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Manchmal ist es einfach Schicksal

von

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Kapitel 06 - Neuanfang (ohne Adult)

Kapitel 6 - Neuanfang (Ohne Adult)
 

~Leon~

Scheiße! Mir tut alles weh!

Jedes Mal, wenn ich mich nachts im Schlaf bewegte, wurde ich wach und stöhnte gequält auf. Aaron nahm mich dann immer vorsichtig in den Arm und beruhigte mich, wenn wieder ein Heulkrampf drohte. Keine Ahnung wieso ich auf einmal so weinerlich bin. Sonst bin ich gar nicht so. War wahrscheinlich alles ein wenig viel die letzten Wochen über.

Ich drehe mich auf den Rücken und wieder entkommt mir ein Schluchzen. Nur ist Aaron jetzt nicht mehr bei mir im Bett um mich zu trösten und leise Worte in mein Ohr zu flüstern. Wo ist er?

Ich quälte mich hoch und mein Blick fällt auf einen Zettel, der an der geschlossenen Schlafzimmertür hängt. Ich stehe in Zeitlupe auf, zische dabei einige Male schmerzerfüllt, und reiße ihn ab.
 

Guten Morgen Leon.

Ich muss auf die Arbeit. Bediene dich einfach in der Küche, Kaffee ist in der Kanne. Bleib solange du willst und wenn was ist, mail mir einfach.

Aaron.
 

Ich schaue mir den Zettel noch eine Weile lang an und lege ihn dann auf das Nachtschränkchen. Immer noch kommt mir hier alles so surreal vor. Er hat mich kein einziges Mal gefragt, was passiert ist. Das konnte er sich, anhand meines Körpers, wohl auch selbst denken, befürchte ich.

Ich atme tief ein, wobei es in meiner rechten Seite furchtbar zieht. Was mache ich jetzt? Ich habe nichts dabei. Nur das, was ich gestern am Leib hatte. Ich schaue auf die Uhr. Halb elf. Ob ich schon gesucht werde? 'Natürlich! Sei nicht so naiv.'

Ich greife nach meiner Jeans, die vor mir auf dem Boden liegt. In der Hosentasche ist mein Handy, noch ausgeschaltet. Ich schalte es ein, neugierig, ob jemand probiert hat mich zu erreichen. Und tatsächlich! Sieben verpasste Anrufe und eine SMS. Die SMS kann nicht von meinen Eltern sein. Die wissen nicht wie das geht.

Sie ist von Phil.

*Mensch wo bist du? Dein Vater war bei mir Zuhause, hat herumgebrüllt. Ich soll dir sagen, dass du sfort nach Hause kommen sollst. Geht es dir gut? Melde dich bitte bei mir sobald du das liest!* Ach? Auf einmal ist er erreichbar? Aber ich bin froh. Wäre ich zu Phil, hätte er mich also schon gefunden.
 

Ich rufe Phil gleich zurück, damit er sich keine Sorgen machen muss, und der hebt nach dem ersten Klingeln schon ab. /Leon?! Geht's dir gut? Wo bist du?/

"Morgen Phil. Mir geht's beschissen. Aber ich bin wohl auf."

/Was ist denn passiert?/

Ich erzähle ihm alles und auch das ich bei Aaron bin. "Sag keinem etwas davon, hörst du? Ich will nicht das Aaron Ärger bekommt."

/Ich sage nichts. Im Moment bist du bei ihm anscheinend auch besser aufgehoben, als bei uns./ Sehe ich auch so. /Aber sag bitte Bescheid, wenn du was brauchst./

"Geht diesmal einer von euch ans Handy?" Das musste jetzt sein!

/Das tut uns so leid! Wir waren schlafen und haben beide Handys im Wohnzimmer liegen gelassen./

"Schon okay. Mach dir keinen Kopf. Ich geh jetzt noch eine Runde schlafen. Bin total müde."

/Ist gut. Bye. Und pass auf dich auf!/

"Mach ich. Bye."
 

In Wirklichkeit bin ich viel zu aufgekratzt um zu schlafen.

Ich stehe auf und ziehe mir einfach eine Unterhose von Aaron an, die er mir allem Anschein nach schon bereitgelegt hat. Was anderes bleibt mir auch gar nicht übrig. Leider sind auch meine Klamotten nicht wirklich sauber, weshalb ich nach minutenlangem Zögern an Aarons Schrank gehe. Mit einer viel zu großen Hose und einem riesigen Pulli gehe ich schließlich auf Erkundungstour durch Aarons Wohnung.
 

Überall moderne, helle Möbel in einer geräumigen Altbauwohnung. Sie hat einen großen Balkon und sogar einen Kamin im Wohnzimmer. Es gefällt mir augenblicklich hier. Nicht so wie bei uns zuhause. Dort scheint alles in den 80ern stehen geblieben zu sein. Ich sage nur Eiche Rustikal. Von der vorherrschenden Stimmung dort will ich erst gar nicht anfangen. Nicht schon wieder.

Als nächstes suche ich die Küche auf. Sie ist in einem warmen Cremé-Ton gehalten. Dunkles Holzparkett mit einer Kochinsel in der Mitte und einem großen Holztisch daneben. Aaron hat ihn gedeckt. Wie nett von ihm.

Grinsend setze ich mich hin und bediene mich einfach, so wie er es geschrieben hat.
 

***
 

~Leon~

Mittags, ich liege gemütlich vor dem riesigen Fernseher auf der breiten Couch, klingelt plötzlich das Telefon. Soll ich dran gehen? Ich gehe hin und bevor ich mich entscheiden kann geht schon der Anrufbeantworter dran.

/Hallo Leon. Ich bin's. Bist du da?/ Aaron! Sofort hebe ich ab.

"Ja. Bin da."

/Schön/, schmunzelt er, was mein armes Herz zum Stolpern bringt. /Ich wollte nur fragen, wie es dir geht./

"Gut. Ich teste gerade deinen kleinen Fernseher. Von dem Ding bekommt man ja Augenschäden." Ein Kino ist echt nichts dagegen.

Ich höre ihn abermals lachen. /Ich bringe heute Abend was zu Essen mit. Willst du was bestimmtes?/

"Nö. Mach nur was du denkst."

/Okay. Bis heute Abend./

"Ja. Bis dann."

Aaron scheint kurz zu zögern, oder zu überlegen, ob er noch was sagen soll, legt dann aber auf. Ich wundere mich drüber, aber vielleicht ist die Reaktion ja normal, schließlich habe ich ihn letzte Nacht quasi überfallen.

Bestimmt ist es besser, doch zu Phil oder Flo zu gehen. Nur so lange, bis ich was eigenes finde. Aaron will mich bestimmt nicht ewig bei sich haben. Zwar bleibt dann das Problem, dass mein Vater dort wieder aufkreuzen könnte, aber Phil kann ja lügen, er wüsste nicht, wo ich bin.

Das entscheide ich aber erst später. Jetzt ist erstmal ausruhen angesagt! Ich werfe mich wieder aufs Sofa, natürlich ganz vorsichtig, weil mir immer noch alles weh tut, und schalte die Glotze wieder ein. Trotz meiner Verletzungen habe ich mich lange nicht mehr so wohl gefühlt.
 

~Aaron~

Mit Döner und Salat bewaffnet öffne ich meine Wohnungstür. Vom Flur aus kann ich schon den Fernseher hören und muss grinsen. Da hat er anscheinend den ganzen Tag vor verbracht. Es sei ihm gegönnt.

Das Essen lege ich auf den Küchentisch, den Leon schon frei geräumt hat. Wenigstens ist er ordentlich.

Leise laufe ich ins Wohnzimmer und schaue aufs Sofa, auf dem Leon friedlich schlummert. Er sieht so niedlich aus. Verdammt! Das sollte mir nicht mehr passieren! Ich will mich nicht mehr so eng an einen anderen binden!

Aber tue ich das nicht gerade? Nein! Seit Wochen! Seit unserem verfluchten ersten Kuss geht er mir nicht mehr aus dem Kopf! Immer wieder laufen wir uns über den Weg und nun liegt er hier, in meiner Jogginghose und schläft friedlich.

Seufzend beuge ich mich über ihn. Vorsichtig streichle ich seine Wange und wische ein paar seiner blonden Löckchen beiseite. Sofort runzelt er im Schlaf die Stirn und murmelt vor sich hin. "Leon?"

"Hmsn ..."

"Komm essen."

Müde heben sich seine Augenlider und sehen mich verschlafen an. Wie kann man nur so niedlich aussehen? Und warum kann mich dieser Anblick nicht einfach kalt lassen?

"Essen?", fragt er und setzt sich endlich auf.

"Jepp. Döner. Beeil dich. Sonst wird alles kalt."

Ich laufe schon mal vor und packe alles aus. Leon kommt hinter mir hergeschlurft und setzt sich an den Tisch.

