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forever

Wer erträgt die Ewigkeit?
von

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Erwachen

„Daniel…“, erschrocken griff der Fremde nach mir, doch ich schaffte es nicht die Hände ebenfalls nach ihm aus zu strecken. Dumpf prallte ich auf den matschigen Boden. Schmerzhaft verzog ich das Gesicht. „Daniel!“, er wollte zu mir kommen, mir hoch helfen doch als seine Hand über die Schwelle des Tors  ging schoss sie augenblicklich zurück, als hätte er sich verbrannt. Irritiert sah ich in seine braunen Augen, die wütend die Mauern musterten und dann fast verzweifelt wieder zu mir wanderten.

       „Was…“, setzte ich an und versuchte mich auf zu rappeln.

Warum konnte er mir nicht folgen, warum…

 

 „Ist alles in Ordnung?“, ein freundliche Stimme ertönte von hinten. Verwirrt sah ich mich um. Ein Mann in langer dunkler Robe eilte auf mich zu. Wieder versuchte ich mich aufzurichten, doch meine Beine wollten nicht wie ich. Unsicher sah ich auf, doch… wie jedes Mal zuvor…  war der andere bereits verschwunden. 

  Vielleicht bildete ich ihn mir doch nur ein, vielleicht…

       „Geht es dir gut?“, ein junger Mann kniete sich neben mich und der Regen hörte auf, irritiert blinzelte ich zur Seite. Ich sah in blaugrüne Augen in einem freundlichen Gesicht hinter einer eckigen Brille, dahinter einen lila Schirm. „Mein Name ist Pater Iphram, kann ich dir helfen?“

         Pater?

 

Wo kommt den hier ein Pater her?

     Mein Gehirn war nur noch ein sinnloser Klumpen Eiweiß.

  „Du bist in der Hafen Mission. Hier bist du in Sicherheit, mein Junge.“ Er schien meine Verwirrung zu spüren, noch immer war das Gesicht freundlich.

      Sicherheit?

 

Wusste er, dass sein Verfolger hier nicht rein durfte?

      Wer war das?

                 Woher…

 

„Mein Junge?“, langsam mischte sich Sorge in den freundlichen Blick, er streckte fragend die Hand nach mir aus. „Nich…“, setzte ich an und wollte abwehrend den Arm heben, doch glühend heißer Schmerz durchschoss mich. „Ah…“, ich verzog das Gesicht. „Bist du verletzt?“, die Sorge wog nun doch mehr und ich wusste nicht was ich sagen sollte. Trotz der freundlichen Gestalt war der Griff der sich um meinen Arm legte unnachgiebig. „Das ist eine Schnittwunde…“, sagte der Pastor leise. „Ich…“, stotterte ich nicht sonderlich geistig anspruchsvoll. „Schon gut, schon gut…“, ein führsorgliches Seufzen, „Hier bist du sicher, hier kann man dir nichts mehr tun!“

       

    „Woher…“, ich stotterte erneut.

        War die ganze Welt durchgeknallt oder dachte ich mir jetzt schon Priester aus?

Woher wusste er das, woher… Wer…

 

„Nun ja, das ist ein unruhiges Pflaster hier…“, er stand auf und hielt mir hilfsbereit eine Hand hin, „Du bist nicht die erste Person, die hier Opfer eines Überfalls wurde…“

         

  Überfall?

 Er dachte ich…

              „Oh…“, sagte ich lahm, irritiert sah ich auf die Hand die er mir hinhielt.  „Na los…“, wieder ein Lächeln. Konnte der nichts anderes?

 „Du musst aus dem Regen raus, und ich schau mir mal deinen Arm an… Okay?“

           

  Unwirsch ignorierte ich die Hand und rappelte mich umständlich auf. Langsam kam mein altes, mein unnachgiebiges, Sein zurück. Ich presste meinen verletzten Arm an meine Seite. „Ich… Ich komm auch gut ohne Hilfe zu recht…“, versuchte ich es so maulig und patzig wie möglich klingen zu lassen, auch wenn sich ein leichtes Beben nicht aus der Stimme vertreiben ließ. „Sicher…“, lächelte diese Grinsebacke natürlich wieder und zeigte einladend auf die offen stehende Tür eines alt wirkenden Backsteinbau. „Aber Danke…“, und mürrisch folgte ich ihm in die Richtung.

