Zum Inhalt der Seite

Medimagier in Ausbildung

Healer's Diary
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Keine Sorgen

Wortlos schob die Empfangshexe einen limonengrünen Umhang und ein Namensschild über die Theke. „Dankeschön“, sagte Daphne freundlich, fest entschlossen, es sich nicht gleich am ersten Arbeitstag mit dieser Hospital-Mitarbeiterin zu verscherzen. Diesen Fehler hatte sie schon einmal begangen und sie war der festen Überzeugung aus ihren Fehlern lernen zu müssen.

Die Empfangshexe schürzte die Lippen und nickte knapp. Daphne griff nach ihrer neuen Arbeitskleidung und machte sich auf den Weg in den Umkleideraum.

Die Umhänge bestanden aus dem billigsten Material, das die Zaubererwelt zu bieten hatte, weil es schnell zerknitterte und an nackter Haut gerne mal kleben blieb. Daphne erinnerte sich nur allzu gut daran, dass sie und ihre Kollegen in den ersten Jahren zu jeder Jahreszeit bodenlange Roben trugen, damit sie nicht vor jedem Patientenbesuch nachprüfen mussten, ob sie einigermaßen manierlich aussahen.

Dennoch hatte es ihr widerstrebt, eine ihrer besseren Umhänge mitzubringen, die sie sich nach Beendigung ihrer Ausbildung endlich hatte leisten können. Schließlich wollte sie heute einen Neuanfang wagen, da gehörte der Anfängerumhang eben dazu.

Im Umkleideraum hatten sich bereits die Anfänger versammelt und in kleine Grüppchen sortiert. Freundschaften und Rivalitäten waren bereits in den letzten drei Wochen Tagen geschlossen worden, die vergangen waren, seitdem die jungen Heiler ihre praktische Ausbildung begonnen hatten. Sie alle waren gut 15 bis 20 Jahre jünger als Daphne und ihre Gespräche verstarben in dem Moment, als Daphne eintrat. Vermutlich rechneten sie damit, einer noch unbekannten Oberheilerin gegenüberzustehen, doch als Daphne zielstrebig auf ihren Spind zuhielt und keinerlei Anstalten machte, ihnen Anweisungen zu erteilen, traten Verwirrung und Neugier an die Stelle der Anspannung.

In aller Ruhe tauschte Daphne ihre Umhänge aus und steckte sich die blonden Haare mit geübten Bewegungen so fest, dass sie garantiert den ganzen Tag fixiert waren und ihr nicht in die Augen rutschten würden.

„Hey“, jemand tippte ihr auf die Schulter und als sie sich mit hochgezogenen Augenbrauen umdrehte, entdeckte sie eine aufgeregte junge Frau mit kurzen braunen Haaren und unzähligen Sommersprossen im Gesicht.

„Ich bin Kim“, sagte sie und reichte Daphne ihre rechte Hand, die diese reflexhaft ergriff. „Daphne“, antwortete sie und betrachtete Kim aufmerksam. Sie war nicht viel älter als 20, was bedeutete, dass sie wahrscheinlich gerade erst die Universität verlassen hatte.

„Wie kommt es, dass ich dich hier noch nie gesehen habe?“, sagte Kim lächelnd und fügte mit spielerischem Ernst hinzu, „wir anderen haben schon vor Wochen angefangen.“

„Ich hatte noch ein paar Sachen zu klären“, erwiderte Daphne zögerlich. In Wirklichkeit hatte sie keine Lust gehabt, sich noch einmal das Chaos der ersten Tage anzutun, wenn keiner wusste, was er eigentlich zu tun hatte, und trotzdem alle zeigen wollten, dass sie besser waren als die anderen.

„Verstehe“, sagte Kim und warf ihr einen mitleidigen Blick zu, „das kann ja alles nicht ganz einfach für dich gewesen sein. Naja, ich zeige dir mal, was du so alles verpasst hast.“

Während Kim eine kleine Einführungstour machte, zu der sich auch einige ihrer Freunde gesellten, stellte Daphne ein ums andere Mal fest, dass sich nicht viel verändert hatte. Natürlich band sie das Kim nicht auf die Nase, die Ärmste wäre viel zu enttäuscht gewesen, wenn sie erführe, dass der Aufbau und die Organisation des Hospitals ganz und gar nicht Neuland für Daphne war.

„Mach dir übrigens überhaupt keine Sorgen“, erklärte Kim aufmunternd, „in den ersten Tagen waren wir auch völlig überfordert. Aber mit der Zeit wird das schon.“ Daphne lächelte höflich. Ein Talent dazu hatte sie bereits im Kindesalter entdeckt. Viel mehr fiel ihr zu Kims Ausführungen allerdings wirklich nicht ein, aber bis jetzt hatte sich keine Gelegenheit ergeben, den jungen Heilern ihre Lebensgeschichte und damit den wahren Grund für ihre Anwesenheit zu erklären.

Als sie im fünften Stock in der Cafeteria ankamen, erklärte Kim ihre Tour für beendet und sie und ihre Kollegen verfielen in ein angeregtes Gespräch über Patientenakten, Nachtschichten und die grässliche Wandfarbe im Behandlungszimmer des Abteilung für ansteckende magische Krankheiten. Daphne genoss einen Moment lang die Unbeschwertheit und erinnerte sich an ihren ersten Monat als Heilerin, als sie nur für sich selbst und ihre Patienten die Verantwortung trug.

Der Augenblick währte jedoch nicht lange, denn Kim stupste sie schon wieder an.

„Da kommt der Oberheiler“, flüsterte sie ihr zu und deutete mit dem Kopf in Richtung des Treppenhauses. Ihrem gesenkten Tonfall und dem schamlosen Gekicher zweier Heilerinnen entnahm Daphne, dass sie ihren Oberheiler nicht nur wegen seiner medizinischen Fähigkeiten schätzten. „Mach dir keine Sorgen“, fügte Kim hinzu, was Daphne mittlerweile für ihr Motto hielt, „er ist eigentlich ein ganz netter Kerl. Manchmal isst er sogar mit uns zu Mittag.“

Als einer der Heiler ihn geradezu euphorisch begrüßte, wandte er sich ihnen lächelnd zu und Daphnes Herz machte einen Sprung.

Tatsächlich kannte er bereits viele beim Vornamen, plauderte kurz mit ihnen oder wünschte ihnen einen „ebenso schönen wie erfolgreichen Tag“. Als er jedoch fast am Ende der Gruppe angekommen war und Kim sich bereits vorlehnte, um mit ihm sprechen zu können, fiel ihm plötzlich ein wichtiger Termin ein.

„Und Sie sollten sich auch beeilen“, fügte er in ungewohnter Schärfe hinzu, „ihre Patienten warten.“ Er war bereits die halbe Treppe hinuntergeeilt, bevor Bewegung in die Gruppe der Auszubildenden kam, was aber hauptsächlich an der Geschwindigkeit lag, die der Oberheiler an den Tag legte. Als sie ihrem Lehrer folgten, kam Daphne nicht umhin Kims enttäuschten Blick zu bemerken. „Hoffentlich haben wir nichts falsch gemacht“, sagte sie und klang ein wenig besorgt. „Mach dir keine Sorgen“, antwortete Daphne und in Gedanken fügte sie düster hinzu: „Das lag allein an mir.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück