Zum Inhalt der Seite

Fatal Fantasy

Cloud Strife x Vincent Valentine
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Jede Nacht um kurz vor vier

Wie zur Statue erstarrt saß Cloud in der überschaubaren Küche der Highwind, hielt seine Hände um ein Glas Wasser geklammert und schaute stumm ins Leere. Er saß jetzt schon mehrere Minuten völlig regungslos da. Seinem Blick nach zu urteilen schien er sich in bedrückende Gedanken verirrt zu haben. Vincent saß ihm gegenüber, aber auch er sagte kein Wort.
 

Sie hatten sich soeben gegenseitig auf dem Laufenden gebracht, was die Geschehnisse der letzten Stunden anging und sowohl Clouds Geschichte als auch die des finsteren Turks wirkten, als seien sie einem wirren Fantasy-Film entnommen. Gleichwohl wussten beide Männer, dass keiner von Beiden gelogen hatte. Dafür besaßen sie bei weitem nicht ausreichend Fantasie. Dazu kam noch, dass sie aus dem, was ihnen widerfahren war, auch nicht im Geringsten einen Vorteil gezogen hatten. Ganz im Gegenteil.
 

Blitz hatte sich umgebracht.

Vincent hatte es mit eigenen Augen gesehen - nicht die Tat an sich, aber das grausige, verstörende Bild, das der blauhaarige Mann in seinen letzten Momenten für die Nachwelt geschaffen hatte. Mit größter Mühe hatte der ehemalige Turk versucht, Cloud seine Eindrücke zu umschreiben, aber seine mehr als mangelhafte Darstellungskraft hatte noch nicht mal ansatzweise an diese Szenerie herangereicht, die sich schmerzhaft wie ein glühendes Eisen in seinen Verstand gebrannt hatte.
 

Es war noch nicht mal so sehr die Leiche gewesen, die ihn erschreckt hatte, denn auch wenn Blitz sich die Unterarme mit einer erschreckenden Sorgfalt und Tiefe aufgeschnitten hatte, wirkte er seltsam friedvoll. Sein nackter, blutbefleckter Körper hatte etwas Abartiges an sich gehabt, denn trotz seines unschönen Todes hatte der junge Mann ein Lächeln auf den Lippen getragen.

Jedes Zeichen von Leben in den weit geöffneten, makofarbenen Augen war längst erloschen. Sie lagen tief in ihren Höhlen und stierten unbeweglich an die blutbespritzte Wand. Dennoch machte es den Eindruck, als hätte Blitz kurz vor seinem Tod größte Erfüllung erlebt.

„Es war nicht die Schnittverletzung, an der er gestorben ist“, hatte Tseng hinter dem Schutz einer dünnen Atemmaske vermutet, während er mit starrer Miene und äußerster Vorsicht eine rot befleckte Spritze vom Fußboden aufgehoben hatte.
 

Die Luft war schwer und stickig. Sie roch allgegenwärtig nach Eisen und Erbrochenem.

Gepaart mit der grässlichen Umgebung entstand eine Mischung, die zwei der weniger erfahrenen Turks fluchtartig wieder aus dem Raum stürzen ließ. Man hatte ihr entsetztes Würgen aus dem Flur gehört, und für einen kurzen Moment hatte Vincent sich gedankenverloren an seine eigene Zeit bei den Turks zurückerinnert.

Es war Tseng, der ihn mit sachlicher, unberührter Stimme wieder in die Realität zurückgeholt hatte.

„Letztendlich sind es die Drogen, die ihn vergiftet und ihm den Verstand geraubt haben. Der Cocktail, den er sich jeden Tag spritzte, hätte einen normalen Menschen sofort getötet.“

„Ihr kennt ihn also?“, hatte Vincent wissen wollen.

„Er ist eine von Hojos unzähligen Hinterlassenschaften“, war es ihm zur Antwort gekommen, „Eine Jenova-Replik, eine fast identische Kopie des Originals. Genau genommen ist Blitz noch nicht einmal männlich. Und das war auch der Grund, warum Hojo ihn als gescheitertes Experiment betrachtet hat. Er wollte Soldaten erschaffen - Männer. Keine Frauen.“

Mit verwirrtem Blick hatte Vincent sich selbst davon überzeugt, dass Tseng die Wahrheit sprach, und entsetzt festgestellt, dass der schwarzhaarige Anzugträger Recht hatte.
 

