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Okiya

Delinquent trifft Maiko
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe euch hat der Prolog gefallen. Hier ist nun das erste Kapitel. Komplett anzeigen

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"Ein blaues Auge"

Wie immer brach Jiro auch an diesem Abend auf, um nach Kawaramachi zu fahren. Dort traf er sich mit einigen, wie er es nannte, Freunden, betrank sich mit den Jungen und auch ein paar Mädchen. So war es kein Wunder, dass Jiro auch am nächsten Tag mal wieder zu spät kam. So hielt er es die ganze Woche, bekam jedoch von kaum einem Lehrer einen Eintrag. Immerhin wollte man es sich nicht mit dieser Familie verscherzen. So konnte er es sich einfach erlauben sich daneben zu benehmen.
 

Sora beobachtete das ganze eher argwöhnisch, doch hielt er sich vorerst zurück damit irgendwas zu sagen. Vielleicht hatte er seine Gründe? Wer wusste das schon? Im Gegensatz zu ihm musste er selbst ständig höchste Disziplin an den Tag legen. Doch sein wohlbehütetes Elternhaus half ihm dabei.

Zwar war Jiros Elternhaus ebenso wohl behütet, doch er war einfach nicht so diszipliniert, wie es seine Geschwister waren. Nur selten kümmerte er sich um das, was andere sagten. Viel lieber hatte er Spaß und zog mit seinen Freunden abends durch die Straßen. Auch an diesem Wochenende ging er mit ihnen trinken, ehe sie in Kawaramachi die Gassen entlangliefen.
 

Hätte Jiro gewusst, dass Sora an jenem Abend ebenfalls unterwegs war, hätte er sich vielleicht zurückgehalten. Doch so belästigte er mit den anderen zusammen eine junge Frau. Sora konnte kaum glauben, was er da sah. Diese Frau war aus seiner Nachbarschaft und wollte eindeutig nicht von den Jugendlichen angesprochen werden. Dass Jiro unter ihnen war, erkannte er erst, als er näher herangetreten war. „Hayashisan*, kommen Sie! Man erwartet Sie schon!“, sagte er sofort. Die Frau nickte und folgte ihm aus dieser misslichen Situation. Die Jungen sahen den beiden nur nach. Jiro hatte ihn nicht erkannt. Dies mochte wohl in erster Linie am Alkohol liegen, den er intus hatte. Doch ebenso hatte sich Sora auch gut getarnt. Durch die Arbeit trug er einen, wenn auch sehr schlichten, Kimono und eine Perücke, um wenigstens den Schein zu wahren eine Frau zu sein.
 

Dieser Vorfall hatte Jiro gründlich die Laune verdorben. Deshalb machte er sich lieber auf den Heimweg. Vielleicht hätte die ein oder andere Person sich nun besser verhalten, doch für Jiro änderte sich nichts. Auch in der kommenden Woche kam er die ersten zwei Tage zu spät, ging aber in der Mittagspause zu Sora aufs Dach. Während er Montags nur kurz nach ihm sah und sich sofort wieder zurückzog, sprach Sora ihn am Dienstag auf eben dieses Verhalten an, als der Ältere schon wieder abhauen wollte: „Warum... gehst du immer wieder? Du kommst immer nur ganz kurz und dann verschwindest du...“ „Willst doch deine Ruhe. Deshalb. Wollt' nur nach dir schauen, ob dich auch niemand hier ärgert. Aber wenn's niemand macht, kann ich ja wieder gehen...“, antwortete Jiro schulterzuckend, lächelte etwas. „Oder willste mich hier haben, Sky?“ Sora blinzelte leicht und sah ihn an, schüttelte dann den Kopf. „Bitte... nenn mich Sora. Such dir von mir aus einen anderen Namen für mich, aber nicht... Sky. Und... Ja, ich habe dich gerne hier. Als ich gesagt habe, dass ich die Ruhe hier mag, hieß das nicht, dass ich allein sein wollte. Die Lautstärke setzt mir nur sehr zu...“ „Also... Magstes wenn ich hier bin? Soll ich bleiben?“, hakte Jiro, wenn auch etwas unsicher nach. Immerhin war die Frage doch etwas seltsam. „Ich habe nichts dagegen, wenn du der einzige bist“, entgegnete Sora lächelnd und brachte so auch Jiro zu einem Lächeln, wenngleich es doch sehr abweisend wirkte. „Es is' schön hier. Aber... auch einsam, oder nich'?“ Sora zögerte, schüttelte dann aber den Kopf zur Antwort. „Die Ruhe ist angenehm. Unten ist es mir zu laut...“
 

