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Winter Carols

von

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Türchen 21 - Wintersonnenwende

Stickig und voll.

Mit anderen Worten konnte man die Hallen der Messe nicht beschreiben. Profi- und Hobbyfotografen, Models, Visagisten und Assistenten drängten sich durch die kleinen Wege und um die Stände. Es gab noch ein gutes durchkommen, aber viele Möglichkeiten gab es nicht mehr. Dabei war die Messe erst seit vier Stunden eröffnet und der Tag hatte erst angefangen.

Auch, wenn die Messe hauptsächlich für die Profifotografen interessant war, schienen sich auch andere auf den neuesten Stand der Technik bringen wollen, so dass es eben rundum gut besucht war.

Viele Fotostudios hatten ihre Leute mitgebracht und eine Art Ministudio errichtet, so wie ihr Chef es auf dem Weihnachtsmarkt getan hatte. Dazu gab es auch Visagisten, die sich schnell um ein gutes Make up kümmerten und man sich zu kleinen Preisen Fotos machen lassen konnte. Eine gute Webestrategie und es zeigte gleich, was das Studio zu bieten hatte. Es gab den Leuten direkt ein gutes Gefühl, dass man auf sie einging und sich um sie kümmerte. Zudem nutzten es auch viele, um noch ein gutes Foto zu bekommen, was sie an Weihnachten verschenken würden.

Auch der Stand vom Fotostudio ihres Chefes, der mit der Kaiba Corporation zusammen einen großen Stand betrieb, war gut besucht. Viele Visitenkarten und Flyer gingen über das aktuelle Jobangebot weg wie warme Semmel. Aber auch Visagisten und Profimodels erkundigten sich über eventuelle Arbeiten.

Ihr Chef war recht zufrieden und auch stolz über die Zusammenarbeit mit dem großen Konzern. Denn es bedeutete auch für ihn neue Kunden und Aufträge. Aber es war auch eine gute Gelegenheit neue Kontakte zu Fotografen und alten Freunden zu knüpfen, um sich gegenseitig auszutauschen und Empfehlungen zu geben.

Sehen und gesehen werden war das Motto.

Grade unterhielt er sich mit einem alten Fotografenfreund und sie diskutierten ausgiebig über ein neues Objektiv, was dieser sich geholt hatte. Naomie hatte auch Gesprächsfetzen gehört, was es noch für Zeiten waren, als sie noch mit einem Film gearbeitet hatten und die Fotos in einem Labor mit abgedunkelter Kammer entwickelt werden mussten. Sie konnten sich darüber stundenlang auslassen.

Es war ein buntes Treiben und Naomie steckte mitten drin.

Innerlich verfluchte sie Seto noch immer für die Idee und würde ihm am liebsten den Hals umdrehen, denn trotz dessen, dass die Feiertage kurz vor der Tür standen, waren die Halle rappelvoll.

Sie schwitzte ein wenig durch die vielen Lampen und den Leuten. Die Räume waren erfüllt von dem Geruch der Menschenmasse und sie verfluchte auch die Hallen dafür, dass man hier kein Fenster öffnen konnte.

Naomie strich sich ein paar Haare zur Seite und wischte sich damit unauffällig über die Schläfe und eine nervige Schweißperle ab.

Mehrere Kameras waren auf sie gerichtet und die warmen Scheinwerfer machten es nicht einfacher. Ihre Handinnenfläche schwitzte ein wenig, so dass sie immer wieder das Mikro in die andere Hand nehmen musste.

Hinter ihr war eine große Leinwand errichtet worden und ihr Bild wurde von den Kameras in Übergröße projiziert.

Es war ein merkwürdiges Gefühl sich selbst im Augenwinkel zu sehen und zu sehen, was man zeitgleich auf der Bühne tat.

Immer wieder warf es sie kurzzeitig aus der Bahn, so dass sie eine Pause machen musste.

Sie pustete sich kurz Luft zu und bemerkte in den hinteren Reihen eine Bewegung. Ihr Herz fing direkt an schneller zu pochen, aber es war nur eine junge Frau mit einem knalligen Outfit und lilafarbenem Haar.

Kurz suchten ihre Augen die Reihen ab, soweit es möglich war durch die helle Beleuchtung die Leute zu erkennen.

Doch sie konnte Seto nirgendwo sehen. Naomie konzentrierte sich wieder auf ihren Vortrag.

Irgendwo hoffte sie, dass er in der Reihe sitzen und ihrem Vortrag zuhören würde. Aber er hatte ihr bei dem Essen gestern auch gesagt, dass er wohl nicht vorbei schauen würde, da er noch so viel mit der Planung der Gala zu tun hatte. Dennoch war da die Hoffnung, dass er sich für sie Zeit nehmen würde.

Leider hatte sie auch keine Chance mehr gehabt mit Siegfried etwas Essen zu gehen, da sie gestern Abend schon zur Messe fahren musste. Naomie hatte ihm nur eine kurze SMS schreiben können, was los war. Zu mehr war sie nicht mehr in der Lage gewesen.

Als sie gestern Abend im Hotel angekommen war, war sie auch zu müde gewesen, um ihm noch ausführlicher zu schreiben.

Irgendwie hatte sie ja schon ein schlechtes Gewissen, aber ändern konnte sie die Dinge auch nicht. Vielleicht würde er sie ja besuchen, wenn sie ihn darum bat.

Denn das Hotel konnte noch so gemütlich und bequem sein und das Bett noch so groß, aber es brachte ihr eine Gesellschaft, um mal mit jemanden zu reden und die ganze Zeit an ihrem Chef hängen oder Kollegen wollte sie nicht. Ebenso wenig nur lesen, auch wenn sie sich ein Buch und eine Zeitschrift über die neuesten Fototipps und Tricks eingepackt hatte. Auf Dauer wurde das auch langweilig.

