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Dying dreams

ArMor/Feelings (5)
von

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Reminiscence

Liebe ist es, die man nicht verneinen soll.

Sie kann euch ungeahnte Freuden bringen.

Aber wenn wir schwach sind, krank vor Eifersucht, oder wenn wir uns aus Angst verschließen, kann sie schweren Schaden in unseren Herzen und in unserer Seele anrichten.
 

Doch wer niemals geliebt hat oder, ärger noch, wer geliebt hat und dann die Liebe gehen ließ,
 

dieser Mensch hat nie gelebt.
 

Oscar Wilde
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

~Reminiscence~
 


 

He

is everywhere I go

everyone I see

winter's gone, I still can't sleep

Summer's on the way

at least that's what they say

but these clouds won't leave
 

Walk away

I'm barely breathing

as I'm lying on the floor

Take my heart

as you're leaving

I don't need it anymore
 

Now spring has brought the rain

but I still see your face

and I cannot escape the past

Creeping up inside

reminding me that I

can never bring you back
 

This is the memory

This is the curse of having

too much time to think about it

It's killing me

This is the last time

This is my forgiveness

This is endless
 

Someone

help me

'cause the memory

convinced itself to tear me apart

and it's gonna succeed before long
 

This is the memory

This is the curse of having

too much time to think about it

It's killing me

This is the last time

This is my forgiveness

This is endless
 

This is endless
 

He

is everywhere I go

everyone I see

but these clouds won't leave…
 


 

Träume.

Sie kommen und gehen. Sie finden dich, auch wenn du sie nicht finden magst. Sie suchen dich heim, dein Herz, deine Seele. Sie können wunderschön sein. Doch sie können dich auch zerstören. Und das ist es, was meine Träume nunmehr noch tun. Sie zerreißen mich und alles, was mein unbedarftes Selbst ausgemacht hatte, sie zerstören es mit einem Lachen aus der Ferne, mit einem Sonnenstrahl in deinem Haar, in deinen Augen, mit herzzerreißend schönen Worten, mit unwirklichen, unerreichbaren Dingen.

Erinnerungen.

Sie sind das was bleibt. Man neigt dazu, sie zu verfälschen, sie in anderem Licht zu sehen, wenn nur genügend Zeit vergangen ist. Doch wenn du in der Dunkelheit auf etwas wartest, das niemals mehr eintreten wird, dann sind sie es, die dich retten, die dich, auch wenn sie dich quälen mögen, bleiben als etwas Solides, Festes, als ein Bestandteil deines Lebens. Sie sind nicht flüchtig, nicht unwirklich wie Träume. Unsere Erinnerungen sind Schätze, Teile all dessen, was wir einst waren. Und ich verfälsche nicht, ich sehe sie so, wie sie sind, so perfekt, so einzigartig. Das allein reicht aus, um mich schmerzlich lächeln zu lassen, jedoch auch um meine Schuldgefühle ins Unermessliche zu steigern. Und meine Wut. Auf mich selbst. Auf dich…
 

Ich schaue zurück und weiß, dass ich nicht mehr die Frau bin, die ich einst war, nicht der Mensch, der einst in mir gesehen wurde, den ihr alle geschätzt, den ihr geliebt habt, und in diesem Wissen ist es mir auch klar, aus welchem Grund ihr euch alle von mir abgewandt habt – in Furcht, in Schmerz und in Verbitterung. Es ist ein endloser Kreis dem ich nicht mehr zu entrinnen vermag.

Bitte glaube nicht, dass mir dies nicht klar ist, dass ich dies nicht weiß. Meine Wut und mein Hass, alles, was mir noch geblieben ist, sind es, die die Menschen verständnislos auf mich blicken lasen, die sie weiter von mir forttreiben. Doch in meiner Unfähigkeit das zu ändern stehe ich allein da, verlange nicht nach Hilfe, obwohl ich sie bitter nötig hätte. Ich bin einsam. Ich bin verbittert und sehr wütend. Ich kann es nicht ertragen mir vorzustellen, dass ich nicht mehr Teil deines Lebens sein soll, während sie es doch ist. Kleingeistig, zornig, unendlich traurig… Denn wenn ich die Hand ausstrecken würde, so wie du es dir wünschst, wenn ich sie dir in Freundschaft reichen würde, dann würde mich das zerstören. Ich weiß es. Mit derselben Einsicht mit der ich auch weiß, dass mich meine jetzige Einsamkeit eines Tages zerstören wird. Doch ich sehe keinen Ausweg. Ich sehe keine Lösung. Ich sehe nur Dunkelheit und Schmerz. Dein Lachen hallt aus der Erinnerung zu mir herüber und tötet mich, tötet etwas in mir, von dem ich geglaubt hatte es längst aufgegeben zu haben. Doch wie könnte ich das? Wie könnte ich dich jemals vollends aufgeben, der du mein ganzes Sein beherrschst? Du warst und bist alles für mich. Dies ist auch der Grund, warum es so weh tut, diese Unmöglichkeit unserer Liebe, diese Unmöglichkeit des Königreiches, das wir beide hätten führen können. Ich verstehe, warum es so sein musste, warum es niemals anders hatte kommen können. Doch trotzdem wünschte ich mir, dass wir gemeinsam aufbegehrt hätten gegen ein Schicksal, das die Etikette und das royale Erbe uns auferlegten. Oh, wie oft wünschte ich mir dies. Und das Reich wäre dem Untergang geweiht gewesen…

Bitte verstehe, mein Liebster, dass ich all diese Dinge weiß, dass ich verstehe, warum du so und nicht anders hast entscheiden können. In dieser einen Hinsicht verstehe ich es – und kann doch nur an dieser Entscheidung zerbrechen. Denn wie könnte ich jemals ohne dich leben? Es tut so weh, so entsetzlich weh… Ich wollte dich halten und je fester ich zugriff, desto mehr hast du dich mir entzogen, desto mehr hat man mir entzogen, was ich mir am meisten auf der Welt wünschte.
 

