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Der Weg aus dem Kampf

Wenn Träume Berge versetzen
von

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Zwei vereinbare Wege

Kapitel 66

Zwei vereinbare Wege
 

Klären? Unsicher wanderte Mimouns Blick zwischen den Anwesenden hin und her. Nur knapp konnte er sich davon abhalten, Fiammas Beinchen fester zu umfassen, die er stützend gehalten hatte. Es war also wirklich noch nichts in Ordnung. Dhaôma war also noch sauer. Aber warum lächelte er dann?

Kurz fuhr seine Zunge über seine plötzlich trockenen Lippen und er nickte abgehakt. „Und wohin?“ Noch während er das fragte, hob er die kleine Magierin von seinen Schultern und setzte sie auf den Boden. Verständnislos sah sie ihn an, doch er erhob sich, die ausgestreckten Ärmchen ignorierend.
 

„In die Drachenhöhle? Irgendwie betrifft es unsere beiden Freunde ja auch.“ Sachte streichelte er Tyiasur über den Kopf, der immer wieder Mal in seinem Nacken saß, um warm zu bleiben, wenn er der Aufgabe nachkam, Dhaômas Magie einzusperren. Es schien ihm leichter zu fallen, wenn er ihn berührte. Vorsichtig trat er näher und strich ihm über die Wange. „Keine Angst. Es ist nur reden.“

Unterdessen begann Fiamma zu schreien, weil sie ignoriert wurde, aber Addar winkte sie hinaus. Um dieses Problem würde er sich kümmern.
 

Kurz schlossen sich seine Augen, als er sich in die kurze Berührung seiner Wange lehnte. Nur reden? Das war es, was ihm Angst machte. Dhaôma wurde nie handgreiflich. Es waren immer nur Gespräche, die ebenfalls schmerzhaft und verletzend sein konnten.

Mit einem Nicken wandte er sich um. Ihm war egal wo. Jeder Ort war ihm Recht. Mimoun hielt seinem Freund die Plane auf und folgte ihm zur Unterkunft Lulanivilays. Dort angekommen, stand er unschlüssig im Raum. Sollte er sich setzen? Durfte er sich setzen? Wo sollte er sich setzen?
 

Die Blumenpracht vom Vortag war vergangen. Viel davon gefressen, der Rest welk. Es war warm und feucht, genau wie der Drache es mochte.

„Vilay? Hör bitte auch zu. Du auch, Tyiasur. Wenn euch etwas einfällt oder es euch nicht gefällt, was wir sagen, sagt es bitte. Es betrifft euch genauso wie uns.“

„Ich weiß.“, sagte Tyiasur, war er vorher schließlich die ganze Zeit anwesend gewesen.

„Von mir aus.“, war Lulanivilays schläfrige Antwort. Er zog seinen Schwanz aus der Mitte zurück, damit sie mehr Platz zum Sitzen hatten. Dhaôma nahm die Einladung an und sah dann fragend zu Mimoun auf. Er war schon wieder unsicher. Warum?

„Mache ich dir Angst?“, fragte er. Seine braunen Augen sahen von unten direkt in Mimouns. „Bist du deshalb so atemlos?“
 

Mimoun wich diesem Blick aus. Rastlos suchten seine Augen irgendetwas in diesem Raum, nur damit sie ihn nicht ansehen mussten. „Nicht du.“ Kurz schnaubte der Geflügelte. „Wie könntest du auch? Du würdest mir nie Schaden zufügen. Es ist nur… diese Situation. Ich wollte dich nie verletzen. Ich will dich nie verletzen. Ich möchte mich ändern und habe dennoch das Gefühl weiterhin alles falsch zu machen.“
 

„Deswegen reden wir. Addar sagte, dass ich versprochen habe, zu helfen. Aber ich habe auch einen Fehler gemacht, auch wenn ich mir noch nicht ganz sicher bin, was für einen. Er hat so was gesagt.“ Seine Stirn legte sich in Falten, als er versuchte, nachzudenken, was mit berührenden Wegen gemeint ist. „Aber es ist wichtig, dass wir reden, damit ich dich nicht verliere. Auch das hat er gesagt. Willst du nicht?“
 

Energisch schüttelte Mimoun den Kopf. „Du hast nichts falsch gemacht. Es ist alles meine Schuld. Weil ich so blind bin.“ Hoffnungsvoll sah er zu seinem Freund. Nun endlich ließ er sich ebenfalls auf dem Boden nieder. „Wenn wir geredet haben, kann es dann wieder wie früher werden?“
 

„Das hängt davon ab, zu was für einem Ergebnis wir kommen.“ Traurig zuckte er die Achseln. „Es ist längst nicht mehr wie früher, aber ich hoffe, dass es wieder so wird.“ Dann straffte er sich. „Fangen wir an. Ich habe Addar beichten müssen. Irgendwie hat er gemerkt, dass etwas nicht stimmt und ich weiß auch nicht, woher er all die Informationen zu unserem Streit hatte, aber er hat Recht mit seinem Rat. Du wolltest Hilfe, also helfe ich. Mimoun, ich fühle mich schrecklich, wenn du mich bei jeder Kleinigkeit fragst, ob es mir Recht ist, was du tust. Das hast du früher nicht getan, das ist auch jetzt unnötig. Ich bin niemand, der für jemand anderen entscheiden sollte, was er tun soll, denn ich mag es nicht, jemanden kurz zu halten oder Macht auszuüben.“
 

„Gut.“, erwiderte Mimoun, um zu zeigen, dass er begriffen hatte. Dennoch drängte sich ihm ein Problem auf. „Wenn ich wieder mache, was ich will, ohne dich zu fragen, wie kann ich sicher sein, dass ich dich nicht mehr einenge?“
 

„Das ist schwieriger.“, gab Dhaôma zu und seufzte tief. „Addar sagt, ich muss es schaffen, dass unsere Wege sich berühren. Er meinte, ich wolle separate Leben leben, aber das ist so nicht ganz richtig. Ich möchte frei sein und ich möchte, dass du frei bist. Aber das darf nicht bedeuten, dass wir unabhängig voneinander leben. Deswegen wird es sehr schwer. Und er hat gesagt, dass wir reden müssen, um dieses Problem zu lösen.“ Hoffnungsvoll sah er Mimoun an.
 

