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Seelensplitter

von

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Danach

Danach? Sie wollen wissen, was direkt danach passiert ist?

Ach so, Sie wollen also herausfinden, warum ich es tat und wie es mir danach ging!

Also, Leid tat es mir nicht. Er war ein Monster und er hätte schlimmeres verdient.

Darüber zu urteilen steht mir nicht zu? Warum nicht? Wenn korrupte Richter und bestechliche Polizisten darüber entscheiden können, warum dann nicht auch ich? Mir hat wenigstens keiner ein Bündel Geldscheine in die Hand gedrückt!

Hmpf! Überhalten wir uns lieber wieder über unser ursprüngliches Thema!
 

***
 

Zuhause angekommen duschte sie erst mal.

Während das warme Wasser über ihren Körper lief begann der Schleier sich langsam zu lüften und die Wahrheit sank in ihr Bewusstsein.

Sie hatte einen Menschen getötet!

Einen mordenden Perversling zwar, aber doch einen Menschen.

Sie stieß die Tür der Duschkabine auf und schaffte es gerade noch bis zum Klo, wo sie sich erst übergab und anschließend weinend zusammenklappte.

Wie lange sie schluchzend und zitternd auf den kalten Fliesen gesessen hatte konnte sie hinterher nicht sagen, aber irgendwann beruhigte sie sich wieder.

Die Tränen trockneten, die Schluchzer ließen nach und sie griff nach ihrem Zahnputzbecher um sich den Mund auszuspülen.

Ein paar Spritzer kaltes Wasser ins Gesicht, dann nahm sie das Handtuch und rubbelte über ihre Haut, bis sie sich nicht mehr eiskalt anfühlte.

Es war vier Uhr morgens und sie war todmüde, aber Schlaf würde sie keinen finden.

Ihr Lieblingsschlafanzug, ein verwaschenes T-Shirt Größe XL, gab ihr ein herrliches Gefühl von Normalität und sie öffnete ihren Schrank um ein altes, abgenutztes Stofftier in Form eines blauen Elefanten herauszuholen.

Wenn sie die Augen schloss und tief einatmete glaubte sie oft, das Parfüm ihrer Mutter zu riechen, auch wenn das nach acht Jahren vermutlich Wunschdenken war.

Trotzdem war der Gedanke tröstlich und so drückte sie das Plüschtier gegen ihre Brust, während sie die Treppe hinunter in die Küche ging um sich einen Kakao zu machen.

Im Wohnzimmerkamin glomm noch ein Rest Glut und so setzte sie sich auf ein bequemes Sofa in der Nähe, wickelte sich in einen flauschigen Teppich und nippte an ihrem Getränk, einen Arm fest um ihren Elefanten geschlungen, den sie als Kind ‚Mogli‘ getauft hatte.

In dieser Position musste sie irgendwann eingeschlafen sein, denn am nächsten Morgen um exakt sechs Uhr dreiundvierzig weckte sie das ganze Haus, als sie kreischend aus einem Albtraum erwachte.

Die Tasse, die sie im Schlaf offenbar fest umklammert hatte, flog im hohen Bogen durch die Luft, drehte sich mehrmals um die eigene Achse und zersprang mit lautem Klirren auf den Marmorfliesen.

Der Rest Schokomilch, der sich noch in der Tasse befunden hatte, hinterließ hässliche Flecken auf dem kuschelig weichen Läufer vor der Couch.

Lucas Edvans, der Butler der Familie, kam als erstes ins Wohnzimmer gerannt, dicht gefolgt von Damian.

Hinter ihnen folgten gemesseneren Schrittes Richard und Beatrice von Siegel, ihre Adoptiv- und Damians leibliche Eltern.

„Alera? Was ist denn los meine Kleine?“

Vorsichtig, als würde er sich einem verwundeten Tier nähern, ging Lucas auf sie zu und legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter.

„Blut! Blut!“ sie stieß seine Hand weg, als ob sie sich daran verbrannt hätte.

„Überall! Es geht nicht ab!“

Sie starrte mit einem absolut fassungslosen Gesichtsausdruck auf ihre Hände, als ob sie vor Blut nur so trieften, obwohl das natürlich absoluter Blödsinn war.