Ich sehe dich… Oh ja, ich sehe dich, an jedem einzelnen Tag meines Lebens, in jeder Stunde, Minute und Sekunde. Ich brauche nur die Augen zu schließen. Und manches Mal auch nicht einmal das. Denn du bist ein Teil von mir. So wie ich ein Teil von dir bin. Vergib mir… Oh, vergib meinen Zorn, hinter dem ich mich vergrabe, hinter dem ich Schutz suche, der mich trügerisch stark sein lässt, denn sonst ist mir nichts geblieben.

Ich weiß, dass ich selbst schuld daran bin. Ich müsste stark sein und an das Land, das Volk denken, so wie du es stets getan hast. Doch ich bin wie ich bin. Ich fühle unendlich oder überhaupt nicht. Ich fühle alles, ich liebe vollkommen, ich liebe grenzenlos – oder überhaupt nicht. Meine Leidenschaft hat mich an den Rand des Wahnsinns und der Nacht getrieben. Stumm schaue ich den Wogen der Verzweiflung und des Hasses zu, wie sie über mir zusammenschlagen, wie ich allein in der Dunkelheit, im Sturm, zurückbleibe, deinen Namen auf meinen Lippen. Und jeder einzelne Tag bedeutet Qual und Schmerz, denn du bist nicht hier und ich kann nicht dort sein, wo du bist – es würde uns beide zerreißen. Oh gütige Mutter, warum, warum muss ich lieben? Warum nur? Wenn ich diese Liebe aus mir herausschneiden könnte, damit das Leid ein Ende hat, ich würde es tun. Ohne Liebe… wäre da auch kein Hass. Ohne Liebe… wäre da nur Gleichgültigkeit. Und ich glaube sowohl für mich als auch für dich wäre das um so Vieles besser als das, was uns nun zu Feinden gemacht hat.
 

Ich liebe dich unendlich, verlange so sehr nach dir, dass ich des Nachts schreiend erwache, verzweifelt nach dir rufe, dass meine Hände in der Dunkelheit nach dir greifen und doch nur Leere und Kälte erfassen. Mit Tränen auf den Wangen, keuchend und am Ende meiner Kräfte vermisse ich dich derart heftig, dass ich mich krümme vor Leid und einem Schmerz, der mir Atemzug und Atemzug das Leben verleidet, es vergiftet. Er verzerrt dieses wunderbare Bild, das ich von dir habe und in meinem zerstörten Herzen trage. Es lässt dunkle Wolken aufziehen über meinen Erinnerungen. Ich bin so wütend…, vor allem anderen auf mich selbst...
 

Oh, Arthur… mein Arthur… ICH bin es doch, auf die ich wütend bin. All mein Hass, all mein Zorn… all das entspringt dieser Verachtung gegenüber mir selbst und meiner Unfähigkeit stark zu sein. Ich BIN es, stark und auch mächtig, glaube mir, niemals werde ich besiegt sein, denn meine Magie ist unendlich. Doch was ist all diese Macht ohne meine Seele, ohne mein Herz, das du mit dir genommen hast? Ich hasse, oh ja, und wie sehr ich hasse. Doch entspringt dies einzig dieser Unfähigkeit, meine Liebe für dich in mir zu töten.

Ich konnte einst so stark sein. Doch, ich konnte es. Aber wo war diese Stärke nun? Jetzt, wo ich sie am dringendsten brauchte?
 

Arthur... Oh, Arthur… Während ich diese Zeilen schreibe weine ich, denn ich liebe dich und kann es nicht ändern. Ich hasse dich und kann auch das nicht ändern. Ich hasse uns beide, das, was wir nicht vermochten abzuwenden. Und ich blicke in Abscheu auf mich selbst, denn meine eigene Schuld wiegt um noch so vieles schwerer als die deine. Ich bin so erbärmlich, so klein, so menschlich … Dabei bin ich eine Königin, ich bin die letzte Hohepriesterin des alten Glaubens. Ich will nicht menschlich sein. Und doch ist alles in mir dabei zu sterben, wie es das nur bei Menschen der Fall ist. All diese Macht… für nichts, wenn du nicht bei mir bist. In all der Zeit hat sich das niemals geändert. Nur wenn du bei mir bist, mich anlächelst mit diesem Strahlen aus vergangenen Tagen, das allein mir vorbehalten war, nur dann ist alles gut. Wenn ich dich beschützen, für dich da sein kann. Wenn ich fühle, dass du auch für mich da sein kannst, da sein willst. Dann ist mein Herz geheilt und ich kann vergessen. Doch das wird niemals mehr geschehen.

Uther hat es unmöglich gemacht.

ICH habe es unmöglich gemacht.

Und du wirst nun den letzten Schritt tun, um diese Hoffnungslosigkeit endgültig zu besiegeln.
 

