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Never a Hero

FF VII CC / Timetravel / Rebirth
von

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reciprocration II.

Midgar, weitere 18 Monate später …
 

Zitternd wickelte sich Cloud enger in die dünne Decke und starrte in die Dunkelheit. Zu Hause in Nibelheim hatte er nie in einem Raum geschlafen, in dem eine so schwarze, undurchdringliche Finsternis herrschte. In seinem Zimmer hatte es zwei Fenster gegeben und selbst wenn er die dicken, nachtblauen Vorhänge zugezogen hatte, war ein feiner Lichtschimmer auf den Boden darunter gefallen. Seine Augen hatten sich daran gewöhnt, er hatte sehen können.

Hier konnte er nichts sehen, egal, wie lange er wartete. Nur Schwärze und die grün leuchtende Anzeige seines Weckers. Oft konnte er im Dunkeln auch Bilder sehen, wie auf einer Leinwand. Die Farben waren blass und geisterhaft und er wusste, dass nichts von dem, was er sah, real war. Noch nicht. Meistens sah er Tifa oder das lächelnde Gesicht des sterbenden Fremden. Manchmal auch den General, das Feuer, das Blut auf seiner Klinge. Dann konnte er nicht mehr schlafen.

Er schlief generell sehr wenig.

Vier Wochen war es nun her, dass er sein Bett in den Barracken der SOLDAT-Kadetten bezogen hatte und er konnte die Nächte, in denen er mehr als drei Stunden geschlafen hatte, an einer Hand abzählen. Manchmal war er sicher, dass er langsam den Verstand verlor.

Warum verschwanden die Bilder nicht?

Als Tifas Mutter gestorben war, hatte er es vorhergesehen – aber nur ein einziges Mal. Er hatte nicht davon geträumt, erst recht nicht mit offenen Augen. Das machte ihm Angst. Er konnte nicht mehr. Er wollte das alles nicht mehr sehen. Wohin auch immer er ging, überall begegnete ihm die grausame Vision und konfrontierte ihn mit Krieg und Leid und Tod und diesem unerträglich heißen Brennen des Verlusts eines geliebten Menschen.
 

Besonders unangenehm war ihm, dass er hier nicht alleine war. Manchmal verdächtigte er sich, im Schlaf zu sprechen und das durfte nicht sein. Die anderen Kadetten und besonders die sieben von ihnen, die mit ihm das Zimmer teilten, hatten sowieso bereits beschlossen, dass er seltsam war und lachten ihn aus, wann immer sich Gelegenheit ergab. Vielleicht hatte er einen Stempel auf der Stirn, der sie dazu einlud. Anders als Jonah und Arnold in Nibelheim hielten sie allerdings stets eine vorsichtige Distanz zu ihm ein, denn er hatte bisher große Ausdauer und Geschick im Umgang mit Waffen gezeigt. Wahrscheinlich trauten sie sich nicht, ihm ernsthaft zu nahe zu treten und das isolierte ihn noch mehr von der Gruppe. Wenn sie ihn darüber hinaus auch noch für wahnsinnig hielten, würde es das Fass zum Überlaufen bringen und er hätte endgültig keine Chance mehr, ihre Anerkennung zu gewinnen. Bestimmt würde er sogar das kleine Bisschen Respekt verlieren, das er sich durch sein Talent und sein Durchhaltevermögen bei ihnen erworben hatte und er glaubte, sich das nicht leisten zu können. Wie sollte er herausfinden, wer der sterbende Fremde aus seinen Visionen war, wenn er über keinerlei soziale Kontakte innerhalb der Firma verfügte?

Unfähig, sich zu wärmen, weil die Kälte von innen kam, hielt er den Blick auf seinen Wecker gerichtet und wartete gespannt darauf, dass sich die Minutenanzeige änderte. 0501 Uhr. Noch 29 Minuten, bevor er endlich aufstehen durfte. So lange musste er versuchen, das Gesicht zu ignorieren, das auf der Wand von Dunkelheit am Rande seines Blickfelds schwebte. Es würde ihm nicht gelingen, genauer hinzusehen, das wusste er aus Erfahrung und die vagen Schemen waren schlimmer als ein klares Bild. Die quälende Ungenauigkeit versetzte seine Gedanken in Raserei. Er musste wissen, wer er war, der sterbende Fremde. Er musste das aufhalten!
 

