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lucky failure

KaitoxSaguru
von

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sin

Als die Schwester ihn wieder verlassen hatte, legte Hakuba die Tablette zunächst beiseite, denn er hatte keine Schmerzen und war der Meinung, dass es besseres zu tun gab, als sich um seine Gesundheit zu kümmern.

Zuallererst musste er die Fakten ordnen, die er bereits in Händen hielt. Da waren zum einen die mysteriösen Umstände, unter denen Kaito Kid den Brief in die Hände bekommen hatte und die möglicherweise darauf schließen ließen, dass er nicht nur Recht mit seinem Verdacht hatte, dass es sich bei dem unbekannten Täter um eine Frau handelte, sondern auch darauf, dass diese Frau in irgendeiner Form in Bezug zum Nationalmuseum Tokyo stand. Selbst, wenn sie nur eine Ausstellung besucht hatte, musste sie auf den Bändern der Überwachungskameras zu sehen sein und das bot einen ersten Anhaltspunkt.

Ferner musste er herausfinden, was am 14. Dezember 1998 geschehen war und Einsicht in eventuell vorhandene Akten nehmen. Möglicherweise fand sich ein Bild der unbekannten Frau unter den Daten der damals vernommenen Zeugen.

Wenn er sich alles angesehen und ausgewertet hatte, würde er mehr wissen. Gut, dass man ein Telefon zur freien Verfügung auf dem Zimmer hatte, wenn man privatversichert war.
 

Kaum zwei Stunden später erschien ein Polizist im Krankenhaus, der ihm das Band der Überwachungskamera und eine dünne Mappe aus hellem Karton vorbei brachte.

Er hatte sein Anliegen nicht einmal detailliert darlegen und seine Forderung nach Akteneinsicht nicht großartig begründen müssen und das war zweierlei Umständen zu verdanken: Zum einen seinen guten Kontakten zu ranghohen Mitarbeitern der Kriminalpolizei und zum anderen der Tatsache, dass man dem alten Fall, den er zu untersuchen gedachte, bisher kaum Relevanz beigemessen hatte. Hätten sich die Ermittler schon einmal eingehend damit beschäftigt, hätte er es nicht nur mit einem kaum überschaubaren Stapel von Heftern und losen Blättern voller Berichte und Informationen zu tun bekommen, es wäre auch wesentlich schwieriger gewesen, Zugang dazu zu erhalten.

Natürlich stieg damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich jemand etwas übersehen hatte – in diesem Fall wohl, dass sich hinter einem vermeintlichen Unfalltod ein heimtückischer Mord verbarg.

Ehrlich neugierig auf das, was ihn erwartete, schlug er die Mappe auf.

Ein alter, vergilbter Zeitungsartikel fiel ihm entgegen. Oben rechts hatte jemand das Erscheinungsdatum auf die Seite gekritzelt: der 15. Dezember 1998; genau ein Tag nach dem Zeitpunkt, den Lion's Mane angegeben hatte.

Das war gut, denn zeitnahe Berichte enthielten oft wertvolle Informationen, die weder dem Reporter, noch den Lesern, noch der Polizei als solche ins Auge gesprungen waren.

Der Artikel las sich wie folgt:
 

Tragischer Unfall – Mann verfängt sich in Fischernetz und ertrinkt
 

Tōkyō. Gestern zur Mittagszeit wurden Besucher der Beika-Seetierschau Zeugen eines grausigen Schauspiels: Beim Säubern der Requisiten verfing sich ein 31-Jähriger in einem Fischernetz, glitt auf dem nassen Boden aus und stürzte in das derzeit leere Haifischbecken.

Alle Versuche, ihn aus dem Wasser zu ziehen und ihn aus dem Netz zu befreien, schlugen fehl. Der Mann konnte nur noch tot geborgen werden.

Man werde den Fall untersuchen, erklärte Inspektor Megure von der Mordkommission, aber man gehe davon aus, dass es sich um einen Unglücksfall handle. Am Tatort deute nichts auf Fremdeinwirkung von außen hin und nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen war das Opfer bei all seinen Bekannten äußerst beliebt. Niemand habe ein Motiv für die Tat gehabt.

Dennoch nehmen viele Bürger Anteil am Schicksal des jungen Mannes und legen Blumen an der Unglücksstelle nieder. Da das Opfer keine lebenden Familienangehörigen hatte, hat sich der Veranstalter der Beika-Seetierschau in einer großzügigen Geste bereit erklärt, für eine angemessene Beerdigung zu sorgen. Die Trauerfeier findet am kommenden Montag statt.
 

Hakuba legte den Artikel beiseite und griff nach seinem Notizblock. Viel hatte er durch die Lektüre nicht erfahren, aber das Wenige genügte, um sich ein erstes Bild von dem Sachverhalt zu machen, um den er sich unter Einsatz seines Lebens zu kümmern hatte.