Ich bitte dich, in der dunkelsten Stunde, an meinem dunkelsten Tag, ich flehe dich an mir zu vergeben, vergib, dass ich fühle, dass ich liebe, dass ich hasse, weil es doch das einzige ist, was noch bei mir ist. Ich bitte dich, vergib mir, dass ich nicht teilen kann, dass ich dich einzig für mich allein will, wo du doch für alle, dein ganzes Volk, da sein musst. Vergib, dass ich den Mann begehre, der einst mein war, der mir geschworen hatte, immer mein zu sein und der sich nun einer anderen zuwendet. Vergib mir meine Eifersucht, kleinlich und schwach und menschlich, aber dennoch berechtigt, dennoch da und unüberwindlich. Vergib meine Verbitterung, die nur dazu führen wird, dass wir BEIDE leiden. Denn ich will und werde dich niemals teilen. Nicht mit dem Land, nicht mit der Krone, die genauso gut die meine hätte sein können, nicht mit dem Volk und auch nicht mit ihr. Schon gar nicht mit IHR...
 

Die Magie… Ja, ob ihrer Aburteilung verabscheue ich dich, Arthur. Doch das war nie ausschlaggebend für mich. Auch in der Schwäche, die Magie anzuerkennen, erkenne ich den Mann, den ich zu lieben gelernt hatte. Auch du bist nicht makellos. Auch du hast Fehler gemacht. So wie ich. Umso mehr liebe ich dich, umso mehr weiß ich, dass ich dich um Vergebung bitten kann. Du bist der einzige, der sie mir jemals gewähren könnte. Denn du weißt. Du weißt…

Wir sind uns so ähnlich, du und ich…
 

Hier stehe ich und beweine, was verloren ging. Hier stehe ich, verdamme mein Schicksal, unser Schicksal, blicke zurück in die Nebel der Zeit und der Schrei meiner Seele bricht sich Bahn, entringt sich meiner Kehle, meinen Lippen, und während ich zusammenbreche, die Schreibfeder aus meinen kalten Fingern gleitet, liebe ich ihn doch nur umso verzweifelter. Gott… Große Mutter… Irgendjemand! Habt Erbarmen… Bitte… Ich kann diese Gefühle, all diese Gefühle nicht mehr ertragen.
 

Ich zerreiße den Brief an ihn, werfe ihn fort, und ungelesen verbrennt er in den ersterbenden Flammen meines kleinen Herdfeuers…
 

Doch die Flamme verglimmt, brennt nieder und erlischt. Und meine Raserei, mein Kummer mit ihr.

Endgültigkeit.

Ruhe.

Einsamkeit.

Sie sind wieder um mich. In mir. Sie sind meine Begleiter. Sie verlassen mich nicht. Sie ersticken den Wahnsinn und lassen die Erinnerungen verblassen. Nur manchmal. Manches Mal kommen sie wieder. Manchmal, wenn ich wehrlos im Traum liege, im Schlaf. Sie kommen wieder, die Träume, sie suchen mich heim, und ich weiß es nur zu gut, sind sie doch ein immerwährender Teil von mir. Sie kommen zurück und treiben mich erneut an den Rand des Wahnsinns. Denn manchmal, ja manches Mal sind Träume und Erinnerungen eins. Und niemals findet man Trost in ihnen. Denn was ist Schein und was ist wirklich gewesen?

So wird es sein, bis ich dich erneut und wirklich in meinen Armen halte. Im Tod oder im Leben, bei der Großen Mutter schwöre ich, dass ich dich eines Tage wieder in meinen Armen halten werde. Und wenn ich es selbst herbeiführen muss. Und wenn ich uns beide würde töten müssen um das zu erreichen. Bei Gott, ich würde es tun.
 

Ja ich sehe es. Ich sehe dein Lachen, das Sonnenlicht, das dein Haar erstrahlen lässt. Schon damals hast du eine Krone getragen. Ohne es zu wissen. Ohne um deren Bürde zu ahnen. Die feinen Grübchen in deinen Wangen zeichnen zarte Spuren in dein junges Gesicht, als du lachst, eine Reihe strahlend weißer Zähne preisgibst. Deine Augen leuchten, dem tiefblauen Ozean der cornischen Küste gleich, auf dessen Wellen sich das Licht bricht. Ich versinke in ihnen, dem einzigen, was wirklich ist in dieser Dunkelheit und dem Schmerz. Ich versinke und verliere mich. Erinnere mich. Ja, dies sind Erinnerungen, keine Trugbilder, kein Träume, die ungewollt kommen und mich narren. Und trotz des Schmerzes, den sie in sich tragen, heiße ich sie willkommen. Denn so…, so und nicht anders…, so waren wir. Und einmal mehr kehre ich zurück an jenen Ort, der tief in mir vergraben ist, an dem wir noch vereint sind. An jenen Ort, wo sich nichts geändert hat, wo die Zeit stehengeblieben ist.
 