"Hast du gut geschlafen?", frage ich ihn und erhalte nur ein schwaches Kopfnicken. "Noch nicht aufgehört damit, was?"

"Nicht wirklich." Er scheint schon wacher zu werden.
 

Nachdem ich uns mit Getränken versorgt habe, setzte ich mich neben ihn und wir fangen an zu essen. Gefräßiges Schweigen wäre zu viel gesagt. Es herrscht peinliches Luftanhalten und ich bin mir gar nicht sicher, warum genau.

Immer wieder versuche ich ihm in die Augen zu schauen, aber er weicht mir aus. So geht das nicht!

"Hat sich jemand bei dir gemeldet? Deine Eltern?", frage ich daher und hoffe, dass er gesprächiger wird.

"Einige Anrufe auf dem Handy. Das war's."

"Gut."

"Mein Vater war bei Phil Zuhause und hat einen Aufstand geprobt."

"Was?!" Mir fliegt fast der Döner aus dem Gesicht.*

"Halb so wild", winkt Leon ab. "Phil geht es gut."

Schön das es Phil gut geht, aber ich dachte dabei eher an Leon. "Also geht es dir nicht gut."

"Doch."

"Du bist ein schlechter Lügner, Kleiner."

Er seufzt und lässt den Döner auf seinen Teller sinken. "Ich weiß nur nicht wohin ich jetzt noch soll. Ich hatte vorgehabt zu Phil zu gehen. Doch da kann ich mich im Moment nicht blicken lassen, fürchte ich."

Autsch. Also will er nicht bei mir bleiben. Na, vielleicht ist das besser so. Aber er kann nirgends hin.

"Dann bleibst du bei mir. Dein Vater kennt mich nicht."

"Ich falle dir ungern zur Last …"

"Das tust du nicht." Im Gegenteil. Mist!

"Ich habe aber keine Kleidung dabei. Mein Koffer steht noch daheim." Koffer?

"Dein Koffer?"

"Ja. Ich habe gestern heimlich meinen Koffer gepackt und wie ich nachts abhauen wollte, hat er mich erwischt, in mein Zimmer gesperrt und ..." Er senkt seinen Kopf. Den Rest braucht er mir gar nicht zu erzählen. Wie das ausgegangen ist, sieht man ja.

"Wie bist du da raus gekommen?", frage ich um ihn abzulenken.

"Aus dem Fenster. Das habe ich früher schon immer gemacht. Nur mit meinem Koffer ging das nicht."

"Scheiße." Er ist in seinem Zustand gestern noch aus dem Fenster geklettert und dann noch zu mir gelaufen? Woher nimmt er nur diese Kraft? Erst um das alles zu überstehen und jetzt, um von seinem furchtbaren Elternhaus los zu kommen. Ich finde noch nicht mal genug Kraft um endlich zu Andys Grab zu gehen ...
 

Nicht an Andy denken! "Dann müssen wir dir was besorgen. Zum Anziehen."

"Ich hab dafür nicht genug Geld."

"Dann bezahle ich."

Er sieht mich an und schüttelt den Kopf. "Nein! Das kann ich nicht annehmen!"

"Hast du eine bessere Idee?"

Er überlegt kurz und flüstert dann: "Meine Eltern sind morgens in der Backstube. Ich könnte meinen Koffer schnell holen. Falls er noch da ist."

"Du willst dahin zurück?"

"Muss ich ja wohl. Ich brauch einiges davon. Das kann ich mir nicht einfach neu kaufen."

Uff. Okay. Wenn er das unbedingt will. "Ich fahre dich morgen früh hin. Keine Widerrede! Das erledigen wir noch vor meiner Arbeit."

Plötzlich strahlen seine Augen. Der Kleine hat ganz schöne Gemütsschwankungen. "Ich habe auch einen! Einen neuen Job!", verkündet er plötzlich lautstark.

"Echt? Super!" Er startet ja voll durch! Ist das mein Verdienst? Wohl eher nicht.

"Ja. In einer Werbedruckerei."

"Tatsächlich? Mit Druckereien arbeite ich auch viel zusammen. Wie heißt die Firma?" Er nennt mir den Namen. "Die kenne ich. Ein kleiner Betrieb zwar, aber gut. Meinen Glückwunsch!" Er strahlt regelrecht. Ich glaube, ich habe mir da ungewollt ein ganz süßes Früchtchen an Land gezogen.
 

***
 

~Leon~

Es ist noch dunkel und im Haus sind die Lichter aus. Ich weiß, dass keiner da ist. Unwohl ist mir trotzdem. Ich will da nicht rein. Alles in mir drängt danach, die Beine in die Hand zu nehmen, und von hier zu flüchten, aber ich kann nicht. Da sind noch meine Sachen drinnen. Die brauche ich!