Jiro hing ein wenig seinen Gedanken nach, musterte Sora immer wieder, ehe er abermals die Stimme erhob. „Du bist anders als die anderen, auch wenn du genauso spießig aussiehst“, stellte er fest, was Sora ein Schmunzeln entlockte. „Da hast du vielleicht Recht“, gab dieser zurück. „In welchem Club biste eigentlich?“ „Ich besuche den Tee-Club“, antwortete Sora weiter, „Und du... bist im Fußball-Club. Macht es dir Spaß?“ „Sonst würd' ich ja wohl kaum den Club besuchen“, sagte Jiro grinsend, verdrehte dann aber die Augen. Tee-Club... das war sicher schrecklich langweilig. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es tatsächlich interessant wäre, jeden Tag über Tee zu sprechen. „Ich mag Fußball sehr... ich hab's immer gespielt, aber... inzwischen komm ich nich mehr so oft dazu wie früher... Ich hoff' ja irgendwie... dass irgendwann Talentscouts kommen und mich bei 'nem Spiel sehen. Dann... könnt ich in die Profi-Liga.“, sprach er nach einiger Zeit weiter und Sora hob eine Augenbraue. Er kam nicht mehr dazu? „Nimm dir doch einfach die Zeit, wenn dir so viel daran liegt?“, fragte er nach. Immerhin wäre Fußball besser, als Frauen zu belästigen. Er verstand ohnehin nicht, wie man das tun konnte. „Mal schaun“, gab Jiro nur schulterzuckend zurück, ehe er zur Tür ging. „Bis dann, Sky“ Er schmunzelte etwas, verließ das Dach. Natürlich sollte er etwas an seinem Leben ändern, doch das war leichter gesagt als getan. Er mochte seine Freunde... irgendwie. Zumindest vertrieben sie ihm die Zeit.
 

Ein paar Tage vergingen, in denen Jiro jedes Mal aufs Dach kam. Dann aber fehlte er wieder zwei Tage. Als er Freitags dann doch wieder kam, war er überraschend pünktlich, ging aber während des Unterrichts einfach aus dem Raum und beschäftigte sich mit seinem Handy. Er hatte einfach keine Lust auf nichts, was selbst Sora auffiel. Misstrauisch beobachtete er das Verhalten des anderen. Deshalb stand er nach der Stunde auf, trat an Jiro heran, der sich gerade zurück gelehnt und die Füße hochgelegt hatte. „Warum bist du hier, wenn du keine Lust darauf hast?“, fragte er mit gerunzelter Stirn. Schon beinahe beeindruckt sah Jiro zu dem Jungen auf. „Weil mein Alter es will“, antwortete er dann aber schlicht, „Glaubste ich bin freiwillig an 'ner Spießerschule?“ „Dann wechsle die Schule doch. Ich finde, du verschwendest deine Zeit hier, wenn du nichts tust und nur faul herum sitzt. Dadurch ändert sich nichts“, entgegnete Sora und spürte, wie wütend er wurde, wandte sich aber ab und ließ sich frustriert auf seinen Platz sinken. Warum mischte er sich überhaupt ein?

Jiro sah ihm nach, beobachtete ihn ein wenig. Noch nie hatte ihm jemand so die Stirn geboten. Sora war wirklich interessant. Es machte ihn neugierig, was noch in dem Jungen steckte. Wer konnte das schon wissen?
 

Mit großer Überraschung sah Sora am folgenden Montag dabei zu, wie Jiro pünktlich in die Schule kam und sich besser verhielt. War es etwa wegen ihm und dem, was er gesagt hatte? Aber die Vorstellung fand er irgendwie lächerlich. Wieso sollte auch jemand wie Jiro auf ihn hören und sich so etwas zu Herzen nehmen? Vielleicht war es einfach nur Zufall. Ansprechen würde er ihn darauf sicher nicht. Stattdessen zog er sich in der Pause auf das Dach zurück. Wenig später kam auch Jiro vorbei. Er zog sein Bento** heraus, das offensichtlich aus einem Supermarkt stammte, und ließ sich neben Sora nieder. „Morgen, Sky. Wie geht’s dir?“, fragte er nach, doch Sora passte das gar nicht. „Sora. Immer noch. Wenn du es nicht endlich verstehst, werde ich kein Wort mehr mit dir reden.“ Zum ersten Mal ging Jiro nun auf seine Wiederworte ein. „So nennt dich jeder. Ich bleib' bei Sky. Wenn du's nich' verstehst, is' das dein Pech“ Er zuckte nur mit den Schultern, wandte sich etwas ab. „Ich mag es eben nicht. Es hat keinen schönen Klang. Es ist zu hart.“ „Weil's dein Name is', klingt's nich' hart“, meinte Jiro jedoch nachdenklich. „Dass du's bist, der den Namen trägt, lässt ihn weich klingen. Das siehste nur nich', weil du dich selbst nich' sehn kannst“

Sora ignorierte diesen Widerspruch, seufzte nur leise und aß von seinem Bento, blickte dann zu Jiros. „Wieso hast du kein eigenes Bento? Das schmeckt doch nicht“, meinte er leise. „Is' doch mein eigenes Bento. Mein Alter hat's extra für mich kaufen lassen“, entgegnete Jiro nur, verkrampfte seine Hand leicht um die Stäbchen, senkte den Blick und aß weiter.
 

Sora fühlte sich irgendwie schlecht. Das wurde auch nicht besser, als Jiro sich zwar auch die folgenden Tage gut benahm, aber immer nur mit einem gekauften Bento auf dem Dach erschien. Zuerst sagte er nichts dazu, doch drei Tage später konnte er einfach nicht mehr anders. Er nahm Jiro das Bento weg, schob ihm sein eigenes hin. „Hier, iss das.“ Jiro jedoch blockte sofort ab. Er schüttelte den Kopf, nahm sein Bento wieder. „Deine Ma hat's für dich gemacht. Also iss es. Ich komm schon klar.“ „Iss es. Bitte. Es schmeckt besser als dieser Fraß.“ Erneut nahm Sora Jiro das Bento weg und erhob sich, eilte ins Treppenhaus, um es dort in den Müll zu werfen. Jiro ließ es einfach geschehen. Doch bei seinem abwartendem Blick, nachdem sich Sora wieder gesetzt hatte, stand er nun selbst auf. „Ich geh' in die Mensa“ Er wollte ihm einfach nichts weg essen. „Nein... Bleib hier und iss endlich. Stell dich doch nicht so an.“ Sora wollte nicht, dass Jiro ging, doch er würde ihn nicht zurückhalten. „Iss dein Essen, aber dreh's mir nich' an!“ Damit verließ der Ältere das Dach, ging zu den anderen in die Mensa, um, wie schon so oft, dort zu essen. Es war in Ordnung, nicht unbedingt lecker, aber immerhin müsste er nicht hungern.
 

Nach dem Essen lief er zur Sporthalle, hatte nun schließlich Fußball. Bei Sora hatte er jedoch nicht mehr vorbeigeschaut. Dafür lief dieser einige Zeit später am Fußballfeld entlang. Wie immer hielt er sich im Schatten, beobachtete von dort aus das Spiel. Die anderen zogen sich nach und nach zurück, bis nur noch Jiro auf dem Feld stand und mit sich selbst spielte. Fußball war wohl das Einzige, dem er wirklich enthusiastisch nachging. Langsam stoppte er jedoch, ging an den Spielfeldrand und nahm seine Wasserflasche, goss sich von dem Inhalt ein wenig über den Kopf. Obwohl es erst Ende April war, hatte es schon weit über 20°C.

