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Tamashii

Von der Quintessenz einer Sache
von

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Prolog

„Und das willst du wirklich alles mitnehmen?“
 

Sein Blick war äußerst skeptisch und er klang derart unbegeistert, dass sie sich fast das Lachen verkneifen musste. Das noch junge Feuer in der Mitte der kleinen Hütte flammte kurz auf und erhellte sein grimmiges Gesicht, als er darin herumzustochern begann. Ganz offensichtlich mehr aus Verlegenheit denn aus Nutzen. Seine Frage war rhetorischer Natur, das wussten sie beide; natürlich würde sie nicht darauf verzichten, alles mitzunehmen, das sie unterwegs gut würden brauchen können. Seit einiger Zeit nun hatte sie eine Vielzahl an Dingen in ihrem alten, jedoch noch immer funktionstüchtigen Rucksack verstaut und war inzwischen gut voran gekommen, was sich auch in dessen Umfang bemerkbar machte. Sie nahm an, dass dem jungen Mann dieser Umstand nicht allzu gut gefiel. Allerdings fand sie, dass er sich nicht anstellen sollte, immerhin prahlte er doch für gewöhnlich damit, dass sein Körper so robust und seine Kraft unerschöpflich sei. Was konnte ihn da ein vielleicht etwas zu schwerer Rucksack übellaunig machen?
 

Wie zur Bestätigung ließ er ein undefinierbares Brummen hören und schmiss den dürren Stock, mit dem er das Feuer davor hockend malträtiert hatte, in eben dieses. Dann erhob er sich und ließ sich einige Schritte weiter an die Wand gelehnt fallen, mit verschränkten Armen und weiterhin missmutigem Gesicht. Offensichtlich war er der Ansicht, dass sie genug gepackt hatte und sich nun anderen Dingen widmen sollte. Sie quittierte seine grummelnde Art mit einem vermeintlich genervten Blick, wandte sich wieder ihrer Arbeit zu und ließ sich von ihm nicht abhalten, ihr Werk zu vollenden. Natürlich versuchte sie, sich nichts anmerken zu lassen, aber insgeheim war sie von seinem Verhalten amüsiert, zumal sie ahnte, dass es eigentlich um etwas anderes ging und nicht um den Rucksack. Sie wollte ihm noch ein wenig Zeit lassen, sich zu sortieren, er würde ihr sicherlich sagen, was ihm wirklich auf der Seele lag. Den ganzen Tag über war er recht rastlos gewesen, hatte sich draußen herumgetrieben und sich mit Shippo angelegt, der wieder im Dorf war und den Kindern begeistert seine Lernfortschritte demonstriert hatte. Anders als Kohaku, der weit und lange reiste und oftmals wochenlang mit Kirara weg blieb, lebte Shippo fest im Dorf und verließ es nur, um seine Fuchsmagieschule zu besuchen. Der Kitsune war mittlerweile bedeutend talentierter geworden, ließ sich jedoch noch immer schnell von Inu Yasha provozieren, sodass am Morgen großes Gelächter zu hören gewesen war, als sich die beiden lauthals beschimpft hatten. Kagome hatte darauf vertraut, dass Kaede, die alte Miko des Dorfes, sich der beiden annahm und so hatte diese die beiden ausgeschimpft, wobei alle Kinder ihr versichert hatten, dass Inu Yasha der Schuldige war. Dieser war daraufhin wie schon mehrmals an diesem Tag zur Hütte gekommen, hatte den Kopf durch die Tür gesteckt und in unfreundlichem Ton gefragt, wie lange Kagome denn noch brauche („Solange, bis ich eben fertig bin, Inu Yasha!“) oder ob er ihr bei etwas helfen solle („Nein, lieber nicht! Sonst bringst du hier auch alles durcheinander, so wie bei Shippo vorhin! Entschuldige dich bei ihm, Inu Yasha!“). Irgendwann, als es dämmerte, hatte er sich schließlich grummelnd zu ihr in die gemeinsame Hütte gesetzt und ihr Treiben argwöhnisch beobachtet.
 

Ihr war klar, dass er viele Jahrzehnte ohne Reisegepäck und Proviant ausgekommen war, dass er von der Hand in den Mund gelebt hatte und er bestens auch unterwegs für sein Wohlergehen sorgen konnte. Aber er hatte sich früher auch schon immer zunächst beschwert, dass sie so lange für das Packen brauchte und war dann derjenige gewesen, der nach einem Kampf mit dem Scheusal Naraku am Meisten von den Dingen aus dem Rucksack gezehrt und verzehrt hatte. Und sie wusste wirklich niemanden, der etwas gegen eine fertige Mahlzeit, Verbandszeug oder ein weiches Kissen einzuwenden hatte, und genau diese Dinge wollte sie auf der bevorstehenden Reise dabei haben. Außerdem war sie nun mal zum Einen kein barfüßiger, abgehärteter Hanyou, und auch wenn sie sich zum Anderen dafür entschieden hatte, im Mittelalter zu leben, so musste sie doch nicht zwingend auf einen gewissen Komfort verzichten. Wenn es nachts zum Beispiel kalt werden sollte, dann hatte sie die beiden Decken dabei, die mit den roten Stickereien. Eine der älteren Damen aus dem Dorf hatte ihnen diese geschenkt, zum Dank für Inu Yashas Hilfe beim Wiederaufbau ihres Hauses nach dem Erdrutsch. Er hatte damals ähnlich mürrisch geguckt wie jetzt, war aber ohne zu Zögern in den Wald verschwunden und hatte mit Tessaiga eine Reihe an Bäumen gefällt, welche die Dorfbewohner begeistert zurecht gezimmert hatten. Und auch im Falle eines Hungergefühls würde ihr Rucksack abhelfen können, denn in ihm hatte sie zwei Bento-Boxen verstaut, deren Inhalt sie am Nachmittag in liebevoller Kleinstarbeit vorbereitet hatte. Eine regelrechte Kindermeute hatte ihr dabei zugesehen und sogar mitgeholfen, die Fische zu fangen, etwaige Beeren zu pflücken und den Reis zuzubereiten. Ein reges Treiben hatte in der neuen, eigens für und von Inu Yasha und Kagome erbauten Hütte geherrscht. Und nachdem zunehmender Unmut darüber aufgekommen war, dass die köstlichen Speisen nicht für die Kinder selbst sondern für den grantigen Hanyou bestimmt sein sollten, hatte Kagome, das Mädchen aus der Neuzeit, zwei weitere Bento-Boxen aus ihrer einfachen Küche hervorgezaubert. Erinnerungsstücke aus ihrem alten, modernen Leben. Welche dann von den Kindern randvoll gefüllt und gleichermaßen mit Begeisterung und Tränen in wenigen Minuten geleert worden waren.
 

Es war laut und anstrengend gewesen, aber es hatte ihr Spaß gemacht, sich mit Rins und Shippos Hilfe (der nebenbei etwaige Rachepläne gegen Inu Yasha zu schmieden schien) um die vielen kleinen Personen zu kümmern. Darunter auch die lebhaften, fünfjährigen Zwillingsmädchen ihrer engen Freunde Sango und Miroku, die zudem noch einen drei Jahre alten Sohn aufzogen. Sango hatte ab und an nach dem Rechten gesehen, wenn wieder besonders lautes Geschrei geherrscht hatte, während sich Miroku bereit erklärt hatte, auf Inu Yasha aufzupassen. Wobei, wie Shippo spitzfindig geäußert hatte, der junge Mönch sich vermutlich einfach vor der größeren Arbeit hatte drücken wollen. Rin war daraufhin beinahe über zwei am Boden raufende Jungen gestolpert, da sie hatte lachen müssen. Es ging oft lebhaft zu in ihrer großen, kleinen Dorfgemeinschaft. Ein Gähnen unterdrückend schielte sie kurz vorsichtig zu Inu Yasha herüber.
 

Sie, Kagome, das Mädchen, das damals plötzlich aus dem Brunnen gekommen war und die man zunächst für einen bösen Geist gehalten hatte – inzwischen war sie für die Menschen aus dem Dorf eine Freundin und gute Seele. Und auch sie schätzte das Leben im mittelalterlichen Japan sehr, obwohl es so minimalistisch und anders und bedeutend aufwendiger war. Und jemand aus ihrer Zeit, dem sie ihre Geschichte erzählte, sie vermutlich für schwachsinnig halten würde, weil sie freiwillig auf fließend Wasser und Strom und Gas und Technik und Frieden verzichtete.

