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Though Choices

♡ Tᴏᴜʏᴀ × ℕ ♡
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Das war meine allererste Fanfiktion und ich bedanke mich bei Celine, dass sie mir geholfen hat, es einigermaßen zu überarbeiten, damit ich es hochladen kann :) Komplett anzeigen

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Kapitel 01

„Sag mal, hast du ein Problem mit mir?“
 

Ich bekam fast einen Herzinfarkt, als ich seine Stimme hörte.
 

Eigentlich war ich nur schnell durch das Wohnzimmer gehuscht, da ich auf dem Weg zur Haustür war. Mein freier Tag war nämlich vor ein paar Sekunden von einer Nachricht auf meinem Viso-Caster ruiniert worden, in der verlangt worden war, dass ich sofort zur Pokemon-Liga zurückkehren sollte.
 

Aber es läuft eben im Leben nicht immer alles so, wie man es gerne hätte.
 

Ich hatte N völlig übersehen. Er saß auf der Couch im Wohnzimmer und schien ein Buch zu lesen, vielleicht starrte er auch nur vor sich hin. Dass N sich immer auf eine überraschende Art und Weise bemerkbar machte, war eine seiner negativen Eigenschaften, an die ich mich nie gewöhnen würde.
 

„Wie bitte?“, fragte ich viel zu laut, obwohl ich eigentlich genau verstanden hatte, was er gesagt hatte. „Wie kommst du denn auf so etwas Absurdes, N?“
 

Die letzten Wochen waren einfach unglücklich verlaufen.
 

Ich hatte viel zu tun, da ich meinen Titel als Champion zurückerlangt hatte und N war ebenfalls beschäftigt, da er nun versuchte sich ein wenig besser in die Gesellschaft einzufügen. Dadurch, dass wir beide unsere Aufgaben hatten, war in der letzten Zeit eine mehr oder weniger große Distanz zwischen uns entstanden.
 

„Ich werde den Verdacht nicht los, dass du dein Interesse an meiner Gesellschaft verloren hast. Stattdessen meidest du mich, als hättest du eine Phobie“, antwortete N und sah weiterhin auf das Buch in seiner Hand. Ich konnte nicht genau deuten, ob er währenddessen darin las oder ob er einfach nur auf die Seite vor ihm starrte, ohne die Worte darauf wahrzunehmen. Er sah weder besorgt noch sauer auf mich aus, eher gleichgültig. Es war wie immer schwierig, seine Gefühlslage zu erahnen. „Es ist nur selbstverständlich, dass ich da annehme, dass du neuerdings eine Abneigung gegen mich hegst.“
 

„Du übertreibst...“, versuchte ich ihn aufzumuntern. „Natürlich ist es im Moment eine stressige Zeit für uns beide. Aber nur, weil wir nicht mehr so viel miteinander zu tun haben, hasse ich dich doch nicht.“ Ob ihn das überzeugen würde? „Außerdem“, ich suchte nach mehr Gründen, „sehen wir uns doch jeden Tag, deshalb... uhm...“ Mir fiel nicht ein, was ich sonst noch sagen könnte. Wahrscheinlich fielen mir die Worte, weil ich seine Reaktion einfach nicht nachvollziehen konnte. Wie kam er nur auf die Idee, ich würde etwas gegen ihn haben?
 

Er starrte weiter auf das Buch vor ihm. „In Ordnung. Dann werde ich von jetzt an keine weiteren Gedanken daran verschwenden, nach einer Lösung für dieses Problem zu suchen.“ „Genau, mach dir bitte keine Gedanken mehr darüber“, bestätigte ich und griff nach meiner Jacke. „Ich bin bis heute Abend weg. Ich habe eine Herausforderung bekommen und muss deshalb zur Pokemon-Liga.“ Er nickte. „Ist das... in Ordnung für dich?“, fragte ich vorsichtig, um mich zu vergewissern, dass er wirklich nicht wütend war. N hatte zwar mit der Zeit akzeptiert, dass Pokemon-Kämpfe notwendig waren, aber mit der Existenz einer Pokemon-Liga konnte er sich noch immer nur schwer abfinden. Und dann war auch noch ausgerechnet ich der Champion von Einall.
 