Was er sich notierte, waren vier neue Fragen, die der kurze Bericht aufgeworfen hatte und auf die er möglicherweise eine Antwort erhalten würde, wenn er den Rest der Akte durchsah:

Warum hatte die Polizei überhaupt erwägt, zu ermitteln?

Wofür hatte man in einer Seetierschau ein Fischernetz gebraucht?

Wieso hatte der Veranstalter der Beika-Seetierschau die Beerdigungskosten übernommen, obwohl der Verunglückte augenscheinlich eine Menge Freunde hatte?

Und wer hatte vergeblich versucht, ihn zu retten?

Er malte unnötig sorgfältig ein großes Fragezeichen auf die Seite, bevor er das nächste Blatt aus der Mappe nahm.

Es enthielt Angaben zur Person des Toten.

Shuichiro Takahashi, geboren am 14. Dezember 1967, gestorben am 14. Dezember 1998, zuletzt wohnhaft in Tōkyō, Bezirk Beika, Meeresbiologe, bereitete sich auf eine Promotion über das Korallensterben an der Universität Tōkyō vor. Nebenbei jobbte er als Tierpfleger und Mädchen für alles bei der Beika-Seetierschau, gemeinsam mit drei seiner ehemaligen Kommilitonen. Er war ledig, hatte keine Geschwister und seine Eltern waren Jahre zuvor verstorben. Nach Aussagen einiger engerer Freunde, soll er eine Freundin gehabt haben. Wie sie hieß und wo sie wohnte, war allerdings nicht bekannt. Unter seinen persönlichen Sachen fand sich eine Nachricht, die höchstwahrscheinlich an diese Frau gerichtet war, aber nicht entschlüsselt werden konnte. Nähere Nachforschungen sind unterblieben, da sich keine Indizien für ein Verbrechen gefunden haben.

Eine Kopie der Nachricht, die Takahashis Freundin nie erreicht hatte, war mit einer Büroklammer angeheftet und schon ein oberflächlicher Blick darauf verriet, dass die Rätsel vorerst kein Ende nahmen:
 

Er trug stolz das Stachelschwein im Wappen, weil es so exotisch war wie die Südfrucht, die die schönste Frau zwischen Anfang und Schluss benennt. Zwischen Liebe und Schmerz findest du die Antwort in seinem Namen und die Zeit in der Nacht, die ich voll Sehnsucht erwarte.

Bonne nuit, mon amour, bonne nuit.
 

Die Akte war überaus aufschlussreich, befand Hakuba. Er verstand, warum die Polizei zuerst an einem Unfall gezweifelt hatte, denn dass jemand exakt am Tag seines Geburtstages verstarb war so selten, dass es unter den Umständen des Falles verdächtig wirken musste.

Hinzu kam die verschlüsselte Nachricht an seine Freundin.

Niemand verfasste ein Rätsel, um sich zu einem Date zu verabreden. Das war nur dann notwendig, wenn es jemanden gab, der davon auf keinen Fall etwas erfahren durfte.

Die Heimlichtuerei ließ vermuten, dass Takahashis große Liebe bereits verheiratet gewesen war und diese Hypothese passte perfekt ins Bild, denn auch die Nachricht von Lion's Mane sprach von einem Liebhaber, der von einem kümmerlichen Liebhaber ermordet worden war.

Höchstwahrscheinlich war diese Frau identisch mit Lion's Mane.

Hakuba wusste, er musste sie finden, wenn er Gewissheit haben wollte und einen ersten Anhaltspunkt bot Takahashis Nachricht.

Die schönste Frau, die eine Südfrucht zwischen Anfang und Schluss benannte, musste unweigerlich sie sein. Wenn Hakuba das Rätsel löste, hatte er also ihren Namen; und wenn es nur ein Kosename sein sollte, war das immer noch besser als nichts.

Sekundenlang betrachtete er die Zeilen konzentriert. Er kannte diese Art der Formulierung aus der Tageszeitung. Die Macher der „um die Ecke gedacht“- Rätsel hatten den Trick schon so oft angewandt, dass es für viele Zeitungsleser ein Kinderspiel sein musste, die Lösung zu finden.

Anfang und Schluss, Liebe und Schmerz – hinter diesen Worten verbargen sich die Anfangsbuchstaben der gesuchten Begriffe. A und S, L und S.

Auf Anhieb konnte Hakuba nicht sagen, welcher Herrscher sich ein Stachelschwein aufs Wappen gemalt hatte. Mit Sicherheit konnte er nur sagen, dass es ein französischer König gewesen sein musste.

Französisch, weil Takahashi die Nachricht auf dieser Sprache beendet hatte, ohne einen anderen ersichtlichen Grund dafür gehabt zu haben und weil Lion's Mane denselben Kniff angewandt hatte. König, weil er eine Zahl hinter dem Namen stehen haben musste und weil kein Mann von seiner Geliebten erwarten würde, Recherchen über den gesamten Kleinadel Frankreichs anzustellen.