   Der Priester hob seinen Schirm etwas höher, so dass ich auch darunter Platz fand und seine linke Seite ganz nass wurde.  „Das ist unnötig…“, knurrte ich und blickte böse auf den Schirm, „Ich bin schon komplett durchweicht…“

   Ich bekam ein Glucksen zur Antwort und entschied, neben dem Fakt den Typen nicht leiden zu können, es zu ignorieren. 

             

  Ich trat nach ihm in das Haus und stand tropfend und triefend in einem alten und sehr nobel eingerichteten Flur. Es roch merkwürdig und ehrfürchtig zu gleich.  

Etwas verloren tropfte ich auf den roten Teppich, während meine Zähne anfingen zu klappern.  Mit etwas Nachdruck wurde ich weiter bugsiert und hinterließ schlammige Fußtapsen, schien dem freundlichen Penner aber nicht zu stören. Er lächelte immer noch und setzte mich doch tatsächlich vor einen Kamin, in dem munter ein Feuer flackerte. Eine Decke wurde um mich herum geschlungen und bevor ich mehr machen konnte als verwirrt zu gucken wuselte das Pastoren Glücksbärchie auch schon los um einen erste Hilfe Kasten zu holen. „Zieh die nassen Sachen aus, ich kann dir trockene leihen!“

     Unschlüssig sah ich ihm hinter her. Auch hier lagen alte Teppiche und die Wände waren mit samtenen Tapeten verkleidet, überall waren Bücherregale oder alte Ölgemälde mit Gesichtsgrätschen in Kutten und bunten Kleidchen. Mir genau gegenüber stand ein überladener und riesiger Schreibtisch aus massivem und dunklem Holz, seine Standbeine sahen aus wie Klauen. Schnell sah ich zurück in die knisternden Flammen.

          Ich stellte mir so das Arbeitszimmer eines dekadenten Professors an irgendeiner englischen Elite- Uni vor, nicht das Büro eines Mittzwanziger Grinsepastor der Biolatschen trug und nen merkwürdigen lila Schirm hatte.

  Umständlich, (Noch umständlicher als es eh schon wäre auf Grund meines Arms, da ich versucht unter der Decke zu bleiben… Pastoren und so…), schälte ich mich aus meinen nassen Klamotten. Gerade als ich einen nassen Socke angeekelt betrachtete ging die Tür wieder auf und Pater wie auch immer betrat lächelnd den Raum. Unter seinem linken Arm klemmte ein erste Hilfekoffer, während er mit den Händen ein kleines Tablet balancierte auf dem ein dampfender Teller und ein ebenso dampfender Becher stand, sowie ein schnurloses Telefon. „Ich habe frischen Kürbiscremesuppe und einen schönen heißen Tee mit Hönig für dich…“, vorsichtig stellte er das Tablett vor mir ab, „Ich hoffe du magst Honig!“

           Ich ignorierte diese Aussage mal wieder und sah skeptisch auf den Teller mit oranggelber Paste. Unschlüssig nahm ich den Tee nun mehr in Augenschein. Er roch zumindest gut...

   „Das ist Pfefferminz…“, wurde mir erklärt, während der Pastor sein erste Hilfe Set ausbreitet, „Stammt aus dem Beet in das du gefallen bist!“ „Oh…“, sagte ich dumpf und versuchte mit links ziemlich ungeschickt mit Suppe in den Mund zu schaufeln. Ne Mahlzeit umsonst war ne Mahlzeit umsosnt…

           Da durfte man nicht mäkelig sein.     

  „Tut mir Leid, Pater… Ähm…“ „Iphram, Pater Iphram…“, sagte er und nahm meinen Arm in Augenschein. Unwillkürlich verzog ich das Gesicht.

 „Ich denke, du hast noch mal Glück gehabt. Es ist nicht sehr tief!“

                         Ich knickte steif und versuchte mich aufs Essen zu konzentrieren, was zugegebener Massen gar nicht so schlecht war.