Doch dieser jemand würde demnach nicht menschlich nachfühlen können, dass sie entschieden hatte, hier zu leben (auch, wenn sie natürlich manchmal ebenfalls den Kopf über ihre Entscheidung und sich selbst schüttelte), weil sie an Inu Yashas Seite gehörte. Und das nun endgültig seit mehr als drei Jahren. Er war noch immer häufig etwas zu ruppig und großmäulig, legte sich gerne mit den ebenfalls vorlauten und hitzköpfigen Dorfkindern oder eben aus Gewohnheit mit Shippo an und verpasste diesen dann und wann eine. Aber ebenso hatte er ein Gespür dafür, wenn jemand in Not geriet und war als Erster zur Stelle, um zu helfen und ebenso war er äußerst unruhig und aufmerksam, wenn jemand ernsthaft krank wurde. So manche Strecke hatte er zu dem mit ihnen befreundeten Hanyou Jinenji und dessen Kräutergärten zurückgelegt, um verschiedene Heilkräuter zu besorgen.
 

Ja, Inu Yasha war sehr eigen, aber jeder im Dorf wusste darum und inzwischen war auch er längst als vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft akzeptiert. Obgleich es ihr so vorkam, als wäre ihm diese Tatsache manchmal noch immer nicht geheuer, gerade weil er oft dazu neigte, äußerst temperamentvoll aufzutreten und sich unhöflich auszudrücken. Aber die Menschen waren dem Halbdämon für dessen körperliche Stärke und Ausdauer dankbar, und viele waren noch am Leben, weil er die niederen Youkai vom Dorf und dessen Ausläufer fernhielt und er es ebenso wenig scheute, sich auch mit stärkeren Dämonen anzulegen und die Menschen zu beschützen. Kagome hatte ihm schon oft gesagt, dass sie stolz auf ihn war und beeindruckt davon, wie sehr er sich insgesamt zum Positiven verändert hatte. Aber auch sie hatte sich gewandelt, dachte Kagome, denn aus einem fünfzehn Jahre alten Mädchen, das naiv von einer brenzligen Situation in die andere geraten war, hatte sich eine stolze, junge Frau entwickelt, die mutig das Leben an der Seite eines Halbdämons wählte. Sie bemerkte, dass sie kein Stück voran gekommen und mehr in Gedanken war, als ihr Reisegepäck weiter zu packen und blickte wieder zu Inu Yasha hinüber.
 

Dieser schien ebenfalls in Gedanken zu sein, denn er bemerkte nicht, dass sie ihn ansah.

Seine besonderen Augen, die keinen Zweifel ob ihrer goldenen Farbe daran ließen, dass er übermenschlicher Abstammung war, schienen in die Ferne zu blicken. In typischer Haltung saß er an die Wand angelehnt, die langen, dichten weißen Haare fielen ihm über die Schultern und die Arme hatte er in den weiten Ärmeln seines roten Gewandes verschränkt, in seiner Mitte hielt er Tessaiga. Das wohl bedeutendste aller Schwerter, schoss es Kagome durch den Sinn, zumindest für ihn, und so auch für sie. Er hatte es zu führen gelernt, er hatte damit getötet und gleichermaßen beschützt, er hatte es erforscht und nun waren Tessaiga und er eine Einheit, sie gehörten zusammen wie Pech und Schwefel. Oder wie Miroku und Sango. Oder wie Jaken und sein dämlicher Kopfstab, dachte Kagome, und kurz flammte das Bild aus alten Zeiten in ihr auf, als sich Inu Yasha und dessen älterer Halbbruder Sesshoumaru noch stetig bekriegt hatten und Jaken, der kleine, gemeine Gnom, sich hinter seinem kaltblütigen Herrn versteckt und mit Beleidigungen um sich geworfen hatte. Das tat er nach wie vor, aber ansonsten hatte sich wirklich eine ganze Menge verändert, sinnierte Kagome. Sie dachte an Rin, die heute morgen, nachdem sie Kaede beim Versorgen der Patienten unterstützt hatte, auch ihr beim Bändigen der Kinder geholfen hatte.
 

Obwohl sie selbst doch noch so jung und kindlich wirkte, trotz ihrer inzwischen fünfzehn Jahre. Aber das Mädchen war eine richtige Persönlichkeit, denn sie hatte es ja geschafft, das Herz eines Daiyoukai zu erweichen und diesen dazu zu kriegen, seit einigen Jahren in regelmäßigen Abständen das Dorf zu besuchen und ihr etwas mitzubringen. Und, wenn sie ihn darum bat, sogar etwas für die anderen Kinder dabei zu haben. Was er zu aller Erstaunen tatsächlich beim nächsten Mal getan hatte (bunte Kämme für die Mädchen, Holzfiguren für die Jungen). Kagome kam oft der Gedanke, dass der Youkai so etwas wie Liebe zu Rin empfinden musste, wenn er entgegen seines früheren Verhaltens regelmäßig das Menschendorf besuchte und sich um dessen Einwohner in seiner speziellen Art kümmerte. Dass Rin ihn wie einen Vater liebte, stand außer Frage. Ihr Leben hatte sich grundlegend zum Besseren gewandelt, seit sie dem schweigsamen Dämon begegnet war, das erzählte sie immer wieder. Kaede hatte Kagome darauf angesprochen, dass Rin mittlerweile nicht mehr als Kind anzusehen war, sondern vielmehr als junge Frau in heiratsfähigem Alter. Doch sie waren sich beide darin einig, dass das Verhalten des Mädchens zu Sesshoumaru von ihrer Seite aus rein familiär erschien und sich Rin früher oder später einen menschlichen Mann aussuchen würde.
 

