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Never a Hero

FF VII CC / Timetravel / Rebirth
von

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reward.

Gun betrachtete außergewöhnlich interessiert ihre Schuhe, bemerkte Genesis beiläufig und hoffte, dass er nicht ganz so leichenblass und schockiert aussah wie sie. Mach keinen Unsinn, hörte er Angeal sagen und bat in Gedanken um Vergebung, bevor er mit einem Nicken Tsengs Bitte gewährte. Was konnte schon groß passieren? Mit einem einzelnen Turk würde er notfalls problemlos fertig werden. Und das mulmige Gefühl in seinem Magen sagte ihm, dass er diese Angelegenheit nicht ungeklärt lassen konnte.
 

Sie brachen sofort auf und erreichten die Firma kaum dreißig Minuten später. Unterwegs hatten sie kaum ein Wort gesprochen und ebenso stumm trennte sich Gun von ihnen, sobald sie die Eingangshalle betraten. „Zu mir oder zu dir?“, hätte Genesis gerne gefragt, aber es war nicht die Zeit für Scherze und außerdem nahm Tseng ihm die Entscheidung ab, indem er im Aufzug die 47 drückte. Turk-Etage. Es war inzwischen schon recht spät, aber in vielen der Büros brannte noch Licht. Die Shinra-Gerüchteküche munkelte, dass Turks weder Feierabend noch Urlaub kannten und Genesis war geneigt, das zu glauben. Tseng führte ihn zu einem der wenigen Räume, in dem alles dunkel und still war und ein Blick auf das Schild an der Türe verriet ihm, dass es sein eigenes Büro war, wenn er es auch mit Gun teilte. Nach allem, was Tseng gesagt hatte, würde sie sich hier wohl so bald nicht mehr blicken lassen.

„Hier sind wir ungestört“, erklärte der Turk, sobald die Türe hinter Genesis ins Schloss gefallen war. „Direktor Veld hat ein Auge darauf, dass die Büros nicht abgehört werden. Ich habe es selbst überprüft.“ Er bot Genesis einen Stuhl an und zog dann einen zweiten heran. Genesis war dankbar, dass er nicht hinter einem der Schreibtische Platz genommen hatte. Er hätte sich wie in einem Verhör gefühlt.

„Heißt das, unsere Büros werden überwacht?“, versuchte er sich an ein bisschen Small Talk. Es würde Shinra ähnlich sehen, Angestellte auf allen Ebenen zu im Auge zu behalten, aber er konnte nicht so recht glauben, dass der Präsident dreist genug war, Order zu geben, die Führungsspitze von SOLDAT zu bespitzeln.

„Das kannst du nicht wissen, wenn du es nicht kontrollierst“, war Tsengs vage Antwort. „Hier ist zumindest alles sauber. Willst du einen Kaffee?“

Genesis schüttelte den Kopf und ließ desinteressiert den Blick über Grünpflanzen und Aktenordner schweifen, während er wünschte, dass Tseng endlich zur Sache kommen würde. Er fand sich außer Stande, das Thema anzuschneiden. Im Krieg einen Menschen zu töten war eine Sache – mit seinen Angehörigen darüber zu sprechen war eine andere. Am schlimmsten war aber, dass er Tsengs Vater kein Gesicht zuordnen konnte. Hatte er überhaupt bemerkt, dass dieser Mann gestorben war?

Tseng sagte nichts. Er hatte sich einen Kaffee geholt und sich wie selbstverständlich zu Genesis gesetzt. Zum Mörder seines Vaters. Und da war kein Hass in seinen Augen, keine Wut, aber auch kein Wohlwollen. Nichts. Genesis verabscheute Turks.

„Stimmt es, was du vorhin gesagt hast?“, wagte er schließlich die Flucht nach vorn und versuchte krampfhaft, das schöne Puppengesicht nicht allzu offen anzustarren und dennoch keine noch so kleine Regung darin zu verpassen, die vielleicht endlich Aufschluss über die wahren Motive dieses Mannes gab. „Hab ich wirklich deinen Vater getötet?“

„Ja“, bestätigte Tseng und sein Tonfall blieb frustrierend geschäftlich. „Ich habe bereits vor etwas über einem Jahr Nachricht erhalten, dass er im Krieg gefallen ist. Ein alter Nachbar meiner Eltern hat ein Foto von dem Mann geschickt, der ihn umgebracht hat. Ich habe dich sofort erkannt. Seitdem warte ich auf eine Gelegenheit, mich zu bedanken, aber an Kommandant Rhapsodos komme auch ich nicht ohne guten Grund heran. Der Präsident hält seine Kriegshelden gerne unter Verschluss, scheint mir.“

So sehr er sich auch bemühte – Genesis konnte nicht richtig verarbeiten, was er zu hören bekam. Er mochte seinen eigenen sogenannten Vater selbst nicht besonders gerne, aber seinem Mörder danken? Stand dem nicht wenigstens – er schob den Gedanken auf Angeals unheilvollen Einfluss – die Familienehre entgegen?

„Mein Vater war ein Bastard“, erläuterte Tseng, als hätte er Genesis‘ Gedanken erraten. „Ein Säufer, ein Spieler, unbeherrscht, gewalttätig und dumm.“ Die nüchterne, schonungslose Aufzählung von Fakten ließ Genesis die Haare zu Berge stehen. „Wenn der Wutai-Krieg nicht stattgefunden hätte, hätte er unser ganzes Dorf ins Verderben gestürzt. Ich hatte eine Mutter und einen kleinen Bruder und sie haben ihn beide nicht überlebt. Es ist eine große Erleichterung für mich, zu wissen, dass er tot ist.“

„Das tut mir leid“, sagte Genesis, weil er keine Ahnung hatte, was er sonst sagen hätte sagen sollen und noch weniger Ahnung, wie viel von all dem er glauben sollte. Wenn er ganz ehrlich war, machte Tseng ihm ein bisschen Angst. Der Turk saß sehr aufrecht und wirkte im grellen, künstlichen Licht der Schreibtischlampe noch blasser und unechter als zuvor. Genesis‘ Sinne waren viel feiner als die eines normalen Menschen, doch er konnte an Tseng nichts sehen, nichts hören oder riechen, was auf irgendeine Form von Emotion hingedeutet hätte. Er wollte nicht nach Details aus der Vergangenheit des Turks fragen, auch wenn der mehr als bereit zu sein schien, eine Menge zu erzählen – aus Angst, noch mehr von dieser unheimlichen, perfekten Gefühlskälte zu sehen. „Ich kann mich nicht erinnern“, gab er stattdessen zu.

Tseng winkte ab. Offenbar spielte das keine Rolle.

„Warum erzählst du mir das alles?“, fragte er, was ihm wirklich auf der Zunge brannte und meinte, kurzzeitig so etwas wie Unverständnis in Tsengs Miene lesen zu können. Gerade so, als wäre die Frage völlig absurd.

„Es ist kein Geheimnis“, entgegnete der Turk, als wäre das an sich schon Erklärung genug. „Und ich will, dass du es weißt. Für mich liegt das alles in der Vergangenheit – es bedeutet nicht mehr viel. Aber für die Leute in meinem Dorf ist Genesis Rhapsodos ein großer Held.“

Genesis dachte an das Plakat von Sephiroth. Er dachte an brennende Dörfer, versengte Wälder und Schlachtfelder voll aufgedunsener, verwesender Leichen. Er dachte an die Notwendigkeit des Kriegs, an die Leichtigkeit, mit der Shinra ihn gewann und den Hass in den Augen der Überlebenden, die schon logistisch nicht in der Lage waren, ihre Toten zu begraben. Tsengs Worte hingen wie ein Fremdkörper über der Szenerie.