Sie konzentriert sich wieder auf den Vortrag und trat an den kleinen Tisch heran auf dem der Laptop stand.

„Wie Sie sehen, habe ich durch die Veränderung des Kamerawinkels ein vollkommen anderes Bild erzeugt“, erklärte sie und versuchte nicht zu schnell zu sprechen und nicht zu nuscheln. Ihre Stimme klang durch die Lautsprecher merkwürdig fremd.

Sie tippte kurz auf dem Laptop etwas ein und zog das Foto in das Bildbearbeitungsprogramm.

„Mit Hilfe des Programms kann ich auch ein paar Feinheiten an dem Foto bearbeiten“, erklärte sie und zeigte den Leuten Schritt für Schritt die wichtigsten Bearbeitungen. „Mit dem Pflaster kann ich kleine Hautunebenheiten retuschieren. Dazu klicke ich nur auf eine Hautstelle und kopiere sie dann auf die, die ich bearbeiten möchte. So sind Pickel oder Augenringe ganz schnell verschwunden.“

Geduldig und langsam erklärte sie auch, wie man die Lichtverhältnisse verbesserte und schaute auch kurz in die Menge, um zu sehen, ob die Leute mitkamen. Immer wieder wechselte sie das Mikro, weil es drohte ihr aus der Hand zu rutschen.

„Aber achten Sie auch auf Kleinigkeiten“, erklärte sie, „Hier sehen sie, dass ein Muttermal mit kopiert wurde. Das kann aber mit einem Klick sofort wieder verschwinden. Schauen Sie also immer gründlich nach, ob wirklich alles in dem Bild stimmt.“

Naomie spürte, wie die Leute ihr gebannt zuhören und an ihren Lippen hingen. Einige stellen kurze Fragen, wenn sie nicht mitkamen oder es nicht verstanden hatten von der Akustik.

Doch es lief alles gut und gegen jede Erwartung hagelte es keine Kritik, weil sie noch so jung war und das zum ersten Mal machte.

Aber Naomie war auch froh, wenn die Arbeit hier erledigt war. Sie wollte aus dem Scheinwerferlicht heraus und kurz frische Luft schnappen. Zudem spürte sie auch, dass sie dringend etwas trinken musste und eine Kleinigkeit essen.

Obwohl sie gefrühstückt hatte, knurrte ihr Magen leise vor sich hin. Das sie am Morgen auch beim Frühstücksbuffet dabei gewesen war, hatte sie Seto zu verdanken.

Er hatte nämlich seine Drohung wahr gemacht und sie tatsächlich aus dem Bett geklingelt. Zuerst war es nur eine SMS gewesen mit: „Morgen, Zeit zum aufstehen“. Doch schon fünf Minuten später war die zweite gefolgt. „Das Frühstück wartet unten. Beeil dich oder du musst hungrig zur Messe.“

Als sie auch darauf nicht reagiert hatte, hatte er sie solange angerufen bis sie an ihr Handy heran gegangen war. Seine Stimme hatte munter geklungen, als wäre er schon ewig wach und könnte sich ihren Anblick gut vorstellen, wie verschlafen sie gewesen war. Dabei war es halb sechs am Morgen gewesen und ihr Hirn hatte nur den Befehl zu Brummlauten gegeben, weshalb das Gespräch recht schnell beendet gewesen war. Kaiba hatte dennoch amüsiert geklungen und kurz hatte sie den Gedanken gehabt, dass er mal nicht ihr Chef war, sondern ihr Freund und sie deswegen weckte. Doch den hatte sie schnell zur Seite geschoben.

Müde hatte sie sich unter die Dusche gequält und war dann zum Frühstück gegangen. Naomie hatte sogar Zeit gehabt ihre Mails zu checken und hatte die Nachricht von Siegfried noch beantworten können, in dem er sie alles Mögliche fragte, was sie essen wollte und nicht mochte, damit seine Köche bescheid wussten.

Sie schloss das Programm auf dem Laptop und die Leinwand blieb weiß.

„Danke für Ihre Aufmerksamkeit!“, sagte sie freudig, „Der Workshop „Wie fotografiere ich ein Model perfekt“ findet in einer Stunde hier in Halle A statt. Zeitgleich findet „Bildbearbeitung für Fortgeschrittene“ in Halle D statt. Besuchen Sie auch unseren Stand hier in der Halle unter Abschnitt C. Wir arbeiten zusammen mit der Kaiba Corporation und aktuell finden Sie auch dort einige Flyer zu Jobangeboten. Vielen Dank!“

Die Leute erhoben sich und nahmen ihre Sachen mit. Einer nach dem anderen verließ den Platz.

Naomie übergab das Mikrofon einem der Techniker und verabschiedete sich. Sie brauchte dringend etwas zu trinken. Ihre Kehle fühlte sich an, als hätte sie Schmirgelpapier zum Frühstück gehabt statt ein leckeres Rührei und Toast mit Marmelade.

„Nach dem langen Reden fühlt man sich immer ausgetrocknet, oder?“

Naomie fuhr herum und entdeckte Seto auf einem der Sitzplätze.

„Du hast mich erschreckt“, sagte sie mit einem Grinsen und ihr Herz hüpfte vor Freude, dass er doch noch gekommen war.

Seto saß auf einem der Stühle in der hinteren Reihe, gut versteckt, so dass sie ihn auf der Bühne nicht hatte sehen können. Auf seinem Schoß lag ein Programmheft.

