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Oh Scheiße!

Songfic / Yullen
von

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Wie es zwischen zwei Missionen immer der Fall war, hielt der Alltag im Hauptquartier des schwarzen Ordens Einzug. Mit jedem Tag, der verging, schlang sich der Galgenstrick Routine enger um die Hälse der Exorzisten und kein Erdrutsch rollte Steine über die eingefahrenen Bahnen, auf denen sie sich bewegten.

Kanda registrierte diesen Prozess wohlwollend. Es war gut, wenn die Dinge ihre Ordnung hatten.

Ausgeglichen wie er es schon lange nicht mehr gewesen war, legte er seine Essstäbchen beiseite und erhob sich, um das Tablett zurückzubringen, auf dem bis vor kurzem noch sein Frühstück Platz gefunden hatte. Wieder einmal hatte er es geschafft, als Erster in der Kantine zu sein, sodass er sich nicht mit der hyperaktiven Bagage hatte herumschlagen müssen, die zur Rush Hour die Tische bevölkerte.

Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass sein Timing perfekter war, als er angenommen hatte, denn gerade, als er bereit war sich auf den Weg zum Trainingsraum zu machen, um zu verhindern, dass Mugen Staub ansetzte, betrat kein geringerer als Allen Walker den Saal.

„Moyashi“, knurrte er so leise, dass es niemand außer ihm selbst hören konnte. So wie es aussah, hatte er gerade noch einmal Glück gehabt. Ihm wurde schon schlecht, wenn er nur mit anhören musste, was der Kerl alles bestellte! Sehen, wie er diese Unmengen von Essen in sich hinein stopfte, wollte er auf keinen Fall, auch wenn er zugeben musste, dass Allens Gesellschaft am besten zu ertragen war, wenn er aß. Wenn er den Mund voll hatte, konnte er wenigstens nicht so viel reden.

Den Kopf stolz erhoben schritt Kanda an dem Neuankömmling vorbei, hielt nur kurz inne, um mit einem abfälligen „Tze!“ sein Missfallen über Allens Essgewohnheiten zum Ausdruck zu bringen.

Wie sich herausstellte, war das ein Fehler.

„Was?!“, fauchte Allen, der allem Anschein nach nicht herausragend gut aufgelegt war.

„Du frisst wie ein Ferkel, Moyashi“, erklärte Kanda sich näher. Eine Provokation, die sein Gegenüber selbstverständlich nicht unkommentiert im Raum stehen lassen konnte.

„Halt dich gefälligst aus Dingen raus, die dich nichts angehen!“, befahl er, anstatt sich erst lange für seinen immensen Energieverbrauch zu rechtfertigen. Und Kanda ging darauf ein, denn auch diese sinn- und grundlosen Auseinandersetzungen gehörten zur alltäglichen Routine.

„Das ist einfach nicht ästhetisch“, stellte er nüchtern fest. „Das ist widerlich.“

„Kein Mensch zwingt dich, mir beim Essen zuzusehen!“

„Tze! Soll ich mir etwa die Augen zubinden oder auf der Straße frühstücken?!“

„Ich dachte, du wärst schon fertig!“

„Denk nochmal! Vielleicht klappt's dann besser, Moyashi!“

„Das muss ich mir nicht von jemandem anhören, der sich Tag und Nacht nur von Soba ernährt!“

„Wenigstens stopfe ich nicht kiloweise ekelhaften Süßkram in mich rein. Im Gegensatz zu dir habe ich nämlich Stil, Moyashi!“

„Halt einfach die Klappe und geh mit deinem Schwert da Gassi!“

„Das Schwert da hat einen Namen, Moyashi!“

„Ich auch, BaKanda! Aber der scheint dir ja nicht geläufig zu sein!“

„Tze!“

Allen hatte seinen Blick gefangen und starrte ihm kalt in die Augen. Kanda starrte unbewegt zurück. Er würde jetzt nicht aufgeben, ganz sicher nicht. Weil sein Stolz es nicht verkraften würde, wenn dieser dreiste Kerl den Sieg davontrug.

Und weil das dem routinemäßigen Ablauf widersprochen hätte.