Erschöpft von einer weiteren schlaflosen Nacht, dämmerte Cloud noch etwas über eine Viertelstunde vor sich hin. Er überlegte, ins Bad zu gehen, wo er Licht anmachen konnte und seiner Mutter zu schreiben, wie er es oft tat, wenn er nicht schlafen konnte. Er schrieb ihr drei Mal in der Woche, mindestens. Die Briefe lagen sorgfältig gebündelt unter seinem Bett. Bisher hatte er es nicht über sich gebracht, auch nur einen einzigen von ihnen abzuschicken.

An manchen Tagen fühlte er sich wie ein Verräter. Bald würde es zwei Jahre her sein, dass sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Ob sie ihn für tot hielt?

Vielleicht war es besser so. Sie würde seinen Entschluss ohnehin nicht billigen und wenn er Pech hatte, würde sie ihm nachreisen, um ihn zurückzuholen. Das konnte er nicht zulassen. All die Mühe, die es ihn gekostet hatte, nach Midgar zu gelangen, wäre umsonst gewesen.

Und wer sollte dann aufhalten, was er gesehen hatte?
 

Mit masochistischem Vergnügen schwelgte er in Erinnerungen an all die grauenhaften Jobs und Botengänge, die er hatte übernehmen müssen, um die weite Reise zu bezahlen und sich bei Shinra bewerben zu können, bis endlich über Lautsprecher der erlösende Weckruf ertönte. Als das Licht anging, verschwand das Gesicht nicht, aber es wurde so blass und farblos, dass Cloud seine Präsenz verdrängen und ordentlich funktionieren konnte. Er zog seine Uniform an wie jeden Morgen und wie jeden Morgen verließ er als erster das Zimmer, ohne die anderen auch nur eines Blickes zu würdigen. So kurz nach dem Aufstehen konnte er sich nie dazu überwinden, mit jemandem zu sprechen. Manchmal versuchte er es beim Frühstück, um nicht ganz den Anschluss zu verlieren, doch er hatte schnell festgestellt, dass es hier nur Wenige gab, denen er wirklich etwas zu sagen hatte. Die Meisten waren wie Jonah und Arnold: Sie waren hier, um sich selbst und der Welt zu beweisen, wie toll sie waren. Sie fuhren heimlich unter die Platte und betranken sich. Sie hatten noch nie einen Toten gesehen und freuten sich auf den Krieg.

Streng genommen hatte Cloud auch noch nie einen Toten gesehen – zumindest keinen, der eines gewaltsamen Todes gestorben war. Seine Vision jedoch hatte ihm klar gemacht, dass der Krieg nichts war, was er sehen wollte. Aber er musste. Er hatte einen Grund, hier zu sein. Er hatte einen Grund, SOLDAT zu werden. Er musste diesen Wahnsinn aufhalten.

Wie von selbst trugen ihn seine Füße in die Kantine. Es war erstaunlich, wie schnell ihm die tägliche Routine in Fleisch und Blut übergegangen war. Ebenso automatisch nahmen seine Hände ein Tablett, während seine Augen die Auslage überflogen, obwohl das Frühstück meistens dasselbe war. Wie immer war er einer der Ersten, die den Weg hierher gefunden hatten und die Schlange vor ihm war nicht sehr lang. Trotzdem musste er warten.

Cloud ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, um zu sehen, ob er ein bekanntes Gesicht an einem der Tische entdecken konnte, aber er fand niemanden. Von den Kadetten war fast keiner da, aber ein paar SOLDATen dritter Klasse saßen in einer Ecke und unterhielten sich leise. Sie waren recht weit von ihm entfernt, sodass er nicht viel erkennen konnte. Dementsprechend lange dauerte es, bis er bemerkte, dass ihre Uniformen nicht alle dieselbe Farbe hatten. Es war auch ein SOLDAT zweiter Klasse unter ihnen – ein seltener Anblick, der ihn fesselte. Der Mann saß vornüber gebeugt und stocherte in etwas herum, das vermutlich ein Müsli darstellen konnte. Wenn Cloud sich nicht täuschte, waren rote Flecken auf seiner Uniform. Vielleicht kam er direkt von einer Mission.

Sekundenlang hielt er sich daran auf, den Stoff zu mustern. Dann hob er den Blick, um zu versuchen, das Gesicht des Mannes zu erkennen, doch alles, was er sah, war ein wildes Durcheinander von dichtem, schwarzem Haar. Ein kribbelnder Ball aus flüssigem Feuer bildete sich in seinem Magen und er wurde nervös. Er musste das Gesicht des Fremden sehen. Er wusste, dass es wichtig war. Er starrte und starrte, während die Schlange vor ihm kürzer und kürzer wurde. Alles an diesem Mann kam ihm bekannt vor: Seine Haltung, das Haar, die Art, auf die sich seine Finger bewegten. Cloud war wie hypnotisiert. Er musste das Gesicht des Fremden sehen, auch wenn er dunkel ahnte, dass er bereits wusste, wer es war. Ein Name lag ihm auf der Zunge. Er wollte rufen, aber die Laute entzogen sich seinem bewussten Zugriff.