Miroku und Sango hatten sich ebenfalls dahingehend geäußert, dass das Mädchen nur eine Vaterfigur in ihm sah, Shippo hatte verraten, dass einige der Dorfjungen in sie verknallt waren und Inu Yasha hatte nur mit den Schultern gezuckt („Ich hab' ehrlich keinen Schimmer, was in dem vorgeht! Und solange es Rin gut geht, ist doch alles in Ordnung.“). Ihnen allen viel es schwer, einzuschätzen, inwieweit der Youkai sich über seine Beziehung zu dem Menschenmädchen Gedanken machte. Aber natürlich sprach ihn niemand darauf an, so weit ging die vorsichtige Freundschaft nicht. Auch die anderen Menschen des Dorfes hatten inzwischen verstanden, dass der großgewachsene, dämonische Mann, nicht mit bösen Absichten zu ihnen kam und so wurde sich beharrlich angeschwiegen und toleriert. Denn lediglich mit Rin oder Kaede, in seltensten Fällen auch mit Inu Yasha, wechselte Sesshoumaru ab und an ein Wort. Meistens schwieg er.
 

Das Verhältnis der Brüder war noch immer äußerst distanziert, aber immerhin bekämpften sie sich nicht mehr und konnten es aushalten, sich ohne körperliche Gewaltandrohung zu begegnen und einander ziehen zu lassen. Das war ein besserer Zustand als jemals zuvor und wirkte fast wie ein ebenso großer Sieg wie der über Naraku. Denn Kagome hatte den Eindruck, dass Sesshoumaru seinen jüngeren, vermeintlich in Schande geborenen Halbbruder nicht mehr grundlegend ablehnte. Sie hoffte, dass diese Veränderung irgendwann für Inu Yasha bedeuten konnte, dass er Anschluss an seine Blutsverwandtschaft bekäme. Doch sie wusste um die Sensibilität dieses Themas, was im Übrigen, wie sie vermutete, der wirkliche Grund für seine heutige Grantigkeit war. Vor zwei Tagen hatte Sesshoumaru Rin wieder etwas vorbeigebracht, vier Orangen und ein Bündel aus teurem Stoff, in das große, funkelnde Muscheln eingewickelt waren. Das Mädchen war entsprechend verzückt gewesen und die anderen Kinder hatten sie gefragt, ob sie denn auch mal die Muscheln sehen dürften. Inu Yasha war angespannter als sonst gewesen, und Kagome war es vorgekommen, als wollte er eigentlich gerne mit seinem Bruder sprechen, fand jedoch keinen Mut dazu und hatte ihn schweigend wieder ziehen lassen, ohne ein gegenseitiges Wort des Grußes.
 

Irgendetwas ging ihm nah, und das versuchte er mit allen Mitteln zu verbergen. Auch wechselte er sofort das Thema, wenn sie versuchte, ihn darauf anzusprechen. So konnte sie nur spekulieren, und sie nahm an, dass es mit dem jährlichen Todestag des Vaters der beiden zusammenhing. Und mit der bevorstehenden Reise, die sie unternehmen wollten. Wenn auch nur für wenige Tage, wie Inu Yasha immer wieder zu Protokoll gegeben hatte. Länger bräuchten sie nicht dort und überhaupt unterwegs zu sein, war er der Meinung und hatte im Anschluss wieder Unfreundlichkeiten vergeben. Er konnte seine innere Unruhe schlecht aushalten, weshalb er sich kleine Fuchsdämonen, Dorfkinder und Rucksäcke zu Sündenböcken nahm. Kagome hingegen hatte den gemeinsamen Haushalt gepflegt und war dabei oft nachdenklich gewesen. Ihr Bedürfnis war eher, sich für diese Reise Zeit zu nehmen, denn die hatten sie nun seit drei Jahren. Und sie wollte ihn weiter kennenlernen, ihn und seine Geschichte. Oder eher, ihn und seine Geschichte vor der Geschichte, in welche sie durch den Brunnen hinein gestolpert war. Die ganzen Sachen mit ihm und Kikyo, die hatte Kagome, wenn sie ehrlich sein durfte, oft genug gehört und selbst intensiv genug durchlebt. Nein, sie wollte sehen, wie und wo Inu Yasha früher gelebt hatte, was ihn bewegt und ausgemacht hatte, bevor sie sich alle kannten. Und ihm machte das Angst.
 