Blitz war eine Frau. Oder zumindest war er etwas, was ein weibliches Geschlechtsorgan besaß, denn mal abgesehen davon fehlten ihm alle weiteren Merkmale, die ihn als Frau identifiziert hätten.
 

Tseng trug hauchfeine, durchsichtige Handschuhe, um den Tatort zu untersuchen, denn Blitz hatte sein Blut an sämtliche Wände verteilt. Aber das war nicht der Hauptgrund für diese Vorkehrungen, denn außer Blut hatte noch etwas anderes, Unbekanntes am Körper des Toten geklebt.

„Siehst du das?“, hatte Elena ihren Vorgesetzten aufmerksam gemacht, während sie mit ernstem Blick auf die schwarzen Stellen gezeigt hatte, die sich seitlich am Rücken des leblosen Körpers entlang zogen.

„Hmh“, war das Einzige, was der Mann ihr entgegnet hatte. Er hatte die mysteriösen Flecken längst bemerkt, doch Vincent ahnte, dass seine Anwesendheit den Turk davon abgehalten hatte, seiner jungen blonden Mitarbeiterin zu antworten. Vincent hatte den Raum daraufhin nur zu gern verlassen, um nach Chi zu sehen, der im Raum nebenan betreut wurde, weil er nach dem Anblick des widerwärtigen Schauplatzes fast zusammengebrochen war.
 

Unmittelbar kam in Vincent die Frage auf, ob der schwarzhaarige Ex-Soldat gewusst hatte, dass es sich bei seinem Freund um eine Frau handelte. Wie viel hatte er überhaupt von Blitz gewusst? Immerhin schienen sie sich nahe gestanden zu haben.
 

Vincent schrak aus seinen viel zu frischen Erinnerungen auf. Er sah zu Cloud, der mit niedergeschlagenem Blick auf den Küchentisch lehnte. Auch er hatte berichtet, was ihm in der Kirche in Sektor 5 widerfahren war, und auch wenn Vincent den Worten des Blonden zunächst kaum glauben konnte, gab es einen stillen Zeugen, der die ganze Erzählung bestätigte:

Der bedrohliche schwarze Fleck auf Clouds Oberarm.
 

„Hör zu, es gibt da noch etwas, was du wissen solltest“, brummte der Schwarzhaarige in ernstem Ton und lenkte damit die Aufmerksamkeit der hellen Mako-Augen auf sich. Clouds Blick wurde fragend.

„Was denn?“

Auch wenn Vincent selten unruhig war, hatte er diesmal das Gefühl, dass das, was er sagen wollte, den Blonden sehr aus der Fassung bringen würde. Es gab nämlich etwas, was er noch nicht erzählt hatte. Etwas, was sogar einen kühlen Mann wie ihn nervös machte, weil er es sich einfach nicht erklären konnte.

„Blitz hat Nachrichten an den Wänden hinterlassen, kurz bevor er starb“, sprach er langsam. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, aber nichtsdestotrotz hatte er das Gefühl, dass Cloud seine Nervosität spürte.

„Er hat Wörter und Sätze geschrieben“, fuhr er fort, „Mit seinem eigenen Blut. Für die Turks mögen sie nicht viel Sinn ergeben haben, aber…“
 

Mitten im Satz brach er plötzlich ab. Cloud musterte ihn irritiert. Er war neugierig, denn er konnte sich nur zu gut an das erinnern, was Blitz ihm erst einen Tag zuvor gesagt hatte. Dass Vincent sich jetzt auch noch so geheimnisvoll verhielt, machte ihn erst recht unruhig.

„Aber?“, drängte er in fragendem Ton.

Vincent seufzte.

„Aber es gab da ein paar Auffälligkeiten.“ Er griff sich mit schmerzvollem Blick an die Stirn. Gerade als Cloud ihn wieder drängen wollte, redete er doch noch weiter:

„Manche der Sätze, die er geschrieben hatte, wirkten im Grunde genommen nur wie die Worte eines Irren, aber… nun ja, in deinem Fall… ergeben sie irgendwie Sinn. So seltsam das auch klingt.“

„In meinem Fall?“, echote der Blonde ungläubig. Er verstand nicht, was Vincent meinte, aber er hoffte sehr, dass der Ältere ihn bald aufklären würde.
 

„Es machte den Eindruck, als hätte er dieselben Träume gehabt wie du. Als hätte er Ähnliches erlebt wie du. Er hatte den Namen ‚Sephiroth‘ gleich mehrmals aufgeschrieben, genau wie die Uhrzeit, zu der du immer Alpträume hast.“

„Die Uhrzeit?“

Cloud riss verwirrt die Augen auf.