"Ich komme mit", flüstert Aaron neben mir.

"Das musst du nicht." Obwohl es mich wirklich beruhigen würde.

"Ich will aber." Dankbar lächle ich ihn an, bevor ich aussteige, und meinen Schlüssel aus der Jackentasche krame.

Zum Glück hatte ich ihn mir gestern Abend vor Schreck schnell in die Jacke gesteckt und nicht fallen gelassen.
 

Leise laufen wir durch den Hof und bleiben vor der Tür stehen. Mit laut klopfenden Herzen schließe ich auf. Leise schwingt die Tür auf.

"Er ist nicht mehr hier." Das erkenne ich auf den ersten Blick. Der Koffer ist weg. Mist! Ich dachte, wir können sofort wieder weg von hier.

"Dann suchen wir ihn." Aaron läuft an mir vorbei und macht Licht im Flur. Ich laufe ihm hinterher.

"Erstmal hoch", flüstere ich und komme mir komisch vor. Ich breche in mein eigenes Zuhause ein. Oder besser gesagt, in mein altes Zuhause.
 

Ich renne die Stufen fast hoch, überhole dabei Aaron und betrete mein Zimmer.

"Ach du scheiße!", sagt Aaron, der hinter mir steht, und ich kann ihm nur zustimmen. "Dein Alter ist krank."

Überall im Zimmer sind meine Sachen verstreut. Der Koffer ist kaputt geschlagen und sogar die Möbel. Mir kommen die Tränen. Nicht wegen meinem Zeug, sondern wegen meiner Mutter. Hoffentlich geht es ihr gut! Ich schluchze auf, kann es nicht unterdrücken.

"Hey. Komm her." Aaron nimmt mich fest in die Arme und tröstet mich. Ich verstecke mein Gesicht in seiner Jacke und flenne los. Es dauert, bis ich mich wieder einigermaßen im Griff habe. Zeit die wir nicht haben.

"Ich muss wissen, wie es Mama geht", schniefe ich und hebe ein paar Sachen auf. Nicht mehr zu gebrauchen. Einiges ist regelrecht zerfetzt worden.

"Lass das liegen. Du brauchst neue Sachen. Wir gehen morgen einkaufen. Da habe ich frei."

Ich hocke mich bin. "Das war mein Lieblingsbuch." Ich halte die zerfledderte Ausgabe von Clive Barkers 'Imagica'** in der Hand. Hardcover, deutsche Erstausgabe. Natürlich Limitiert. Hat mich damals ein Vermögen gekostet, als ich es auf Ebay entdeckt hatte. "Shit!" Laut landet es wieder auf dem Fußboden. "Ich habe einen Haufen Asche dafür ausgegeben."

Ich suche weiter. Im hintersten Eck liegt mein Laptop. Ein großer Sprung zieht sich quer über das Display. Ich nehme ihn trotzdem mit. Vielleicht kann ich meine Daten noch retten.

"Wir sollten gehen."

"Ja", antworte ich und stehe auf. Aaron legt einen Arm um mich und gemeinsam gehen wir aus meinem ehemaligen Zimmer. Endgültig, wie ich hoffe.
 

Ich schließe wieder ab, werfe den Schlüssel in den Briefkasten und bleibe nochmal vor diesem furchtbaren Haus stehen. So viel ist da drinnen passiert und niemand hat es je bemerkt …

"Komm. Gehen wir." Aaron zieht mich weg. Schnell laufen wir zum Auto und fahren los. Ich umklammere meinen Laptop. Das wird Unmengen kosten, falls ich das nicht selbst hinbekomme.

"Hoffentlich ist die Festplatte noch okay. Da ist mein halbes Leben drauf."

"Ich kann meinen Kollegen mal einen Blick drauf werfen lassen. Der ist ein totales Computergenie", bietet er mir an.

"Das würdest du für mich tun?"

"Warum nicht?"

"Du machst schon so viel für mich. Wie soll ich das alles wieder gut machen?"

"Das tust du, wenn dein Leben wieder in geregelten Bahnen verläuft."

"Danke ... Bieg hier mal rechts ab, bitte!"

Aaron folgt meiner Bitte und bremst scharf. "Noch einen Einbruch geplant?", lacht er.

"Nein. Da hinten ist unsere Bäckerei."