„Ruhig! Ganz ruhig! Es ist alles in Ordnung, du bist zuhause! Hier tut dir niemand etwas!“

Vorsichtig nahm er ihre Hände in seine, betrachtete die Handflächen und sah dort nicht mehr als die halbmondförmigen Abdrücke ihrer langen Fingernägel.

„Siehst du, deine Hände sind sauber!“

Misstrauisch inspizierte sie ihre Finger noch einmal, hob dann den Blick und Lucas stellte er leichtert fest, dass sie ihn wahrnahm und der Nachhall des Albtraums langsam von ihr wich.

„Ich habe mal wieder alle aufgeweckt, oder?“

Schuldbewusst senkte sie den Kopf und zog den Teppich enger um sich.

„Das ist doch halb so schlimm, dann kommen wir wenigstens nicht zu spät zur Schule!“

Typisch Damian! Ihr Bruder würde sogar im Weltuntergang noch einen Vorteil sehen.

„Damian mein Liebling, es ist Sonntag, ihr müsst nicht in die Schule!“ die warme, weiche Stimme seiner Mutter, die früher Sängerin gewesen war, löste das restliche bisschen Spannung auf, das noch im Raum gehangen hatte.

Ein leises Kichern stahl sich über ihre Lippen, auch wenn es gefälscht klang.

„Sonntag? Dann hast du heute nicht eine Verabredung mi diesem Idioten?“

„Dieser Idiot heißt Ed!“

„Ändert nichts daran, dass er ein Idiot ist!“

Okay, das stimmte zwar, aber trotzdem!

„Hey, immerhin sieht er süß aus!“

„Klar und das gleicht seine übrigen Fehler wieder aus!“ Damian brach in schallendes Gelächter aus.

Sie ließ ein gespielt beleidigtes Schnauben hören und stolzierte aus dem Raum.

„Ich gebe dem Kerl ne Woche!“ meinte Lucas trocken.

„Wir beide sind vorsichtig optimistisch und geben ihm drei Tage!“ Richard legte seiner Frau den Arm um die Schultern, als diese hinter ihrer Adoptivtochter her sah.

„Hey, ich kann euch hören!“ lautes Gelächter aus dem Treppenhaus, auch wenn es etwas gekünstelt klang.
 

Der Bericht kam am Nachmittag.

„Lucas! Mum! Dad! Alera! Das müsst ihr euch ansehen!“

Damians Schrei lockte sogar Betty aus der Küche.

Über den Fernseher im Wohnzimmer flimmerte gerade eine Nahaufnahme von Tom Marshalls Leiche, bei deren Anblick sie beinahe wieder ihren Mageninhalt von sich gegeben hätte.

„…wurde heute Morgen von einem Hundebesitzer entdeckt. Wir haben zwar noch keine Bestätigung von der Polizei erhalten, aber ich denke die Todesursache war ein Schnitt in die Kehle. Der genaue Tathergang sowie das Motiv sind noch unklar.“

Unklar?

Jeder wusste, dass der Kerl Dreck am Stecken hatte!

Es wurden einfach nur die richtigen Leute bestochen!

Was war daran bitteschön unklar?

„Hauptkommissar Swan? Gibt es schon irgendwelche Hinweise auf ein Motiv oder den Täter?“

Der Hauptkommissar war ein kleiner, dicker Mann mit fettiger Haut und Senfflecken auf seiner Uniform.

Er war mit einem Wort zu beschreiben: eklig!

Wenn die Schwäne im Park wüssten, was für einen Namensvetter sie hatten würden sie vermutlich aus Scham die Köpfe in den Sand stecken.

„Nein, bis jetzt konnten wir keinerlei Hinweise finden. Weder auf eine Person noch auf ein Motiv.“

„Was ist mit den Gerüchten, Tom Marshall sei in kriminelle Machenschaften verwickelt?“

„Für diese Behauptungen gibt es keinerlei Beweise, daher halte ich sie zu Recht für Unfug!“

Hätte sie in diesem Moment etwas in der Hand gehalten, sie hätte es fallenlassen.

Keinerlei Beweise?

Sie hatte gestern einen Umschlag mit genügend Beweisen um ihn in zehn Ländern lebenslänglich einzusperren unter seiner Tür durchgeschoben und der Kerl hatte keinerlei Beweise?

Waren ein Zettel mit der Aufschrift „darum musste er sterben!“ und Fotos auf denen er ein Mädchen vergewaltigte und tötete nicht genug?