„Ist was, Kagome!“
 

„Hm?!“
 

Sie klang ziemlich überrascht und ein wenig erschrocken, anscheinend war sie ganz woanders gewesen. Sie hatte ihn eine ganze Weile einfach nur angestarrt, ohne irgendetwas zu tun und hatte diesen einen bestimmten Ausdruck in den Augen. Der Ich-sehe-gerade-in-deine-Seele-und-denke-über-dich-nach-Blick. Inzwischen wusste Inu Yasha, dass sie ihm damit nichts böses wollte, aber dennoch fühlte er sich dabei jedes mal wie auf einem Präsentierteller. Er hatte bemerkt, dass sie in den letzten Tagen ziemlich nachdenklich gewesen war, teilweise hatten sie auch darüber gesprochen, was ihn stets einiges an Überwindung kostete. Beziehungsarbeit nannte Kagome solche Blicke und die dazugehörigen Gespräche. Er ließ sie mutig zu und über sich ergehen und widerstand dem Drang, sich einfach auf seinen Baum zurückzuziehen oder andere Bäume mit Tessaiga niederzumähen. Sie sagte dann oft, dass sie stolz auf ihn war und das machte ihm beim nächsten Gespräch neuen Mut. So hatte er auch diesmal angenommen, dass Kagome etwas ansprechen wollte und hatte sie still zurück angestarrt. Doch als sie keinerlei Anstalten gemacht hatte, das scheinbar obligatorische „Was-denkst-du-im-Moment“-Gespräch zu beginnen, war ihm ein wenig die Geduld ausgegangen.
 

Natürlich wollte er sie nicht anpampen, und er hoffte, dass sie verstand, dass ihm sein harscher Tonfall meistens sofort wieder leid tat (jetzt zum Beispiel). Schließlich, ermahnte sich Inu Yasha in Gedanken, hatte er sie ja gefragt, ob sie ihn diesmal -dorthin- begleiten wollte, und er konnte nachvollziehen, dass sie dieses Thema beschäftigte. Weil es wieder an der Zeit sei, hatte er es begründet, und weil sie sich ja für das Leben an seiner Seite entschieden hatte und sie nun dazu gehörte, wie auch diese Sache zu ihm gehörte. Er hatte sie öfters gefragt, etwa nach einem Streit, warum sie sich bloß für ihn entschieden hatte, wo sie doch in der anderen Welt so viel weniger Probleme gehabt hätte. Und sie hatte ihm gesagt, dass ihr Leben hier zwar geprägt war von Wandlungen, Selbsterfahrungen und ebenjener Beziehungsarbeit, es sich aber gut und richtig anfühlte. Weil sie ihn liebte und bei ihm sein wollte, das hatte sie ihm mehrfach deutlich gemacht.

Und er war ihr stets unendlich dankbar für ihre aufrichtige und warme Antwort, die er dann immer so herbeisehnte. Natürlich, er war der Mann und er beschützte sie und passte auf sie auf, aber auch Kagome beschützte ihn und unterstützte ihn und sorgte für ihn.
 

Sie gab ihm Kraft und den Mut, sich ihr anzuvertrauen und ihr Teile seines Lebens offenbaren zu wollen, die er niemals jemandem gezeigt hatte. Sie helfen sich gegenseitig dabei, zu wachsen, hatte Kaede es genannt, und eines der Kinder hatte die alte Miko gefragt, ob Inu Yasha und Kagome denn fanden, dass sie noch zu klein seien. Aber er hatte verstanden, was sie gemeint hatte. Sie beide waren so wie er und Tessaiga. Sie lernten sich immer weiter kennen und wurden zu einer starken Einheit, die nichts so leicht durchbrechen konnte, je weiter sie gemeinsam gingen. Und genauso wie bei seinem Schwert fühlte es sich auch mit Kagome an: warm und vertraut. Wie ein enges Band, das sie verband. Und er wusste, dass das Liebe war, denn Kagome hatte es ihm gesagt, und er vertraute auf das, was sie sagte und auf sie.
 