Und der Alte war natürlich unfähig es so auszudrücken, dass Dhaôma verstand, was man von ihm wollte. Und nun hatte Mimoun das Problem zu verstehen, was Dhaôma da eigentlich sagte.

„Ich bin frei.“, begann er das Feld von einer Seite aufzurollen. „Es ist meine freie Entscheidung, dir überall hin zu folgen. Und damit du wieder frei sein kannst, werde ich mich weiter anstrengen.“, versprach er erneut.
 

Die braunen Augen betrachteten ihn, wie er ernst erneut erklärte, was Dhaôma schon wusste. Mimoun hatte nicht verstanden. Aber wie brachte er es ihm näher? Warum war es mit Mimoun schwerer zu reden als mit Leoni oder Addar? Und warum wussten die beiden überhaupt immer, was sie sagen mussten?

Er wich vom Thema ab. „Mimoun, was willst du später mal machen? Wenn der Krieg vorbei ist, wenn du keine Verpflichtung mehr hast.“
 

Verständnislos betrachtete Mimoun seinen Freund lange. „Mein einziger Wunsch ist es, an deiner Seite bleiben zu können. Egal, wohin dein Weg dich führt. Ich werde dich begleiten.“
 

Sprachlos öffnete sich Dhaômas Mund, dann schloss er sich wieder.

„Das führt zu nichts.“, kommentierte Lulanivilay das Gespräch und schloss die Augen desinteressiert.

„Das darfst du nicht sagen!“, bat Dhaôma. „Es ist mir wichtig. Es muss zu etwas führen.“

„Sicher.“

Resigniert wandte sich Dhaôma ab. Von Lulanivilay kam also keine Hilfe. So typisch. Und es schien, dass auch Mimoun wenig hilfreich war. Oder er war einfach genauso begriffsstutzig wie er selbst. Vielleicht sollte er Addars Taktik nutzen. „Und was sind deine Wünsche? Deine Träume?“
 

Mimoun schloss die Augen und lauschte in sich hinein. Bei Dhaôma zu bleiben, war sein Wunsch. Sein vorrangigster Wunsch sogar. Reichte das seinem Freund etwa nicht? Was noch?

„Das Ende des Krieges.“, kam es leise von ihm. Aber das war ein Ziel, das sie sich schon gesetzt hatten. Das konnte der Magier auch nicht meinen. Was also sonst noch? Was wünschte er sich noch? „Fiamma aufwachsen sehen. Sehen, wie sie die Welt erkundet. Sehen, wie sie ohne Angst überall hin gehen kann.“ Angestrengt runzelte Mimoun die Stirn. „Ich weiß es nicht.“, gab er offen zu. „Ich habe mir noch nie wirklich Gedanken über sonstige Wünsche gemacht, weil du alles bist, was ich mir erträume.“
 

Errötend nickte Dhaôma. Es freute ihn, das zu hören, obwohl er das unbestimmte Gefühl hatte, dass es eben nicht alles war. „Dann werde ich jetzt versuchen zu erklären, was mein Eindruck ist, ja?“, tastete er sich vorsichtig heran. „Wenn ich falsch liege, darfst du es mir anschließend gerne sagen. Sei einfach ehrlich.“ Seufzend schloss er kurz die Augen, bevor er zusammenzufassen begann:

„Du bist jemand, der impulsiv ist, hilfsbereit und aufopferungsbereit. Jemand, der beschützen will, ein Familienmensch, der liebe Menschen um sich versammelt, um bei ihnen zu sein, mit ihnen zu lachen. Du kannst ja auch gut mit Kindern umgehen, nimmst gern an großen Veranstaltungen teil, genießt es, wenn viele Menschen mit dir an einem Ort sind, und misst gerne deine Kräfte mit anderen. Dennoch habe ich dich, seit wir uns kennen, immer wieder von diesem Weg abgebracht, habe dich von ihnen fortgelotst und dir den Weg in diese Richtung versperrt, indem du mir gefolgt bist. Ich habe mich gefreut, dass du mich über die anderen gestellt hast, dass du mir gefolgt bist, obwohl ich egoistisch meinen Weg gegangen bin. Ich dachte, ich würde es auch ohne dich tun, dass es keinen Unterschied macht, wenn du dich irgendwann anders entscheiden solltest, aber seit einiger Zeit hat sich das geändert. Ich warte so oft auf dich, weil ich ohne dich eben gar nichts mehr tue, weil ich dann einsam bin und es nicht mehr ertrage, alleine zu sein. Ich tue es, damit du mich nicht verlässt, um dir deine Freundlichkeit, mich zu begleiten, zurückzugeben. Aber es läuft jedes Mal darauf hinaus, dass ich auf dich warte. Weil du zu deiner Schwester fliegst, weil du zu deiner Mutter fliegst, weil du zum Kämpfen zu Kaley oder zu den Rekruten fliegst. Du unternimmst viel allein, weil es dir wichtig ist. Und das ist auch in Ordnung. Du hast alles Recht der Welt dazu. Aber es verdeutlicht mir, dass ich dich in ein Leben der Rastlosigkeit zwinge, zu dem du nicht geboren bist. Du bist ein sesshaftes Wesen, dessen Herz an Orten hängt. Und weil ich nicht dazu in der Lage bin, einen Ort zu finden, an dem ich mich zuhause fühle, und dein Herz auch an mir hängt, zerreiße ich dich.“
 

Mimoun schwieg lange, so dass es beinahe wirkte, als würde er gar nichts dazu sagen wollen.