Quietschend bleibt er stehen und hält am Straßenrand. Hinter uns hupt es laut, doch Aaron beachtet es nicht. "Was willst du jetzt da? Doch nicht da rein spazieren?"

"Quatsch! Ich will schauen, wie es meiner Mutter geht. Nur mal vom Auto aus reinschauen."

Aaron seufzt laut und fährt los. "Aber nur ganz kurz. Und falls dich jemand erkennt, gebe ich sofort Gas." Macht er sich solche Sorgen um mich?

Ohne Vorwarnung stellt sich ein warmes Kribbeln in meinem Bauch ein. Da ist echt was im Anflug bei mir, fürchte ich.
 

"Hier?", fragt er und wird langsamer.

"Ja." Angestrengt versuche ich etwas zu erkennen. Meine Mutter steht hinter der Kuchentheke und unterhält sich mit einer Kundin. Sie lacht. Aber das trügt. Ich kenne ihr richtiges Lachen. Zu lange habe ich es nicht mehr gesehen.

"Und? Was meinst du? Geht es ihr gut?"

"Nein", krächze ich und schon laufen die Tränen. "Ich muss sie da raus holen." Mit meinem Hemdsärmel wische ich mir übers Gesicht.

"Dann müssen wir uns etwas einfallen lassen." Verdutzt schaue ich Aaron an. Ich habe mit Einwänden gerechnet. Wie er schon so oft gesagt hat: Sie ist allein für sich verantwortlich.

"Und was?"

"Keine Ahnung", sagt er leise und fährt wieder los.
 

Den Rest der Fahrt über schweigen wir und Aaron setzt mich vor seiner Wohnung ab, kommt aber noch mal mit rein. "Komm her." Er stellt sich vor mir hin und zieht mich einfach an sich. Sehe ich so scheiße aus, dass er denkt, mich wieder trösten zu müssen? "Mach dir keine Vorwürfe. Du musst erst selbst klar kommen, bevor du deiner Mutter helfen kannst. Das wird dir niemand übel nehmen." Spricht er jetzt aus Erfahrung? Und trotzdem macht er sich selbst doch immer noch Vorwürfe, oder? Das hat Jack mir doch gesagt.

"Was, wenn es dann zu spät ist?", schniefe ich und schaue ihn an.

Seine Augen flackern. "Dann kannst du auch nichts mehr machen."

Er lässt mich los und nimmt meinen Laptop in die Hand. "Ich kann deinen Laptop gleich mitnehmen", sagt er, versucht eindeutig abzulenken.

"Ich wollt's erst selbst probieren", wende ich ein. Mit ist das unangenehm, dass Aaron mir gleich wieder unter die Arme greifen will.

"Und wie willst du deine Daten sichern? Hast du eine Festplatte?" Aaron grinst. Er weiß, dass ich nichts zum sichern habe.

"Na gut. Aber ich bezahle das." Womit, weiß ich noch nicht.

"Darüber reden wir später. Bis heute Abend."

Ich schaue ihm nach, bis er die Haustür hinter sich zuschlägt. "Ja. Bis heute Abend."
 

***
 

~Aaron~

Es ist spät geworden heute. Wir stehen kurz vor einem Projektabschluss und haben eine menge Stress deswegen in der Firma.

Um kurz vor zehn bin ich endlich zu Hause und schleiche leise in meine Wohnung. Alles still und dunkel. Ich habe Leon vorhin Bescheid gesagt, dass es später wird. Es ist ungewohnt, noch an jemand anderen zu denken. Auch wenn ich nichts anderes tue seit zwei Wochen. Wirklich verrückt!

Ich lege Leons Laptop und seine neue Festplatte auf den Küchentisch und mein Blick fällt auf einen abgedeckten Teller mit einem Zettel dran. *Einfach in die Micro schieben. Leon.* Ich fange an zu lachen. Er hat Abendessen gekocht. Ich spähe unter die Abdeckung. Nudeln mit Soße.

Während ich warte, dass die Nudeln wieder heiß werden, schaue ich ins Schlafzimmer. Leon liegt selig schlummernd quer auf dem Bett. Keine Ahnung wie ich da nachher noch rein passen soll. Leise schließe ich die Tür wieder. Mein Essen piepst.
 