Wie lange hatte er schon dort gesessen und ihrem Programm gelauscht?

Er stand auf und legte den Flyer auf den Sitzplatz zurück.

„Du sagst zu mir, dass du das noch nie gemacht hast, aber dafür war es gut“, sprach er sein Lob aus und sie tat es mit einem Schulterzucken ab.

„Ich war ziemlich nervös.“

„Habe ich dir angesehen.“

„Oh naja…“

„Aber mach dir keine Sorgen, die Leute haben es dir nicht angesehen. Sie haben an deinen Lippen gehangen und dir gelauscht.“

Seine Stimme klang kurz leise und sein Blick lag auf ihren Lippen, als würde er grade selbst den Gedanken haben, ihrem Mund nahe zu sein und sie zu küssen.

Naomie fiel auf, dass sie sich schon lange nicht mehr geküsst hatten. Ihr letzter Kuss war in seinem Schlafzimmer gewesen, nachdem sie von ihren Großeltern zurückgekommen war. Es schien ihr wie eine Ewigkeit her zu sein. Damals war sie sich so sicher gewesen nichts zu empfinden und jetzt wünschte sie sich, er würde ihre Abmachung vergessen und ihr wieder näher kommen.

Sie standen sich so nahe, dass sie sich nur nach vorn beugen musste und schon würden sie sich küssen. Kurz überlegte Naomie diesen Gedanken in die Tat umzusetzen, doch das Kratzen in ihrem Hals, unterbrach sie, so dass sie sich abwandte und kurz hustete.

„Tschuldige…mein Hals fühlt sich total kratzig an.“

„Du solltest jetzt was trinken. Weiter vorn am Eingang ist ein kleiner Stand mit Getränken.“

Naomie nickte. „Ich sag eben nur meinem Chef Bescheid. Gehst du schon vor?“

Seto nickte und schnell drängte sie sich durch die Menge zum Stand.

Kurz teilte sie ihrem Chef und den Assistenten aus der Kaiba Corporation mit, dass sie in die Pause gehen würde. Sie bekam noch einen neckenden Spruch zu hören, wann sie und Kaiba endlich zusammen kämen, doch Naomie ignorierte es.

Schnell ging sie Richtung Ausgang.

Am Getränkestand wartete Seto. Er hatte schon einen Kaffee im Pappbecher in der Hand und sobald sie näher kam, reichte er ihr einen zweiten.

„Ich hab dir Tee bestellt“, erklärte er auf ihren fragenden Blick hin.

„Danke“, nuschelte sie und nahm den Becher entgegen. Er fühlte sich warm an und sie trank vorsichtig einen Schluck. Das heiße Getränk war eine Wohltat für ihren Hals und sie spürte kurzzeitig eine Linderung.

„Ich hoffe, meine Stimme bleibt mir erhalten“, sagte sie leise und räusperte sich und pustete sich etwas Luft zu. Es war absolut stickig hier und sie hatte das Gefühl zu ersticken.

Etwas angespannt bewegte sie auch den Kopf. Es war alles in allem anstrengender als sie gedacht hatte.

„Mit der Zeit wird dir das auch leichter fallen“, sagte Seto ruhig und trank einen Schluck. Sie konnte den Kaffee riechen.

„Ich hoffe es“, brachte sie raus und beobachtete, wie er etwas mehr Zucker in den Becher gab und verrührte. „Aber es freut mich, dass du es doch geschafft hast, her zukommen. Das ist toll!“

Fast wäre ihr rausgerutscht, dass sie ihn schon angefangen hatte zu vermissen, konnte es sich aber grade noch verkneifen.

„Sag mal, hast du Hunger?“, fragte sie und deutete zum Ausgang, „Ich hab jetzt eine Pause und würde gern was Essen gehen. Außerdem brauch ich frische Luft.“

„Hast du wieder nicht gefrühstückt?“, fragte er mit einem strengen und kühlen Blick.

„Doch, du hast mich ja immerhin schon um halb sechs aus den Federn geholt.“

„Es war nur zu deinem Besten.“

Naomie brummte und nahm den Becher mit, als sie nach draußen gingen. Außerdem konnte sie sich so ungestört unterhalten, ohne dass irgendwelche Leute ihn vielleicht sogar fotografieren wollten.

„Also? Hast du heute früh was gegessen?“, hakte er nach.

„Ja, habe ich.“

„Dann war es doch gut, dass ich dich geweckt habe.“

„Du bist aber nicht mein Weckdienst“, konterte sie und überlegte nach dem Essen einen kurzen Abstecher in die Stadt zu machen, um sich Halsbonbons zu holen. „Oder mein Freund, der für mein persönliches Wohl sorgen muss.“

Kurz warf sie ihm einen Seitenblick zu. Er ignorierte den Satz geschickt, erwiderte aber ihren Blick und tat es damit ab, dass er einen Schluck aus dem Kaffeebecher trank. Wieder musste sie sich Räuspern, um das Kratzen los zu werden.

„Ich glaube, morgen hab ich gar keine Stimme mehr. Hast du eine Idee, was mir helfen kann?“ Fragend sah Naomie den Firmenchef an. Wenn einer ihr einen guten Tipp geben konnte, dann vermutlich er. Er war es gewohnt Präsentationen zu halten und hatte dementsprechend trainierte Stimmbänder.

Ob vielleicht Halsbonbons helfen würden?

Eine Menschengruppe kam ihr entgegen und jemand rempelte sie an.

„So…oh Naomie“, sagte jemand und sie drehte sich um. Sie hatte auch schon zu einer Entschuldigung ansetzen wollen, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken.