Dann, plötzlich, bekam der Fremde von seinem Sitznachbarn einen Schlag auf den Rücken versetzt, der ihn so unerwartet traf, dass er mit dem Gesicht voran in die Müslischüssel fiel. Welche Motivation hinter diesem Angriff stand, war für Cloud nicht zu erkennen, doch den fröhlichen Gesichtern nach zu schließen, musste es ein Scherz gewesen sein. Und nur Cloud war nicht nach Lachen zu Mute, als der Fremde aus dem Müsli auftauchte und er unter einer dünnen Schicht von Haferflocken, Rosinen und Apfelstückchen Züge ausmachte, die er bislang nur blutverschmiert und sterbend gekannt hatte.

Ein stechender Schmerz schoss wie eine Pistolenkugel in Clouds Schläfen.

„Zack“, keuchte er atemlos und ließ sein Tablett fallen.

Das Bild wurde von einem anderen überlagert. Der Fremde hatte ihm den Kopf zugewandt und lachte; Schnee fiel auf sein schwarzes Haar. Zu seiner rechten Seite erhob sich steil eine vereiste Bergwand, zur Linken fiel der Abgrund ab. Die Landschaft erinnerte Cloud an Nibelheim, aber es war nicht Nibelheim. Er kannte diese Landschaft nicht.

Cloud fühlte sich selbst lachen. Dann wandte sich der Fremde von ihm ab und rief jemandem, den er nicht sehen konnte, zu: „Gute Neuigkeiten, Tseng! Ich und …“ Er zögerte und sah Cloud fragend an. Dieser spürte plötzlich einen Helm auf seinem Kopf, wie ihn Kadetten nie trugen und setzte ihn ab.

Cloud“, erwiderte er, obwohl er sich vage bewusst war, dass das, was er sah, nicht real war. Zumindest noch nicht.

Ich und Cloud hier sind beide Hinterwäldler. O yeah!“, fuhr der Fremde vergnügt fort. Dann verblasste das Bild und machte Müsliresten über einer indignierten Miene Platz.
 

„Was darf’s sein?“, erkundigte sich die Frau hinter der Theke, die schon lange genug für Shinra arbeitete, um sich nicht über das absonderliche Benehmen anderer Angestellter zu wundern.

„Zack“, wiederholte Cloud leise. Er hatte kein Wort gehört und registrierte kaum die irritierten Blicke, die ihm die Kadetten vor und hinter ihm in der Schlange zuwarfen. Mechanisch bückte er sich nach seinem Tablett.

Die Frau hinter der Theke räusperte sich laut. „Was soll’s denn jetzt sein, Junge?“, wiederholte sie mit Nachdruck, aber Cloud hörte immer noch nicht zu. Endlich! Er hatte den SOLDATen aus seiner Vision gefunden. Es gab ihn wirklich!

„Sorry, hab keinen Hunger“, entschuldigte er sich hastig für seine Unaufmerksamkeit, bevor er sich aus der Schlange entfernte und wie magnetisch angezogen in die Ecke des Saales ging, in der die SOLDATen saßen. Er ließ sich ganz in der Nähe an einem freien Tisch nieder und tat sein bestes, ihr Gespräch zu belauschen. Nun, da er den Fremden – Zack – endlich gefunden hatte, durfte er ihn nicht mehr aus den Augen verlieren. Jetzt galt es, so viel über ihn in Erfahrung zu bringen wie möglich: Seinen Nachnamen, seinen Tagesablauf, seine Gewohnheiten, die Leute, mit denen er sich umgab. Wie sollte er ihn retten, wenn er nichts über ihn wusste? Wie sollte er herausfinden, was geschehen würde, wenn er die einzige Spur nicht verfolgte, die er hatte?

Cloud fühlte sich taub. In seinem Innern rangen Erleichterung und Glück mit einem dumpfen Gefühl furchtsamer Beklemmung um die Vorherrschaft. Er hatte ihn endlich gefunden.
 

Aber war er wirklich in der Lage, den Alptraum aufzuhalten?



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Onlyknow3
2014-01-19T19:47:14+00:00 19.01.2014 20:47
Schönes Kapitel, super das es weiter geht.Mach weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3


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