„Einverstanden. Bis dann“, er sprach es so schnell aus, dass ich es kaum verstehen konnte, aber ich nahm an, das war es, was er geantwortet hat. „Oh... Okay, bis heute Abend.“
 

N war eben einer von vielen Freunden, die mir wirklich wichtig waren. Weil ich andererseits der Einzige war, für den N sich zu interessieren schien, hatte ich ihm vor ungefähr zwei Monaten einen Vorschlag gemacht: Um ihn ein wenig in die Gesellschaft einzugliedern, sollte er vorerst mit mir in eine Wohnung ziehen. Zumindest war das besser, als weiterhin im Schloss von Team Plasma zu leben, das hatte auch er verstanden. Aus diesem Grund hatte er eingewilligt, bei mir zu bleiben.
 

Als ich gerade die Wohnung verlassen wollte, hörte ich, wie er sein Buch zuklappte, aufstand und ohne Worte den Raum verließ. In Momenten wie diesen wünschte ich mir, ich könnte sehen, was in seinem Kopf vor sich ging. Er tat oft Dinge, die ich einfach nicht verstehen konnte und die er mir nicht erklären wollte. Aber ich wollte gerne mehr über ihn wissen und konnte nur hoffen, dass er mit der Zeit diese Eigenart ablegen würde.
 

Aber ich hatte keine Zeit mehr, weiterhin darüber nachzudenken. Ich musste mich beeilen, da ich ohnehin schon spät dran war. Die Liga war so weit entfernt und um überhaupt dorthin zu gelangen, nutzte ich immer ein Flug-Pokemon. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, wie alle anderen Mitglieder auch dort zu wohnen. Aber der Grund, der mich davon abhielt, war N.
 

Hätte ich nur früher gewusst, dass der Tag eine Verschwendung werden würde. Dann wäre ich einfach bei ihm zu Hause geblieben.
 

Der heutige Herausforderer war kein Problem für mich. Er besiegte mit großer Mühe die Top Vier und als er bei mir angekommen war, hatte er nur noch die Hälfte seines Teams zur Verfügung und keine Items mehr, mit denen er sie hätte heilen können. Ich hatte fast ein schlechtes Gewissen, dass ich N wegen eines solch schwachen Trainers schon wieder alleine zu Hause gelassen hatte. Ich musste mich nicht wundern, wenn N bald wieder Zweifel an mir bekommen würde. Aber andererseits hätte das ja auch keiner von uns ahnen können. Und wie Anissa zu sagen pflegte: Als Champion sollte ich jederzeit bereit sein. Egal, wer der Herausforderer war... oder eben wie schwach er war.
 

Doch nun stand ich da, ohne auch nur einen ernsthaften Kampf absolviert zu haben. Kattlea saß in einer Ecke und schien zu schlafen, die anderen Drei waren bereits verschwunden. Ich hatte nichts mehr, was ich hier hätte tun können. Deshalb beschloss ich, dass es nicht schaden konnte, wenn ich einfach wieder nach Hause gehen würde. Irgendwie traurig.
 

„Es war eine Fehlentscheidung, heute überhaupt aufzustehen“, gähnte Kattlea. Sie hatte mich schon eine Weile beobachtet, aber nichts gesagt. „Aber der Tag, an dem ein neuer Trainer Zutritt zur Ruhmeshalle erhalten wird, wird schon noch früh genug kommen“, sie rieb sich die Augen und verließ das Zimmer. Sie hatte nicht ganz unrecht. Vielleicht würde meine Zeit als Champion auch ganz von alleine durch einen neuen Herausforderer beendet werden.
 

Ich nutzte ein Flug-Pokemon aus einer meiner PC-Boxen, um so schnell wie möglich zurück nach Hause zu fliegen, da es bereits dunkel geworden war. Die Zeit war wohl doch schneller vergangen, als es ich geahnt hatte.
 

Ich nahm mir vor, von nun an wieder mehr Zeit mit N zu verbringen. Und vielleicht würde ich auch endlich lernen ihn zu verstehen, wenn ich erst mal öfter bei ihm wäre. N schien mir im Moment einfach wichtiger als meine Rolle als Champion. Nicht umsonst hatte ich meinen Titel schon einmal für ihn aufgegeben. Doch wie das Schicksal es wollte, hatte Lilia ihr Gewissen nur beruhigen können, indem sie mir den Titel zurückgegeben hatte, als ich nach Einall zurückgekehrt war.
 

Damit war all der Druck zurück, der schon einmal auf mir gelastet hatte, als ich die Rolle des Helden übernommen hatte. Ich wollte niemanden enttäuschen. Meine Mutter, meine Freunde... Einfach alle waren so stolz auf mich. Nur aus diesem Grund hatte ich den Titel wieder angenommen. Auch wenn es mir leid tat, dass ich so weniger mit N zusammen sein konnte. Dabei war es eigentlich das, was ich wirklich wollte.
 