Sie brachte lediglich ein heiseres röcheln raus.

„Wie geht es dir?“, fragte der junge Mann mit den rot-braunen Haaren.

„Ryuichi…ich…hi…“, stammelte sie und schluckte schwer, so dass sie die Schmerzen im Hals deutlicher spürte. Ihre Hand umklammerte den Becher fester, als er näher an sie heran trat.

„Was machst du hier?“

„Ich arbeite hier“, antwortete sie ruhig und trat einen Schritt zurück. Ihr Herz raste und viele Erinnerungen kamen ihr hoch, die nicht besonders angenehm waren.

Ihr Exfreund zwinkert ihr verschwörerisch und frech zu.

„Und jetzt machst du Pause?“

Sie nickte.

„Dann werde ich mal später nach dir Ausschau halten“, antwortete er etwas frecher. Sie kannte den Tonfall zu gut von früher. Damals hatte er es geschafft sie damit rum zu kriegen und sie einzulullen, dass sie ihm recht schnell verzieh. Auch nachdem er ihr Fremd gegangen war, hatte er es auf diese Art versucht. Aber da war sie standhaft geblieben.

„Tu das“, murmelte sie und biss sich kurz auf die Lippen. Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter.

„Kommst du? Wir wollten doch was essen gehen.“ Seto drückte ihre Schulter ein wenig und zog sie an sich.

Ryuichi entging Seto nicht und unwillkürlich trat er zurück. „Wer ist das? Dein Freund?“

„Also…“ Was sollte sie sagen? Sie konnte die Frage schlecht bejahen.

„Wenn es so wäre, hättest du ein Problem damit?“, fragte Seto scharf und nahm ihr damit die Antwort ab.

Was tat er da? Gab er sich grade wirklich als ihr Freund aus? Das konnte nicht wahr sein!

Naomie spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg.

„Na dann viel Spaß euch beiden“, sagte ihr Exfreund und zwinkerte ihr zu. Er drehte sich um und Seto führte Naomie aus dem Eingangsbereich raus.

Sie wusste nicht, was sie sagen sollte und trank erstmal den Tee weiter.

„Ich nehme an, es war dein Ex?“, fragte er leise und seine Hand ruhte noch immer auf ihrer Schulter. Naomie nickte.

Er brummte leise.

„Deiner Reaktion entnehme ich, dass du dich nicht so sehr über sein auftauchen freust, wie er sich über deines?“

Naomie seufzte. „Richtig…Was sollte das eigentlich grade? Jetzt denkt er, du und ich…“

Sie machte eine Bewegung mit der Hand, die zeigen sollte, dass sie beide zusammen wären.

„Spielt das eine Rolle? Hauptsache er lässt dich in Ruhe.“

„Und das ging nicht anders?“

„Nicht mit deiner Reaktion eines toten Goldfisches. Also wirklich…du hattest die Abwehrhaltung eines Guppys!“

„Ich bin kein Guppy!“

„Was dann? Ein toter Hamster?“

Als sie die Hallen verließen, zog Naomie die frische Luft ein. Es kam ihr vor, als würde sie aus einer anderen Welt wieder in die Realität eintauchen.

Es schneite dicke Flocken und hatte die Straßen wieder mit einer weißen Schicht überzogen. Dabei hatte es am Morgen noch nicht so ausgesehen und es hatte sogar ein wenig angefangen zu tauen.

Jetzt flogen ihr die Flocken ins Gesicht und der kalte Wind kühlte ihr Gesicht ab. Naomie zog den Schal etwas höher und hielt kurz inne, um sich einen Überblick über das Gelände zu verschaffen. Nun wo kleine Busse die Besucher brachten und viele interne Messewagen herum fuhren, dazu die vielen Leute, war es doch recht unübersichtlich.

„Sag mal, was ist noch zwischen dir und deinem Ex passiert?“, fragte Seto und holte sie aus ihren Gedanken.

„Wie meinst du das?“

„Ich hab den Eindruck, dass etwas passiert ist zwischen euch außer Sex mit dem Ex und dass er dir Fremd gegangen ist und frag nicht, ich sehe es dir an der Nasenspitze an.“

„Ich will nicht drüber reden“, sagte sie und umklammerte den Teebecher. Er wärmte ihre Finger und vielleicht sah Seto auch nicht, dass es ihr unangenehm war.

„Vielleicht solltest du das aber“, erwiderte er ruhig, „Immerhin scheint dich sein Anblick ziemlich aus der Bahn zu werfen.“

Naomie seufzte. Er konnte sie lesen wie ein offenes Buch. Wieso konnte er das? Aber das war eben auch ein Grund, wieso sie ihn mochte. Er konnte ihre Gefühle sehen, ohne dass sie etwas sagen musste.

„Okay…er hat mir einmal ziemlich weh getan, okay?“

„Er hat dich geschlagen?“ Setos Tonfall wirkte, als würde er gleich umkehren und ihn schlagen wollen.

„Nein, nein…es…also…“ Kurz sah sie sich um und senkte die Stimme. „Mir ist das echt unangenehm…bitte, sag es keinem! Es ist beim letzten Mal passiert als wir…naja…Sex hatten.“

„Soll heißen er hat an dir irgendwelche Sadomasosachen probiert?“ Diesmal klang der Tonfall als würde er ihn lieber foltern wollen.

