast es richtig geschrieben :D) bezeichnen. Es ist mehr so eine unerwartete Wendung, finde ich.
So was wie eine Vorahnung? ;D

Liebe Grüße,
Rabenkralle
Von:  fahnm
2015-03-21T20:07:15+00:00 21.03.2015 21:07
Spitzen Kapitel
Antwort von:  Rabenkralle
22.03.2015 13:25
Danke!
Von:  Micah_Mc_Kogane
2015-03-21T18:38:49+00:00 21.03.2015 19:38
Interessantes Kapi :D
Mh.. Ende.. Joar.... Ich frag mich WIE es dann weitergeht.. Mh.... Da heißt es wohl warten..
Naja bin gespannt, warten ist zwar blöd über geht schon ^^
Antwort von:  Rabenkralle
22.03.2015 13:25
Dankeschön für dein Feedback! :)
Ach ja, ich würde ja gerne was dazu sagen, aber ich hülle mich mal lieber in Schweigen. Sonst ist die ganze Spannung ja futsch.

Liebe Grüße,
Rabenkralle


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