Ich hatte oft genug gesehen, dass N nicht besonders taktvoll mit anderen Menschen umging und, sobald man nicht seiner Meinung war, aggressiv und manchmal sogar verletzend wurde. Selbst ich hatte schon oft genug wegen seiner Worte meine Tränen zurückhalten müssen. Doch ich hatte auch gesehen, wie liebevoll er mit seinen Pokemon umging und dass er ein wirklich netter Mensch war, dem ich vertraute und dem ich helfen wollte, sich besser einzufügen.
 

Wie sollte ich nur mit zwei so bedeutsamen Aufgaben auf einmal fertig werden?
 

Als ich zu Hause ankam, war N nirgends zu sehen. Vermutlich war er bereits schlafen gegangen und ich hatte schon wieder eine Chance verpasst, ihm zu zeigen, dass mir wirklich etwas an ihm lag. Aber ich konnte jetzt nichts an der Situation ändern.
 

Ich ließ meine Pokemon, zumindest die kleinen Exemplare, im Wohnzimmer frei. N hatte seine Meinung über das Gefangennehmen von Pokemon zwar geändert und tolerierte, dass ich zum Beispiel meinen Drachen nicht immer frei herumlaufen lassen konnte, doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich sie für ihn so oft wie möglich aus ihren Bällen befreien sollte. Ich machte mir noch einen kleinen Snack in der Küche und beschloss dann, ebenfalls schlafen zu gehen. Ohne N war es irgendwie langweilig.
 

Nachdem ich den Pokemon eine gute Nacht gewünscht hatte, ließ ich sie im Wohnzimmer zum Schlafen zurück und ging in mein eigenes Zimmer. Ich war bereits ziemlich müde, auch wenn ich keinen sonderlich harten Kampf hinter mir hatte und die meiste Zeit über nur gewartet hatte.
 

„Was zum -“
 

Ich war mehr als überrascht, als ich sah, dass N es sich in meinem Bett bequem gemacht hatte. Das war ein wirklich außergewöhnlicher Anblick. Er war eben doch immer wieder für Überraschungen gut. „Was machst du hier?“, fragte ich verwirrt und stellte mich vor das Bett, doch N schien bereits geschlafen zu haben und öffnete schläfrig seine Augen. Es dauerte ein wenig, bis er überhaupt einen Laut von sich gab.
 

„Mhh...“, murmelte er verschlafen und drehte sich einfach um. „Du musst mir schon auf meine Frage antworten. Sonst habe ich keine Ahnung, was hier los ist“, verlangte ich, da ich nicht wusste, was ich davon halten sollte. N hatte sich vorher noch nicht einmal in mein Zimmer gewagt. Er interessierte sich einfach nicht dafür und war in dieser Hinsicht eher abweisend. Wahrscheinlich, weil mein Zimmer nicht voll mit Spielsachen war und er es langweilig fand. Oder vielleicht auch einfach, weil er keinen Sinn darin sah, sich die Zimmer anderer Leute anzusehen.
 

„Ahhh...!“
 

N hatte endlich realisiert, dass ich genau vor ihm stand. Plötzlich war er hellwach, schlug die Bettdecke zur Seite und sprang aus dem Bett. Er war zuerst etwas wackelig auf den Beinen. „Ich hätte das nicht tun sollen. Ich dachte, ich würde aufwachen, bevor du zurück bist“, entschuldigte er sich, als hätte er etwas Schlimmes gemacht. N starrte zu Boden und verschränkte seine Arme, als ob er seinen Körper schützen wollte. Er musste sich anstrengen, seine Augen offen zu halten.
 

Ich hatte ihn noch nie zuvor in seinem Schlafanzug gesehen. Sonst war immer Ns kompletter Körper durch seine Kleidung verdeckt, doch nun trug er ein Shirt und eine kurze Hose, sodass ich zum ersten Mal sah, wie dünn er eigentlich war. Er sah unglaublich zerbrechlich aus. „Es ist doch in Ordnung“, versicherte ich ihm. „Ich wollte nur wissen, wieso du hier bist. Das ist so untypisch für dich, nichts weiter.“
 

N sah einmal kurz hoch und als er bemerkte, dass ich nicht wütend aussah, atmete er auf. Er schien erleichtert zu sein.
 