Sora erkannte, wie gut und frei sich Jiro beim Spielen zu fühlen schien. Umso weniger verstand er, warum er sich so dagegen wehrte, Fußball mehr Platz in seinem Leben zu geben. Als er sah, wie sich Jiro Wasser über den Kopf goss, kam er zu ihm und reichte ihm ein Tuch. Etwas perplex blickte Jiro darauf, lächelte dann und nahm es an sich. „Danke...“, sagte er sanft, atmete noch immer schwer. „Biste eben vorbeigekommen oder haste länger zugesehen?“ „Ich habe... zugesehen. Ein bisschen. Vom Baum dort hinten aus“, gab Sora zurück und deutete in die Richtung. „Ah...“, machte Jiro nur und steckte das nasse Tuch ein. „Ich lass' es waschen und bring's dir morgen wieder...“, verkündete er, ehe er leicht schmunzelte. „Kannst Sonne wohl echt nich' ab, hm? Na ja, ich geh' dann mal duschen. Warteste?“ „Es hat nichts damit zu tun, dass ich die Sonne nicht mag. Es wäre... nur nicht gut“, gestand Sora leise, nickte dann. „Ich warte beim Baum.“ Jiro verdrehte etwas die Augen, ging dann aber duschen.
 

Wenig später kam er wieder und gesellte sich zu Sora. „Warum wär's besser weiß zu sein?“, hakte er nun doch weiter nach. „Es ist für mich einfach besser“, versuchte es Sora zu erklären. Er konnte Jiro unmöglich sagen, was der wahre Grund war. Jiro nahm es jedoch einfach so hin, fragte nicht weiter nach. „Is' vermutlich eh gesünder so... Ich wette, ich bekomm' irgendwann Schrumpelhaut“, stellte er grinsend fest. „Aber kümmert mich nich'. Läuft halt so, wenn man ständig draußen is'...“ „Ich... ich finde du siehst gut aus, wenn du braun bist“, sagte Sora und schluckte etwas, senkte den Blick leicht. Die Hautfarbe ließ Jiro irgendwie so jung und frech wirken. Es passte einfach zu ihm. „Achso? Na das nehm' ich dann mal als Kompliment“, meinte Jiro, strich sich durchs Haar. „Heut' werd' ich mit dem Bus fahren. Dachte mir, ich könnt' meinen Alten auch mal sitzen lassen.“ Sora blinzelte überrascht und sah zu Jiro auf, musste dann aber leicht lächeln und schüttelte den Kopf, ging weiter den Weg entlang. Genau das hatte er gedacht, als Jiro ihn zum ersten Mal zur Busstation begleitet hatte. „Bis wohin musst du denn fahren?“, fragte er nach, während sie auf den Bus warteten. „Shugakuin... is' also ein Stück“, antwortete Jiro und stieg dann mit Sora in den nächsten Bus, um sich dort zu setzen. „Muss auch noch umsteigen... Is' nett, dass du in Gion wohnst. Gibt sicher viel zu sehen...“ „Gion ist für viele mittlerweile nichts mehr Besonderes. Aber ich mag es dort sehr. Die Straßen und Gassen... all die Menschen, die dort wohnen... Sie machen Gion zu einem schönen Ort“, antwortete Sora lächelnd. „Bin gelegentlich in der Gegend. Mags sehr bei Nacht“, entgegnete auch Jiro, „Und was machste da so jeden Tag?“ Sora verbiss sich eine Bemerkung. Immerhin hatte er bereits gesehen, was Jiro so in Gion trieb. „Was man eben macht. Hausaufgaben und Essen. Manchmal gehe ich abends noch spazieren“ Spazieren war gut gesagt, immerhin ging Sora eher arbeiten. „Spazieren klingt toll. Vielleicht find' ich auch mal wieder Zeit für“ Sie fuhren ein wenig, schwiegen sich nun eher an.
 