„Ob alles in Ordnung ist. Du hast so.. geguckt...“, erklärte er sich und hoffte, dass er nicht mehr so harsch sondern zugewandt klang.
 

„Ja, ich...ich war so in Gedanken.. - Tut mir leid, dass ich dich wieder angestarrt habe, das habe ich doch, oder? Tut mir leid..“
 

Ihre Stimme war ein wenig belegt, und sie räusperte sich einmal kurz. Unwillkürlich fragte sich Inu Yasha, worüber sie wohl genau nachgedacht hatte. Sie blickte auf die Gegenstände auf dem Boden neben sich, auf den gefüllten Rucksack, und schien sich selbst zu fragen, was sie davon abgehalten hatte, den Schal, den Verbandskasten und den kleinen Regenschirm einzupacken. Sie hatte noch eine Menge Gegenstände aus ihrem alten Leben, und Inu Yasha glaubte ihr nicht immer, wenn sie sagte, dass sie es kaum vermisste. Inzwischen war es in ihrer geräumigen Hütte, ihrem neuen, gemeinsamen Zuhause, schön warm und Kagomes Wangen waren ein wenig gerötet. Es mochte es. Sie wandte sich wieder ihrem Packgeschäft zu und er lauschte dem Knistern des Feuers. Anscheinend hatte sie ihm sein heutiges Verhalten nicht allzu übel genommen. Oftmals hatte sie sogar Verständnis dafür, dass, wenn er unruhig war, er etwas tun musste, um sich abzureagieren.

Erneut machte er sich darüber Gedanken, inwieweit sich ihr Verhalten und ihre Lebenseinstellung von denen der mittelalterlichen Frauen unterschied. Er war sich sicher, dass sie hier in ihrer Art einzigartig war, wie die Frauen aus ihrer Zeitepoche waren, konnte er nicht weiter beurteilen. Es interessierte ihn auch nicht unbedingt. Er fühlte sich zum ersten Mal richtig zu hause und geborgen, und er wünschte sich oft, dass es fortan einfach immer so bliebe. Mehr als das, was er jetzt mit Kagome und dem menschlichen Leben im Dorf gemeinsam mit seinen Freunden hatte, brauchte er nicht. Auf alles andere konnte er verzichten, auch wenn das hieße, niemals eine Vorstellung davon zu bekommen, was das Leben in dämonischer Hinsicht noch mit sich würde bringen können. Wieder betrachtete er die Frau vor sich. Und nach einer weiteren Weile des stillen Beisammenseins spürte er, dass er sie umarmen wollte. Einfach so.
 

„Kagome?“
 

„Ja..?“
 

„Wenn du fertig bist, darf ich dich dann umarmen?“
 

Er klang unsicher und liebevoll zugleich, und sie wusste, dass niemand sonst so sein konnte, wie er. Sein Gesicht hatte weiche Züge angenommen, anscheinend hatte es ihm gutgetan, hier an ihrer Seite einfach still vor sich hinzugrübeln. Von dem Inu Yasha von vorhin, der gezankt und gegrummelt hatte, war nicht mehr allzu viel übrig. Er hatte sich wohl mit dem auseinander gesetzt, was ihn umtriebig gemacht und beschäftigt hatte. Und nun war ihr ob seiner Frage derart warm ums Herz geworden und gleichzeitig musste sie sich wieder beherrschen, nicht aufzulachen. Wo doch die Antwort auf seine Frage so offensichtlich war.
 

„Natürlich, dazu musst du doch nicht fragen, Inu Yasha.“
 

„Ja..nein, aber..du machst dir so viel Mühe mit dem Packen, und ich hab' mich nicht sehr hilfreich aufgeführt, und...ich will dich nicht stören, Kagome.“
 

Hier entschied sie, dass alles Andere im Augenblick nicht so wichtig war, wie mit ihm zu reden und mit ihm zusammen zu sein.
 

„Du störst mich nicht, weißt du? Und ich denke, naja, ich mache einfach morgen weiter, oder? Es ist ja nicht mehr so viel. Das geht ganz schnell, ich mache das dann, bevor wir aufbrechen. Und vielleicht hast du ja recht und ich habe wirklich zu viel eingepackt, wir wollen ja nur ein paar Tage weg und nicht monatelang.“
 

Sie erhob sich vom Boden, spürte, dass ihre Glieder träge waren von dem Sitzen und der Arbeit des Tages. Und sie spürte vor Allem, dass sie sich ihm zugehörig fühlte, sich ihm so eng verbunden fühlte, wie sonst keinem und nichts, und dass sie ihn liebte und bei ihm sein wollte.
 