„Wie immer habe ich mir einfach wieder zu viele Gedanken gemacht. Ich habe mir die ganze Zeit über den Kopf zerbrochen. Auch wenn es besser für mich selbst gewesen wäre, ich hätte das nicht getan“, begann er und sah wieder zu Boden. Seine Stimme wurde zittrig: „Dann hatte ich plötzlich einen Albtraum und... Entschuldige, ich möchte das nicht weiter ausführen.“ Ich lächelte. „Du musst dich doch dafür nicht schämen“, versicherte ich ihm. „Willst du nicht einfach heute Nacht hier schlafen? Wo du doch eh schon hier bist.“ Sofort begann er zu nicken, als hätte er nur darauf gewartet, dass ich diese Frage stellte.
 

Das war eine der Seiten an ihm, die anscheinend außer mir kaum jemand kannte. Obwohl er immer so zielstrebig und selbstbewusst schien, hatte er auch noch diese kindlichen Eigenschaften. Irgendwie musste ich mir eingestehen, dass ich es ziemlich niedlich fand und ich konnte eigentlich nur hoffen, dass N sich öfter von dieser Seite zeigen würde. Dann würde er vielleicht auch mehr menschliche Freunde finden.
 

„Leg dich schon mal ins Bett. Ich gehe ins Bad und komme dann nach.“ Mit diesen Worten verschwand ich aus dem Zimmer und versuchte mich so schnell wie möglich fertig fürs Bett zu machen. Auch wenn es bloß N war, freute ich mich irgendwie, dass ich mit ihm zusammen in einem Bett schlafen würde. Ich war lange allein herumgereist und hatte deshalb auch nicht mehr so engen Kontakt zu einer anderen Person gehabt. Ich konnte nicht anders, als mich zu freuen. Vielleicht sogar gerade, weil es N war. Obwohl mir der Gedanke nicht so gefiel...
 

Es war irgendwie ungewohnt, so etwas zu denken.
 

Als ich zurück in mein Zimmer ging, hatte N sich bereits ins Bett gekuschelt und schien auf mich gewartet zu haben. „Ich dachte, du schläfst schon...“, merkte ich an und schaltete das Licht aus.
 

Das Licht, das von draußen durch das Fenster schien, war genug, sodass ich gerade bis zum Bett finden konnte. N rückte ein Stück näher zur Wandseite des Bettes und ich legte mich, so gut es ging, neben ihn. Auch wenn ich nicht viel sehen konnte und Angst hatte, mich auf seine langen Haare zu legen und ihm weh zu tun.
 

„Ist das okay so?“, wollte ich mich vergewissern, als ich mich neben ihn gelegt hatte. „Ja, du kannst so bleiben“, antwortete er und klang irgendwie anders als sonst. Seine Stimme war viel unsicherer und klang sanfter. Wahrscheinlich schämte er sich unheimlich dafür, in seinem Alter noch so große Angst vor Albträumen zu haben. Aber ich konnte es ihm wie immer nicht übel nehmen. Dass er sich mir gegenüber von dieser Seite zeigte, spiegelte sein Vertrauen wieder und ich wollte es nicht enttäuschen.
 

Erst, als ich so neben ihm lag, kam mir der Gedanke, dass es irgendwie komisch war so mit einem älteren Mann in einem Bett zu liegen. Vor allem weil N eben ein Mann war. Aber er war auch eben einfach N und deshalb kam es mir vor, als wenn es bei ihm in Ordnung wäre. Irgendwie fühlte es sich bei ihm nicht falsch an.
 

„Ich danke dir, dass ich hier schlafen darf, Touya.“
 

„Das ist doch selbstverständlich.“
 

Als ich einmal mitten in der Nacht aufwachte, war ich ein wenig verwirrt. Denn es passierte etwas, womit ich nicht gerechnet hatte.
 

N hatte sich unerwarteterweise an mich gekuschelt und ich wusste nicht, was ich darüber denken sollte, dass er mir so nah war. Er selbst schlief und womöglich war es nur ein Reflex von ihm gewesen. Doch aus irgendeinem Grund verwirrte mich die Situation unheimlich. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn wegschubsen sollte. Ich wollte ihn auch nicht aufwecken, das erschien mir unfair.
 

Ich weiß nicht, was mich dazu brachte, dass ich einfach meine Arme um ihn legte. Wahrscheinlich weil N irgendwie niedlich aussah, als er schlief. Aber ich war so müde, dass ich mir gar keine Gedanken darum machen konnte, dass es merkwürdig war, einen älteren Mann zu umarmen, weil er Angst vor seinen Albträumen hatte.
 

Als N plötzlich seinen Kopf an meinen Oberkörper legte und die Umarmung erwiderte, war ich beruhigt genug um einfach einzuschlafen.
 