Wo alles begann…
 

~~~
 

Ich fühlte mich seltsam leicht. Unbeschwert. Zum ersten Mal seit langer Zeit.

Ich spürte, wie mir eine Last von den Schultern genommen wurde, als ich seine Hand in der meinen fühlte, so als wäre es niemals anders gewesen, als hätte es so kommen müssen. Die Trauer… all der Schmerz um den Verlust meines geliebten Vaters rückte ein wenig in die Ferne, fort von mir, als ich dem kleinen Jungen vor mir folgte. Er ließ mir keine Wahl. Ungestüm hatte er mich bei der Hand ergriffen und zog mich im Laufschritt hinter sich her, quer über den Burghof von Camelot, das ich seit einigen Tagen mein Heim nannte.
 

Sonnenlicht, das sich golden und warm in seinem Haar fing. Die leichten, federnden Schritte des Kindes, das er zu jenem Zeitpunkt noch war, und mein eigener, schneller Herzschlag, mein leises Keuchen, als ich versuchte mit ihm Schritt zu halten. Meine eigene kindliche Hand in der seinen. Hinaus aus dem Burgtor führte er mich zu den Ställen. Dort stürmte er, mich noch immer nicht loslassend, mit unvermindertem Ungestüm, in das große, alte Holzgebäude hinein, hinein in den Duft von frischem Heu und Sommergras, in die warme Geborgenheit von gutmütigen, prachtvollen Tieren, die nur darauf warteten in die Sonne hinausgelassen zu werden. Und Arthur öffnete das Gatter nach draußen, beobachtete, wie die Herde sich über die Weide ergoss, wie sie ebenso ungestüm wie er es getan hatte, loslief und übermütig die Freiheit genoss.

Schließlich führte er mich zu einer etwas abseits gelegenen Box.

Dort stand ein prachtvolles schwarzes Pferd, nicht mehr ein Jährling, doch auch noch nicht volljährig. Seine Flanken glänzten wie schwarze Seide. Seine Nüstern blähten sich, als wir näher kamen und es begrüßte den Jungen mit einem Schnauben, kam an den Rand der Box, um sich von ihm auf der Stirn kraulen zu lassen. Ich verharrte schweigend neben den beiden. Staunte und schaute.
 

Arthur sprach leise Worte zu dem Tier. Dann, endlich, drehte er erstmals, seit er mich aus meiner Kammer entführt und einfach mitgezogen hatte, den Kopf und sah mich an.

Und wie jedes Mal wenn er es tat, war es wie ein leichter Schlag in die Magengrube für mich. Wie ein kleiner Schock, der durch alle meine Sinne fuhr. Er strahlte mich an, so sehr Kind und doch so sehr der Thronerbe, der er nun einmal auch war, dass ich mich fragte, wie es ein so junger Mensch fertigbringen konnte, diese beiden so gegensätzlichen Dinge so perfekt in sich zu vereinen.

Ehrfurcht ergriff mich.

Das Licht, das durch Ritzen und Spalten goldene Speere in die diffuse Dunkelheit des Stallraumes schickte, zeichnete Muster in sein goldenes Haar, ließ es aufleuchten. Es spiegelte sich auch in seinen großen, blauen Augen wieder, die mich voller Vertrauen anblickten. Mit hochroten Wangen lächelte er mich an und ich konnte nicht anders als ihn anzustarren, den Atem anzuhalten, und zu lauschen, was er wohl als nächstes sagen würde.

Ich kannte mich so nicht. Niemals hatte es ein menschliches Wesen vermocht, sich so allumfassend und kompromisslos in mein Herz zu schleichen. Außer vielleicht mein Vater, Gorlois. Doch jeden Tag, den ich nun auf Camelot verbrachte, diesem Ort, an den ich eigentlich gar nicht hatte gehen wollen und schon gar nicht, um dort zu leben, jeden Tag war ich ein wenig lieber hier, mochte mich nirgendwo anders mehr hin sehnen. Denn hier… bei ihm… wollte ich sein. Mein Leben lang.
 

Arthur…

Oh, Arthur…
 

„Das ist er.“, strahlte mich der zehnjährige Arthur stolz an. „Dun. Ist er nicht wunderschön, Morgana? Mein Vater hat ihn mir zu meinem Geburtstag geschenkt. Bald ist er soweit, dass ich ihn reiten kann.“

Er wandte den Blick wieder seinem Tier zu und rieb seine Wange an dessen Fell. Dun schnaubte erneut leise und stieß ihn sanft mit dem Maul an.

„Ja, ich weiß. Ich hatte es dir versprochen.“, sagte Arthur nun gutmütig. Er griff in seine Hosentasche und förderte einen Apfel zu Tage. „Hier, mein Schöner.“

Dun nahm den Apfel beinahe behutsam von Arthurs flach ausgestreckter Hand auf. Dann verschwand das Obst krachend und malmend zwischen den großen Kiefern des Pferdes.

„Und? Was sagst du? Gefällt er dir? Wenn er alt genug ist, damit ich ihn reiten kann, darfst du ihn auch mal reiten, wenn du magst. Wann du willst.“

Er blickte mich wieder an.

Perfektion. Schon damals. In jeder Hinsicht.

Mein Herz setzte einen Schlag lang aus. Doch ich spürte, wie ich nicht anders konnte, als das Lächeln zu erwidern.
 

Tage lang hatte ich mich in meine neue Kammer zurückgezogen, wollte niemanden sehen, freute mich jedoch insgeheim auf die Mahlzeiten, die König Uther und sein Sohn immer mit mir gemeinsam einnahmen, konnte ich doch so den Prinzen wiedersehen. Doch ansonsten war ich bockig. Ich wollte auf keinen Fall tun, was Uther mir sagte. Er war nicht mein Vater. Und das ließ ich ihn spüren, wann immer sich die Gelegenheit bot.