„Mach ich nicht Lustig! Nein…es war…“ Sie hielt inne. Es war schwer es auszusprechen. Ein paar Flocken landeten auf ihrem Gesicht und sie spürte die Hitze auf ihren Wangen. „Also wir waren mitten drin und er hat mich von hinten genommen und….“ Sie zögerte. „Er ist rausgerutscht….“

Sie hörte ein Hüsteln von Seto, als würde er versuchen ein Lachen zu unterdrücken. Mahnend sah sie ihn an und er hob abwehren die Hände. „…und als er wieder in mir rein wollte ist er dabei…“

Naomie machte eine Geste mit der Hand.

„Was?“, hakte Seto nach und hob eine Augenbraue.

„Er hat dann anal…“, nuschelte sie leise.

„Oh. Verstehe.“

„Es tat ziemlich weh und ich hab ihn angefleht aufzuhören, aber er fand das so erregend, dass er mehrfach zugestoßen hat. Ich hab mich unter ihm weg gezogen und es tat einfach nur weh…Ich hab meine Sachen genommen, bin abgehauen. Später hab ich gemerkt, dass ich auch etwas geblutet habe…und mir ist das einfach nur peinlich, weißt du…“

Sie fuhr sich verlegen durch die feuchten Haare.

„Dein Ex ist Schuld, nicht du“, sagte Seto ruhig, „Außerdem sollte er sich schämen, dass er weiter gemacht hat, obwohl du Schmerzen gehabt hast. Wärst du meine Freundin, hätte ich das nicht gemacht.“

„Was aber nie sein wird…“, kommentierte sie ruhig.

„Sag niemals nie“, antwortete er mit einem frechen Grinsen und Naomie musste schmunzeln. Sie knuffte ihn in die Seite. „Lass uns endlich Essen gehen, du Idiot.“

„Gerne doch, du verrückte Alte.“

Naomie lachte ein wenig und ging die Treppe hinunter und über das Gelände. Ihr Hals schmerzte durch das Lachen ein wenig mehr.

„Okay…wo sollen wir Essen?“, fragte Naomie und deutete die Straße entlang. „Dort hinten ist ein Schnellimbiss und wenn wir etwas weiter gehen, kommen wir zur Innenstadt und dort sind Restaurants.“

Fragend sah sie zu Seto.

„Ich habe eine andere Idee. Komm mit“, sagte er und nahm ihre Hand und führte sie in die Seitenstraße.

Er ließ ihre Hand nicht los. War ihm eigentlich bewusst, dass sie grade sowas wie Händchen hielten und dass er sie damit völlig aus dem Konzept brachte und dass es ebenso gegen ihre Abmachung verstieß?

Ihre freie Hand schob sie in die Jackentasche und sah zu Boden. Was, wenn jemand sie so fotografierte? Hatte er überhaupt an die Möglichkeit gedacht?

„Sag mal, wie lange bist du hier?“, fragte sie und sah auf ihre verschlungenen Hände. Klopfte nur ihr Herz so oder seines vielleicht auch?

Naomie schluckte schwer und genoss das Gefühl.

„Ich bin nur heute da. Morgen muss ich wieder zu einigen Terminen“, antwortete er und zog sie in eine weitere Seitenstraße.

Den Trubel von der Messe bekam man hier schon gar nicht mehr mit.

Sie seufzte leise und hatte es sich schon fast gedacht, dass er nicht viel Zeit hier verbringen würde. Sie würde also diese kleine Geste genießen, wenn er ihr schon so entgegen kam.

Bedeutete das nicht auch, dass sie ihm wichtig war, wenn er sich extra die Zeit dafür nahm? Oder war es doch nur wegen des Standes seiner Firma? Aber da waren doch die Berichte seiner Assistenten.

Es war verwirrend und schlau aus ihm wurde Naomie auch nicht.

„Zurück zu deiner Frage von vorhin…“, fing er an.

„Welcher Frage?“

„Was helfen könnten.“

„Oh achso…“ Im ersten Moment vielen ihr viele Dinge ein, die helfen konnten, wie ihn zu küssen, mit der Zunge in seinen Mund zu gleiten und seinen Geschmack auskosten. Seine Lippen gierig küssen und an seiner Unterlippe zu knabbern, während seine Hände sich in ihre Haare vergruben.

Das würde schon mal helfen ihr Verlangen nach ihm zu stillen, aber das war es sicherlich nicht, worauf er hinaus wollte.

„Also ich kann dir den Rat geben, dass du dich entspannen solltest vor einer Präsentation. Du brauchst, wenn du ein Mikrofon hast, deine Stimme nicht anstrengend. Du kannst ganz normal reden, wie wir es grade tun. Versuch dir auch eine Trinkfalsche mit auf die Bühne zu nehmen, so dass du immer wieder einen Schluck trinken kannst. Glaub mir, die Leute nehmen es dir nicht übel, wenn du das tust. Im Gegenteil, du bist dann nicht jemand, der unerreichbar ist.“

Fragend sah Naomie ihn an.

„Ich versteh es auch nicht ganz, aber diese kleinen Dinge helfen den Menschen zu verstehen, dass du kein Übermensch bist, sondern so wie sie selbst. Es macht dich einfach menschlich und sympathisch.“

„Verstehe“, sagte sie ruhig und schluckte schwer, als hätte sie einen Knoten im Hals.

„Deine Pausen waren gut“, fuhr Kaiba fort, „Daran solltest du nichts verändern.“

„Ich hatte mir überlegt, dass ich mir gleich ein paar Bonbons hole.“

„Das ist eine gute Idee“, sagte er nickend und drückte ihre Hand. Ihm war also bewusst, was sie hier taten und er tat es offenbar gerne.

Sie schluckte und sah mit gerötetem Gesicht zu Boden, während ihr der Wind ins Gesicht peitschte.