Leider wachte N am nächsten Morgen vor mir auf und kam mit der Situation schlechter zurecht als ich erwartet hatte. Seine panische Stimme war es, was mich aufweckte. „Was... Was ist hier passiert? Touya...!“, hörte ich N stammeln. In so einer hohen Tonlage hatte ich seine Stimme noch nie zuvor gehört.
 

Ich brauchte eine Weile, um zu realisieren, was mit ihm los war. Dann bemerkte ich, dass ich N immer noch im Arm hielt und er anscheinend peinlich berührt war. Ich ließ ihn los und drehte mich auf die andere Seite. Ich musste erst einmal richtig wach werden.
 

Als ich meinen Kopf zu ihm drehte, weil N plötzlich so ruhig war, sah ich, dass er einfach an die Zimmerdecke starrte. Sein Körper war wie versteinert, sein Blick geschockt und seine Wangen waren rot. „Oh je...“, murmelte ich, denn ich wusste genau, was es zu bedeuten hatte.
 

N schien, was menschliche Nähe anging, wirklich empfindlich zu sein. Nicht, dass es mir vorher schon aufgefallen wäre. Im Gegenteil: N war, sobald jemand nicht seiner Meinung war, immer sehr aufdringlich gewesen und hatte selbst mich, als wir uns noch nicht gut kannten, oft berührt. Ob es nun an der Schulter gewesen war oder ob er versucht hatte, mir einen Pokeball aus der Hand zu schlagen. Er war immer schnell handgreiflich geworden und viele Leute hielten ihn für aufdringlich.
 

Ich hatte nie gemerkt, dass er mit der umgekehrten Situation große Probleme hatte.
 

Oder lag es vielleicht an mir? Könnte es sein, dass es wirklich an mir lag, dass er so übertrieben reagierte? Plötzlich wurde mir klar, weshalb N zu mir ins Bett gekommen war. Jetzt wo ich daran zurückdachte, dass er besorgt war, weil wir uns nicht mehr so oft sahen, war mir klar, dass er weniger wegen eines Albtraums, sondern eher wegen meiner Nähe hierhergekommen war.
 

Und was sollte diese Entschuldigung von ihm? Von wegen 'Ich wollte aus deinem Bett verschwinden, bevor du nach Hause kommst'! Ich hatte das Gefühl, er wollte von mir erwischt werden, wie er bei mir im Bett lag. Und er wollte von Anfang an bei mir übernachten. Aber jetzt musste ich ihn erst einmal ein wenig beruhigen.
 

„Es war nur eine Umarmung, weil ich dich trösten wollte, mehr nicht. Mach bitte kein Drama daraus, okay?“, versuchte ich ihn aufzuheitern. Doch N starrte weiter vor sich hin. „Ich glaube, ich will jetzt aufstehen.“ „N, kann ich vorher kurz über etwas mit dir reden? Ich habe da so eine Vermutung. Willst du sie hören?“, fragte ich vorsichtig, da ich sonst nicht sicher war, wann sich die Gelegenheit wieder ergeben würde. Doch wie zu erwarten stellte sich N quer.
 

„Ich bin nicht einverstanden damit“, antwortete er knapp und starrte noch immer nach oben. „Ich will jetzt aufstehen. Geh zur Seite, damit ich aus dem Bett kann.“ Er selbst bewegte sich kein Stück und wartete drauf, dass ich den Anfang machte. Ich seufzte. Wenn ich diese peinliche Situation nicht sofort aus der Welt schaffen würde, dann würde ich mir den ganzen Tag noch den Kopf darüber zerbrechen.
 

Deshalb beschloss ich, ihn darauf anzusprechen, egal ob er wollte oder nicht.
 

„Kann es sein, dass du mich -“
 

„Aufhören!“, schrie N, um mich zu unterbrechen, und zog sich die Bettdecke über den Kopf, um sich zu verstecken. Seine Finger, die das obere Ende der Bettdecke umklammerten, zitterten heftig. Ich hatte wohl nicht ganz unrecht. Auch wenn ich noch nicht wusste, was ich darüber denken sollte. Immerhin war es für mich auch keine alltägliche Situation und Ns übertrieben sensibles Verhalten machte es nicht gerade besser. Ich entschloss mich also, erst einmal nichts mehr zu sagen.
 

Seine Reaktion war für mich eindeutig genug gewesen.
 

Dennoch war mir klar, dass sich diese Offenbarung nun nicht mehr rückgängig machen ließ und ich mich von nun an mit seinen Gefühlen für mich auseinandersetzen sollte.
 