Er sah keine Wut in Allens Augen, nur Selbstbewusstsein und Standhaftigkeit und er hoffte, dass Allen von ihm dasselbe denken konnte.

Allen war kleiner als er selbst, aber wenn er ihn so ansah, begegnete er ihm trotzdem auf Augenhöhe.

Allen wich seinem Blick nicht aus, wenn sie in Streit gerieten, so wie jetzt.

Allen stellte sich jeder verbalen Attacke. Und all den anderen auch.

Allen respektierte ihn, aber er fürchtete ihn nicht.

Allen...

Ein unangenehm warmes Gefühl machte sich in Kandas Magen breit und mit einem Mal fühlte er sich krank. Er glaubte zu erröten und unterbrach den Blickkontakt, um den Kopf wegdrehen zu können, bevor Allen etwas bemerkte und am Ende noch falsche Schlüsse zog.

„Willst du etwa schon aufgeben, BaKanda?“, legte Allen nach und eine Spur Triumph schwang in seiner Stimme mit.

„Tze! Als ob ich's nötig hätte, mich mit dir rumzustreiten, Moyashi!“, erwiderte er schnell, sorgsam darauf bedacht, ihn nicht anzusehen, weil er hoffte, dass sich die plötzliche Übelkeit dann wieder legte.

Jerry hatte inzwischen das gewünschte 30-Gänge-Menü vollendet und Allen ersetzte die Freude über den kleinen Sieg durch Freude über das lang ersehnte Frühstück. Von einer Sekunde auf die andere wurde Kandas Anwesenheit zur Nebensache.

„Man sieht sich, Kanda“, verabschiedete er sich mit einem vergnügten Grinsen. Dann war er auch schon hinter Bergen von völlig überladenen Tellern und Schüsseln verschwunden.

Kanda starrte aus leeren Augen das kleine Stück Boden an, auf dem er gerade eben noch gestanden hatte und legte eine Hand auf seine Brust, um sein Herz zu beruhigen, das plötzlich und unerwartet angefangen hatte, viel zu schnell zu schlagen. Ohne nennenswerten Erfolg. Das verdammte Mistding war total aus dem Takt geraten.

„Ist alles in Ordnung?“, erkundigte Jerry sich mitfühlend und erst in diesem Augenblick wurde Kanda bewusst, dass er sich noch immer keinen Zentimeter von der Stelle bewegt hatte.

Gott, war das peinlich!

„Was bitte sollte mit mir nicht in Ordnung sein?!“, knurrte er, wie ein Hund, der von einem übermächtigen Feind in die Ecke gedrängt worden war, und hoffte, seine Ehre in letzter Minute noch retten zu können.

Jerry, dem Kandas Launen - wie jedem anderem im Orden auch - wohl bekannt waren, hob nur beschwichtigend die Hände und ließ das Thema auf sich beruhen. Und Kanda übte sich an einem würdevollen Rückzug. Nur einen, einen einzigen Blick warf er noch zurück, um zu sehen, wie die Teller, die die Sicht auf Allen so schamlos versperrten, leerer und leerer wurden.

„Oh Scheiße!“, sagte er leise zu sich selbst und seine Finger schlossen sich fest um Mugens Heft, während er wie ferngesteuert durch die Gänge in Richtung Trainingsraum wandelte. Und das, obwohl er jetzt schon wusste, dass er sich nicht würde konzentrieren können.
 

Was zum Teufel war da gerade mit ihm passiert, fragte er sich, während er Mugen graziös durch die Luft schneiden ließ, was war bloß mit ihm geschehen? Und warum hatte er den schleichenden Verfall nicht rechtzeitig bemerkt? Das war so ein Mist, so ein Dreck, so eine verfluchte Scheiße!

Aber das heiße Glühen in seinen Wangen verriet ihm, dass es nicht mehr rückgängig zu machen war.

Er hätte früher darauf aufmerksam werden und etwas dagegen unternehmen müssen. Jetzt war es zu spät. Zu spät, es zu verhindern, zu spät, es zu leugnen, zu spät, sich künstlich darüber aufzuregen, zu spät, es zu ändern.

Und dabei war er bis vor zehn Minuten noch ganz normal und klar im Kopf gewesen.