Es freute sie, dass er sich doch die Zeit nur für sie nahm. Mochte er sie vielleicht doch auch ein klein wenig.

Naomie scheute sich zu fragen. Was würde er von ihr denken, wenn sie jetzt damit um die Ecke kam, dass sie ihn doch mochte? Er würde sie doch glatt für sprunghaft halten.

Seufzend erwiderte sie den Druck ihrer Hände, genoss die Wärme seiner Haut und ließ zu, dass sie tatsächlich wie ein Pärchen durch die Straße liefen.

War das vielleicht eine Art Date?

Aber Seto Kaiba und ein Date? Niemals!

Naomie warf den leeren Teebecher in einen Mülleimer, der an einer Bushaltestelle angebracht war und sah auch einen kleinen Kiosk mit Brötchenverkauf.

„Du kennst dich hier aber gut aus“, fing sie an und Seto nickte.

„Ich war hier schön öfters auf einigen Messen und weiß daher, wo man gut Essen gehen kann und ich kann dir später auch sagen, wo du eine Apotheke findest.“

„Danke für deine Hilfe“, erwiderte sie ruhig und meinte es in diesem Moment auch so. In diesem Moment fühlte sie wirklich Dankbarkeit. Seto hatte ihr in vielen Situationen schon geholfen.

Er erwiderte nichts darauf und kurz vor dem Bistro ließ er ihre Hand los.

Es war ein merkwürdiges Gefühl nicht mehr seine warmen Finger zu fühlen und Naomie bewegte kurz ihre Hand ein wenig, als sie das kleine Café betraten.

Zielsicher steuerte Seto einen Tisch in einer Ecke an.

Sie hatten Glück und es war nicht zu voll, trotz dessen dass es grade Mittagszeit war und eine Messe am laufen. Liebevoll war der Laden weihnachtlich dekoriert worden. Ein kleiner Mistelzweig hing an der Tür und am Tresen war einen Stechpalmengirlande aufgehängt worden. Auf jedem Tisch stand ein kleiner Adventskranz und eine kleine weihnachtliche Spitzendecke lag darunter.

Alles in allem sehr niedlich und festlich, um in die passende Stimmung zu kommen.

Kurz sah Naomie zu Seto und schüttelte ein paar Schneeflocken aus den Haaren. Der Schneefall schien zuzunehmen.

„Wenn du willst, können wir auch woanders hingehen. Wir müssen nicht hier…“, fing sie leise an und konnte sich gut vorstellen, dass das für ihn eine kleine Weihnachtshölle war, wusste sie doch, wie sehr er das Fest nicht mochte.

„Nein, es ist schon in Ordnung“, sagte er und legte seinen Mantel ab.

Sofort tippelte einen Kellnerin heran und lächelte sie breit an. Eine kleine Spange in Stechpalmenform hing in ihrem roten Haar und auf ihrer Schürze pragte ein aufgestickter Weihnachtsmann mit Geschenkesack und bunten Päckchen.

„Hallo ihr zwei“, sagte sie fröhlich trällernd und reicht ihnen die Speiskarte. Sofort zückte die Block und Stift. „Wisst ihr schon, was ihr trinken wollt?“

„Für mich einen Minzetee bitte“, sagte sie ohne zu zögern, während sich Seto einen Kaffee orderte. Was auch sonst?

Die Bedienung nickte und tippelte wieder davon, um die nächsten Gäste zu bedienen.

„Weißt du schon, was du über die Festtage machst?“, fragte Seto plötzlich und blätterte in der Karte dabei.

„Ich werde so wie es aussieht verreisen. Wann genau weiß ich noch nicht, aber vermutlich direkt an Heilig abend. Was machst du mit Mokuba?“

„Mokuba wird mich zwingen an den drei Tagen nicht zu arbeiten und mit ihm und Shadow spazieren zu gehen. Vermutlich wird er auch auf einen Kurztrip bestehen. Er wird mich den ganzen Tag nerven, ob er schon seine Geschenke bekäme und sobald ich ihm zum ich weiß nicht wie vielten Mal die Weihnachtsgeschichte vorgelesen habe, wird er einschlafen. Am ersten Weihnachtstag wird er mich dann um sechs Uhr wecken und anbetteln, dass er seine Geschenke öffnen darf.“ Tief seufze Seto und sah sie mit gequältem Gesicht über den Rand der Karte an. „Ich soll dich eigentlich auch fragen, ob du mit uns feiern willst, aber wenn du verreist, hat sich das wohl erledigt.“

„Oh“, entfuhr es ihr und Naomie legte die Karte zur Seite. Sie hatte gefunden, was sie essen wollte. „Wenn ich das eher gewusst hätte…Das tut mir leid. Joey hatte mich auch schon eingeladen mit seinen Freunden zu feiern und ich habe abgesagt. Ich wollte eigentlich alleine feiern und hatte mich gestern dazu entschieden weg zu fahren. Ich bin schon dabei alles zu planen und…es tut mir wirklich leid.“

„Wenn ich das mit Mokubas Worten ausdrücken soll: Sag die Reise ab und feier mit uns.“

Sie kicherte. „Gut getroffen, aber es geht nicht.“

„Das wird ihm nicht gefallen und ich bin sicher, er wird dich auch noch mal selber anbetteln.“

„Kann gut sein, aber es ändert nichts.“

„Wenn es danach geht, würde ich dich auch nicht betteln. Du bist ein freier Mensch.“

„Naja um ehrlich zu sein, ich brauch von all dem hier eher Abstand. Normalerweise würde ich sofort zusagen, aber es ist so viel passiert, dass ich einfach etwas Ruhe brauche.“

„Du meinst wegen deiner Familie?“

Sie schüttelte den Kopf und ihre feuchten Haare fühlten sich schwer an. „Auch, aber auch das was am Anfang zwischen uns war und...“

„Du meinst, weil du verliebt bist und der Idiot es nicht erwidert?“

Schwach nickte sie.