„Ich weiß, dass es töricht von mir ist“, hörte ich seine leise Stimme unter der Bettdecke. Ich hätte gerne sein Gesicht gesehen. „Wir wohnen jetzt seit erst zwei Monate zusammen und davor haben wir uns fast zwei Jahre nicht gesehen. Trotzdem habe ich Gefühle für dich wie bei keinem anderen. Egal, wie sehr ich darüber nachdenke, ich finde einfach keine Erklärung dafür.“
 

„Naja, es gibt doch auch Liebe auf den ersten Blick“, merkte ich an, doch bereute im nächsten Augenblick, nicht meine Klappe gehalten zu haben. Eigentlich wollte ich ihn nicht in seiner Meinung bestärken. Ich schlug mir mit der Handfläche gegen die Stirn.

„Aber du bist der erste Mensch, der mir wirklich etwas bedeutet“, murmelte N und zog die Bettdecke ein wenig nach unten, sodass ich seine Augen sehen konnte. Er sah mich mit seinem typischen Blick, den ich nicht genau deuten konnte, an und warte auf eine Antwort. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Ich hatte mir nie zuvor auch nur Gedanken darüber gemacht, ob er irgendwelche romantischen Gefühle für mich hegen könnte. Das war alles so plötzlich. Wir waren doch Freunde, vielleicht sogar wie Brüder. Aber das...
 

„Touya, ich bin das erste Mal in meinem Leben wirklich verwirrt über meine eigenen Gefühle. Vielleicht könntest du dich ein wenig kooperativ zeigen und mit mir eine Unterhaltung darüber führen, anstatt nur dort zu liegen und zu schweigen.“
 

„Vielleicht interpretierst du zu viel hinein. Immerhin bin ich anscheinend die einzige menschliche Person, die dir überhaupt etwas bedeutet“, versuchte ich zu erklären und ihm seinen Gedanken ein wenig auszureden. Aber er schüttelte sofort den Kopf. „Ich mag meine Pokemon-Freunde auch, und zwar mehr als alles andere auf der Welt. Aber es fühlt sich anders an, wenn ich mit dir zusammen bin!“ Er wurde lauter, weil er merkte, dass ich ihn nicht ernst nahm. Sobald N in seine Situation geriet, in der er nicht die Oberhand hatte, wurde er jedes Mal laut und wollte seine Meinung unbedingt durchsetzen.
 

„Ist ja gut... Ich glaube dir ja. Ich wollte nur sagen, dass dir solche Gefühle für jemanden, der kein Pokemon ist, eben neu sind. Vielleicht bist du da einfach etwas... voreilig?“ Ich sah zu ihm und er schloss die Augen. „Womöglich“, N seufzte, „hast du ausnahmsweise nicht ganz unrecht.“
 

„Siehst du? Und jetzt beruhige dich erst einmal und wir reden später darüber“, ich stand auf und wollte den Raum verlassen. „Oder auch gar nicht“, fügte ich in Gedanken hinzu.
 

„Bitte... halte mich jetzt nicht für seltsam!“, stellte er noch klar. Aber ich musste zugeben, dass ich die Situation schon ein wenig seltsam fand. Das sollte ich jedoch lieber für mich behalten. Ich wollte ihn nicht noch mehr aufregen. Er war unglaublich wichtig für mich geworden, sonst hätte ich ihn nicht zwei Jahre lang gesucht. Aber ich hatte mir wirklich nie vorgestellt, eine Beziehung mit ihm führen zu können. Der Gedanke war einfach absurd und ich hoffte, dass er zur Vernunft kommen würde. Gerade jetzt, wo es doch wieder besser zwischen uns lief, wollte ich nicht, dass er es mit einem seiner Geistesblitze kaputt machte.
 

Dazu kam, dass er nicht nur älter war als ich, sondern auch einfach, dass er ein Mann war. Ich hatte mir alleine aus diesem Grund noch nie Gedanken darüber gemacht, mit ihm eine Beziehung zu wagen. Dieser Gedanke war für mich einfach unglaublich fern. Natürlich war es nicht unmöglich, vor allem, wenn man diese Dinge mochte. Aber ich hatte einfach bis jetzt nie darüber nachgedacht, ob ich so etwas mochte oder nicht.
 

Erst durch Ns Worte begann ich über Dinge nachzudenken, die mir vorher nicht in den Sinn gekommen wären. Nun, wo ich wusste, dass ich ihn haben könnte, wenn ich nur wollte, begann ich mir auszumalen, wie eine Beziehung mit ihm wohl wäre.
 