„Ja schon...aber, ich meine..wir müssen ja nicht unbedingt hetzen. Also, wir könnten uns ja schon ein bisschen Zeit lassen, damit wir nicht hetzen müssen. Damit du..na, du weißt schon.“
 

„Ja. Das ist gut. Danke..“, sagte sie und lehnte sich zu ihm an die Wand.

Die junge Frau merkte, wie müde sie war und legte ihren Kopf an seine Schulter. Er wandte sich ihr zu und eine seiner Hände kam aus den Ärmeln hervor, suchte die ihre und umschloss diese vorsichtig. Sie war warm und obgleich sie ein wenig rau war, erwiderte Kagome die Geste und drückte ihrerseits seine Hand, vor deren Klauen sie sich längst nicht mehr fürchtete.
 

„Inu Yasha?“
 

„Hm?“
 

„Ich liebe dich.“
 

„..das weiß ich, Kagome. - Und entschuldige deshalb bitte, wenn ich vielleicht vorhin nicht so nett zu dir war... immerhin will ich doch, dass du mitkommst, wenn ich sie besuche...“
 

Ja, auch sie wollte ihn begleiten, dachte sie und wunderte sich darüber, wie schwer es plötzlich war, die Augenlider offen zu behalten. Und so ließ sie diese einfach geschlossen und genoss den warmen Körper neben sich. Ihre kleine Hand in seiner großen, ihre Zeiten vereint in einem gemeinsamen Leben, das sie Seite an Seite verbringen würden. Sie blieb bei ihm, auch wenn sie wusste, dass es noch oft Situationen geben würde, in denen sie ihn und dieses Zeitalter verfluchte, aber ihr Vertrauen zu sich und zu ihm war stärker als alle äußeren Einflüsse und inneren Konflikte zusammen. Und außerdem war dies doch erst der Anfang.
 

„Ich liebe dich auch, Kagome“, flüsterte Inu Yasha an ihrer Seite und sie lächelte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von: abgemeldet
2014-05-10T19:30:12+00:00 10.05.2014 21:30
Deine FF ist wirklich sehr schön bis jetzt und ich freue mich, wenn ein neues Kapitel rauskommt

LG deine Naomi
Von:  francislissy
2014-04-29T14:09:26+00:00 29.04.2014 16:09
ojjj wann schreibst denn weiter? Ich warte und warte und nie is a neues Kapitel da :(
Schreibst du überhaupt weiter?
Lg francis
Antwort von:  Parsaroth
03.05.2014 23:35
Hallo =)

Ja, sei ganz beruhigt: ich schreibe weiter. Ich hab' nur so viel zu tun zur Zeit, muss viel arbeiten, da komme ich leider viel zu wenig zum Schreiben... aber das nächste Kapitel ist fast rund.

Toll, dass du der weiteren Geschichte so entgegen fieberst! :D

Liebe Grüße
Von:  Gray-sama
2014-04-15T23:51:49+00:00 16.04.2014 01:51
Ich finds gut!!! Sehr detailliert, aber wo ist der Körpertausch geblieben??? Naja kommt bestimmt noch im nächsten Kapitel. Bitte schreib weiter :D
Antwort von:  Parsaroth
16.04.2014 16:57
Hallo,

danke, das ist toll, das freut mich sehr! - Ja, der kommt noch; das war jetzt ja erst der Prolog. Mach' ich auf jeden Fall! =)