     „Ich werde die Wunde reinigen und dann verbinden, aber du solltest damit morgen unbedingt noch zum Arzt, ja? Nicht das es sich doch entzündet…“ Ich zuckte mit den Schultern.

    Wenn ich krankenversichert wäre bestimmt… 

„Aber vielleicht bringt die Polizei dich auch noch in die Notaufnahme…“ „Polizei?“, fragte ich rasiermesserscharf, er erstatte in seiner Bewegung. „Ja, du willst doch bestimmt Anzeige erstatten…“ „Sie haben die Polizei gerufen?“, wenn ich nicht so schwach auf den Beinen gewesen wäre, wäre ich wohl vor Wut hochgeschossen. „Nein…“, meine Wut schien ihn mal so gar nicht zu beeindrucken, „Aber du kannst, wenn du möchtest gerne mein Telefon benutzen…“ „Das ist nicht nötig!“ „Du kannst auch wenn anders anrufen, deine Eltern das sie dich abholen, oder…“ Er verstummte nun doch angesichts meines Blickes. „Es gibt niemanden den ich anrufen will!“

                      Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte es auch nicht wirklich jemanden gegeben den ich hätte anrufen können…

          Um mich schärte sich sowieso niemand.   

 

Einen Augenblick herrschte stille und ich spürte das unangenehme brennen von Desinfektionsmittel.    „Das sind ganz schön viele Bücher…“, nuschelte ich um einfach was gegen diese beknackte Stille zu tun. Stille an sich war okay, aber nicht wenn mein Kopf vor ungelöster Fragen fast explodierte und dazu noch die mitleidigen Blicke eines Bibelvertreters auf mir hafteten.

             „Oh ja, aber das ist nur ein kleiner Teil des großen Schatzes den diese Gemäuer beherbergen… Magst du Bücher?“ Mal wieder ignorierte ich seine Fragerei: „Schätze?“

 

 „Nun du musst wissen, das hier ist keine einfache Mission…“, er wedelte mit seinem Handgelenk einschließend durch die Luft, „Dies hier ist ein altes Kloster des Ordens des heiligen Custos!“ „Wer?“

   „Custos war der größte Archivar der heiligen Schriften…“ Noch immer verstand ich kein Wort. „Er sammelte Bücher und Schriften, so wie auch Geschichten und Legenden, die sich mit Gott und seinen heiligen Vertretern auf Erden beschäftigten.“ „Ah…“

 „Und wir, als Brüder seines Ordens sehen uns als seine Nachfahren und wollen seinen Auftrag fortführen…“ „Alles auf zu schreiben…“, wollte ich kurzzeitig beweisen, dass ich doch nicht vollkommen unterbelichtet war. „Nun ja, so ungefähr.“, konzentriert packte er eine schneeweiße Mullbinde aus, „Wir pflegen, archivieren und katalogisieren  vor allem die Schriften, diebereits in unserem Bestand sind, übersetzten auch was wir können und versuchen Stücke zu ergattern, welche uns noch fehlen…“ „Übersetzten?“, nuschelte ich in meine heiße Tasse Tee. „Nun, viele sind nicht auf Deutsch, meistens auf Latein oder Griechisch, aber auch andere Sprachen. Sowie das Deutsch von damals nicht unbedingt unserem gleicht…“, vorsichtig klebte der Pater nun das Ende des Verbands fest und strich noch einmal prüfend über den fertigen Blutstopper, „So ich denke, das wär’s…“ „Danke“, wieder war es nur ein Nuscheln was mich verließ. „Keine Ursache…“, er setzte sich mir nun gegenüber und musterte meine runtergekommene Gestalt. „Also…“, suchte ich weiter nach einem Gesprächsthema, „Also sind sie die Bücherwürmer der Kirche…“ Er gluckste. „So kann man das nennen…“, er strich sich eine braune Locke aus den hellen Augen, „Weißt du, Custos bedeutet Bewahrer. Wir wollen nicht nur Schriften und Geschichten erhalten, sondern auch die damit einhergehenden Traditionen und Erinnerungen.“

  

 Erinnerungen…

   Ich dachte an die merkwürdigen Bilder die mich verfolgten, diese viel zu realen Eindrücke von Menschen, die ich nicht kennen konnte…

                                  Wenn es den Menschen waren…

 