Während ich die Nudeln esse, denke über ihn nach. Jetzt wohnt der kleine Lockenkopf also bei mir. Na ja, vorübergehend erstmal. Mir entkommt ein Seufzen. Was mache ich, wenn er wirklich geht? Zu diesem Phil oder sonst wo hin? Einerseits soll er bei mir bleiben, andererseits wünschte ich mir, er wäre nie in mein Leben gestolpert. Ich bin es gewohnt alleine zu sein und bin noch nicht so weit mich jemand anderen anzuvertrauen oder nur in Erwägung zu ziehen, ihn näher an mich heran zu lassen. Obwohl er es schon längst geschafft hat. Leon hat mich komplett um den Finger gewickelt und ich möchte mich gar nicht mehr von ihm lösen.

Trotzdem … Bin ich bereit dazu, mich jemanden zu öffnen? Nicht , wenn ich wieder allein gelassen werde! Verdammt! So muss es nicht sein! Oder? Sean hat es doch auch geschafft. Sean, der so sehr gelitten hat, der Andy mindestens genauso geliebt hat, wie ich. Er hat es gepackt und hat einen Partner gefunden, der ihm zur Seite steht.

Aber Leon braucht jemanden, der ihm Halt gibt. So jemand bin ich sicher nicht! Bei Andy habe ich total versagt. Als ich für ihn hätte da sein sollen, bin ich weggelaufen. Nein! Schlimmer noch! Ich habe mich mit ihm böse gezofft und ihn aus meiner Wohnung geschmissen. Wie soll ich es schaffen, für Leon da zu sein, wenn er unter allem zusammenbrechen sollte?

Ich räume meinen leeren Teller weg, um auf andere Gedanken zu kommen. Was bringt es, sich weiter darüber den Kopf zu zerbrechen? Ich komme ja sowieso auf ein Ergebniss.

Ich springe schnell unter die Dusche, wobei ich hoffe, wirklich auf andere Gedanken zu kommen. Klappt nur nicht. Soll ich es riskieren? Leon ist noch ein halbes Kind, ohne Erfahrung, dafür mit einer großen Angst in sich. Genau wie ich. Wir beide haben eine Menge verloren. Ob das gut gehen kann?
 

Nur mit einer Boxer bekleidet gehe ich ins Schlafzimmer. Im Dunklen taste ich mich zum Bett vor und schiebe Leon vorsichtig etwas zur Seite. Er murmelt was und dreht sich um. Jetzt kann ich gefahrlos ins Bett klettern.

Doch als ich endlich liege, wackelt die Matratze und Leon wirft sich voll auf mich. "Aua!" Ich kann den Ruf nicht zurückhalten, da er mir genau auf die Rippen gefallen ist. Das tat weh!

"Aaron ...?"

"Ja." Ich reibe mir die Seite, als er von mir abrückt.

"Wie spät ist es?" Er macht das Licht an und schielt verschlafen auf den Wecker. "So lange hast du gearbeitet?" Er dreht sich zu mir und ich muss lachen. Seine Locken stehen in alle Himmelsrichtungen ab. Dazu noch die kleinen Knopfaugen, die ihn wie einen Teddy aussehen lassen. "Was'n?", fragt er. Leon sieht so unglaublich süß aus! Wie sich einige Strähnen seiner Locken vor sein Gesicht hängen und er mich verwirrt anblinzelt. Das immer noch sichtbare Veilchen lässt ihn irgendwie verwegen aussehen. Ein gefallener Engel ...

Ich kann nicht anders und beuge mich zu ihm, nehme seine Lippen gefangen und ziehe ihn zu mir herunter. Wann haben wir uns das letzte Mal geküsst? Auf der Parkbank. Das ist nur ein paar Tage her, kommt mir aber vor wie Jahre.

Leon zappelt kurz, geht dann aber auf meinen Kuss ein und seufzt leise.

Ich stehle mich unter sein T-Shirt und berühre seinen Bauch, spüre die seidenweiche Haut unter meinen Fingern. Bestimmt ist er noch nie so berührt worden. Jedenfalls nicht von einem Mann. Ich wandere höher, reibe über die schon harten Brustwarzen und entlocke ihm ein hinreißendes Keuchen. Grinsend löse ich mich von ihm. Seine blauen Augen sehen mich groß und rund an, können das eben Geschehene wohl noch nicht ganz fassen.

Unterdessen machen meine Hände weiter.

"Aaron …"

"Soll ich weiter machen?", frage ich ihn, obwohl alles in mir schreit, es nicht zu tun.
 

~Leon~

Ob er weiter machen soll? Oh Gott! Mein Puls rast und mir ist ganz schwindelig. Seine Finger an meinen Brustwarzen lenken mich so sehr ab, dass ich kaum noch richtig nachdenken kann.