An der nächsten Station stieg eine Frau mit Kinderwagen ein. Sofort machte Jiro platz für sie, damit sie sich setzen konnte. Jiro blickte auf das Baby runter, ging vor ihm in die Hocke. Sofort strahlte es, als Jiro begann Grimassen zu schneiden, und lachte. Sora beobachtete sein Verhalten. Wie konnte jemand so anders sein...? An jenem Abend, als er die Frau belästigt hatte, hatte er herum gepöbelt, war unfreundlich und... hier machte er bereitwillig Platz für eine Frau mit Kind?

Fast schon liebevoll lächelte Jiro das Mädchen in dem Kinderwagen an, ehe er sich langsam wieder erhob, seinen Blick abwandte. Sofort wich das Lächeln seiner ständigen, recht ausdruckslosen Miene. „Du solltest öfters so lächeln. Du siehst gut damit aus.“, stellte Sora fest, als er aussteigen musste. „Red keinen Mist“, antwortete Jiro, folgte ihm aus dem Bus. „Hast du nicht gesagt, du musst nach Shugakuin?“, fragte Sora verwirrt nach. Jiro zuckte mit den Schultern. „Ich denk', ich vergnüg' mich noch ein bisschen in der Gegend.“ Sora nickte nur. „Ich meine es ernst mit dem, was ich gesagt habe.“ „Gibt nich' viele Gründe. Deshalb spar' ich's mir. Meinen Alten wird’s auch stressen, dass ich abgehauen bin und mich nun nich' hab fahren lassen“ „Du solltest Gründe finden.“, antwortete Sora ernst. „Habe noch einen schönen Tag“ Er verbeugte sich, ging dann die Straße runter. „Bis morgen...“, entgegnete Jiro noch, wandte sich dann ab, um nach Kawaramachi zu laufen. Am nächsten Tag kam Jiro jedoch nicht in die Schule, was Sora doch einige Gedanken bereitete.
 

Sonntags lief Jiro wieder ein wenig in Gion herum, nachdem er mit seinen Freunden getrunken hatte. Noch immer konnte man sein blaues Auge sehen, doch normalerweise kümmerte es ihn nicht. Hätte er allerdings gewusst, dass er auch an diesem Abend auf Sora treffen würde, hätte es ihn sicher gestört. Dieser war gerade mit einer Geiko unterwegs zu einem Teehaus, trug einige ihrer Sachen. Am Eingang trennte er sich von ihr, sah Jiro, wie er ihm entgegenkam. Erschrocken ging er einige Schritte in den Schatten des Hauses zurück, als ihm sein Auge auffiel. Er hatte sich geprügelt... Das passte nur allzu gut zu ihm.

Es war auch nicht verwunderlich, dass Jiro Montags zu spät kam. Sein Auge war mit Make-up abgedeckt und niemand schien es zu bemerken. In der Mittagspause ging er aufs Dach, lächelte Sora schwach an. „Du hast ein blaues Auge. Und bevor du fragst, ich sehe so etwas. Du hast Make-up darauf, um alles abzudecken“, stellte Sora fest, während sich Jiro neben ihn sinken ließ. Er holte sein Bento aus dem Supermarkt heraus und blickte dann fast überrascht zu Sora. „Jap, hab ich. Kommt schon mal vor.“, gab er recht gelassen zurück. „Ich verstehe nicht, warum man sich prügeln muss. Was bringt das? Beweist man damit etwas? Fühlt man sich dadurch besser?“, fragte der Jüngere nach, blickte auf das Bento und hielt Jiro seine eigene Box hin, die jedoch abgelehnt wurde.

Jiro runzelte die Stirn etwas. Prügeln? Das dachte er von ihm? „Keine Ahnung“, gab er deshalb nur zurück. Zufriedenstellend war die Antwort nicht gerade, doch sagte Sora nicht dazu. Dass er allerdings sein Bento nicht annahm, verwunderte ihn ein wenig? Wieso wehrte er es jedes Mal ab? Höflich war das ja nicht gerade. Doch er aß nun einfach schweigend weiter.
 

„Ich... kann heut' nich' mit dir fahren. Komm nich' zum Feld...“, begann Jiro, als er fertig gegessen hatte und erhob sich, um das Dach zu verlassen. Verwirrt sah Sora ihm nach. Er sollte nicht zum Feld kommen? Die Tür zum Treppenhaus schloss sich und er senkte den Blick. Aber wenn er es denn so wollte... Er kam also nicht zum Feld, ging direkt zur Bushaltestelle, nachdem sein Club geendet hatte.