     „Hmmm…“, ich schlürfte weiter Tee. „Wie ist eigentlich dein Name?“, fragte er plötzlich und ich verschluckte mich fast. „Wie…“ „Wieso nicht? Du weißt ja auch meinen.“

             „Daniel…“

 „Daniel!“, zufrieden richtete er sich ein Stück auf, „Das ist ein äußerst edler Name!“

                 „…“

 

  „Nein wirklich!“, er hob beschwichtigend angesichts meiner Miene die Hände, „Daniel kommt aus dem arabischen und bedeutet Gott ist mein Richter.“ Ich schien noch immer nicht euphorisch genug zu schauen, denn er setzte nach: „Ich finde das ist ein schöner und ausdrucksstarker Name, Angesicht einer Zeit, in der man nichts tun kann ohne in der Gesellschaft gleich gerichtet zu werden. Man muss nur den falschen Anschein erwecken, ohne jemals Unrecht getan zu haben, und man wird verurteilt…“, er seufzte und sah mich danach ein große Runde zu verständnisvoll an, „Dabei hat tatsächlich nur Gott das Recht uns zu richten in all seiner Güte und solange wir nach dem Gewissen handeln, das er uns gab, müssen wir uns davor nicht fürchten…“ „Du meinst nach der Bibel richten…“, runzelte ich die Stirn. Priester…

 „Nein.“, sagte er jedoch schlicht und ich war nun vollkommen verwirrt, „Ich meine deine Seele!“

 

     „Wah?!“

 

„Das ist Gottes  Atem!“, er hob leicht die Hände und zuckte fast gelassen mit den Schultern, „Wir wurden alle nach seinem Bild geschaffen, wir sind alle seine Kinder und er gab uns von unserer Geburt an alles, was wir brauchen zum Leben: Einen Körper und einen Geist!“, gewissenhaft legte er seine schlanken Finger aneinander, „Wir wissen von Anfang an, was richtig und was falsch ist, doch manchmal überlagern Dinge diese Erinnerungen oder lassen uns glauben, dass es  einfacher wäre, wenn wir sie verdrängen.“  „Dinge…“, wiederholte ich unwissend. „Die Welt… Das Böse, das Schlechte, das Sündige… Schlicht, die Überheblichkeit, das einer besser wäre als der andere!“ Ich nippte an meinem Tee, konnte ein wissendes Nicken unterdrücken. „Was natürlich vollkommener Schwachsinn ist! Tief in jedem drin schlummert Gottes Wunder!“

         

           „In mir schlummert gar nichts!“, erst als ich es aussprach merkte ich, wie traurig das eigentlich klang. „Das denke ich nicht…“ Ich schnaubte. Doch der Geistliche vor mir lächelte nun nicht mehr, ernst und dennoch freundlich sah er mir ins Gesicht. „Ich denke in dir steckt sehr viel mehr als du selber vermutest! Vielleicht glaubst du noch nicht daran, aber auch in dir steckt ein Teil eines Wunders und ich bin mir sicher, es wird bald…“, nun lächelte er wieder, „…erwachen!“

 

 Plötzlich hallte eine tiefe Stimme in meinem Kopf wieder. „Sei froh, dass ich die töte bevor du erwachst…“

 „Daniel?“, Pater Iphram legte fragend den Kopf schief, meine Fingerknöchel traten weiß hervor so fest umklammerte ich den nun leeren Becher. „Ich könnte mir Sachen leihen?“, fuhr ich abrupt aus meine Gedanken. „Oh…“, der Braunhaarige blinzelte überrumpelt, „Natürlich, einen Augenblick bitte.“ Er hob sich und ging in einen Nebenraum, einen kurzen Augenblick sah ich in die stetig flackernden Flammen.

   In mir konnte NICHTS erwachen!

            In mir gab’s nichts, absolut gar nichts!