"Aaron", probiere ich es ein weiteres Mal. "Ich ... Ich weiß nicht." Beschämt schließe ich die Augen. Ich komme mir so dämlich vor! Er hält mich bestimmt für ein kleines Kind! Im Gegensatz zu ihm bin ich das auch. Erst ist fast doppelt so alt wie ich. Fünfunddreißig ist er. Das hat er mir gestern Morgen verraten.

"Leon? Schau mich an." Ungern erfülle ich ihm diesen Wunsch. "Hier passiert nichts, es sei denn du willst es. Verstanden?" Ich fange an zu zittern und nicke. Dann will er es also auch?

Aaron lächelt milde und zieht seine Hände unter meinem Shirt hervor. Er löscht das Licht und zieht mich näher an sich heran. Seine Lippen berühren meinen Hals und er beginnt leicht daran zu saugen. Mit einer Hand streichelt er meinen Nacken. Ich bin so überfordert mit allem, dass ich mich nicht rühren kann.

Allerdings fühlen sich Aarons Berührungen so gut an, dass ich mich schon bald etwas beruhige, seine zärtliche Behandlung mehr als nur genieße und mich ebenfalls traue ihn zu berühren. Ich lege meine Hand auf seine Seite, oberhalb seines Beckens und fahre dort auf und ab. Mehr zu tun, wage ich nicht.

Ach, was soll das? Er findet das bestimmt lächerlich! Sofort höre ich auf und ziehe meine Hand zurück.

"Mach bitte weiter", haucht er gegen meinen feuchten Hals. Mit einer zittrigen Hand streichle ich ihn erneut, wandere etwas verloren mit ihr umher. Das kann ihm doch unmöglich gefallen!

Ich merke an meinem Hals, dass er grinst, mit seinen Lippen über meine Haut streicht und leise seufzt. Vielleicht gefällt ihm das ja doch?
 

Nach einiger Zeit werde ich vorsichtig auf den Rücken gedreht, weiß nicht ob ich das wirklich möchte, aber sein großer Körper auf und über mir gefällt mir ausgesprochen gut.

"Gib mir deine Hände." Er wartet nicht ab, bis ich sie ihm reiche, sondern tastet schon nach ihnen und legt sie sich auf seine Brust.

Ich bin so froh, dass es dunkel ist. Ich glühe bestimmt leuchtend rot, so heiß wie mein Gesicht sich gerade anfühlt.

Er führt meine Hände für einige Momente, lässt sie dann los. "Mach einfach so weiter." Und schon ist er wieder damit beschäftigt, meinen Hals zu liebkosen.

Also mache ich einfach so weiter, berühre Aarons Brust und merke, wie er eine feine Gänsehaut bekommt. Auch seine Brustwarzen haben sich aufgestellt und er gibt jedes mal einen leisen Laut von sich, wenn ich sie berühre.

Langsam werde ich immer ungeduldiger und ich erwische mich dabei, wie ich meinen Unterleib nach oben drücke und sofort erstarre. Aaron stöhnt laut und mir jagen heiße, brennende Schauer durch den Körper. Er hat eine eindeutige Erektion, genau wie ich!

Aaron lässt von mir ab und stützt sich auf die Matratze. Ich weiß, er schaut auf mich hinab, kann aber nur seine Umrisse erkennen. "Willst du mich berühren?" Ich zucke zusammen. "Nein?" Klar will ich! Nur kann ich es ihm nicht sagen. Kein Ton verlässt meinen Mund, meine Kehle ist wie zugeschnürt. "Okay." Aaron legt sich wieder neben mich und deckt uns zu.

War's das jetzt? Er hört wirklich auf? Ich Idiot!

Einige bange Sekunden überlege ich, was ich tun soll. 'Du willst und er will auch. Wo ist das Problem Leon?'

Mit laut klopfenden Herzen drehe ich mich auf die Seite, zu ihm rüber und robbe näher. Bestimmt hört er meinen Herzschlag, so laut wie er in meinen Ohren dröhnt, als ich vorsichtig seinen Beckenknochen berühre. Hoffentlich reicht ihm das als Antwort.

"Leon? Was tust du da?" Shit! Frag doch nicht! Die einzige Lösung, die mir gerade einfällt, ist, seinen Mund einfach mit meinem zu verschließen.
 

*
 

~Aaron~

Noch völlig entrückt liege ich im Bett und atme schwer. Ich taste nach Leon, doch der rührt sich nicht, hat sich sogar ein Stück von mir weggeschoben. Tut es ihm leid? Fuck!