War das so? War er so? Ja. Er war gern mit Menschen und vor allem seinen Freunden zusammen. Auf Jashar hatte er es gespürt. Er hatte sie vermisst, aber Dhaôma war da gewesen, bei ihm, hatte die Lücke in ihm gefüllt. Und dann waren noch Lulanivilay und Tyiasur dort gewesen.

Viel wichtiger waren zwei andere Dinge. Zum einen, dass Dhaôma immer auf ihn wartete. Einerseits war das ein tolles Gefühl, bedeutete es doch, dass er Dhaôma wichtig war. Andererseits war warten sicher kein angenehmes Gefühl.

„Tut mir Leid, dass du immer warten musst.“, begann der Geflügelte schließlich leise. „Ich würde euch so gerne mitnehmen. Aber es gibt so viele Dinge, die quer schlagen. Der Winter, der sowohl dir als auch den Drachen schadet. Und dann ist da meine Schwester. Sie mag dich nicht und ich möchte nicht, dass du ihrem Unmut ausgesetzt sein musst, nur weil ich meine Familie sehen möchte.“, schob er als Erklärung gleich mit hinterher. Er zog seine Beine an den Körper und bettete sein Kinn darauf. Sein Blick hing fest an dem letzten bisschen Farbe, das verzweifelt ums Überleben kämpfte.

Dann war da noch die zweite Sache. Wenn Dhaôma sich bis jetzt an keinem der Orte, an denen sie waren, wirklich heimisch gefühlt hatte, wie weit mussten sie reisen, um solch einen Ort zu finden? „Warum kannst du dich hier nicht wirklich zuhause fühlen?“, fragte Mimoun leise und hatte schon im selben Moment einen Verdacht. „Weil du nicht ohne Hilfe von hier weg kannst. Weil du nicht gehen kannst, wohin du willst, nicht wahr?“
 

Da hatte er seine Bestätigung. Mimoun würde ihn nicht mitnehmen zu seiner Heimatinsel. Er würde sein Versprechen wieder nicht halten können und… Dhaôma stockte. Was tat er hier? Da versuchte er, etwas zu ändern und fügte sich schon wieder bereitwillig ins Warten.

„Dann sage ich dir mal was. Ich fange gleich an damit, dorthin zu gehen, wohin ich will. Ich werde mitkommen, ob du es möchtest oder nicht. Ich möchte nicht warten. Ich möchte Haru und Elin und Ramon wieder sehen. Ich möchte Cerels Grab besuchen und die Kirschbäume ansehen. Ich muss meine Eiche überprüfen, ob sie noch genug Wasser bekommt. Sie haben es gesagt, ich darf zurück, darf sie besuchen kommen, wenn ich das möchte. Und ich möchte. Außerdem wäre ich dann bei dir und müsste nicht warten.“ Jetzt, wo er es ausgesprochen hatte, fühlte er sich erfrischt. Es tat so gut, endlich einmal gesagt zu haben, was er dachte!
 

Fassungslosigkeit sprach aus dem Gesicht des Geflügelten. Es kam wahrlich selten vor, dass Dhaôma so bestimmt seine Meinung kundtat. Und dann wollte er sich dieser auch noch freiwillig in die Reichweite Silias begeben. Kurz machte sich Sorge in ihm breit bezüglich der bevorstehenden Situation, sie wurde aber schnell verdrängt von der unbändigen Freude, die ihn ergriff.

„Danke.“ Mehr konnte er gerade nicht sagen. Dhaôma würde ihn begleiten. Er musste nicht tagelang auf seinen Freund verzichten. Dabei gab es noch so viel zu klären. Gerade jetzt, wo Dhaôma ihn begleiten würde.
 

„Es hilft mir auch.“, gab Dhaôma zurück und lächelte. Innerlich hatte er schon den Atem angehalten, auf einen Widerspruch gewartet, aber nun konnte er sich ein wenig entspannen. Seufzend stützte er sich auf seine Arme und sah zu den dunklen Lederbahnen hinauf, die vor Regen schützten. „Ich kann dir nicht sagen, warum ich keinen Ort finden kann, an den ich gehöre. Würde ich mich entscheiden, an einem Ort zu bleiben, wäre ich frei, weil die Entscheidung von mir kommt. Es spräche also im Grunde nichts gegen einen Ort, an dem ich mich niederlasse. Wahrscheinlich wäre auch diese Insel hier in Ordnung oder deine oder die der Drachen. Aber die Unruhe macht es mir unmöglich zu ruhen. Es geht ein paar Tage gut, dann sehne ich mich wieder danach, anderes zu sehen, Neues zu erfahren, neue Orte zu finden.“ Sein Gesicht begann zu leuchten und er blickte Mimoun wieder an, lehnte sich aufgeregt vor. „Das Gefühl, etwas völlig Unbekanntes vor dir zu haben, neue Pflanzen und Tiere zu sehen, neue Landschaften zu erkunden und neue Herausforderungen zu haben, ist wunderbar! Die Welt ist so groß! Unendlich groß! Und wir kennen nur so wenig von ihr! Was ist, wenn es irgendwo anders noch andere Menschen gibt? Vielleicht welche mit Flossen oder Hörnern!“ Vergnügt lachte er und wurde dann schlagartig wieder ernst. „Das heißt nicht, dass ich nicht gerne an bekannte Orte zurückkehre. Es fällt mir nur eben schwer, dort auch zu bleiben.“

„Er ist neugierig.“, war Lulanivilays trockener Kommentar. „Ich gehe mit. Ich will sehen, ob es Fische gibt, die größer sind als ich.“ Für ihn stand schon fest, dass sie wieder reisen würden. In seinem Inneren spürte er das gleiche Ziehen, das auch Dhaôma empfand, aber das war nicht weiter verwunderlich, immerhin waren sie Reiter und Drache. Irgendworin mussten sie sich gleichen.
 

Das war es, was sein Herz erwärmte. Dieses begeisterte, kindliche Lachen. Es wirkte ansteckend und auch Mimoun lächelte. Aber es war nicht von Freude gezeichnet.