„Ich denke, ich sollte jetzt gehen“, bestimmte er, fand aber nicht gleich die Kraft, sich von der Stelle zu bewegen. Tseng stellte seine Kaffeetasse ab und beobachtete ihn schweigend. Abwartend. Seine Finger hatten in einer angenehm menschlichen Regung angefangen, mit den Akten auf dem Tisch zu spielen und erst, als Genesis es fertig brachte, die Augen abzuwenden, kamen sie auf dem dicken Ledereinband eines alten Buches zur Ruhe. Genesis schob den Stuhl zurück und stand auf. Es bereitete ihm Mühe, dem Drang zu widerstehen, rückwärts aus dem Zimmer zu gehen, um bloß keine Angriffsfläche zu bieten. Sein Verstand sagte ihm, dass es albern war, sich von Tsengs kalter Art und seinem seltsamen Anliegen so sehr beeindrucken zu lassen – Sephiroth etwa legte oft ein ähnliches Verhalten an den Tag und Sephiroth war noch ein Kind. Aber er konnte die Unsicherheit nicht ganz unterdrücken. Er konnte sich nicht erinnern, sich in der Gegenwart eines anderen Turks jemals so unterlegen, so nackt gefühlt zu haben. Nicht einmal Veld hatte diesen Effekt.

Es war wirklich schwer, Tseng aus dem Blick zu lassen, und als es gelang, war Genesis versucht, zur Türe zu sprinten. Und vielleicht wäre es gut gewesen, wenn er nicht auf seinen Stolz gehört und dem Drang einfach nachgegeben hätte.

Er hatte die Türe beinahe erreicht, als er hörte, wie ein zweiter Stuhl zurückgeschoben wurde. Das Licht ging aus. Leise, sehr, sehr leise Schritte folgten.

„Genesis.“

Die Stimme klang viel zu nahe an seinem Ohr, näher, als er erwartet hätte. Tsengs Atem in seinem Nacken ließ ihm die Haare zu Berge stehen und vielleicht war es ein Fehler, zu reagieren. Vielleicht wäre nichts passiert, wenn er den Kopf nicht gedreht hätte – aber er drehte den Kopf und einen Wimpernschlag später fand er sich mit dem Rücken zur Wand, die Hände in eisernem Griff gefesselt. Fremde Lippen trafen sein Kinn, seine Wangen, seinen Mund; ein warmer, bebender Körper, eng an ihn gepresst. Er hätte nicht sagen können, warum er sich nicht befreite. Es wäre einfach gewesen. Vielleicht war es die Entschlossenheit, mit der Tseng ihn nicht gehen ließ, vielleicht die kribbelnde Hitze in seinen Gliedern, vielleicht die schiere Surrealität der Szene. Vielleicht die immense Überraschung, keine Marmorstatue in den Armen zu halten, sondern einen Menschen – nicht kalt, ganz warm; weich und verlangend.

Seine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit des fensterlosen Raumes, doch in diesem Kampf bot es ihm keinen Vorteil. Tsengs Haut leuchtete weiß, dort, wo Genesis ihm das Hemd von den Schultern gestreift hatte und rot an den Stellen, die seine Zähne erreicht hatten. Die schreckliche Leere war aus seinen Augen verschwunden und war etwas anderem gewichen, das Genesis nicht verstand. Er wäre nicht in der Lage gewesen, darüber nachzudenken. ‚Mach keinen Unsinn‘, wiederholte Angeals Stimme in seinem Kopf und ihm wurde so heiß, dass er es kaum mehr ertragen konnte.

Eine Lawine von Aktenordnern ging zu Boden, als Tseng ihn über seinen Schreibtisch beugte und die Küsse tiefer wanderten und als er nach viel zu kurzer Zeit wieder aus einem Zustand fiebriger Gedankenlosigkeit erwachte, lag sein Kopf auf dem Buch mit dem dicken Ledereinband. Er konnte in dieser Nähe den Titel nicht lesen und im Moment war es ihm auch egal. Er konnte später nachsehen. Erschöpft richtete er sich auf und ließ sich auf einen Schreibtischstuhl fallen, unfähig, seine zitternden Beine weiter als einen halben Meter zu bewegen. Überrascht stellte er fest, dass Tseng schon wieder halb angezogen war und auch die Maske völliger Ausdruckslosigkeit wieder aufgesetzt hatte, obwohl es noch immer stockdunkel war. Er beschloss, es zu ignorieren.