„Ja“, erwiderte Vincent mit ernstem Blick, „Drei Uhr siebenundvierzig, nicht wahr? Er hatte genau diese Zahl an die Wand geschrieben. Tseng erzählte mir, dass Blitz ursprünglich so hieß.“

„Wie hieß?“

„3-47. Es war die Nummer, die er nach seiner Erschaffung von Hojo bekam. Aber noch seltsamer als diese Nummer war der Satz, den Blitz direkt daneben an die Mauer geschrieben hatte.“

„Was für ein Satz?“

Vincent sog mit bedeutungsvoller Ehrfurcht die Luft ein, stieß sie seufzend wieder aus und antwortete dann:

“Der Satz lautete: Jede Nacht um kurz vor vier spricht der Erlöser unserer Welt zu mir.”

Cloud erstarrte.

“Was?!“

“Du hast schon richtig gehört.“
 

Clouds Herz sank ins Bodenlose. Seine Hände fingen an zu zittern.
 

Jede Nacht um kurz vor vier spricht der Erlöser unserer Welt zu mir.
 

Der Satz hallte durch Clouds Kopf wie ein Echo durch eine unüberwindbare Schlucht. Der Raum um ihn herum schien sich plötzlich wie wild zu drehen und sein Herz schlug so fürchterlich schnell, dass ihm ganz mulmig zumute wurde. Vincent beobachtete ihn mit einer gewissen Besorgnis.

“Geht es dir gut?”

“J-ja…”

Cloud fasste sich an die Stirn. In seinem Kopf erklang ein schriller, piepsender Ton, der gar nicht mehr aufzuhören schien. Er wurde lauter, immer lauter. So laut, dass es schmerzte. Ächzend biss der Blonde die Zähne zusammen und griff sich mit beiden Händen an die Stirn.
 

Was hatte das zu bedeuten?
 

“Cloud?”

Vincent fasste ihm an die Schulter. Die zaghafte Berührung verlieh dem Blonden ein Stück seiner Selbstbeherrschung zurück. Der hohe Ton, der ihn gequält hatte, verschwand wieder.

“Meine Alpträume fanden ausnahmslos zur selben Uhrzeit statt.”

Er raufte sich verwirrt die Haare.

“Das kann doch kaum Zufall sein.”

“Cloud, Blitz war ein Experiment. Ein Jenova-Abkömmling. Er war Mako-abhängig”, erwiderte Vincent ruhig und mit eindringlicher Stimme. „Dieser Mann war völlig verrückt. Er hatte Wahnvorstellungen.”

“Die habe ich doch auch!”, fuhr Cloud den Älteren plötzlich voller Verzweiflung an. Vincents Blick verfinsterte sich.

“So ein Unsinn”, sprach er kopfschüttelnd.

Wie erwartet reagierte Cloud heftig auf die jüngsten Enthüllungen, was anlässlich der merkwürdigen Situation ja auch kein Wunder war.

“Mir macht es doch auch Angst”, versuchte er den Blonden zu beruhigen, “Du hast schon Recht, das Ganze ist zu ungewöhnlich, um ein Zufall zu sein. Aber bedenke, dass auch du Jenova-Zellen in deinem Körper trägst. Wahrscheinlich habt ihr nur aus diesem Grund diese Alpträume gehabt.”
 

Als Cloud ihm nicht antwortete sondern nur schweigend den Blick senkte, stand er auf, lief um den Tisch herum und kniete vor dem Blonden nieder. Wortlos drückte er den Kämpfer an sich.

“Du lässt es zu sehr an dich heran”, brummte er, während seine Hände tröstend an Clouds Rücken auf und ab glitten. “Versuche, die Träume auszublenden und halte dich an die Fakten.”

“Aber was ist mit dem Geostigma?”, warf sein Gegenüber überfordert ein, “Es ist doch schließlich der Beweis dafür, dass ich mir das alles nicht nur einbilde!”

“Ich sage ja auch nicht, dass du dir etwas einbildest”, entgegnete Vincent ihm kopfschüttelnd.

“Wir müssen der Sache auf jeden Fall auf den Grund gehen, denn wenn Sephiroth tatsächlich planen sollte, diese Welt erneut heimzusuchen, müssen wir das um jeden Preis verhindern.”
 

Vincent stand auf, ließ seine gesunde Hand über Cloud Gesicht gleiten und hauchte dem Blonden einen Kuss auf die Stirn.