Doch Arthur… Ich konnte Arthur schon damals nicht widerstehen, ihm niemals etwas abschlagen. Genauso wenig wie er mir, wie sich schon bald zeigen sollte.

Und so, weil er der Grund war, aus dem ich weiteratmete, jeden Tag, trotz meines Verlustes, weil er derjenige war, der mich wieder zum Leben erweckt hatte, erwiderte ich sein Lächeln.

„Ja, Arthur, dein Dun ist ein wunderschönes Pferd. Ich würde ihn sehr gern auch einmal reiten.“

Er grinste. So sehr, dass die Grübchen über seinen Mundwinkeln schmale, markante Schatten in sein Gesicht zeichneten und erahnen ließen, wie später das Gesicht des Mannes aussehen würde, zu dem er heranwuchs.

Und ich fühlte ein seltsames Ziehen in der Brust, das mir beinahe die Luft abschnürte. Einen merkwürdigen, vagen Schmerz, der wie ein Echo zu mir herüber glitt.

Ja… Ich fühlte mich leicht und unbeschwert. Doch unser Lächeln barg den Keim eines Schattens in sich. Und das spürte ich schon damals. Ich hatte Angst davor. Angst davor, dieses Lächeln irgendwann nicht mehr sehen zu können, es teilen zu müssen, obwohl es doch nur mir bestimmt war.

Doch ich verdrängte den Gedanken.

Was zählte war nur, dass ich hier war. Bei ihm. Dieses Lächeln sehen durfte.

Niemals wollte ich dieses Lächeln missen müssen…
 


 

Dann ein Zeitsprung.

Ich sah Arthur noch immer vor mir, doch er war nun ein junger Mann.

Hochgewachsen und noch etwas zu schlaksig, um wirklich männlich und erwachsen zu wirken, thronte er auf dem Rücken Duns und gab dem Tier die Sporen, jagte dicht über den Hals des Pferdes nach vorn gebeugt mit ihm über die lichtdurchfluteten Graslande Camelots, einen wilden Jubelschrei auf den Lippen.

Ich saß auf der weißen Schimmelstute, die ich mir selbst ausgesucht hatte, als Uther auch mir ein Reittier schenken wollte. Sie war nun schon seit mehreren Jahren in meinem Besitz und kannte mich gut genug, sodass es gar nicht nötig war, sie anzuspornen, als wir Arthur und Dun hinterherjagten. Sie flog über die Weiden, die Downs hinauf und wieder hinunter, bis hinein in das wilde Dickicht eines kleinen Wäldchens. Ich achtete nicht darauf, dass ich mir Kratzer auf der Haut und Risse in der Kleidung zufügte, als uns kleine Äste und Zweige aufzuhalten versuchten.

Mein Haar flog lang und dunkel hinter mir her und ich spürte die starken Muskeln der Stute unter mir arbeiten, als sie weiter voranstürmte.

Arthur war vor mir bereits wieder aus dem Wald heraus und lenkte Dun hinunter zum Fluss Cam, der ein weites, üppiges Grasland und Marschen durchschnitt. Wie ein glitzerndes Band spiegelte der Cam das Sonnenlicht und schien mir zuzublinzeln, als ich Faye, meine Stute, den Hügel hinab zu Arthur traben ließ.
 

Arthur hatte am Flussufer Halt gemacht. Er atmete beinahe ebenso rasch wie Dun, dessen Flanken vor Anstrengung bebten.

Er warf mir einen Blick über die Schulter zu und grinste.

„Ha! Und wer ist nun der Erste?“

Ich schmunzelte leicht, als ich meine Stute neben Dun lenkte.

„Ist ja gut, schon gut.“, meinte ich leichthin. „Dieses Mal hast eben du gewonnen, Arthur. Doch wie oft habe ich es nochmal getan?“ Ich überlegte und legte mir scheinbar grübelnd den Finger ans Kinn.

Arthur schnaubte.

„Du hast die anderen Male nur gewonnen, weil wir nicht ausgeruht genug gewesen sind, Dun und ich. Vater nimmt uns in letzter Zeit sehr oft auf Feldzüge oder Staatsbesuche in anderen Grafschaften mit. Ich komme zu gar nichts mehr.“, maulte der junge Mann. Er ließ die Zügel fallen und reckte sich gen Himmel, streckte seine müden Glieder.

„Was hältst du davon, wenn wir hier eine Weile rasten, das Wetter ist großartig.“

Er blickte mich nicht an, als er das fragte, und es klang beiläufig, wie immer. Doch seit er mir vor einigen Wochen meinen ersten Kuss gestohlen hatte, an jenem Tag, als er mit seinem Freund Caius einmal mehr den Schwertkampf trainiert hatte, war da eine leichte Spannung zwischen uns zu spüren, ungleich deutlicher noch als je zuvor, war sie doch schon immer ein Teil von mir gewesen, so wie mir schien.

Wir beide, junge Heranwachsende, die wir nun einmal waren, wussten so überhaupt nicht, wie man mit solch einer Situation umging. Und plötzlich ging mir auch auf, dass wir zum ersten Mal seit diesem Vorfall allein miteinander waren. Sonst war Cai eigentlich immer mit von der Partie, wenn wir ausritten.

Mein Herz schlug schneller. Aus irgendeinem Grund war ich mit einem Mal aufgeregt. Faye spürte meine Erregung und wurde unruhig. Sie scharrte mit einem Huf im Uferschlamm des Flusses.

Ohne Arthur eine Antwort zu geben machte ich mich daran abzusteigen. Doch er war schneller.
 

Mit einem eleganten Schwung seines Beins war er von Duns breitem Rücken gesprungen und mit zwei, drei raschen Schritten an meiner Seite, streckte die Arme nach oben. Ganz eindeutig wollte er mir aus dem Sattel helfen. Und ich gab meinem ersten Impuls nach und lachte verächtlich.