Der Geflügelte spürte leises Bedauern. Zu den Halblingen hatten sie schon Wochen gebraucht. Wie sollte es erst werden, wenn sie noch weiter reisten? Wo würde ihr Weg sie hinführen? Auf welche Gefahren würden sie stoßen? Wann würden sie wieder zurück können?

Mimoun hatte es Dhaôma versprochen. Er würde seinen Freund überall hin begleiten. Aber niemals bleiben zu können, niemals Ruhe zu finden? Der Geflügelte wusste nicht zu sagen, ob das gut war.

Da er nicht wusste, was er erwidern sollte, ließ er sich ins welke Grün sinken und rollte sich zu dem Magier herum, bis er mit dem Kopf gegen dessen Bein stieß.
 

„Ich habe Recht, nicht wahr?“, fragte Dhaôma leise und strich durch die schwarzen Zotteln. Mimouns Haare waren lang geworden. Wenn er sich anstrengte, konnte er sie in einen Zopf hinter dem Kopf bändigen. Ob früher seine Mutter sie geschnitten hatte? „Du möchtest hier nicht fort, oder?“
 

„Das ist es nicht.“, wich Mimoun aus, korrigierte sich aber sofort: „Nicht unbedingt. Es ist an sich nicht schlecht zu reisen. Aber niemals einen Ort zu finden, an dem man verweilen kann…“ Ein Seufzen beendete den Satz. Müde schloss er die Augen, konzentrierte sich völlig auf die Berührungen. „Dann bleibt Fiamma wohl Einzelkind.“ Das war sie nicht, denn Seren war ihre Schwester, doch Mimoun würde kein weiteres Kind aufnehmen können, da er sich für so ein kleines Geschöpf eine gefestigte Umgebung wünschte.
 

„Aber wir könnten Kinder mitnehmen.“, sagte Dhaôma leise. „Addar meinte, eine reisende Familie wäre nicht das Schlechteste und möglich. Eloyn hat sogar erzählt, dass euer Volk früher Nomaden waren, die immer gezogen sind. Aber das ist schon viel länger her, als der Krieg dauert. Doppelt so lang.“ Dann schwieg er lange. „Oder du lebst hier und ich reise nur im Winter. Den Sommer würde ich dann hier verbringen, um bei dir zu sein. Wenn du mich dann noch haben willst.“
 

Mit einem schnellen Griff und einem kräftigen Ruck zog Mimoun seinen Freund nach unten und brachte sich mit einer Rolle seitwärts über ihn.

„So. Und nun hörst du mir zu.“, knurrte er dunkel. „Ich liebe dich. Mein Herz hat sich für dich entschieden. Ich werde nicht den ganzen Winter getrennt von dir verbringen, denn das würde ich nicht verkraften. Und das habe ich schon zu häufig getan. Unser Weg wird uns ab jetzt gemeinsam führen.“ Sein Gesicht wurde sanfter, als er seinen Kopf gegen Dhaômas Hals drückte. „Zweifel nie meine Gefühle für dich an.“
 

Das kitzlige Gefühl an seinem Hals verdrängte den Schrecken über die plötzliche Aktion. Weich versenkte er seine Finger wieder in schwarzem Haar. „Ich habe sie nicht angezweifelt. Es waren Möglichkeiten, die Addar genannt hat, wie man Beziehungen führen kann. Ich möchte dich nur nicht zwingen, ein ruheloses Leben zu führen.“ Sanft lächelnd drückte er ihn an sich. „Es würde mir schwer fallen, dich zu verlassen, auch wenn es nur für einen Winter wäre.“, murmelte er. „Und vielleicht kann ich irgendwann lernen, an einem Ort zu bleiben. Vielleicht habe ich irgendwann genug davon, zu reisen.“
 

Hoffen wir es, dachte Mimoun und kam sich ein wenig schäbig vor. Es war irgendwie gemein, so etwas zu denken, auch wenn es der Wahrheit entsprach.

„Wenn du es lernen musst, ist es nicht der richtige Ort für dich.“, bestimmte Mimoun und stütze sich nur noch minimal ab, damit Dhaôma nicht von ihm zerquetscht wurde. „Du musst es fühlen, gleich, wenn du – nein, wir – dort angekommen sind, hörst du? Zwinge dich zu nichts, nur um mir einen Gefallen zu tun, denn damit tust du mir erst Recht keinen Gefallen.“

Im Hintergrund war sich ein blauer Wasserdrache nicht sicher, ob er sich einmischen sollte. Einerseits wichen sie vom Thema ab und andererseits blieben sie genau bei dem entscheidenden Thema. Sie tanzten nur wieder um die entscheidende Frage herum. Wie sollte es jetzt weiter gehen? Wie sollten sie ihre unterschiedlichen Lebensweisen miteinander verbinden?

Wenigstens schien die angespannte Atmosphäre verschwunden zu sein. Es war ein Anfang, dass sie überhaupt begannen, über Gefühle und Wünsche zu reden. Am besten, sie lernten es langsam und Stück für Stück.

Die Ohren gespitzt für alle Eventualitäten, formt sich Tyiasur zu einem Haufen Blau in der Armbeuge Lulanivilays und schloss die Augen. Es lag an ihnen, ihre Zukunft zu gestalten. Seine war an der Seite seines Reiters.
 

Nachdenklich blickte Dhaôma wieder zur Decke, während seine Finger rastlos über Mimouns Kopf strichen. Hatte ihm Mimoun gesagt, dass er egoistisch sein sollte? Dass er machen konnte, was er wollte, ohne Angst haben zu müssen, dass Mimoun ihn verließ? Auf Dauer würde das dem Schwarzhaarigen sicherlich nicht gut tun, denn immerhin hatte auch er Bedürfnisse und Wünsche. Er konnte unmöglich verlangen, dass er selbst sich nicht zurücknahm, während er Mimoun es immer und überall tat.