 

„Hier, das müsste dir passen… Bring sie bei Gelegenheit wieder  vorbei.“, erreichte mir eine Stapel Klamotten samt Schuhen, „Deine nassen Sachen pack ich in eine Tüte…“, und damit war er auch schon wieder hinaus, so hastig wie ich konnte mit meinem Arm schlüpfte ich in die sauberen und trockenen Klamotten, sie fühlten sich merkwürdig fremd auf der Haut an, obwohl sie eindeutig in Top zustand waren. Eine graue Jeans, ein weißes T-Shirt und eine schwarze Strickjacke, dazu schlichte braune Schuhe und eine passende braune Regenjacke, sie waren sogar leicht gefüttert. Ob sie wohl dem Pater gehörten, die Hose war mir viel zu lang. Ich musste die Beine umschlagen um hinten nicht drauf zu treten.

    „Ich habe dir auch noch etwas Suppe eingepackt…“, kam er gerade wieder zurück als ich es aufgegeben hatte Schleifen zu binden und die Schnürsenkel nur in die Seiten stopfte, wie eigentlich immer. „Du wirst dir heute bestimmt nichts mehr machen!“, lächelnd reichte er mir die Tüte. Ich nickte nur und nahm die Tüte. Ich würde die Suppe die Toilette runter spülen!

    Langsam kotzte mich diese Hilfsbereitschaft an, was wusste dieser Penner den schon über mich?

 Er begleitet mich zur Tür mit dem immer gleichen Lächeln. Es regnete noch immer so, dass er mir zu guter Letzt auch noch seinen verkackten lila Schirm reichte. „Bring ihn mir zusammen mit den Sachen vorbei…“

  Wieder nickte ich nur.

 

Ich würde mich im Leben hier nicht mehr blicken lassen. „Und…“, er reichte mir die Hand, „Wenn du mal wieder Lust auf Kürbissuppe hast, schau ruhig vorbei!“, eine kurzen Augenblick verschwand sein immer gleiches Lächeln und Sorge ersetzte sich, „Jeder Zeit!“

               Ohne ein weiteres Wort spannte ich den Schirm und ging durch den Regen. Ich wusste, dass er mir nach sah während ich durch einen weitläufigen Hof marschierte. 

   Einen Augenblick erwartete ich eine Gestalt in schwarzer Jacke und einer tief ins Gesicht gezogenen Kapuze am Tor zu sehen. Doch als ich einen Fuß über die Schwelle hinaus gesetzt hatte, waren da dort nicht mehr als vorbei eilende Passanten die aus dem Regen raus nach Hause wollten.

     Ich atmete seufzend aus.

Hab dich nicht so!, mahnte ich mich selbst, Alles ist in Ordnung!

       

     Doch das stechende Gefühl verfolgt zu werden ließ mich nicht los. Wie ein Nagel hämmerte sich das Gefühl Blicke im Nacken zu haben in mein Hirn ein- Immer und immer tiefer! Es zertrennte einen Nervenstrang nach dem anderen, bis ich sie schließlich vollkommen verlor und begann zu rennen.  Der Beutel mit nassen Sachen und Suppe fiel mit einem dumpfen Geräusch auf den Asphalt und der Schirm flatterte nutzlos neben mir her, aber es war mir egal erneut nass zu werden! Es war mir egal, dass mich alle ansahen! Alles war mir egal!

                      Ich wollte nur noch nach Hause- solange ich noch eins hatte…

 

  Eine Ampel bremste mich schließlich ziemlich profan in meinem Wahn, keuchend stand ich da und versuchte mich nicht immer wieder umzusehen, ob mir nun doch jemand folgte.

  Unruhig biss ich auf meine Unterlippe und starrte die Ampel böse an, wagte es jedoch nicht auf die andere Straßenseite zu sehen. Was wenn er da stand?

 Oder irgendwer anders, der behauptet zu wissen wer ich war?

 

    Die Ampel sprang auf grün und ich lief los, zügig und versuchte nur auf meine Füße zu gucken.

„Daniel?“

 Wie angeschossen blieb ich stehen. Eine kindliche, hohe Stimme hatte meinen Namen gesagt… Eher gefragt…

    Entsetzt sah ich mich um. Ein Riese von einem Kerl mit dunkler Haut und rabenschwarzen Augen lief an mir vorbei, der Blick starr auf die andere Straßenseite gerichtet. Ich musste es mir eingebildet haben, gerade als ich weiter gehen wollte, ertönte die Stimme erneut. „Bis bald, Daniel!“

          

      Der Hüne hatte mich nicht beachtet, aber das kleine Mädchen mit hüpfenden Locken, welche frech unter einem Regencape hervor luckten mit großen Schokoaugen, an seiner Hand schon. Sie grinste und zeigte ein Zahnlücke bevor sie die freie kleine Hand hob und wank.