“Wir müssen Nachforschungen anstellen. Was Sephiroth betrifft, aber vor allem was das Geostigma angeht. Tseng zwar angedeutet, dass er sich bereits darum kümmert, aber wir sollten trotzdem auf eigene Faust ermitteln. Wir können uns nicht auf andere verlassen. Aber damit wir uns auf diese Sache konzentrieren können, musst du einen kühlen Kopf behalten, Cloud.“

Vincents Stimme klang ernst, aber nichtsdestotrotz sanft und ermutigend. Cloud sah zu ihm auf. Selten hatte seinem Blick eine so große Verzweiflung inne gewohnt. Trotzdem zwang er sich, die Fassung zu bewahren, straffte seine Gesichtszüge und nickte.

“In Ordnung.”
 

Die zwei Männer gingen früh ins Bett. Sie sprachen nur wenig.

Eine merkwürdige Anspannung lag in der Luft, und auch wenn sie sich nach Kräften bemühten, sich ihre Unsicherheit nicht anmerken zu lassen, spürten sie beide, dass etwas nicht in Ordnung war.

Etwas Unbekanntes bedrohte sie - sie und alle anderen Bewohner Edges.

Eine Krankheit, die sich mit einer irrsinnigen Geschwindigkeit ausbreitete.

Eine altbekannte Macht, die mit finsteren Krallen nach ihnen griff.
 

Cloud und Vincent lagen eng zusammen, und doch waren sie mit ihren Gedanken und Zweifeln für sich allein. Es herrschte eine Zerwürfnis, die tiefe Furchen in Clouds Selbstvertrauen grub.
 

Er hatte Angst.
 

Angst vor dieser Epidemie, die er selbst durch seine krankhafte Besessenheit in seinen Körper gelassen hatte.

Angst vor Sephiroth, der so fern war und doch so erschreckend nah.

Angst vor der plötzlich so unbekannten Zukunft, von der er sich in einem winzigen Augenblick unglaublicher Naivität irgendwann man erhofft hatte, dass sie glücklich sein könnte.
 

Und aus irgend einem seltsamen Grund hatte er plötzlich Angst, Vincent zu verlieren.

Diese Angst war mit einem Mal so allgegenwärtig, dass der Blonde sich nicht anders zu helfen wusste, als sich in den blassen Körper zu krallen, den er mehr als alles andere brauchte, um nicht völlig verrückt zu werden.
 

Auch wenn Vincent es nicht gewohnt war, Trost zu spenden, tat er seine Sache gut.

Als würde er die Furcht des Jüngeren spüren, schlug er die Arme um ihn und fing an, ihn zu streicheln. Cloud ließ die zarten Berührungen ihre Wirkung tun, gab sich dem wohltuenden Gefühl von Vincents Nähe hin und schloss die Augen. Auch wenn seine Gedanken mit seinem Puls um die Wette rasten, tat es gut, die Nähe des schwarzhaarigen Mannes zu spüren. Er schmiegte seinen Kopf an den warmen Brustkorb, konzentrierte sich auf den fremden, langsamen Herzschlag und ließ sich von der gleichmäßigen Atmung wiegen. Es dauerte seine Zeit, doch schließlich schaffte er es, sich etwas zu entspannen, die finsteren Gedanken zu verdrängen und die Müdigkeit zuzulassen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  FraeuleinUnruh
2016-01-07T19:24:42+00:00 07.01.2016 20:24
Ende??? T__T
Waaaah! Es war so unglaublich gut!
Und auch, wenn du das hier vielleicht nicht mehr liest: mehr bitte!!! xD
Vielleicht besteht ja doch noch Hoffnung auf die Bonus-Kapitel... hehehe...
Von:  DivaLila
2014-11-05T23:48:37+00:00 06.11.2014 00:48
Ich hab mir schon gedacht, dass Blitz irgendwas mit Blut an die Wände geschrieben hat... aber mit " Jede Nacht um kurz vor vier spricht der Erlöser unserer Welt zu mir.” habe ich nun wirklich nicht gerechnet.
Eigentlich hätte Blitz Rapper werden wollen... oder Slampoet.

Jetzt muss ich das Gelesene erstmal verdauen... war doch ganz schön viel und auch nervenaufreibend.... ich will wissen, wies weitergehhtttt *quengel*

Danke auf jeden Fall fürs Schreiben und ganz, ganz viel Liebe für dich und deine Ideen! <3 <3 <3


Zurück