„Unter einer Bedingung.“, sagte er schließlich mit einem Lächeln in der Stimme. „Du musst mir sagen, wenn es nicht mehr geht. Es ist nicht einfach, Kompromisse zu finden, aber wenn wir es schaffen können, gewinnen wir etwas Großes daraus.“ Auch wenn er nicht wusste was, irgendwie hatte er das Gefühl, dass es stimmte.
 

„Versprochen.“, stimmte Mimoun nach einer kurzen Pause zu. Diese Beziehung hatte nur Chancen, wenn sie Kompromisse eingingen.

Dort wo sein Kopf noch immer war, an Dhaômas Hals, platzierte der Geflügelte einen hauchzarten Kuss und ließ sich ein wenig zur Seite fallen. Nun lag er nicht mehr völlig auf dem Magier, hatte aber dennoch größtmöglichen Körperkontakt.

„Ich weiß, der Tag ist noch jung. Aber können wir noch eine Weile hier so bleiben?“, fragte der Geflügelte leise. Er hatte sich zwar nicht ausgepowert bei dem kleinen Kämpfchen vorhin, dennoch war ihm jetzt nach Nichts-Tun und Kuscheln.
 

„Gerne.“ Schwer legte er seinen Arm ab und nahm die Beschäftigung wieder auf, an Mimouns Haaren zu zupfen. Sie waren wirklich lang geworden. „Willst du sie wachsen lassen?“, fragte er irgendwann halb unbewusst.
 

Träge hob sich eine Hand und zuppelte ebenfalls an dem schwarzen Haar herum. „Eigentlich nicht. Die Fransen vorne stören langsam.“ Eigentlich störten sie schon länger, aber Unlust, Motivationslosigkeit und verpasste Gelegenheiten kamen ihm da immer wieder dazwischen.
 

Ja, früher hatten sich die Haare auch irgendwie lustiger angefühlt. Sie waren noch störrischer gewesen. „Wer hat sie dir früher geschnitten? Cerel? Silia? Jadya?“ Jadya hatte oft den Männern die Haare geschnitten, einmal hatte er dabei zugesehen, weil er wissen wollte, wie sie es machte.
 

Ohne sich großartig von der Stelle zu rühren, zuckte Mimoun mit den Schultern. „Je nachdem, wer mich in die Finger bekam und befand, dass es mal wieder Zeit sei. Was das angeht, bin ich wohl ein wenig faul.“ Nun hob sich der Kopf des Geflügelten doch, um Dhaôma anzusehen. „Möchtest du sie kürzen?“
 

Träge schüttelte Dhaôma den Kopf. Es war ihm eigentlich egal. „Allerdings wirst du sie dir selbst wieder kürzer wünschen, wenn du bemerkst, wie spaßig es Fiamma findet, an langen Haaren zu nuckeln oder zu ziehen.“ Er kicherte weich. „Aber wenn es Silia wirklich stört, sind sie in ein paar Tagen ohnehin wieder kurz.“
 

Da war es wieder. Das leidige Thema.

„Wie machen wir das eigentlich? Lulanivilay wird ohne Fiamma nicht lange durchhalten. Sollte er mitkommen wollen, wird es für ihn schwierig, denn ich weiß nicht, ob wir sie mitnehmen können. Eher nicht, da wir garantiert die ganze Familie im Schlepptau hätten. Außerdem sind die Halblinge auf seine Unterstützung angewiesen. Auch wäre es schön, wenn er Addar ein wenig helfen würde. Zumindest was den Flug angeht.“ Er ließ seinen Kopf auf Dhaômas Brust sinken und lauschte dem Herzschlag seines Freundes. „Fliegen nur wir beide?“
 

„Ich bleibe hier bei dem Feuerkind.“, beschloss Lulanivilay unmotiviert und Dhaôma lachte.

„Da hast du’s.“, meinte er. „Wir werden wohl ein wenig für uns sein. Obwohl, ich hoffe, dass du mitkommst, Tyiasur, sonst kommt Mimoun nackt bei seinem Dorf an.“
 

„Und das wollen wir ja alle nicht.“

Ein trockenes Stück Ranke wurde wenig motiviert in die Richtung des kleinen Blauen geworfen. Aus der liegenden Position Mimouns war es zum Glück für den Wasserdrachen unmöglich, vernünftig zu zielen. Das Wurfgeschoss flog ein gutes Stück zu weit. „Werd nicht frech.“, lachte der Drachenreiter aufgrund des süffisanten Tonfalls seines Drachens. „Ist ja nicht zu fassen.“
 

Auch Dhaômas Lachen erklang, danach redeten sie über andere Dinge. Die Hauptthemen waren Fiamma und Seren und der Winter und der nahende Frühling.

Spät am Abend streunten die beiden zurück ins Haus des Anführers, um dort mit allen gemeinsam zu essen. Bei dieser Gelegenheit offenbarten sie auch gleich ihren Plan, Mimouns Familie zu besuchen, was bei Leoni einen verwirrten aber gleichzeitig auch glücklichen Ausdruck hervorrief. Amar war damit absolut nicht einverstanden, schließlich wurde er der Möglichkeit beraubt, mit Dhaôma zu spielen. So lange hatte er darauf verzichten müssen und jetzt wollte der Magier einfach gehen. Glücklicherweise war er ziemlich handzahm, als seine Mutter ihm unterbreitete, dass jeder das Recht hatte, seine Familie zu besuchen. Unwillig verschränkte er die Arme vor der Brust und murmelte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart. Er wusste immerhin, dass Silia gemein zu Dhaôma gewesen war.

Dhaôma bat ihn daraufhin, sich um Lulanivilay zu kümmern. Er sollte sich darum kümmern, dass dem großen Grünen nicht zu kalt wurde und er genug aß. Von Asam bekam er die Erlaubnis, mit seinen beiden Baby-Cousinen bei dem Drachen zu sein, von da an, war er nicht mehr halb so unleidlich.