Wie konnte es sein, dass man von einem Gefühl überrannt wurde, das man überhaupt nicht haben wollte?

Wie konnte es sein, dass ein dämliches scheiß Gefühl einen selbst und alles verriet, was einem jemals heilig gewesen war?

Und wieso zum Henker war ihm so kotzübel?!

Kanda konnte nicht glauben, dass ausgerechnet er in diese banale Falle des Lebens getreten war und das, obwohl er immer so sorgsam darauf bedacht gewesen war, gerade dies zu verhindern. Und noch weniger konnte er glauben, dass es nur wegen diesem widerlich altruistischen .... Moyashi passiert war.

Er konnte nicht, er wollte nicht, er durfte nicht verliebt sein! Er hatte doch noch eine Aufgabe, die er erfüllen musste, er hatte keine Zeit, sich um so etwas banales wie Liebe zu kümmern!

Ohne dass er es recht bemerkte, entglitt Mugen seinen Fingern und fiel klirrend zu Boden.

Wäre er diesem Kerl doch nie über den Weg gelaufen! Er hatte von Anfang an gewusst, dass der nur Ärger machen würde!

An diese Art von Ärger hatte er damals allerdings nicht gedacht...

Resigniert und erschöpft lehnte er sich gegen die Wand und ließ sich daran zu Boden sinken. Er presste die Hände auf die Wangen und stellte fest, dass seine Haut nicht wärmer und nicht kälter war als eh und je. Trotzdem hatte er das Gefühl, zu brennen, gerade so, als hätte er hohes Fieber.

Eines war klar: wenn er irgendeine Chance haben wollte, den Scheiß hier zu überstehen ohne den Verstand zu verlieren, dann durfte er Allen nie, nie wieder in die Augen sehen.

Er hörte Schritte, die er nicht hatte hören wollen. Nicht jetzt. Nicht, solange er sich nicht wieder unter Kontrolle hatte. Es war noch zu früh. Seine Anwesenheit überforderte ihn.

„Hau ab, Moyashi!“, befahl er und war erstaunt, wie perfekt kalt er klang. Er wagte nicht, den Kopf zu heben, auch wenn es demütigend war, sich Allen so zu zeigen. So schwach, über die Fallstricke des Lebens gestolpert, gefallen.

Er wurde melodramatisch. So kannte er sich gar nicht und so wollte er auch nicht sein.

Allen schien ihn nicht verstanden zu haben, denn anstatt seiner Aufforderung Folge zu leisten, kam er gefährlich nahe und beugte sich besorgt zu ihm herab.

„Alles in Ordnung?“

Den Satz hatte er heute schon einmal gehört. Und nein, verdammt, nichts war in Ordnung.

„Nach was sieht's denn aus?!“, gab Kanda schroff zurück – und machte denselben Fehler zum zweiten Mal: er hob den Kopf und sah Allen in die Augen.

Als sich der Nebel in seinem Gehirn wieder lichtete, hatte er eine Hand fest in Allens Nacken vergraben und ihre Lippen lagen aufeinander. Allen starrte ihn aus großen Augen erschrocken an und auch er wurde blass vor Schock, als er begriff, was er tat.

Das war ein Kuss!

Der verdammte erste Kuss seines Lebens!

Abrupt ließ er Allen los, sprang auf die Füße und vergaß völlig, Mugen aufzuheben, so eilig hatte er es, wegzukommen. Das Leben hasste ihn, ganz sicher. Und er seinerseits hasste sein Leben.

Er sah nicht mehr, wie Allen völlig perplex auf die Knie sank, mit zitternden Fingern seine Lippen berührte und leise, mehr zu sich selbst, als zum Rest der Welt, genau das sagte, was ihm in diesem Augenblick durch den Kopf ging: „Oh Scheiße!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Ruciel
2014-10-13T20:17:19+00:00 13.10.2014 22:17
Geil, ich hab mich so beömmelt beim Lesen, das ist einfach zu gut.
Will mehr von den beiden lesen
Von:  Didi
2013-12-28T17:39:31+00:00 28.12.2013 18:39
wie süüüß :D ich find das die Geschichte hammer :))


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