„Weißt du es denn mit Sicherheit?“

„Wie meinst du das?“

„Nun, weißt du denn mit Sicherheit zu sagen, dass er dich nicht mag?“

„Ich denke schon.“

„Du denkst? Hast du es ihm gesagt?“

„So indirekt schon….“, gab sie verlegen zu und musste an die Szene in seinem Büro denken. Offenbar hatte er es immer noch nicht geschnallt. Ihr Herz schlug kräftiger. „Es war ein ziemlich großer Wink, den ich ihm gegeben habe und ich habe einfach das Gefühl mir wächst grade alles über den Kopf. Ich möchte einfach eine Auszeit und ein wenig in Ruhe nachdenken und im neuen Jahr ist auch noch genug Zeit, um mit ihm vielleicht zusammen zu kommen oder sowas.“

Seto brummte mit einem Nicken und er legte die Karte zur Seite. „Eine Auszeit kann manchmal nicht schaden, um mit sich selbst ins reine zu kommen und wieder produktiver zu werden. Aber ich habe deinen Wi…“

„Habt ihr schon gewählt?“, fragte die Kellnerin fröhlich und unterbrach Seto mitten im Satz. Fröhlich sah sie zwischen ihnen hin und her und war sich gar nicht bewusst, dass sie sie grade in einem wichtigen Moment unterbrochen hatte.

Die Frau gab ihr den Tee und Kaiba seinen Kaffee.

Der Geruch des warmen Getränks stieg in ihre Nase und war begeistert, als sie frische Minzblätter darin sehen konnte.

So etwas gab es selten und es war etwas Besonderes mal keinen Teebeutel zu bekommen.

Kurz gab sie der Frau ihre Bestellung und sie ging wieder.

Fragend sah sie zu Seto, während sie etwas Zucker in den Tee gab und ihn mit der Zitronenscheibe verrührte.

„Was wolltest du eben sagen?“, fragte Naomie, doch Seto schüttelte den Kopf.

„Schon gut. Ich war fertig“, erwiderte er und trank einen Schluck seines Kaffees.

Kurz runzelte Naomie die Stirn. Sie war sich sicher, dass er noch etwas hatte sagen wollen und es schien wichtig gewesen zu sein. Immerhin hatte er ruhig und leise gesprochen, fast schon aufgeregt. Aber wenn er es nun nicht mehr sagen wollte, konnte sie ihn schlecht dazu zwingen.

„Wie laufen denn die Bewerbungen?“, fragte Naomie und merkte den kleinen Stich in der Brust bei dem Gedanken irgendwie doch ersetzt zu werden. Es war ein ungeschickter Versuch das Thema zu wechseln. „Konnte ich dir ein wenig helfen?“

Seto nickte.

„Ja, deine Auswahl war gut. Ich lasse das Verfahren aber noch bis ins neue Jahr laufen. Oder willst du etwa die Stelle behalten?“

Die Frage traf sie direkt und unvorbereitet. Kurz schluckte sie schwer den Tee hinunter, dessen Hitze in ihrer Kehle brannte.

„Ist das dein Ernst?“

„Eigentlich war es ironisch gemeint, aber wenn wir einmal beim Thema sind“, sagte er ruhig, als wäre es das normalste der Welt, „Es würde mir eine Menge Bewerbungsmappen und unnütze Termine ersparen, wenn du fest ins Team einsteigst.“

„Ich dachte, es wäre nur Übergangsweise?“, fragte sie verwirrt und die Überraschung stand ihr ins Gesicht geschrieben.

„Es war auch so gedacht, aber du machst dich gut und die Aufnahmen auf der Firmenseite kommen auch bei den Leuten gut an. Für dich wäre es ein guter Schritt auf der Karriereleiter. Oder kann ich deiner Frage entnehmen, dass du eher froh bist, dass du bald aufhören kannst?“ Wie so oft, zog er eine Augenbraue fragend nach oben und musterte sie.

Naomie hatte das Gefühl, er konnte mit diesen Augen in ihre Seele blicken.

„Um ehrlich zu sein: Ja“, gab sie zu, „Ich hatte mich wirklich darauf gefreut wieder ins Studio zu können im neuen Jahr. Es macht mir einfach Spaß Portraitaufnahmen zu machen und richtige Fotoshootings zu machen.“

„Das könntest du in meinem Team auch. Nur, dass du damit mehr Geld verdienen kannst und es zur Werbung der neuen Kaiba Corp. Produkte genutzt wird.“

Naomie schüttelte den Kopf.

„Ich meine damit solche Shootings, wie auf Hochzeiten.“

„Tut mir leid, aber Hochzeitsspielzeug vermarkten wir nicht.“

„Das klang irgendwie zweideutig“, lachte sie und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

„Woran du wieder denkst!“

„Ich? Du redest hier doch von irgendwelchem Spielzeug!“ Sie lachte noch immer und aus irgendeinem Grund fiel es ihr auch schwer aufzuhören. Naomie wusste selbst nicht, wieso.

Was tat sie hier eigentlich? Das war keine normale Unterhaltung mehr! Sie flirtete mit ihm und offenbar tat er das auch, denn deutlich war ein Grinsen in seinem Gesicht zu sehen.