Xaira, Volta und Juuro segneten den Vorschlag auch ab. Sie hatten hier eine Menge zu lernen und keine Sorge, dass sie unterbeschäftigt sein würden. Und wenn Lulanivilay sie später zum Treffpunkt trug, würden sie sich ja wieder sehen. Sie sollten also ruhig so etwas wie Flitterwochen machen, veräppelten sie die beiden spaßhaft.
 

„Unmögliche Bande.“, maulte Mimoun scherzhaft. Aber es war gut zu wissen, dass ihrer Reise nichts im Weg stehen würde.

Es wurde ein lustiger Abend, der hauptsächlich auf ihre Kosten ging. Als sich schließlich einer nach dem anderen zur Nachtruhe verabschiedete, bekamen sie die Kleinen wieder in den Arm gedrückt und nicht nur Kitty schlich sich spät in der Nacht wieder zu ihnen in den Raum. Amar suchte Anschluss an seinen ungeflügelten Freund. Es gab eine Balgerei und Geschrei, denn dort, wo er liegen wollte, lag bereits das Pelztier, welches weder mit Störung noch mit einer Räumung ihres Platzes einverstanden war. Mimoun fing sich ebenfalls einige Kratzer ein, als er verhinderte, dass Kitty über die Winzlinge flüchtete. Kratzer waren aber nichts, was Dhaôma nicht heilen konnte.

Ruhe fanden die Freunde erst, als unnachgiebig bestimmt und geklärt wurde, wer wo schlafen durfte. Was einen großen Abstand zwischen Dhaôma und Mimoun hervorrief. Aber so gaben sie wenigsten Ruhe.

Gern wäre Mimoun schon am nächsten Morgen los geflogen. Da es aber zu sehr nach Flucht und Drängelei ausgesehen hätte und einige Dinge für die Reise vorbereitet werden musste, übergab Mimoun seinen Magier den fürsorglichen Händen einer quirligen Rasselbande und kümmerte sich lieber um die Zusammenstellung von Proviant und Wasser.

Gelegentlich warf er einen Blick zu Dhaôma und überzeugte sich von dessen Unversehrtheit. Nicht dass die Kleinen zu rau mit ihm umgingen.
 

Amar war es besonders, der sein Recht einforderte, mit ihm zu toben. Jetzt, da klar war, dass Dhaôma schon wieder gehen würde, überredete er ihn zu einem Wettlauf und Dhaôma musste erstaunt feststellen, dass Amar ihm beinahe ebenbürtig geworden war. Diesmal kam er nur knapp hinter ihm an der Wand an. Sein Training war durch das Fliegen wirklich vernachlässigt worden.

Da es noch immer zu kalt dazu war, Pflanzen wachsen zu lassen, zogen sich die beiden Freunde den Rest des Tages in die Drachenhöhle zurück. Fiamma und Seren waren dabei, Amar, Juri und Yaji. Die beiden Mädchen hatten sich sehr zurückgehalten bei den Kämpfen, aber nun kamen sie an und wollten Fakten über Bienen und ihre Völker wissen. Sie fragten so gezielt und so ausführlich, dass Dhaôma gar keine Ahnung hatte, was er noch antworten sollte. So gut kannte er sich damit nun auch wieder nicht aus.

Irgendwann gesellten sich auch Leoni und Asam dazu und als irgendjemand meinte, es wäre beinahe wie ein Familienausflug, holte man den Rest auch noch. So hatte man weder Janna noch Karo gesehen, denn die Anwesenheit des großen Drachen machte sie deutlich befangen. Dieser kümmerte sich kaum um die vielen lauten Menschen um sich herum. Einmal stand er auf, schüttelte sich, so dass Amar von seinem Hals fiel, bevor er sich wieder zusammenrollte und weiterschlief.
 

Fast die ganze Zeit über hatte Mimoun Dhaôma vor sich sitzen und die Arme um dessen Bauch geschlungen. Es war eine beruhigende Geste, eine versichernde und gab ihm die Nähe, die er brauchte.

Bald war die Zeit gekommen, wo er sich kaum noch an der kleinen Feier, zu der dieses gemeinsam Sitzen ausgeartet war, beteiligte, sondern sich nur noch von der Anwesenheit aller berieseln ließ. Davon ließ sich keiner stören und erst weit nach Dunkelheit zogen sich alle zum Schlafen zurück.

Mimoun bot seinem Freund an, diese Nacht bei Lulanivilay zu verbringen. Schließlich würden sie sich einige Tage nicht sehen. Er wusste selber, wie einsam es manchmal ohne den vertrauten Gefährten sein konnte. Also wurde noch einmal richtig angeheizt und Decken und Felle wechselten das Gebäude. Man befand, dass es besser war, Fiamma in der Hütte des Ältesten schlafen zu lassen, damit auch dieser es warm hatte in der Nacht. Dafür bekamen die älteren Quälgeister die offizielle Erlaubnis bei den großen Freunden zu bleiben. Mit dem Ergebnis, dass sie recht früh geweckt wurden, damit man noch ein wenig Zeit hatte, bis sie losflogen.
 

Kitty hatte sich schnell adaptiert. Schlief sie eben in einem anderen Haus, solange Dhaôma da war. Was kümmerte sie es. Und offenbar hatte sie verstanden, dass sie weiterreisen würden, denn plötzlich wich sie nicht mehr von Dhaômas Seite. Als die Kinder das zum Anlass nahmen, mit ihr spielen zu wollen, gab es einen kurzen Kampf mit Tyiasur, den sie von Dhaômas Schulter vertrieb. Dhaôma schimpfte, was sie Pfote schleckend ignorierte. Hier oben war sie von den Kindern sicher und das sahen alle ein, so dass Tyiasur sich zu Mimoun verzog.