Aber das war falsch.
 

Bestimmt würde ich ihn nur enttäuschen. Ich konnte nur hoffen, dass er seine Meinung noch ändern und sich eingestehen würde, dass er überreagiert hatte und es sich bei seinen Gefühlen um normale, freundschaftliche Gefühle handelte. Ansonsten war ich mir nicht sicher, wie ich mit dieser Versuchung umgehen sollte. Aber was waren das für Gedanken? Nein, es gab keine Versuchung.
 

Als ich mich angezogen und im Bad fertig gemacht hatte, war N bereits in der Küche und mir war unklar, wo und wie er sich so schnell angezogen hatte. Alles an ihm war einfach ein Rätsel für mich. Ich versuchte ihm zwar aus dem Weg zu gehen, damit ich nicht sofort wieder mit dem Problem konfrontiert werden würde... Das Ganze wurde nur dadurch erschwert, dass er mir anscheinend nicht aus dem Weg gehen wollte.
 

Es war ein schlechtes Zeichen, dass ich, in dem Moment, in dem ich ihn sah, damit begann, ihn mit anderen Augen zu sehen, als ich es vorher je getan hatte. Er hatte, wie immer, Kleidung an, die seinen kompletten Körper bedeckte. Nicht mal seinen Hals konnte ich sehen, da er einen Rollkragenpullover trug, und seine Handgelenke verdeckte er mit großen Armbändern. Durch das Hemd über seinem Pullover war seine Körperform nie richtig zu erkennen.
 

Dennoch sah ich das Bild von letzter Nacht vor mir und ich sah, trotz seiner Kleidung, seine nackten Arme und Beine vor mir und wie er versuchte, seinen dünnen zerbrechlichen Körper vor der Kälte zu schützen, nachdem er aus dem Bett gekrochen war. Er war so niedlich gewesen und ich wollte ihn gerne öfter so sehen.
 

Ich musste unbedingt aufhören, an so etwas zu denken. Das war kein gutes Zeichen. Definitiv.
 

Aber jetzt, wo ich wusste, wie er für mich fühlte, nahm ich ihn, ohne es zu wollen, anders wahr. Ich achtete mehr auf seinen Körper. Ich begann, nach femininen Charakterzügen zu suchen.
 

„Wirst du heute wieder weggehen?“
 

Ich war so in Gedanken versunken, dass ich nicht bemerkte, dass er mich ansprach. „Entschuldigung, ich habe gerade nicht zugehört. Was hast du gerade gesagt?“ Er seufzte. „Dann sei froh, dass ich es dir jetzt nochmal sage, damit du es diesmal verstehst. Hast du heute irgendwelche Pokemon-Kämpfe, die du als Champion austragen musst?“ Er sah ein wenig wütend aus, da er Pokemon-Kämpfe zwar nicht mehr verabscheute, aber dennoch fand er die Idee eines Pokemon-Champions immer noch sinnlos und unnötig.
 

N schien wieder normal zu sein. Gott sei Dank.
 

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich... Ich habe heute nichts zu tun, nur -“ „Das ist perfekt!“, freute er sich und nahm meine Hände in seine eigenen. Das konnte nur etwas Schlimmes bedeuten. „Dann hilf mir bitte dabei, mir über meine Gefühle klar zu werden.“
 

Oh Gott, wie konnte dieser Mann nur immer wieder solche Sachen sagen? Er war wirklich die einzige Person auf der ganzen Welt, die mich immer wieder damit überraschte, wie wenig Taktgefühl er hatte. Ich musste mich irgendwie rausreden.
 

„Ich weiß nicht so recht. Ehrlich gesagt, ich bin mir gerade nicht mal über meine eigenen Gefühle im Klaren“, gab ich zu. Ich wollte ihn zumindest wissen lassen, dass ich durch die Situation auch verunsichert war. Vielleicht würde ihm das ein wenig helfen. „Was meinst du damit?“, fragte er und ich wusste nicht, ob er unschuldig spielte oder ob er wirklich nicht verstand, was ich meinte. „Ach, nichts. Wie soll ich dir denn dabei helfen?“, lenkte ich ab.
 