„Ich glaube, ich muss dir den Tee wegnehmen. Da scheint irgendwas drin zu sein, was dir nicht bekommt, dass du auf solche Gedanken kommst.“ Seto griff nach ihrem Teeglas und hielt es außerhalb ihrer Reichweite.

„Hei! Das ist meiner!“

„Nein, er bekommt dir nicht.“

Naomie streckte sich etwas über den Tisch, um an die Tasse heran zu kommen, doch Seto hatte viel zu lange Arme, als dass sie heran kommen würde.

„Ich brauch das!“

„Unsinn.“

„Doch, sonst hab ich gleich keine Stimme mehr!“

„Dann halt doch einfach die Klappe?“

„Geht schlecht, wenn du mich fragst, ob ich für dich arbeiten will.“

„Es gibt auch noch die Körpersprache.“

Nun war es an ihr eine Augenbraue hoch zu ziehen. Dennoch wich das Grinsen aus ihrem Gesicht nicht. „Und du fragst dich, wie ich auf nicht jugendfreie Gedanken komme?“

Seto grinste sie frech an. Er wusste genau, wie er sie ärgern konnte. Er stellte das Glas außerhalb ihrer Reichweite und griff in seine Manteltasche.

„Mach die Augen zu“, sagte er mit einem frechen und herausfordernden Blick.

„Wieso?“

„Vertrau mir einfach.“

Naomie seufzte und schloss die Augen. Sie wartete und hörte den Stoff rascheln. Etwas klapperte.

„Mach den Mund auf.“

„Was wird das denn für ein perverses Spielchen? Wir sind nicht bei Shit of Grey…“, murmelte sie und hörte wie Seto leise schnaubte.

„Es ist viel interessanter, dass du scheinbar den Inhalt dieses Schundromans kennst, als dass ich hier irgendwelche Spiele mit dir spiele. Jetzt Mund auf.“

Naomie tat wie geheißen und öffnete einen Spalt breit den Mund. Sie kam sich mehr als dämlich dabei vor. Ihr lag eine passende Erwiderung auf der Zunge, als sich etwas zwischen ihre Lippen schob und kurz spürte sie aus Setos Fingerspitzen auf ihren Lippen.

Kurz jagte ihr ein Schauer über den Rücken.

Das Etwas in ihrem Mund war hart, süß und schmeckte nach Kräutern.

Überrascht blinzelte sie Seto an und schob das Bonbon in eine Ecke ihres Mundes.

„Ich dachte mir fast, dass du heiser wirst, deshalb hab ich dir die besorgt“, erklärte er auf ihren verlegenen und verblüfften Blick hin. Die kleine runde Dose lag vor ihr auf dem Tisch.

Verlegen ließ sie sich auf ihren Sitz sinken und schob mit der Zunge das Halsbonbon in ihrem Mund hin und her. Die Hitze stieg ihr ins Gesicht und sie brachte nur mit Mühe ein „Danke“ raus.

Ihre Teetasse kam auch wieder zu ihr und in Setos Gesicht spiegelte sich Zufriedenheit. Wusste der Kerl eigentlich, was für einen halben Herzinfarkt sie grade mit der Nummer bekam? Ihr armes Herz!

Doch scheinbar hatte er noch nicht genug, denn er winkte sie zu sich und beugte sich über den Tisch.

Seto näherte sich ihrem Ohr. Sein warmer Atem kitzelte sie ein wenig und fast spürte sie die Bewegung seiner Lippen.

„Schau jetzt bloß nicht zur Tür“, flüsterte er leise, „Dort kommt nämlich grade dein Ex rein. Er lief auch eben auf der anderen Straßenseite lang. Lass dir also nichts anmerken und bleib ruhig. Wenn etwas passiert, bin ich da.“

Wieder raste ihr Herz und sie konnte nicht verhindern dass die Hitze weiter in ihr Gesicht stieg. Kurz erhaschte sie einen Blick auf Ryouichi, sah aber auf die Tischdeko und nickte leicht.

Hatte Kaiba das grade nur getan, um den Schein zu wahren oder war ihm ihr Ex egal dabei gewesen und er hatte es aus der Situation heraus getan?

Naomie konnte Kaiba in dieser Hinsicht nicht einschätzen.

„Versprich mir aber etwas“, flüsterte er weiter in Ohr.

„Was denn?“

„Überleg es dir mit der Anstellung. Das Angebot steht für dich. Es wäre eine Chane weiter zu kommen.“ Seine Stimme war sachlich und dennoch fehlte die Kälte darin. Es schien ihm fast wichtig zu sein, dass sie blieb.

„Ich…ich überleg es mir“, antwortete sie leise und hörte ihr Blut in den Ohren rauschen, während sein Atem noch immer über ihr Ohr streifte.

„Und noch etwas…“ Seine Stimme senkte sich noch etwas mehr. Der Geruch seines Parfüms drang zu ihr herüber. „Deinen Wink habe ich in meinem Büro durchaus verstanden.“

Naomie hatte das Gefühl, dass die Zeit für einen Moment stehen blieb. Das Rauschen verstärkte sich und am Nebentisch hörte sie eine Frau etwas über die Wintersonnenwende reden, die heute Nacht sei.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  KiraNear
2015-04-14T21:00:22+00:00 14.04.2015 23:00
Aww, und ich kam erst jetzt dazu, das Kapitel zu lesen. Hoffentlich geht sie auf sein Angebot ein, das ist mehr als super. Und schön, dass er sich für sie eingesetzt hat gegenüber ihrem Ex. Ich hab zwar keinen Ex, aber ich kann mir trotzdem irgendwie vorstellen, wie sich fühlt. Tolles Kapitel :-)


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