„Arthur… Wie lange reiten wir nun schon? Ich kann sehr wohl selbst absteigen.“

Ich sah die Enttäuschung in seinem Blick aufflackern. Etwas wie ein leichter Schatten glitt über seine fein geschnittenen Gesichtszüge. Er ließ die Arme sinken.

„Ganz wie du meinst.“, sagte er. Und etwas wie Trotz schwang in seiner Stimme mit. Doch plötzlich griff er hinauf, ich war bereits dabei, abzusteigen, und half meinem Schwung mit einer kräftigen Bewegung seines Armes nach, zog mich von Faye herunter, sodass ich mich schneller und effizienter am Boden wiederfand, als ich es für möglich gehalten hätte. Das weiche, hohe Gras dämpfte meinen Aufprall. Natürlich hatte er dies gewusst. Sonst hätte er es nie gewagt so etwas mit mir zu machen. Arthur tat niemals etwas, das mich verletzte.

Ich starrte ihn böse von unten herauf an, während er feixend und mit verschränkten Armen auf mich herabblickte.

„Ich glaube, das mit dem Absteigen musst du doch noch ein wenig üben.“, sagte er schadenfroh. „Wie ladylike du doch bist, Morgana. Sieh dich an! Man kann dein Untergewand sehen.“

Er lachte.

Und dieses Lachen durchdrang mich wie ein Pfeil und ich spürte, wie ich über und über rot wurde. Hastig glättete ich meine Gewänder und blickte trotzig zur Seite, versuchte mich aufzusetzen.
 

Doch dann schwieg Arthur plötzlich.

Er kam zu mir und bot mir seine Hand.

Misstrauisch beäugte ich diese Hand. Er trug einen Ring am Daumen. Ich hatte noch niemals so intensiv darauf geachtet. Er war breit, nichts desto trotz jedoch schön gearbeitet, ein Meisterstück der Goldschmiedekunst. Wahrscheinlich ein Erbstück, vermutete ich. Und sehr kostbar. Doch noch kostbarer war für mich in diesem Moment der Blick, der mich aus Arthurs Augen traf. So gar nicht mehr schadenfroh oder amüsiert, sondern ernst und… ja… da war noch etwas… etwas anderes, das ich nicht genau benennen konnte, hatte ich diesen Ausdruck bei ihm noch nicht so häufig gesehen. Erst in den letzten Wochen. Seit wir…

Mein Herz flatterte, als ich meine Finger zaghaft in seine schob. Und er überraschte mich schon wieder, indem er mich mit einem Ruck wieder auf die Beine zog.

Ich taumelte leicht und fand mich an seiner Brust wieder, atmete unvermittelt seinen Duft ein. Er roch nach Sommergras, ganz leicht nach Schweiß und nach Pferd. Doch es störte mich nicht. Es zog mich sogar an.

Unbedarft wie ich zu der Zeit war verharrte ich in dieser Stellung eine ganze Weile, genoss die Nähe, die wir teilten. Ich dachte an das andere Mal zurück, als wir so eng, Arm in Arm, gewesen waren. Damals waren Arthur und ich noch Kinder gewesen. Er hatte sich im Hochmoor verirrt und ich war mitten in der Nacht zu seiner Rettung geeilt. Niemals würde ich diese Nacht vergessen, ebenso wenig wie er, wie mir schien.

Wir hatten einander festgehalten und er hatte in meinen Armen geweint.

Wie groß… wie unglaublich groß Arthur geworden war. Auch wenn er noch nicht ganz den Körperbau eines erwachsenen Mannes besaß, so hatte er doch bereits seine volle Größe erreicht, wie die meisten Jungen seines Alters, was ihm etwas Schlaksiges verlieh. Und ich staunte, wie straff seine schmalen Muskeln bereits jetzt unter meinen Händen waren, als sie auf seiner Brust zum Ruhen kamen. Ich staunte noch mehr über seinen dahin jagenden Herzschlag, der mich an meinen eigenen erinnerte, als wir uns nun so nah waren, wie seit damals nicht mehr.

Doch nicht nur rein körperlich hatten wir uns verändert.

Was damals eine Geste des Trostes und der Nähe gewesen war, war heute noch so viel mehr. In meiner Unwissenheit konnte ich es nicht beim Namen nennen, doch heute weiß ich sehr wohl, was uns beide in jenem Moment der Nähe bewegte: Verlangen.
 

Das Flüstern und Raunen des River Cam war mir noch ebenso deutlich im Ohr, wie das Singen der Sommervögel, das leise Schnauben unserer Pferde und das Lied des Windes, der durch das lange, üppige Gras fuhr, es wie Wellen peitschte.

Und während all diese Dinge um uns herum mir sagten, wie vollkommen, wie wunderbar diese Welt doch war, was ich niemals gedacht hätte, dass sie es nochmal werden könnte für mich nach Vaters Tod, während all diese Wunder um uns herum existierten, so gab es für mich doch nur ein einziges, das noch viel wunderbarer, viel wichtiger war als alle anderen.

Arthur.
 

Mein Arthur…
 

Seine damals schon starken Arme zogen mich noch näher an ihn heran. Etwas in mir flatterte wie ein kleiner Vogel, bereit freigelassen zu werden, und ich erkannte mit Erstaunen, dass es mein Herzschlag war, der sich nun beinahe überschlug.

„Morgana…“, sagte er leise, so, wie er es noch nie zuvor zu mir gesagt hatte, dunkel, warm und leicht vibrierend. Seine Finger glitten sanft durch mein langes Haar.