Sich versichernd, dass Lulanivilay allein zurecht kam und genug Aufmerksamkeit und Ausflug bekam, was ihm Leoni gern versprach – würde sie eben die nächsten Tage mal mit auf die Jagd gehen, auch um Asam zu zeigen, dass sie das konnte – verabschiedeten sie sich von allen, als die Sonne endlich vollständig aufgegangen war. Das Wetter war perfekt klar und dementsprechend eiskalt. Dhaôma bekam von Addar mit einem verschwörerischen Augenzwinkern eine zusätzliche Decke, in die er sich einwickeln konnte.

„Passt auf euch auf.“, hieß es von vielen.

Und Lulanivilay stupste die beiden Freunde mit seiner großen Nase an. „Geht endlich. Es ist kalt draußen.“

Lachend kratzte ihm Dhaôma ein letztes Mal über die Nase, bevor er seine Arme um Mimouns Hals legte und sich hochheben ließ. Kitty nahm die Gelegenheit direkt wahr, um unter den Pelz zu gelangen, an Dhaômas Bauch und möglichst weit weg von Mimoun.

„Tyiasur braucht da auch Platz, also arrangier dich mit ihm.“, mahnte der Braunhaarige und tatsächlich akzeptierte sie es. So kam Tyiasur zwischen ihr und Mimoun zu liegen, die wärmste Stelle an der gesamten Reisegesellschaft.
 

Unglücklich runzelte Mimoun die Stirn. Die kleine Kratzbürste mitnehmen? Na das konnte was werden, wenn die Kinder seines Heimatdorfes auf ihren lang vermissten Freund zustürmten. Wahrscheinlich würden sie damit nicht einmal warten, bis er gelandet war.

Bevor er sich aber damit auseinander setzen musste, galt es erst einmal die Strecke zu bewältigen.

Dafür brauchten sie mehr als die drei Tage, die Mimoun bei seinem letzten Flug dorthin gebraucht hatte, was nicht zuletzt dem Gewicht zuzuschreiben war, das er nun tragen durfte. Dhaôma stand ihm so gut es ging mit seinen Fähigkeiten bei, aber sie hatten nun einmal eine große Strecke zu bewältigen.

Die Nächte verbrachten sie auf den Ebenen unten. Die Nächte waren empfindlich kalt, aber erträglicher als auf den Inseln oben. In den Abendstunden flog Mimoun oft noch weite Strecken, um genügend Brennholz zusammen zu sammeln, und bot sich Nacht für Nacht selbst als hervorragende Wärmequelle an.
 

Es tat gut, einmal wieder unterwegs zu sein, ohne ein Ziel zu haben, von dem das Geschick der ganzen Welt abhing. Dhaôma hatte Mimoun so gut wie für sich, was zusätzlich zu seiner Stimmung beitrug, die nahe an absoluter Zufriedenheit grenzte.

Lange Zeit hatte Dhaôma mit Nachdenken verbracht und sich daran erinnert, dass Mimoun ihm schon früher, bevor er in ihn verliebt gewesen war, angeboten und versichert hatte, dass er ihn niemals alleine lassen würde, dass er ihn überall hin begleiten würde. Dass seine Familie ein Ort war, an dem er sich gerne aufhielt, aber dass an seiner Seite sein Platz war, an dem er sein wollte. Es hatte es ihm enorm erleichtert, mit der Situation und seiner Unsicherheit fertig zu werden. Er hatte es akzeptiert. Mimoun war einfach so. Jetzt konnte er auch annehmen, was er ihm anbot, denn er konnte aus der Vergangenheit sagen, dass Mimoun schon sagen würde, wenn er nach Hause wollte.

Am dritten Tag kamen sie aus großer Höhe auf die Insel zu, um sie zu überraschen, was nicht zuletzt aus Mimouns Furcht entsprang, dass Kitty sich wehren würde, wenn die Kinder kamen. Sie wurden natürlich entdeckt. Wie hätte es anders sein können. Viele Hanebito erhoben sich in die Luft und flogen ihnen entgegen. Oft genug hatten sie sehen können, wie ein Geflügelter aussah, wenn er jemanden trug, und Mimoun war der einzige, der Dhaôma auf Dauer tragen konnte. Ein lang Vermisster kehrte zurück und brachte einen seltenen Gast, da musste jeder zur Begrüßung kommen.

Haru war der erste, der sie erreichte. Seit er Mimoun hatte fliegen sehen, hatte er geübt, möglichst schnell zu fliegen und so alle überholt, die sich lieber Zeit ließen. Stürmisch flog er seinen beiden Freunden um die Hälse. Es Fauchte, Schrie und gab Gezeter und Kitty schoss unter den Fellen hervor, um sich wie tollwütig auf den Angreifer zu stürzen.
 

„Weg.“, herrschte Mimoun den Jungen heftiger als nötig an und schob ihn mit einer Hand von sich, so dass er wieder alleine fliegen musste. Nun war also eingetroffen, was Mimoun befürchtet hatte.

Die zweite Hand griff fester in die Decke, damit Dhaôma nicht verloren ging, während die Katze eingefangen wurde. Durch die Decke hindurch hatte sie nicht sehen können, dass sie sich viele hundert Meter über dem Erdboden befanden und dass ihre Aktion böse hätte enden können.

Der Griff im Nacken, um sie ruhig zu halten, passte ihr so gar nicht. Sie drehte sich in ihrem eigenen Fell und ging auf den Geflügelten los, der sie nun ziemlich angefressen in die freie Luft hängte.

„Sei still, halte still und verschwinde wieder unter der Decke.“, befahl er der verwandelten kleinen Magierin unnachgiebig und löste als Vorwarnung bereits zwei Finger, bevor er sie Dhaôma wieder auf den Bauch setzte, damit sie seinen Anweisungen Folge leisten konnte.

Haru ließ sich nicht von der Aktion stören, fand sie im Gegenteil sehr interessant und kam schon wieder näher um besser sehen zu können. Er hängte sich an Mimouns Arm und nur wenige Augenblicke später spürte der Drachenreiter ein Gewicht auf seinem Rücken.

„Wer ist das denn?“, wollte Elin wissen.