„Ich hatte noch nie ein Date.“
 

„Oh.“
 

„Ich habe nach den verschiedensten Formeln gesucht, die mir dabei helfen könnten, zu ermitteln, ob eine Beziehung mit dir ein Erfolg wäre. Aber ich konnte einfach keine finden. Allerdings, wenn die Theorie nicht funktioniert, dann könnten wir es doch einfach mit der Praxis versuchen“, schlug er vor. „Sollten irgendwelche Komplikationen auftreten, beenden wir die Beziehung einfach wieder.“
 

So aufdringlich und schon wieder kein Taktgefühl. N schien nicht viel über Beziehungen zu wissen, geschweige denn ihren Sinn zu verstehen. Ich schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Ich habe da ja auch noch ein Mitspracherecht, nicht wahr?“ Ein wenig wütend war ich nun schon auf ihn. Was bildete er sich nur dabei ein, das einfach für mich zu bestimmen? Ich würde dieser Idee auf keinen Fall zustimmen.
 

Plötzlich zog er seine Mütze tiefer ins Gesicht und drehte sich weg. Er begann etwas vor sich hin zu murmeln. „Ich war wirklich ziemlich naiv“, konnte ich gerade so wahrnehmen. N hatte wieder eine seiner Stimmungsschwankungen und ich musste ihn schnell aufmuntern, sonst, das wusste ich, würde ich ihn den Rest des Tages deprimiert oder gar wütend erleben. „Wie lange hast du denn diese Gefühle für mich schon?“, wollte ich wissen. Je mehr Informationen ich hatte, umso klarer würde die Gesamtsituation für mich werden.
 

„Ich kann mich nicht erinnern. Aber ich habe mich schon immer so anders gefühlt, wenn ich in deiner Nähe war. Deshalb habe ich dir damals verraten, dass ich zu Team Plasma gehöre, und habe es dir dadurch eigentlich ziemlich leicht gemacht, mich zu besiegen, nicht wahr? Wie wäre es mit ein wenig Dankbarkeit für meine Großzügigkeit?“, er lächelte, doch ich wusste, dass es nur gespielt war. Er war noch immer gekränkt, denn er bekam seinen Willen nicht. In Situationen wie diesen kam seine verwöhnte Seite durch, die er sich als Team Plasmas König angeeignet hatte. Manchmal sah ich Parallelen zu seinem Vater und mir war bewusst, durch wen er dieses Verhalten gelernt hatte.
 

Aber seine Stimme war im Laufe des Gespräches immer zittriger geworden. Ob sein Verhalten nur eine antrainierte Fassade war?
 

„Bitte gib mir etwas Zeit. Vielleicht kann ich was machen“, beruhigte ich ihn. Ich wollte mich nicht streiten. Vielleicht könnte ich ihn lieben, ich wusste es nicht. Ich hatte schließlich nie darüber nachgedacht. Aber ich konnte es ja auch nicht ausschließen. „Ich erwarte nichts von dir, was du mir nicht geben kannst“, N sah zu Boden. Ich wollte ihn nicht so sehen. Das passte gar nicht zu ihm.
 

„Wir reden später darüber. Mach dir keinen Kopf“, ich legte meine Hand auf seine Schulter. „N, vergiss niemals, wie wichtig du mir bist. Wir klären das hier später.“
 

„Kann ich... heute wieder bei dir schlafen?“
 

„Vielleicht wäre es erst mal besser, wenn du etwas Abstand von mir hältst.“ Auch wenn es unfair war, ich wollte erst einmal Ruhe haben. N musste eben seine Grenzen erkennen.
 

Den gesamten Tag über passierte bezüglich N nichts Erwähnenswertes mehr. Anscheinend nahm er sich meinen Ratschlag zu sehr zu Herzen und verschwand einfach, ohne dass ich überhaupt bemerkte, wann er die Wohnung verlassen hatte. Ich konnte nicht abstreiten, dass ich mir irgendwie Sorgen um ihn machte.
 

Aber er war alt genug und so selbstständig, dass er selbst in der Wildnis zurechtkam, ohne in Schwierigkeiten zu geraten. Und dann hatte er ja noch diese Gabe mit Pokemon zu sprechen.
 

Solange er zurückkam und nicht wieder für zwei Jahre verschwand, war mir alles recht.
 

Und so beschloss auch ich, mich abzulenken und etwas weniger an meinen Mitbewohner zu denken. Auch wenn mir immer wieder in den Sinn kam, wie gut er geduftet hatte, als er neben mir im Bett gelegen war. Und wie gut ich geschlafen hatte, als ich ihn im Arm gehalten und seinem Atem gelauscht hatte.
 

Vielleicht war eine Beziehung mit ihm ja gar nicht so schlecht. Immerhin fühlte sich seine Nähe gut an. Aber sollte ich es wirklich versuchen?
 

Im Notfall könnte ich es ja wieder beenden.



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