Jiro ließ sich danach nach Hause fahren, kam am nächsten Tag pünktlich zur Schule. Doch statt in der Mittagspause wieder zu Sora zu gehen, der sich nun doch etwas einsam vorkam, die Zeit mit Jiro irgendwie schon genossen hatte, aß er stattdessen mit den anderen in der Mensa. An einem Gespräch beteiligte er sich trotz allem nicht. Seine Gedanken waren bei Sora. Warum bot er ihm sein Bento an? Warum fühlte er sich nun schlecht ihn dort alleine zu lassen? Und warum mischte sich der Junge eigentlich ein...? Er seufzte etwas. Ein wenig hoffte er schon, dass Sora zum Feld kommen würde. Doch nach seiner Abfuhr bezweifelte er es ein wenig.
 

Natürlich spürte Sora, dass ihm Jiro auswich. Doch das hielt ihn nicht davon ab, am Nachmittag zum Spielfeld zu kommen. Aus der Ferne sah er ihm zu, stellte fest, wie gut der andere dabei aussah... Trotz dem Unscheinbaren Platz zwischen ein paar Bäumen, hatte Jiro ihn gesehen. Er sah das Winken, lächelte schwach und beobachtete ihn einfach weiter. Erst als Jiro sich an den Rand des Spielfelds sinken ließ, kam er näher. Heute hatte es fast 30°C und der Himmel war strahlend blau. Kein Wunder, dass Jiro so schwitzte und sich zur Abkühlung Wasser über den Kopf goss. Er blickte dann hoch in den Himmel und strich sich durch das feuchte Haar, ehe er seine Augen schloss. Erst, als er einen Schatten bemerkte, der sich über ihn legte, öffnete er die Augen wieder. Er sah Sora vor sich, wie er ihm ein Tuch hinhielt. Dankbar nahm er es entgegen. Sein anderes hatte er ihm nicht zurückgegeben. Es lag noch immer in seinem Zimmer auf dem Schreibtisch und wartete darauf mitgenommen zu werden. Aber jedes Mal sträubte sich irgendwas in Jiro dagegen.

„Du hast zwar schon eins... aber... das hier kannst du auch benutzen“, hörte er die Stimme des Jüngeren, trocknete sich nun ab. „Danke...“ Zaghaft lächelte er, rappelte sich auf. „Ich brings dir wieder...“, versprach er, wie auch schon das letzte Mal. „Keine Sorge... ich habe noch einige zu Hause...“, meinte Sora nur und hob die Schultern. „Warteste? Ich nehm' wieder den Bus...“, fragte Jiro, wenn auch etwas unsicher, nach. „Ich warte bei den Bäumen“, antwortete Sora, wandte sich ab und lief an seinen Beobachtungsposten zurück, während Jiro in der Halle duschen ging. Zehn Minuten später kam der Ältere wieder raus, ging mit ihm zur Bushaltestelle.
 

„Setz' dich...“, forderte Jiro Sora auf, als sie den Bus betreten hatten und nur noch ein Platz frei war. Er selbst blieb stehen, sah aus dem Fenster. „Danke...“, nuschelte der Kleinere, ließ sich auf den Platz sinken. In Gion stiegen sie beide aus, ehe sie sich dort trennten. Noch einmal blickte sich Sora zu ihm um, bog dann aber in seine Straße ein. Irgendwie hatte er das seltsame Gefühl, dass Jiro den morgigen Tage wieder nicht in der Schule anzutreffen wäre...


Nachwort zu diesem Kapitel:
*-san ist ein höfliches Namenssuffix, etwa wie „Herr“ oder „Frau“
**Bento ist eine Vesperbox, die, wenn sie selbst gefüllt ist, meist aus den Resten vom Vortag, wie Reis, Eingelegtem, Fleisch und Gemüse besteht. In Supermärkten kann man diese ebenfalls für Unterwegs kaufen. Komplett anzeigen

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