Liebe Grüße
Von:  Mimiteh
2014-04-07T16:17:24+00:00 07.04.2014 18:17
Nicht schlecht... hat was von Tagebcuheintrag + Charakterstudie. Auf jeden Fall gibt dein Prolog einen guten Einblick in die Ausgangsituation, mit der du hantierst, das Kapitel ist schön lang und flüssig zu lesen. Nur manchmal haust du den Satzbau etwas durcheinander.
Gefällt mir, wie du InuYasha und Kagome dargestellt, in der Art, in der sie sich schon weit näher gekommen sind, ihr Umgang... selbstverständlicher geworden ist, aber eben doch noch gewisse Hürden bestehen. So bleiben beide IC und das gilt auch - soweit nachvollziehbar - für die restlichen Charaktere.
Antwort von:  Parsaroth
10.04.2014 18:20
Dankeschön für die Rückmeldung!
Gerade habe ich ja deine Geschichte durchgelesen, die ich wie gesagt richtig klasse finde, und da freut es mich natürlich, dass dir der Prolog gut gefällt! Ich bin ja quasi noch am Ausprobieren und brauche auch aus Zeitmangel ziemlich lange für ein Kapitel, aber so eine positive Kritik spornt natürlich an. Vor allem, dass mir die Charaktere zu gelingen scheinen, erleichtert mich. Und auf den Satzbau versuche ich aufzupassen. Danke dir nochmal! =)
Von:  francislissy
2014-04-06T14:15:21+00:00 06.04.2014 16:15
Ich bin begeistert. Schon lange habe ich nicht mehr so gespannt auf ein erstes Kapitel gewartet. Du hast einen wunderschönen Stiel alles zu beschreiben. Und dein Wortschatz möchte ich am liebsten stehlen. Alles passt perfekt zusammen und liest sich wie Honig. Wenn du weist was ich meine. Der Grundstein oder Einführung für deine Geschichte, ist wirklich toll und als ich bei der letzten Seite angekommen bin, dachte ich "nein, warum ist es schon aus". Und ich sags dir das kommt nicht oft vor. Bitte hör bloß nicht auf zu schreiben wo du doch Talent besitzt. Ich hoffe schon bald hast du ein neues Kapitel geschrieben um mich wieder in den Bann zu ziehne. Das Einzige was ich an schlechte Kritik habe ist das ich ein bisschen Entäuscht war das sie sich am Ende nicht geküsst haben. Denn ich dachte wenn du schon bei den Anderen Sachen so romatisch bist, wie erst dann beschreibst du den Kuss. Also das würde ich mir sehr wünschen das sie sich irgendwann küssen, die sind ja verheiratet. Sorry das so viel schreibe, aber ich bin echt baff. Lg francis
Antwort von:  Parsaroth
06.04.2014 18:08
Hallo,

wow, mit so einer Resonanz habe ich wirklich nicht gerechnet! (Obwohl ich es mir natürlich gewünscht habe!) Vielen Dank für deine lieben und ehrlichen Worte!
Mir hat das Schreiben auch echt Spaß gemacht, gerade weil man dann mal die Möglichkeit hat, sich unterschiedlich auszudrücken. Und wenn dir das dann wie Honig vorkommt, finde ich das wirklich toll! :D
- Nein, ich höre nicht auf, ich fange ja eher gerade erst ernsthaft an. Immer, wenn ich irgendwie Zeit finde, bin ich gedanklich damit beschäftigt, wie es weiter geht.
Mich zieht das auch ziemlich in seinen Bann, diese ganze Welt. Und die Beiden werden sich auf jeden Fall auch küssen, versprochen! :D Aber ich wollte eben versuchen zu zeigen, dass sie sich vor allem emotional eng verbunden sind. Sowas finde ich wichtig, und zeigt den starken Zusammenhalt der Beiden. Den brauchen sie auch, soviel sei schonmal gesagt... ;)

Jetzt habe ich mindestens genauso viel geschrieben, also lass dich beim nächsten Mal nicht aufhalten! :D Liebe Grüße und nochmals dankeschön!
Von:  Sylfaen
2014-04-05T22:06:40+00:00 06.04.2014 00:06
Hallo :)
Bis jetzt gefällt mir das sehr gut, was Du da machst. Du hast einen schönen Schreibstil :) Mh, ich bin schon gespannt, wie es weiter geht. Das ist nämlich tatsächlich ein Prolog: Etwas, um einem den Mund wässrig zu machen ;)
Antwort von:  Parsaroth
06.04.2014 17:56
Hallo =)

Vielen Dank für die Rückmeldung! Ich war mir, als ich diesen Prolog fertig hatte, wirklich gar nicht sicher, ob sich das überhaupt als Prolog eignet.
- Ob sich das alles überhaupt irgendwie eignet! :D
Aber es freut mich sehr, dass ich dir den Mund wässrig machen konnte, das ist wirklich ein tolles Kompliment! =) Ich hoffe, ich finde genug Zeit, um mich den zukünftigen Kapiteln ebenso intensiv widmen zu können.

Bis dahin! =)

Von: abgemeldet
2014-04-05T12:31:42+00:00 05.04.2014 14:31
Ich find den Prolog echt schön immer weiter so :-D
Antwort von:  Parsaroth
06.04.2014 17:51
Hallo,

danke, das freut mich sehr! - Ich bin dran am nächsten Kapitel, versprochen! =)


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