Allerdings hatte Hakuba nicht vor, sich lange an der Suche nach dem Stachelschwein-König aufzuhalten, denn ob er nun wusste, wann sich die beiden hatten treffen wollen oder nicht, war für seinen Fall zur Stunde nicht von Bedeutung.

Ihn interessierte eher die Südfrucht mit einem Frauennamen zwischen A und S.

Im Geiste ging er durch, was ihm an Obst nur einfiel und es dauerte nicht lange, da wurde er bei der Ananas fündig. Das Wort begann mit einem A und endete mit einem S und in der Mitte fand sich „Nana“. Er vermutete, dass die Unbekannte den Vornamen Nanako trug und sich gerne mit Nana hatte abkürzen lassen.

Und schon war er einen Schritt weiter.

Kaum zu glauben, wie leicht die Arbeit von der Hand ging, nun da Kaito nicht mehr hier war und ihn ablenkte.

Hakuba missfiel die Vorstellung, sich von ihm helfen zu lassen von Sekunde zu Sekunde mehr. Er hatte Kid bereits viel zu viel zu verdanken und ahnte, dass er es kaum mehr mit seinem Gewissen würde vereinbaren können, ihn nach all dem noch zu verhaften.

Ebenso wenig, wie er es mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, ihn nicht zu verhaften.

Er hasste es, wenn Arbeit und Privatleben ineinander flossen.

Welchen Platz nahm Kaito Kid denn nun in seinem Leben ein?

Und welchen sollte er einnehmen?

War er Kaito Kuroba, ein Klassenkamerad und Freund oder war er Kaito Kid, ein Dieb, dem das Handwerk gelegt werden musste? Oder war er eine ambivalente Figur, deren Rolle sich nicht genau bestimmen ließ?

Er hatte ihn nach Japan gelockt, er hatte ihm Lion's Manes Nachricht gegeben, hatte ihm das Leben gerettet und ihm weitergeholfen, obwohl er damit hatte rechnen müssen, dass Hakuba versuchen würde, ihn festzunehmen. Er hatte sogar diese verrückte Show abgezogen, um ihn besuchen zu können ohne Verdacht zu erregen.

Und trotzdem glaubte Hakuba, dass es nur vernünftig gewesen war, ihn rauszuwerfen. Wie man es auch drehte und wendete – sie standen auf verschiedenen Seiten des Gesetzes. Sie gehörten nicht zusammen.

Er musste an das denken, was Kid ihm über die Auffindesituation von Lion's Manes Brief gesagt hatte. Ein roter Mantel war ein ungewöhnlich auffälliges Kleidungsstück für eine Frau, die vorhatte einen Mord zu begehen. Ob diese Wahl ein weiterer Hinweis für ihn hatte sein sollen?

Möglicherweise war die Farbe aber auch einfach nur modern.

Nicht nur Kid hatte sich in seiner Verkleidung ganz in Rot präsentiert – Hakuba erinnerte sich daran, in der letzten Zeit außergewöhnlich viel rote Kleidung an Frauen aller Altersklassen gesehen zu haben.

Als er nach seinem letzten Japanaufenthalt nach Großbritannien zurückgeflogen war, hatte er am Flughafen Narita seinen Rucksack mit dem einer alleinreisenden Dame verwechselt. Nicht, dass er sie gesehen hätte, nein. Aber als er später rote Damenunterwäsche zum Wechseln in seinem Handgepäck vorgefunden hatte, hatte er so viel zwangsläufig begriffen.

Im Nachhinein hatte er sich auch nicht mehr über das vielsagende Grinsen des Sicherheitsbeamten beim Check-in gewundert.

Aus all diesen Beobachtungen schloss er, dass Rot zur Zeit tatsächlich groß in Mode war und dass er der Farbe des fraglichen Mantels besser nicht zu viel Bedeutung beimessen sollte, um nicht voreingenommen von einer ungeprüften Hypothese zu sein.

Und völlig unvermittelt kam ihm der alberne Gedanke in den Sinn, Kid könnte vielleicht einen Blick in die Vogue werfen, bevor er eine Verkleidung wählte.

Allein die Vorstellung war unerwartet amüsant.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Irene2399
2014-01-24T21:42:32+00:00 24.01.2014 22:42
Tse tse, mal wieder typisch Hakuba, dass der sich keinen Deut um seine Gesundheit schert o^o
Nja, aber wie schon gesagt, erst die Arbeit, dann das Vergnügen :D (ein gesunder Körper wird eh vollkommen überbewertet ;P)
Und dann werden noch ein paar Geheimnisse unserer Beiden aufgedeckt? *o*
Wer hätte gedacht, dass Hakuba mit Damenunterwäsche im Gepäck (*hust*verwechselt*hust*) reist? XD
Freu mich schon aufs nächste Kapi ;)


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