Ihre Nägel gruben sich in den Lederbezug des Sessels.

Toll!

Die Polizei, dein Freund und Helfer.

Zumindest wenn man genug zahlte.

Da hätte sie ihn gleich beim ersten Mal umbringen können!

Dann würden das letzte Opfer von Tomas Marshall, alias „bloody Lolita“ wie die Presse ihn nannte, jetzt noch leben.

Warum hatte sie sich überhaupt die Mühe gemacht, Beweise zu sammeln?

Hätte sie sich eigentlich schenken können.

‚Weil es sonst keinen Unterschied zwischen dir und ihm geben würde! Ohne Beweise wäre es einfach nur Mord gewesen!‘

Dieser Gedanke war zwar wahr, aber leider wenig tröstlich.

„Hat dieser Mistkerl endlich bekommen was der verdient!“ Beatrices Stimme durchschnitt die Stille, in der man eine Stecknadel hätte fallen hören können.

„Es gibt also doch einen Gott!“

Alle Blicke wanderten zu Lucas, der mit totenbleichem Gesicht auf den Plasmabildschirm starrte.

„Wer auch immer das war, ich bin ihm zu ewigem Dank verpflichtet. Nun kann meine Tochter in Frieden ruhen!“

Sie biss sich auf die Lippe und schloss die Augen, in der Hoffnung, die Tränen am fliesen zu hindern.

Lucas.

Der Grund für ihre Taten.

Lucia Edvans war vor etwa drei Monaten nicht mehr nach Hause gekommen.

Zwei Tage später hatte man sie vergewaltigt mit aufgeschnittenen Pulsadern in einer Seitenstraße gefunden.

Mehrere Zeugen hatten ausgesagt, sie hätten Lucia zusammen mit Tom Marshall gesehen, aber in diese Richtung war nicht weiter ermittelt worden, besonders nachdem die Männer zwei Tage später urplötzlich unter Gedächtnisschwund litten und, ihren blauen Flecken nach zu schließen, am Tag vorher offenbar Bekanntschaft mit Türen, Hauswänden oder Laternenpfählen gemacht hatten.

Da hatte sie beschlossen, die Gerechtigkeit in die eigenen Hände zu nehmen.

Oder eben ein Messer, da es mit der Gerechtigkeit offenbar nicht weit reichte.

Lucia, mit ihren dunkelbraunen Haaren und den großen braunen Augen.

Lucia, die nie jemanden etwas getan hatte.

Lucia, die es nicht verdient hatte etwas so grauenhaftes zu erleben.

Und grauenhaft musste es gewesen sein, denn ihr noch kindliches Gesicht war zu einer Maske des Grauens, der Angst und des Schmerzes erstarrt gewesen, während ihre leeren Augen ausdruckslos in den Himmel starrten.

Genau wie die übrigen der insgesamt zwölf Mädchen, die auf diese Weise umgebracht worden waren.

Sie schüttelte die schrecklichen Bilder ab, öffnete ihre Augen wieder und richtete den Blick auf Lucas.

„Es ist vorbei!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kiiy
2014-12-16T09:39:45+00:00 16.12.2014 10:39
Im Kursiven spricht meiner Vermutung nach also das Mädchen, welches Marshall ermordet hat. Interessant.
Ihre Mutter war tot..Ach stimmt ja, im letzten Kapitel stand Adoptivfamilie. Und ihr Vater? Auch tot oder einfach weggegangen? Ich erfahr's wahrscheinlich gleich, was diese Fragen sinnlos erscheinen lässt.
Über Ed haben sich Alera und Damian unterhalten, oder? Bin mir bisschen unschlüssig, ob es nicht auch die Mutter sein könnte. Aber das wäre ja etwas..Komisch, nicht wahr?
War Lucia die leibliche Tochter von Alera's Adoptiveltern? Die Frage stellt sich mir jetzt auch.
Antwort von:  Zuckerschnute
16.12.2014 17:29
Hoppla, ich wolle niemanden verwirren!
Was mit Aleras Vater passiert ist erfährst du in Kapitel 6 und über Ed unterhalten sich Alera und Damian.
Lucia ist nicht die Tochter von Richard und Beatrice, sondern die von Lucas (dem Butler)


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