Als ich aufsah, endlich in diese blauen Augen blickte, die ich so sehr lieb gewonnen hatte, wie nichts anderes auf der Welt, da erwartete er mich bereits und senkte seinen Kopf meinem entgegen. Unsere Lippen fanden sich. Und was wir vor einigen Wochen geteilt und gekostet hatten, fand nun seine Vollendung darin, dass wir einander den Hunger spüren ließen, den wir seitdem verleugnet und unterdrückt hatten.

Ich fühlte mein Blut heiß und schnell durch meine Adern fließen. Meine schlanken Finger krallten sich in Arthurs Hemd und ich stellte mich leicht auf die Zehenspitzen, um ihm noch näher sein zu können, um ihm noch mehr entgegenzukommen bei diesem unendlich schönen, kostbaren Moment, den wir teilten. Erstaunt hörte ich mein eigenes, leises Stöhnen an seinen Lippen, als er mich nun tiefer zu küssen begann. Seine vollen, weichen Lippen legten sich wieder und wieder auf meine und teilten sie nun, seine Zunge bat und schmeichelte um Einlass. Und ich gewährte ihn ihr.

Und jetzt bekam ich meinen ersten richtigen Kuss.

Wir versanken ineinander, vergaßen alles um uns herum, die Zeit, die Tatsache, dass wir Stiefgeschwister waren, Uther, ja sogar wer wir selbst waren. Wir versanken ineinander und in unserem Begehren, einander einfach nur noch näher sein zu wollen als je zuvor, näher und noch viel näher. Ich schlang die Arme um seinen Hals, presste mich auf ganzer Länge an ihn, und musste hin und wieder absetzen um Luft zu holen. In jenen kurzen Momenten konnte ich nicht umhin, immer wieder seinen Namen zu flüstern, während unsere Lippen sacht übereinander strichen. Diesen Namen… der mir so unendlich viel bedeutete.
 

Doch dann hörten wir Hufschlag, dumpf auf dem weichen Grasboden hier am Fluss. Er kam näher. Unwillig lösten wir uns voneinander. Sein Blick verschmolz mit meinem, als er erneut und voller Inbrunst meinen Namen aussprach, ihn so aussprach, wie nur er es konnte. „Morgana…“

Ich schüttelte stumm den Kopf und legte einen Finger auf seine perfekt geschwungenen Lippen.

„Nein… Niemand darf es erfahren, das weißt du.“

Er nickte, ganz leicht, ein gequälter Ausdruck trat in seinen Blick. Ich zwang mich zu lächeln, obwohl mein Herz noch immer pochte wie verrückt, ich meinen Atem kaum unter Kontrolle hatte. Allein ein Blick auf seine Lippen ließ meine Beine bereits wieder seltsam schwach werden. Ich zwang mich dazu, mich von ihm zu lösen und wieder allein zu stehen.

Der Hufschlag war heran.

Und jetzt, noch immer mit ineinander verflochtenen Blicken dastehend, hörten wir auch eine Stimme. Cais Stimme.

„Arthur? Arthur! Gut, dass ich dich endlich gefunden habe. Du sollst umgehend zu deinem Vater kommen.“

Caius ließ seinen Braunen austraben und hielt schließlich vor uns an. Er blickte kurz ein wenig forschend auf unsere Hände hinab, die sich nur widerstrebend losließen.

„Ich komme.“, sagte Arthur nun und seine schöne Stimme klang seltsam flach. „Reite voraus, sag ihm Bescheid.“

Caius blickte seinen Freund lange an. Er sagte nichts, doch seine Augen sprachen Bände.

„Wie du meinst.“, antwortete er nur, neigte kurz den Kopf in meine Richtung und sagte: „Mylady Morgana.“ Dann wandte er sein Pferd herum und trabte wieder davon, in Richtung Schloss. Falls er etwas gesehen hatte: Er würde nichts sagen. Wenn ich eines über Caius wusste, diesen gutmütigen, rothaarigen Riesen, dann, dass seine Loyalität zu Arthur, ausschließlich zu Arthur, keine Grenzen kannte. Niemals würde er seinen Freund verraten.
 

Der Prinz machte sich bereits wieder daran Dun zu besteigen.

Als wir im Sattel saßen und aufbrechen wollten, drängte er seinen Hengst dicht an meine Seite und griff nach den Zügeln meines Tieres, um mich aufzuhalten. Der Blick, den er nun mit mir tauschte, war zu ernst, zu intensiv und zu erwachsen, um einem jungen Heranwachsenden zu gehören.

„Morgana… Wir… müssen das hier vergessen. Es war… wunderschön. Doch…“

„Ich weiß.“, flüsterte ich leise und schmerzvoll. „Uther würde es niemals erlauben.“

Wir blickten einander gequält an.

Aber nur für einige Sekunden länger.

Denn was der Jugend zu Eigen und absolut von Vorteil war gegenüber einem Erwachsenen: Nichts konnte ihre Lebensfreude, ihren Enthusiasmus auf Dauer trüben. Die Jugend… war ein Meister der Verdrängung. Und wir zelebrierten dies die folgenden Monate und Jahre mit Bravour. Denn wir hatten keine Wahl.

Und so schenkte er mir wieder sein leicht schräges Lächeln, als er meine Zügel schließlich losließ.

„Wollen doch mal sehen, ob du mich zumindest auf dem Rückweg schlagen kannst, Mistress Morgana.“

Und er schnalzte mit der Zunge. Dun machte einen Satz vorwärts und war binnen Sekunden schon etliche Meter davon geprescht, als ich noch damit beschäftigt war Faye die Zügel zu geben.

Und ich flog auf dem Rücken meiner Stute erneut hinter ihm her, permanent in Gedanken, permanent darüber nachdenkend, was passiert wäre, wenn Caius nicht aufgetaucht wäre…
 


 