„Bist du sicher, dass eure Büros nicht abgehört werden?“, fragte er etwas atemlos und freute sich, als er Tseng lächeln sah. Es war sicher nicht für ihn gedacht – er konnte nicht einmal sagen, ob Tseng klar war, wie viel er in völliger Finsternis tatsächlich sehen konnte – aber es tröstete über die verdammte Maske hinweg.

„Mach dir keine Sorgen. Niemand wird jemals hiervon erfahren.“

Genesis nickte geistesabwesend und sah sich nach seinen Kleidern um. Er wusste nicht, wie spät es war, aber es war mit Sicherheit Zeit zu gehen. Was immer gerade zwischen ihnen passiert war – es war vorbei und würde wahrscheinlich keine Wiederholung finden.

„Ich nehme an, du willst immer noch keinen Kaffee.“ Es war keine Frage und Genesis verzichtete auf eine Antwort. Wenn überhaupt, würde er zu Hause einen trinken. Hier hatte er nichts mehr verloren. Außer…

„Was ist das für ein Buch?“, fragte er, wartete aber keine Antwort ab, bevor er es aufhob und darin zu blättern begann. Es war zweisprachig. Eine Spalte Wutainesich, die andere in Übersetzung.

„Welches Buch?“

„Das auf deinem Schreibtisch.“ Er las ein paar willkürlich herausgegriffene Zeilen vor: „Legenden werden erzählen von einem Opfer am Ende der Welt. Der Wind streicht über die Wasseroberfläche. Sanft, doch mit Gewissheit.“

Tseng zeigte sich unbeeindruckt von der Schönheit der Verse. „Das ist aus dem Erbe meines Vaters. Ein altes Theaterstück namens ‚Loveless‘. Wie die Straße in Sektor 8. Wenn du willst, kannst du es haben. Hier nimmt es nur Platz weg.“

Genesis nickte, ließ seine Hand sanft über den Einband gleiten und nahm es mit.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yurii-chan
2013-07-02T11:21:15+00:00 02.07.2013 13:21
Oha O.O
JETZT sind wir bei dem Boyslove-Teil angekommen!! Bis ich gerallt hatte, dass die beiden mehr als nur sich gegenseitig abgeleckt haben... xD Ich hab ehrlich gesagt nicht gedacht, dass zu einem Tseng so einer ist (dass er als Dank(?) mit dem Mörder seines Vaters sowas macht) und zum Anderen dass die Beiden sich je so nahe kommen würden.
Ja, und "Loveless" kommt ins Spiel ^^ Die Zeilen hieraus sind wunderbar. Auch wenn ich mir das ganze vom Text her nicht als Theaterstück vorstellen kann.

Egal. Das hier war eine wirklich unerwartete Wende, die mir gefällt. Jetzt würde ich nur zugern wissen, wie es weiter geht.

LG Yurii-chan
Antwort von:  cork-tip
06.07.2013 10:13
Moin!

Wieder, immer wieder Danke für deinen Kommentar. :-)
Ja, komische Sache, das. Mal sehen, was daraus noch wird. Unerwartet war beabsichtigt. Und solche Szenen schreiben kann ich leider nicht sehr gut, weshalb ich es größtenteils unterlassen habe. Sorry.
Zunächst einmal war die Begegnung wichtig, um Genesis Loveless nahe zu bringen, das ich aus mir unbekannten Gründen zum Theaterstück gemacht habe. Eigentlich gehört es ja eher in die Ecke Epos / Heldenepos, da hast du Recht. Ich konnte es mir trotzdem ganz gut als Drama auf der Bühne vorstellen. Ein Erzähler trägt vor, während stumm eine Handlung gespielt wird, die je nach Intendant und Interpretation variiert ...
Tsengs Gedanken und Beweggründe werden leider erst später aufgeklärt werden. Als nächstes kommt erst nochmal ein bisschen Cloud.^^

LG, cork-tip


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