"Leon?" Er antwortet nicht, stellt sich schlafend. Ich kann aber genau seinen schellen Atem hören. Er kann gar nicht schlafen. Soll ich ihn in Ruhe lassen? Ich entscheide mich für nein. Er muss damit klar kommen. Und mit den Konsequenzen erst recht. Er kann nicht einfach in mein Leben spazieren, mich vollkommen durcheinander machen und dann einen Rückzieher machen!

Deshalb greife ich nach dem Lichtschalter und zupfe ein paar Taschentücher aus der Box. Mal sehen ob er immer noch schlafen kann, wenn ich ihn einer kleinen Putzaktion unterziehe.
 

~Leon~

Wieso macht er das Licht jetzt an? Ich versuche mich so gut es geht schlafend zu stellen. Aber unglaubwürdig ist das schon. So schnell kann keiner einschlafen. Na ja, kann ja sein, dass ich ohnmächtig wurde, als …

Das glaubt mir keiner! Aber es ist mir so peinlich! Wie konnte ich mich nur so gehen lassen? Dabei hatte es sich doch noch so gut bis eben angefühlt. Nie in meinem Leben hätte ich gedacht, dass es so anders sein könnte, eine fremde Hand an sich zu spüren, seine Hand! Es war so unglaublich gut! Aber auch so verdammt schnell …
 

Ein rascheln erregt meine Aufmerksamkeit. Was hat er da? Ich schiele vorsichtig in seine Richtung.

"Du bist ja doch wach." Scheiße! Aaron lacht und dreht sich zu mir. Sofort wirkt er wieder ernst. "War es so schlimm für dich?" Seine Stimme hört sich traurig an. Mir wächst ein Klos im Hals. Werder kann ich etwas sagen, noch meine Augenlider heben. 'Es war nicht schlimm! Ganz im Gegenteil!', will ich rufen. Doch es tut sich nichts.

"Schade. Tut mir leid." Nein, nein, nein! Warum hört er sich so enttäuscht an?!

Endlich komme ich in die Gänge. Ich raffe mich auf und schüttle meinen Kopf, sehe ihm in seine warm strahlenden Augen. Irgendwie ist sein Blick anders als sonst. Er sagt nichts, sieht mich nur weiter an und wartet ab. Mir fehlen immer noch die Worte. Der Klos sitzt fest und rührt sich nicht. Und jetzt? Ich kann ihn nicht schon wieder einfach küssen. Zudem es jetzt unpassend wäre, oder?

Aaron senkt seinen Blick und seufzt, fängt an sich den Bauch sauber zu wischen. Ich sehe ihm dabei zu, sehe wie er die Spuren unseres Zusammenseins verwischt.

"Bedien dich." Er zeigt auf die Tempobox. Meine Hände zittern, als ich danach greife, denn ich muss mich über Aaron lehnen um sie zu erreichen. "Leon? Du bist echt ein Dummkopf."

Ich halte inne. Mit großen Augen sehe ich ihn an, bin direkt vor ihm, kann seinen Duft riechen, sehe seine geschwollenen Lippen. Ist das wegen mir? Weil wir uns so wild geküsst haben?

Mein Herz donnert wieder, mein Atem beschleunigt sich. Ja, ich bin ein Dummkopf! Meinem Klos scheint diese Einschätzung zu gefallen. Er löst sich auf und ich kann endlich mit Aaron reden, ihm sagen, dass das eben kein Fehler war!

"Es war schön! Eben. Mit dir", stammle ich, würde ihm noch so gern viel mehr sagen, doch ich bekomme keine gescheiten Worte zusammen.

"Gut", grinst er mich an und schnappt sich die Tempobox. "Dann ist das jetzt meine Aufgabe." Er zieht einige Tempos aus der Pappbox und tupft mich sauber. Völlig konfus schaue ich der Hand zu, wie sie über meine Haut fährt, sanft die letzten weißen Tropfen wegwischt. Am Ende wird das Papier zusammen geknäult und auf den Boden geschmissen.

Ohne weiteren Kommentar löscht Aaron das Licht wieder und zieht mich an sich. Fein säuberlich deckt er uns zu, legt seine Arme um mich und wünscht mir eine gute Nacht. "Dir auch", nuschle ich gegen seine Brust. Urplötzlich werde ich müde, kann kaum noch meine Augen aufhalten und schlafe langsam ein.
 

******
 

* Edit November 2016: xD Da musste ich jetzt einfach mal laut drüber lachen ;D

** Wer's nicht kennt: Mal so als Tipp von mir. Eins meiner Lieblingsbücher. ^_^



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