 

                             Hastig machte ich die letzten Schritte von der Straße, zu oft war ich heute einem Auto nur knapp entkommen und drehte mich erneut um, um dem ungleichen Paar hinter her zusehen, doch gingen sie unter in der dunklen Masse aus Regencaps und Schirmen.

          Mistdreck… 

      Ich muss nach Hause!, schüttelte ich resigniert den Kopf, Ich brauche dringend schlaf!

 

Morgen würde ein anstrengender Tag werden, ich müsste mir Arbeit suchen, oder nen Pappkarton!

  Wieder rannte ich und machte mir noch nicht einmal große Mühe den Menschen auf meinem Weg auszuweichen. Böses Gemurmel folgte mir, da aber niemand meinen Namen sagte beruhigte mich das eher als alles andere.

 

   Ich lachte fast erleichtert auf als endlich mein Wohnblock in Sicht kam und ich stieg hastig die Treppen hoch in den dritten Stock. Das Lachen blieb mir im Hals stecken als ich einen Zettel grob an meine Tür gepinnt fand. LETZTE MAHNUNG stand in blutroten Lettern da vor mir.

 Ich hatte noch fünf Tage Zeit um zu zahlen oder ich würde Zwangsgeräumt…

                   Zittrig schloss ich die Tür auf, schwer fiel sie hinter mir ins Schloss.

 

Wütend zerknüllte ich den Zettel und trat gegen meinen alten Sessel, das einzige was ich im halbdunkeln wirklich ausmachen konnte!

 „Fuck!“

 

Ich brauchte Arbeit- und selbst dann hatte ich kein Geld um die Miete zu zahlen…

    „Fuck! Fuck! Fuck! Fuck!“

 Wütend tigerte ich durch den Raum und raufte mir die blonden ungewaschenen Haare.

     In einer Woche war ich Obdachlos! In einer Woche war ich….

 

„Scheiße verdammte!“

     Noch einmal trat ich gegen meinen Sessel und ließ mich wütend und um mich schlagend aufs Bett fallen!

  „Scheiße! Scheiße! Scheiße! Scheiße!“

          Ein letztes Mal schlug ich auf die Matratze und blieb dann still und starr auf ihr liegen.

 

Meine Brust hob und senkte sich rasch.

 

Ich war so verdammt müde, mein Arm brannte und mein Kopf schien zu explodieren!

         Ich wollte einfach nicht mehr darüber nachdenken was passieren würde, was passiert war…

Ich wollte nur noch schlafen…

            Schlafen und nie wieder aufwachen…

               Wütend auf mich und die ganze Welt und diese verrückten Irren mit ihren Schwertern schloss ich die Augen und tat nichts als dem dumpfen Hall meines Herzschlags zu lauschen bis ich schließlich einschlief…

 

                        Sonnenlicht viel auf meine nackten Arme, es war klares Licht, kaltes Licht.

  Heute würde ich sterben… Ich wusste es, tief in mir wusste ich es… Ich blickte durchs Fenster, hinauf in einen Wolkenlosen Himmel

          Heute war der Tag an dem ich…

 

„Sie werden uns nicht sterben lassen!“, es klang überzeugter als es war. Ich lächelte matt.

           Es raschelte und Ketten klirrend als sie sich zu mir an Fenster stellte. Wild und wirr umrahmten volle Locken ein schönes Gesicht. „Sie werden das nicht zu lassen!“

                    Ich nickte, obwohl sie es genauso spüren musste wie ich…

 

Wie wir alle…

             Heute war es so weite… heute…

    Eine Tür wurde grob aufgestoßen und ein junger Mann mit kupferfarbenen Haar in die Zelle geworfen. „Florentin…“

               „Sie wollen uns verbrennen…“, seine Stimme klang leblos, „Sie wollen uns alle verbrennen…“

 

   Zitternd lag Florentin am Boden. „Er wird das nicht zu lassen… Luces…“

 

   „Es tut mir Leid Luces!“, Florentin zitterte in meinen Armen, ein Messer an seiner Kehle. Graue Augen stachen in meine.

 

   „Luces!“, schrie Florentin, doch das tosen der Flammen war zu laut, „LUCES!“

           Er konnte ihn nicht hören, er konnte ihn nicht retten…

 

„Sei dankbar, dass ich dich töte bevor du erwachst!“, tönte Luces kalte Stimme in meinem Kopf, „Daniel!“

       „Daniel… Hiermit verurteile ich euch zum Tode auf dem Scheiterhaufen!“, eine kalte Stimme, hohle Gebete und Glocken an einem kalten Tag mit kaltem Licht. 

        Heute würde ich sterben…

 

„Auch in dir steckt ein Teil eines Wunders und ich bin mir sicher, es wird bald erwachen!“, Pater Iphram lächelte.

 

        „Daniel!“, er rief meinen Namen, seine dunklen Augen brannten sich in meine, „Tu nichts was du später bereust!“ 

                      „Daniel!“, seine Hände umschlossen fest mein Gesicht, „Es…“ „Ich bereu nichts…“

 

„Daniel…“, er flüsterte meinen Namen, doch ich fiel rücklings in ein Kräuterbeet. Er streckte seine Hand nach mir aus, doch ich konnte nicht danach greifen.

       Ich vermochte es nicht einen Arm zu heben, zu fest schnürten mich die Fesseln an meinen Pfahl.

  „Daniel!“, ich hörte ihn schreien, ich hörte ihn flehen, doch die Flammen erstickten meine Antwort, fraßen sich meinen Körper lang hoch, krochen über meine Haut.

 

Ich würde für ihn sterben, sanft strichen seine Hände über meinen nackten Rücken. „Daniel!“

 Küsse auf der Haut.

 

„Daniel!“, ich war gefangen zwischen seinen Armen, sein Atem auf meiner Haut, „Ich habe mich so danach gesehnt dich endlich Wiederzusehen…“

 

„In jedem steckt ein Teil von Gottes Wunder…“, wieder lächelte Pater Iphram.

 

           „In dir ist eins der sieben Wunder Gottes, Daniel!“, ich sah in das freundliche Gesichts des Priesters, „In dir ist die heilige Kraft Gottes erwacht!“ 

                    „Daniel…“, ich sah einem kleinen Jungen mit schwarzen Haaren und dunkeln Augen entgegen, er grinste frech, „Das wird dein Partner…“

   „Es freut mich dich kennenzulernen…“, er streckte mir die kleine Hand entgegen, „Mein Name ist…“

 

„Daniel!“, ich hörte ihn schreien, „Daniel!“ Die Flammen nagten das Fleisch von meinen Knochen, ich wollte zu ihm. Ich…

 Ich würde für ihn sterben…

             

      Ich starb für ihn…

„Daniel!“, er stand vor mir, doch es war zu spät ich konnte meine Arme nicht mehr heben.

  „Daniel…“, ich konnte nicht nach seiner Hand greifen obwohl ich fiel, es war zu spät.

 

„Es freut mich dich kennen zu lernen…“, seine kleine Hand war genau vor mir, „Mein Name ist…“

      

   Ich versuchte seine Hand zu greifen, doch ich konnte es einfach nicht, die Flammen schlugen in mein Gesicht, seine warmen Fingerspitzen wischten Tränen aus meinen Augenwinkeln.

    „Daniel…“, sein Gesicht verschwamm vor meinen Augen, seine Hand griff ins leere…

                  Ich war für ihn… gestorben…

 

„Daniel!“

 

Ich riss die Augen auf, starrte an meine Zimmerdecke, meine Hand war hoch ins leere gestreckt.

 „Caius…“, fiel es schwach über meine Lippen und plötzlich schlangen sich warme Finger um meine. Langsam drehte ich den Kopf zur Seite und dort, im hellen Licht des Tages saß ein Mann mit schwarzen Haaren und dunklen Augen, von denen ich jede Nuance kannte und lächelte, wie er nur mich anlächelte.

                           

                    „Bist du endlich aufgewacht, Daniel?“



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