Na toll. Und schon war er wieder der Lastenträger für alle. Nur dass die Kleinen mittlerweile ziemlich groß und vor allem schwer geworden waren.

„Runter. Ich bin müde.“, verlangte er also. Nur widerwillig ließen sie ihn los und drängten ihn zur Landung. Nur zu gern zeigte er sich damit einverstanden.
 

Das zitternde Bündel im Arm, das sich möglichst eng an ihn schmiegte, lachte Dhaôma. Sie war so schlagfertig.

„Hört mal, ihr beiden. Ich habe einen empfindlichen Gast dabei, also lasst mir Zeit, sie in Sicherheit zu bringen, bevor ihr uns überfallt. Danach sind wir voll und ganz für euch da.“ Und um Elins Frage zu beantworten strich er über die Beule an seinem Bauch. „Das hier ist Kitty und sie ist sehr verängstigt.“

„Ein Baby!“, quietschte Elin und landete ein wenig vor allen auf der Insel. „Mimoun hat wieder ein Baby gefunden.“

„Es war eine Katze!“, widersprach ihr Haru und schaute böse, was den Rotschopf nur zum Lachen brachte.

„Ja, ein Katzenbaby.“

Man bot Mimoun an, Dhaôma zu übernehmen, aber wie immer schaffte er es ganz allein, seinen Freund auf den Boden zu stellen. Jadya ließ dem Schwarzhaarigen genau so viel Zeit, um sich wieder aufzurichten, dann umarmte sie ihn stürmisch. Und Ramon fiel Dhaôma um den Hals, so dass es Kitty genug wurde und sie sich zu den Bäumen flüchtete.

„Da war das Katzenbaby!“

„Ai, hier geblieben!“ Reflexartig packte Dhaôma Elin am Kragen und zog sie in die Arme. „Lasst sie einfach in Ruhe, sonst erlebt ihr was.“

Unsicher sahen ihn die Kinder an. Das war sonst die Drohung der Eltern, damit sie gehorchten. Das machte doch der Magier normalerweise nicht. War ihm die Katze so wichtig? Sie konnten auch nicht ahnen, dass Dhaôma sie nur warnen wollte, dass die Katze gewalttätig sein konnte, wenn sie wollte.

Und dann ging die große Wiedersehensfreude in die nächste Runde, als auch alle anderen Aufmerksamkeit wollten und die beiden Reisenden begrüßten.

„Du bist wirklich wieder gekommen.“, meinte Oldon. „Ich muss zugeben, da du dich so lange nicht hast blicken lassen, hatte ich schon befürchtet, du hättest es nur gesagt, um höflich zu sein.“

Weich lächelnd verbeugte sich Dhaôma vor dem Ältesten. „Ich verspreche nie etwas, das ich nicht zu halten gedenke.“

„Es ist gut, dich wieder zu sehen.“, schmunzelte der Grauhaarige, dann wurde Dhaôma auch von Jadya umarmt und dabei beinahe umgerissen.

„Du trägst unser Geschenk noch!“, freute sie sich. „Alles andere ist neu, aber den Poncho hast du noch!“

Am liebsten hätte er es ihr gleich erklärt, aber der Trubel war einfach zu groß. Es war beinahe wie bei Addar auf der Insel. Er war hier willkommen und das ließ sein Herz vor Freude überlaufen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  KuroMikan
2015-02-18T18:45:29+00:00 18.02.2015 19:45
Hallö :)

soooo XD ich habs jetz auch mal geschafft alle fleißig upgeloadeten kapitel zu lesen ;) yay
Vilay und seine knappen kommentare immer XD ich könnt mich jedes mal wegwerfen ^^
aber ich find wirklich toll das die beiden sich jetzt richtig verstehn und nicht mehr aneinander vorbei reden :)
hoffen wir mal das das auch hält ^^

grrr wieso musste das blöde katzenfieh mit? ich hab ja schonmal gesagt das ich katzen echt gern mag.. aber dieses kleine biest... uaaaahhhh
ok ruhe bewahren *seufz*
ich bin wirklich gespannt wie das treffen zwischen den beiden und silia verläuft :) aber ich kann mir gar nicht mehr vorstellen das sie dhao immernoch so hasst wie früher ^^ schließlich ist sie jetzt eine erwachsene mutter die weiß was es heißt zu lieben... oder? XDD man wird sehn

sooooo das wars an kommi XD ich freu mich schon auf das nächste kapitel und natürlich auf kommis zu den kommis

lg Mikan
Antwort von:  Shirokko
19.02.2015 12:53
erwachsene mutter... *daswiederkäut* *immernochwiederkäut* jaaaaa, sicher. Silia ist jetzt eine erwachsene Mutter *hoffnungslosmitschulternzuckt*
Antwort von:  torateh
19.02.2015 13:00
ach komm. nicht so negativ. sie wird nur missverstanden. XP
Antwort von:  Shirokko
19.02.2015 13:02
-_-°
Genau...
Antwort von:  Zebran20121
21.02.2015 13:54
spätestens wenn die beiden jayan (ich hoffe mal ich habe richtig geschrieben) befreit und zu ihr zurückgebracht haben müsste die "Dame" (naja Furie passt manchmal besser zu ihr aber ich will mal nett sein und es nicht sagen zumindest nicht laut;) mal etwas einlenken und sich mit Dhao vertragen
Antwort von:  Shirokko
21.02.2015 16:17
du bist so gut... *staunt*
Antwort von:  Zebran20121
21.02.2015 16:21
es ist natürlich nur eine Vermutung das er noch lebt aber so wie ich euch bisher eingeschätzt habe, wird er das sein. Natürlich mit ein paar Blessuren blaue flecken vielleicht ein gebrochener Knochen aber niemals ein gebrochener geist und danke für das Kompliment manchmal hab ich auch ne gute Idee
Antwort von:  KuroMikan
22.02.2015 01:10
das hatte ich mir auch schon gedacht :)


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