Wieder ein Zeitsprung. Wieder einige Jahre später.

Dieses Mal eine sehr intensive, sehr deutlich Erinnerung. Und dieses Mal… war sie mit sehr viel mehr Schmerz und Leid verbunden, als alle anderen davor, auch wenn das, was wir teilten, das schönste war, was ich jemals empfunden oder erlebt hatte.
 

Sein warmer, starker, männlicher Leib an meinem, zwischen meinen Schenkeln, die ich weit für ihn geöffnet hatte.

Seine rhythmischen, kreisenden, drängenden Bewegungen in mir, dieses Brennen und heiße Verlangen, die Feuchte und Süße des Verbotenen. Meine Fingernägel, die Linien auf seinen breiten Rücken zeichneten. Sein unterdrücktes Stöhnen an meinem Ohr, seine Stimme, rau und tief, wieder und wieder meinen Namen flüsternd. Seine salzigen Tränen auf meiner Haut.

Der Geschmack seiner Lippen, seines Leids und seiner Leidenschaft für mich.

Sein warmer Atem, der mit meinem eins wurde.

Die Muskeln in seinen Armen spannten sich, als er sich rechts und links von mir abstützte um mich nicht zu belasten.

Ich sah sein wunderschönes Gesicht über mich geneigt, sah wie es sich langsam auf und ab bewegte, jedes Mal, wenn er sich tief in mich hineinschob und wieder hinaus glitt. Ich beobachtete jede Linie darin, liebkoste sie mit Blicken, zeichnete sie in Gedanken nach. Er war so unglaublich schön. Die Augen mit den erstaunlich langen Wimpern hatte er geschlossen, die Stirn leicht gerunzelt, so sehr konzentrierte er sich auf seine Leidenschaft für mich. Und ich folgte dem Schwung der geraden Nase hinab bis zu seinen vollen, leicht geöffneten Lippen, über welche mein Name glitt wie ein Gebet. Perfektion. So sehr, dass sich alles in mir zusammenzog vor Sehnsucht, obwohl wir uns doch so nah waren. Umrahmt wurde alles von klaren, scharf geschnittenen Gesichtszügen. Seine Kinnlinie, wie von einem Messer geformt, die Wangenknochen hoch und fein ausgeprägt. Wann war das Kind, das an meiner Hand gelaufen war, zu diesem Mann geworden, der nun hier bei mir war, mich so schwach werden ließ in seiner starken Umarmung? Wann war dies geschehen? Ich wusste es nicht. Ich hatte den Moment verpasst, als der kleine Junge von damals ein Mann geworden war, und das bedauerte ich unendlich. Und ja, ein Mann, das war er wahrhaftig. Ich spürte und fühlte es, und ja, ich genoss es mit jeder Faser in mir, die die Frau ausmachte, zu der auch ich herangewachsen war. Ich wollte so sehr die Frau dieses faszinierenden jungen Mannes sein, zu dem mein Arthur geworden war.
 

Stoß um Stoß verbanden wir uns, wurden wir zu einer einzigen Existenz. Ich hatte vergessen wo er begann und wo ich aufhörte. Ich hatte vergessen, was Zeit war, vergessen, was ich eigentlich hier gewollt hatte, hier bei ihm im Zimmer. Der Trost, den ich ihm zu geben gesucht hatte, war zu etwas anderem geworden, etwas, das wir beide brauchten und das so viel intensiver war. Nähe. Die absolute Nähe. Sodass nicht ein Raum, und sei er noch so winzig, noch zwischen uns frei war.

Ich bewegte mich mit ihm, öffnete ihm nicht nur meinen Körper, sondern auch meine Seele, mein ganzes Sein. Für diesen Moment hatte ich gelebt. Für diesen Moment würde ich auf jedes weitere Glück in meinem Leben verzichten, wenn dies der Preis sein sollte. Und wie bitter war dieser Gedanke, umso mehr, da ich heute weiß, wie unendlich schmerzhaft solch ein Preis wirklich ist.
 

Ich biss mir auf die Lippe, schmeckte warmes Blut. Es war eine süße Qual, der wir uns beide unterzogen, der wir uns hingaben. Und wir trieben diese Qual bis auf die Spitze, bewegten uns schließlich in harten, schnellen Stößen, umschlangen einander und versanken in völliger Ekstase, stöhnten, schwitzten und hielten uns aneinander fest, als gäbe es kein Morgen mehr.

Sein Name war es, den ich schrie, als ich den Höhepunkt verspürte, jenen Höhepunkt von dem ich bislang nur (heimlich) gelesen hatte. Doch er musste es sein. Denn es gab nichts Vergleichbares auf der Welt. Und mit niemandem sonst hätte ich es erleben wollen, außer mit ihm. Nur mit ihm.
 

Arthur…

Mein Arthur…
 

Ich blickte in seine blauen, von der Leidenschaft verschleierten Augen. Sie schauten mich voll Zuneigung und Wärme an. Und ich wusste, ich hatte es spüren können wie eine lautlose Explosion, auch er hatte in mir seine Vollendung, seinen Höhepunkt gefunden. Er küsste mich so tief, so liebevoll, dass ich mir wünschte, dieser Moment würde niemals vergehen.

Innerlich immer noch ganz die Kinder, die wir einst waren, wollten wir diesen Moment festhalten, uns aneinanderklammern und der Zeit Einhalt gebieten, sollte sie nur vergehen. Wir… wir würden eins bleiben. Über alle Zeit hinaus.
 

Ich liebe dich…
 

Someone

help me

'cause the memory

convinced itself to tear me apart

and it's gonna succeed before long…
 


 

~~~oOo~~~
 


 

Songtext: "The memory" by Mayday Parade



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